Er war nicht ehrlich gewesen, er hatte mir nicht gesagt, wer Lily war. Ich war mir mittlerweile ziemlich sicher, dass ich mit meiner Vermutung Recht hatte. Diese Lily war seine vergangene Liebe, daran zweifelte ich nicht mehr. Warum er mir das allerdings nicht erzählte verstand ich nicht so wirklich.
Okay, ich war nicht seine Freundin oder so etwas ähnliches. Aber trotzdem. Wir hatten Sex, sogar fast noch ein zweites Mal.
„Du schmeckst nach Orangensaft.“ Was war das denn bitte für eine Aussage? Ich meine, wen interessierte das denn bitte in so einer Situation? Mich jedenfalls nicht!
Ich drehte mich auf die andere Seite. Im Bett neben mir schlief Hermine bereits. Ich fragte mich, das wievielte Mal ich jetzt schon Nachts wach lag und mich von links nach rechts wälzte. Ich konnte einfach nicht schlafen. Die anderen schienen nie solche Probleme zu haben. Gut, ich nahm auch nicht an, dass Hermine, Parvati oder Lavender jemals Sex mit einem Lehrer (oder irgendeinem anderen) gehabt hatten und meine Probleme nicht kannten. Obwohl ich mir bei Lavender, nach allem, was ich über die gehört hatte, nicht sicher war. Auf jeden Fall war ich mir sicher, dass sie gern mit einem Lehrer geschlafen hätte. Also, mit Hardy. Nicht mit Snape.
Hardy. Ich seufzte und drehte mich wieder auf die andere Seite. Warum fĂĽhrte jeder Gedankengang automatisch irgendwann zu ihm?
Klar, er war toll. Niamh hatte ich gemocht. Ob sie Severus auch gemocht hätte? Jedenfalls hatte sie mir dazu geraten ihn zu nehmen, wenn ich ihn wirklich liebte. Allerdings hatte sie mir nicht sagen können, ob ich ihn wirklich liebte. Mal abgesehen davon, dass ich das selbst nicht wusste, und es deshalb auch kein anderer wissen konnte, war Ni noch nie verliebt gewesen.
Auf diesem Gebiet hatte sie also keine Erfahrung.
Klar, sie hatte einige Freunde gehabt, aber diese nie lange. Ihre längste Beziehung dauerte einen Monat. Sie hatte nie wirkliche Gefühle entwickelt.
Wenn man mal drĂĽber nachdenkt... war das echt verdammt traurig. Nie wirklich verliebt sein... War ich denn schon einmal wirklich verliebt gewesen?
Es war schwer zu sagen, ob ich Severus liebte, wenn ich dieses GefĂĽhl, Liebe, noch nie gefĂĽhlt hatte. Wie sollte ich da wissen, was ich fĂĽhlte?
Aber ich hatte Gregor geliebt. Irgendwie, meine ich. Zum einen sah er unheimlich gut aus – ich liebte seine dunklen Wuschel-Haare. Und er war auch wirklich nett gewesen. Bis auf diese eine Sache...
Das selbe galt eigentlich ja auch fĂĽr Severus. Er war auch nett gewesen, wirklich.
Ich schnaubte. Ja, er war nett gewesen, bis auf diese eine Sache – auch mit einer Rothaarigen. Die Ironie des ganzen fiel mir jetzt erst auf. Irgendwie hatte ich ja schon Pech mit Rothaarigen. Erst Emma, dann Ginny, jetzt Lily.
Ich seufzte. Noch einmal musste ich ĂĽber Niamhs Worte nachdenken.
„Nimm diesen Snape, wenn du ihn liebst und werde glücklich. Scheiß auf die anderen. Wenn du das wirklich willst – tu es. Und gib mir Hardy“
Bei dem Gedanken an die letzten Worte musste ich grinsen. Niamh und Hardy – was für ein Paar.
Mein Lächeln verblasste allerdings sofort wieder, als ich an den ersten Teil des Satzes dachte.
Ich sollte Snape nehmen. Als ob ich die Wahl hätte. Als ob er auf mich warten würde. Als ob es ihn interessieren würde.
Ich war mir sicher, dass ich ihn interessierte. Er war in Siegfrieds Laden gewesen und – verdammt nochmal – er hatte sich entschuldigt. Ich wollte eigentlich nicht mehr sauer sein, diese Geste bedeutete mir schon so viel... zu viel.
Aber ich war mir auch nicht sicher, wie viel von dieser Zuneigung gespielt war. Ja, ich war paranoid und nein, ich konnte nicht einfach glauben, dass er mich... mochte. Meine Gedanken kreisten ständig um den einen Punkt, warum er wollen könnte, dass ich ihn mag: er wollte mein Schweigen sichern. Seinen Job, seine Existenz, seine Zukunft.
Wieder drehte ich mich auf die andere Seite. Heute Nachmittag... Ich war mir nicht sicher, ob er sich noch einmal entschuldigen würde. Nach diesem dämlichen Orangensaft-Spruch hatte ich mit so ziemlich allem, was ich erreichen konnte, nach ihm geworfen. Nichts, was ihn wirklich ernsthaft verletzt hätte, nur Kleidung und Kissen.
Aber es hatte den gewĂĽnschten Effekt, er war gegangen. Geflohen. Gut, das hatte mir jetzt auch nicht besonders gut getan. Ich hatte geweint, schon wieder.
Und jetzt – verdammt – spürte ich schon wieder Tränen in meinen Augen. Verdammt! Seit wann war ich denn so nah am Wasser gebaut? Und seit wann benutzte ich solche Sprichwörter um meinen Zustand auszudrücken?
Ich musste lachen. Es war irgendwie ein selbst-ironisches Lachen.
„Wie armselig, Julia“, murmelte ich. So kam es, dass ich trotz allem mit einem Lächeln auf den Lippen einschlief.
Ich erwachte Sonntag relativ früh. Früher als erwartet – aber nicht zu früh. Vor dem Quidditchtraining hatte ich noch genug Zeit zu duschen, mir in alle Ruhe anzuziehen und zu frühstücken. Um zehn Uhr stand ich fertig umgezogen, mit meinem Besen in der Hand auf dem Feld.
Um zehn nach zehn kam Harry. Kurz danach kamen Ron und Ginny, diese war noch immer sauer auf Harry und, wie ich zu meinem Erstaunen feststellte, auch auf mich. Als Chloe, Dean und Joshua auch endlich da waren, fingen wir mit dem Training an.
„Okay, Leute, versucht einfach mal ein paar der Manöver, die wir gelernt haben. Nur um wieder rein zukommen!“, schrie Harry quer übers Feld.
Also begann ich eines der Manöver. Joshua erkannte sofort, welches ich flog und imitierte mich so perfekt, dass wir genau das selbe taten. Für Treiber natürlich gut.
Wir waren echt ein gutes Team.
„Pass auf, Josh!“, schrie ich, als ich einen großen roten Ball auf seinen Kopf zufliegen sah.
Er duckte sich gerade noch rechtzeitig.
„Scheiße, was war das denn?!“, schrie er. Hinter Joshua sah ich Ginny, die Augenbrauen zusammengezogen, wie sie mich voller Hass anstarrte. Dieser Ball war nicht für Josh bestimmt gewesen. Sondern für mich.
„Pass auf, wo du hin zielst, Gin!“, schrie ich ihr zu. Sie sah nur noch wütender aus. Ich musste ein Lachen unterdrücken.
Ihr nächster Ball verfehlte mich nur um einige Zentimeter. Josh, der genau neben mir geflogen war, hatte meinen Kopf gerade rechtzeitig nach unten gedrückt.
WĂĽtend flog ich auf Ginny zu.
„Sag mal, hast du ein Problem?“, fauchte ich, als sie in Höhrweite war. Joshua flog dicht hinter mir.
„Ob ich ein – OB ICH EIN PROBLEM HAB?!“, schrie Ginny, das Gesicht nun fast so rot wie ihre Haare.
Hinter Ginny sah ich Harry, Dean und Chloe auf uns zu fliegen, Ron dicht hinter ihnen.
„Das war meine Frage“, erwiderte ich ruhig.
So war das doch viel lustiger, als wenn ich mich auch aufregen wĂĽrde. Ich merkte, wie mein Verhalten Ginny noch wĂĽtender machte. Nur mit MĂĽhe konnte ich ein Lachen unterdrĂĽcken.
„Du bist mein Problem!“, schrie Ginny und flog näher an mich heran, die Spitzen unserer Besen berührten sich jetzt.
„Lass deine dreckigen Finger von Harry, sonst mach ich dich fertig!“
Ich schluckte. Nicht. Lachen. Jules.
Das kostete mich wirklich all meine Selbstbeherrschung.
„Also erstens“, sagte ich ruhig, „erstens sind meine Finger nicht dreckig. Da, guck.“ Ich hielt ihr meine Hand vor ihr Gesicht.
„Und zweitens hatte ich nicht vor irgendetwas mit Harry zu tun, was – nun, ich hatte nicht vor meine Finger nicht von ihm zu lassen.“
Beherrschung, Jules! Ginny wĂĽrde gleich explodieren.
„Und drittens“, jetzt musste ich mich wirklich zusammenreißen, nicht laut zu lachen, „würde ich durchaus gern einmal sehen, wie du mich fertig machst.“
Im nach hinein wusste ich, dass ich mir das „Drittens“ hätte sparen können. Ginny hatte ihren Zauberstab gezogen, mir einen Fluch auf den Hals gehetzt, ich war vom Besen gefallen, 10 Meter tief gefallen und lag jetzt im Krankenflügel.
Mir war nicht mehr nach Lachen zumute. Immerhin hatte Ginny eine Strafarbeit bekommen. Immerhin etwas. Und mir ging es auch schon wieder gut, jetzt, da alle meine Knochen wieder heil waren.
Scheiß Tag. Den ganzen restlichen Sonntag hatte ich im Krankenflügel verbracht. Bett ruhe. Schwachsinn. Immerhin hatte ich netten Besuch gehabt. Harry war vorbei gekommen und hatte sich ungefähr eintausend mal entschuldigt, für seine Freundin. Waren die beiden jetzt noch zusammen, oder nicht? Ich wusste es nicht, aber ich fand, dass Harry eine bessere verdient hätte. Weil Ginny mochte ich nach diesem Tag noch weniger.
Falls das überhaupt noch möglich war.
Ich hatte gerade das Abendessen gegessen, das Madame Pomfrey mir gebracht hatte, als ich auf dem Flur Schritte hörte.
Der Krankenflügel war leer – ich war der einzige „Gast“. Bekam ich schon wieder Besuch?
Nein, bekam ich nicht. Der erste, den ich sah, war Professor Dumbledore, der ein brünettes Mädchen stütze, das verletzt zu sein schien. Dahinter folgte eine kleine Gruppe, die aus mehreren Schülern und einigen Lehrern bestand.
Eine der SchĂĽlerinnen trug eine graue Jacke, die genau so aussah, wie...
„Niamh!“, schrie ich und sprang von meinem Bett. Das Mädchen sah auf. Ich erkannte sie, obwohl ihre Haare jetzt sehr kurz und schwarz waren, ganz anders als gestern.
Ich lief durch den Raum, auf sie zu.
„Julia“, flüsterte Ni.
„Was machst du denn hier?“, fragte sie mich.
„Das selbe könnte ich wohl dich fragen. Was geht hier – ist das Ciara?“, fragte ich, als ich plötzlich das Mädchen erkannte, das Dumbledore nun auf eines der Betten legte.
„Ni, was ist hier los?“, fragte ich. Ich hatte mir die anderen Schüler angesehen – alle nicht von unserer Schule, ungefähr fünfundzwanzig Jungen und Mädchen, alle unterschiedlich alt. Und alle sahen mitgenommen aus, die meisten waren dreckig und bluteten.
Die Lehrer, darunter – natürlich – auch Snape und Hardy, kümmerten sich um sie.
„Ist alles in Ordnung bei dir?“, fragte ich Ni. Sie sah mich an, sie weinte fast.
„Oh, Julia“, seufzte sie und umarmte mich.
„Es ist so schrecklich! Wir wurden angegriffen“, schluchzte sie. Zaghaft schob ich sie von mir, um sie ansehen zu können.
„Ganz ruhig, erzähl mir einfach alles.“
Und sie erzählte mir alles, was passiert war. Scheinbar war ihre Schule – meine alte Schule – von Todessern angegriffen worden. Diese Schüler, die jetzt hier im Krankenflügel saßen, waren die einzigen, die fliehen konnten. Niamh hatte sie nach Hogwarts geführt, sie hatte gesagt, in der Hoffnung, dass sie hier sicher wären.
Das Mädchen, das Dumbledore gestützt hatte, war tatsächlich Ciara. Ihr – und ihrem Baby – ging es nicht gut. Sie wurden minutenlang mit dem Cruciatus gefoltert.
Ich konnte es nicht glauben, meine alte Schule – meine alten Lehrer, meine früheren Freunde. Tot. Zerstört.
Dumbledore erlaubte ihnen zu bleiben, er und die anderen Lehrer kümmerten sich wirklich rührend um die verletzten und verstörten Schüler. Er versprach, dass sie jetzt in Sicherheit wären und ihnen nichts mehr passieren würde, solange sie hier blieben.
Wie sehr er sich doch irrte.
TBC
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