Dass ich dumm war, wusste ich ja mittlerweile. Einige Tage später war schließlich besagtes Fest. Ich hatte Angst. Ginny war noch immer nicht aufgetaucht, also würden wir zu Dumbledore gehen müssen und ich würde mein Leben riskieren müssen, um sie zu retten.
Da auch Lehrer helfen würden, würde Snape mitkommen. Wir würden in einem kleinen Zelt hausen, da mit uns beiden niemand anderes ein Zelt teilen wollen würde. Dabei würden wir uns wieder näher kommen, da es Nachts sehr kalt sein würde und wir uns gegenseitig wärmen müssten.
Tolle Aussichten.
Ja, Snape. Das war so eine Sache, mit ihm. Er war noch immer nett zu mir, klar. Er hatte schließlich Schiss, dass ich doch noch zu Dumbledore rennen würde. Aber seit er mich mit Hardy gesehen hatte, war er irgendwie anders. Es kam mir blöd vor zu denken, er sei eifersüchtig.
Natürlich konnte ich mir nicht sicher sein, schließlich konnte ich nur vor seinen Kopf gucken, nicht hinein.
Vielleicht war er ja im Inneren der sentimentale, gute Kerl, der in seiner Jugend die Liebe seines Lebens gefunden hatte und diese ihn nicht wollte, er verletzt war aber in mir etwas sah, was ihn an sie erinnerte und meine Zuneigung so etwas für ihn war, wie ihre verlorene Zuneigung.
Dieser Gedanke schien mir ziemlich abwegig.
Außerdem, und das durfte ich nicht vergessen, was Snape ein Todesser. Ja, ich war mich sicher, ich hatte es schließlich gesehen. Und ich war mich auch sicher, dass man nicht einfach so aufhören konnte, Todesser zu sein, also musste er noch immer einer sein.
Ich fragte mich, ob Dumbledore es wusste und ich fragte mich, ob es, wenn er es nicht wusste, meine Pflicht war, es ihm zu sagen. Allerdings fiel mir partout keine Ausrede ein, woher ich das wissen könnte.
„Ich hab ihn zufällig nackt gesehen“ hörte sich blöd an. Und ziemlich unwahrscheinlich.
„Ihm ist im Unterricht zufällig der Ärmel hochgerutscht“ war aber noch blöder. Wenn er wirklich böse war und Dumbledore es wirklich nicht wusste, war es klar, dass er alles daran setzen würde, dass so etwas nicht passierte. Wenn doch gab es einige gute Vergessenszauber.
Es würde also auf die Wahrheit hinauslaufen. Ich würde alles beichten müssen.
Und wenn Snape dann gut war und Dumbledores Spion bei den Todessern, würde er trotzdem von der Schule geworfen, weil er mit mir geschlafen hatte. Und dann hätte ich sein Leben zerstört, sein Leben, als guter Mensch, der sein Leben riskierte, um für Dumbledore zu spionieren.
Also würde ich Dumbledore nichts sagen. Aber ich hatte mir überlegt erst einmal zu Snape zu gehen und nach Ginny zu fragen, bevor wir zu Dumbledore gehen würden.
Allein. In sein Büro.
Bei dem Gedanken daran, was in dieser Situation das letzte Mal passiert war, drehte sich mir der Magen um. Dieses Intermezzo auf seinem Schreibtisch... Das würde ich nicht wiederholen. Okay, wenn ich dafür Informationen kriegen würde...
Todesser-Insider-Infos, sozusagen.
Ich war überrascht, wie weit ich gehen würde, um dieser Suche aus dem Weg zu gehen. Meinen Körper an Snape zu verkaufen schien mir nicht erstrebenswert.
Langsam fing ich an an meiner Zurechnungsfähigkeit zu zweifeln.
Ich hatte Sex mit Snape gehabt. Okay, ich hatte nichts gewusst, dass er mein Lehrer war und so. Aber dieser Vorfall in seinem Büro, beim Nachsitzen, der hätte nicht sein müssen.
Dann diese Sache mit Hardy. Hardy, den ich erst Arschloch genannt hatte, dann aber fast geküsst. Obwohl ich es hätte besser wissen müssen, obwohl mein Kopf mir etwas anderes sagte. Selbst mein Herz schrie „NEIN!“, sobald ich ihm begegnete. Aber mein Verstand schien nicht funktionieren, sobald er lächelte.
„Kommst du Julia?“, fragte mich Hermine. Sie, Harry und Ron wollten schon ein bisschen früher zum Halloween Fest gehen, um gute Plätze zu bekommen. Nah am Lehrertisch, um den Weg zu Dumbledore zu verkürzen und vielleicht ein Gespräch der Lehrer belauschen zu können. Völliger Blödsinn, meiner Meinung nach. Immerhin war es in der Halle für gewöhnlich nicht leise.
Ich riss meinen Blick vom Kaminfeuer los und stand auf.
Die Stimmung unter den dreien war, als würden wir zu einer Beerdigung gehen.
Ginny war weg und keiner der Lehrer hatte sich dazu hinreißen lassen, etwas dazu zu sagen. Natürlich hatten wir sie darauf angesprochen, aber niemand hatte etwas sagen wollen.
Tatsächlich war noch niemand in der großen Halle, als wir uns ganz nach vorn an den Gryffindortisch setzten. Die Tische waren bereits gedeckt, aber noch kein Schüler war anwesend.
„Ginny ist immer noch nicht wieder aufgetaucht...“, sagte Ron, bestimmt zum tausendsten Mal. Heute. Ich nickte bloß. Ich hatte keine Lust mehr auf das Thema. Es kam ja immer nur das Selbe.
„Wir gehen zu Dumbledore, gleich nach dem Fest“, sagte Harry den Satz, den er schon den ganzen Tag antwortete. Dies schien ihm nichts auszumachen, es schien ihn sogar in seiner Meinung zu festigen.
Allmählich füllte sich die Halle. Die meisten Schüler schienen eher zu früh als zu spät kommen wollen. Scheinbar hatten sie Angst, bei dem tollen Festessen keinen Platz zu bekommen. Natürlich gab es mehr als genug Platz in der Halle.
Auch am Lehrertisch saßen bereits einige Lehrer. Hardy zum Beispiel. Er sah heute ganz besonders gut aus. Ja, gut, ich war nicht sehr subjektiv in dieser Beurteilung, aber er sah wirklich gut aus. Er trug einen wunderschönen Festumhang, keine Ahnung, wieso.
Ich meine, alle anderen trugen ihre normale Kleidung. Snape zum Beispiel. Er hatte es scheinbar nicht einmal für nötig gehalten sie die Haare zu waschen.
Ich war mir nicht sicher, ob es überhaupt so etwas wie ein Badezimmer im Kerker gab.
Wenn man ihn genau ansah hätten seine fettigen Haare genauso gut Absicht sein können. Ich meine, so schön ordentlich, wie die einzelnen Strähnen in sein Gesicht fielen, das war schon fast ein Kunstwerk.
Mittlerweile war das Fest in vollem Gange. Und es war wirklich ein Festessen. Die Speisen, die es gab, waren einfach unglaublich.
Es gab alles. Braten, Nudeln, Steak, Kartoffeln, ja sogar Lasagne. Tausende Salate, auch wenn die außer mir keiner anzurühren schien. Ron aß bestimmt schon sein zwanzigstes Hühnerbein, Harry schien ganz besonders auf die Kartoffelpuffer abzufahren.
Hermine aß relativ wenig, sie schien pausenlos nachzudenken. Wie immer also. Hermine schien immer nachzudenken. Keine Ahnung worüber, oder warum.
„Was sollen wir Dumbledore denn sagen?“, fragte sie plötzlich. Ich sah sie an. Das war ja mal eine gute Frage. Ehrlich gesagt hatte ich noch nicht darüber nachgedacht. Ehrlich gesagt hatte ich fest damit gerechnet, dass Ginny wieder auftauchen würde.
Naja, ich hatte es gehofft.
Auch Harry starrte Hermine an. So weit hatte scheinbar niemand gedacht.
„Ich denke... wir sollten einfach sagen, was wir wissen“, sagte er langsam.
„Was wissen wir denn?“, fragte ich erstaunt.
Harry, Ron und Hermine warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu. Scheinbar wussten sie etwas, was ich nicht wusste. Wieder einmal wurde mir klar, dass die drei eine Einheit waren, zu der ich nicht gehörte.
Das „Goldene Trio“ konnte scheinbar kein „Goldenes Quartett“ sein.
„Harry?“, fragte ich noch einmal. Wenn ich schon bei der Suche nach Ginny helfen würde, sollte ich wenigstens alles wissen, was sie auch wussten.
„Wir... wir glauben etwas zu wissen... Wie die Todesser-“ „Harry“, fuhr Hermine dazwischen.
Ich starrte sie ungläubig an. Hatte sie ihm gerade tatsächlich verboten mir zu sagen, was sie wussten? Das konnte nicht sein, nicht Hermine. Ich war mit ihr doch immer am besten ausgekommen, oder nicht?
Nein, eigentlich nicht. Ich war mit Jungs schon immer besser klargekommen. Mädchen waren mir einfach viel zu zickig.
Hermine war dabei scheinbar keine Ausnahme. Offenbar konnte sie mich nicht als Mitglied der Gruppe akzeptieren.
Jetzt sah Ron Hermine vorwurfsvoll an.
„Hermine, traust du Julia nicht?“, fragte er. Er klang extrem ernst, für seine Verhältnisse wahrscheinlich zu ernst.
Hermine sah zur Seite.
„Doch, schon... Aber es ist nur eine Theorie“, sagte sie schließlich.
„Eine Theorie?“, hakte ich nach. „Worüber denn?“
„Wir glauben, dass Draco Malfoy etwas mit der Sache zu tun haben könnte“, flüsterte Harry.
„Malfoy?!“, sagte ich, wohl etwas zu laut.
„Psst!“, machte Ron.
„Ja, Malfoy. Ich beobachte ihn regelmäßig... Und manchmal verschwindet er einfach, für Stunden“, fuhr Harry fort.
„Wie, er verschwindet?“ Ich verstand es nicht ganz. Wie konnte Harry Malfoy beobachten?
„Nun, er verschwindet von... der Karte. Er ist weg, wir wissen nicht, was er tut. Außerdem ist Harry sich sicher, dass Malfoy Todesser ist“, flüsterte Hermine.
„Von welcher Karte?“ Ich verstand es immer noch nicht.
„Der Karte des Rumtreibers. Meine Karte, die ganz Hogwarts zeigt und alle Bewohner. Ich zeig sie dir nachher. Jedenfalls ist er manchmal einfach für Stunden weg“, flüsterte Harry, nun scheinbar glücklich darüber, dass ich Interesse an seiner Malfoy-ist-Todesser-Theorie zeigte.
„Sein Vater ist Todesser und wir sind uns sicher, dass er auch einer ist.“
Mhm. Malfoy. Todesser. Würde passen. Ja, die Idee klang nicht allzu dumm.
„Wenn das so ist sollte Dumbledore das wissen. Auch, dass Malfoy verschwindet. Ich meine, man darf ja das Schulgelände nicht verlassen“, murmelte ich, mehr zu mir selbst als zu den anderen. Doch Harry nickte heftig und auch Ron stimmte mir zu.
Scheinbar waren sie sehr davon überzeugt, dass Malfoy, wenn er in der Lage war selbst aus dem Schloss zu verschwinden auch in der Lage war jemand anderes verschwinden zu lassen.
Ginny zum Beispiel.
Eine Weile aßen wir schweigend weiter. Das Fest neigte sich langsam seinem Ende zu. Es war spät, die allgemeine Stimmung war gut, gleich würden wir zu Dumbledore gehen.
Wir hatten uns vorgenommen zu warten, bis alle anderen die Halle verlassen hatten und dann einfach mit ihm zu sprechen.
Wenn er schon vorher gehen würde, würden wir ihm in sein Büro folgen.
Mein Plan, zuerst zu Snape zu gehen, war noch immer in meinem Hinterkopf. Allerdings wusste ich nicht, wie ich es den anderen sagen sollte.
Sie waren gerade sehr ehrlich zu mir gewesen, sie jetzt zu belügen schien mir falsch. Aber dann wusste ich nicht, was ich sagen sollte, denn ich wusste nicht, ob sie wussten, dass Snape ein Todesser war und ich konnte auch ihnen nicht erklären woher ich es wusste.
Plötzlich öffneten sich die Türen zur großen Halle. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und starrte zu Tür, so wie alle anwesenden. Auf einmal war es sehr still in der Halle.
In der Tür stand eine Gestalt. Es war keine große Gestalt, eher klein. Sie trug ein weißes Nachthemd, so, wie man es im Krankenflügel bekam. Ihr rotes Haar war mit irgendetwas verklebt und sah ungepflegt aus.
Man konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ich wusste trotzdem, wer das war. Und mein Herz machte einen Sprung.
Jetzt sah sie auf. Ihr Gesicht war dreckig, sie war offensichtlich verletzt, in ihrem Gesicht waren dutzende Kratzer und Blutergüsse.
Sie war blass. Irgendwie lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich erkannte sie, klar, wer hätte es denn sonst sein sollen?
„Hilfe“, flüsterte sie nun, sehr leise. Trotzdem hörte es jeder, das in der Halle eine Totenstille herrschte.
In der nächsten Sekunde kippte Ginny um und blieb regungslos am Boden liegen.
TBC
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Als ich das erste Harry-Potter-Buch las, habe ich mir meinen Bademantel angezogen und so getan, als ob ich Harry wäre. Ich rannte im ganzen Haus herum uuund... kann nicht fassen, dass ich das gerade erzählt habe.