von Mrs. Granger
Die Musik klang laut in ihren Ohren und erfüllte den ganzen Raum. Sie hallte an den metallenen Wasserhähnen wieder und ließ das Wasser leicht vibrieren. Durch das offene Fenster kam eine leichte Brise Frühlingsluft herein. Als sie die Augen öffnete sah sie im Spiegel, wie die Sonne sich langsam dem Horizont näherte. Sie drehte den Kopf ein wenig und beobachtete den Plattenspieler, auf dem sich die Schallplatte fast beruhigend drehte. Ein lautes Pochen an der Tür ließ sie auffahren: „Hermine, mach die Tür auf. Wir wissen genau, was diese Musik bedeutet. Komm da raus und rede mit uns.“ Hermine schloss wieder die Augen und tastete neben der Badewanne auf einem kleinen Tischchen, bis sie das hölzerne Unikat erfühlt und es wortlos auf das Grammophon richtete. Die Musik wurde lauter und das anhaltende Pochen wurde übertönt. Mit dem Fuß hantierte sie an dem Wasserhahn am Ende der Badewanne und ließ neues warmes Wasser hinzulaufen. Die Wärme verbreitete sie wohlig im lauwarm gewordenen Wasser. Ein Blick zur Tür verriet ihr, dass Ron oder Harry wohl gerade den Alohomora versucht hatte: Kleine Funken waren durch das Schlüsselloch gestoben und sie glaubte einen leichten Aufschrei gehört zu haben. Geschah ihnen recht. Sie schloss wieder die Augen und atmete eine tiefe Brise der Luft ein. Sie musste ihren Kopf frei bekommen. Wieder klar werden. Aber wie sollte sie das tun? Ihre Träume, alles woran sie geglaubt hatte, waren zerplatzt. Ihre Karriere. Ihre Hoffnungen. Und ihre Liebe. Das Pochen an der Tür übertönte wieder die Musik. Hermine machte sie wieder lauter und als die ersten Tränen über ihre Wangen flossen tauchte sie im Wasser unter.
Das Grammophon knirschte, als sie die Nadel herunternahm. Sie hörte Grillen zirpen. Draußen war die Dunkelheit schon seit langem herein gebrochen. Hermine wickelte den Bademantel fester um ihren Körper, nahm ihren Zauberstab und öffnete die Tür. Ron stand vor ihr. Er sah zerknirscht aus und sie konnte deutlich das Muster der Wandtäfelung auf seiner Wange erkennen. Er hatte mit Sicherheit neben der Tür ausgeharrt. Ron legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie sah ihn durchdringend an. Sie wollte jetzt nicht reden. Nicht diskutieren. Sie wollte jetzt ihre Ruhe haben. „Trockne dir die Haare. Du holst dir noch den Tod.“ Hermine lächelte. Ihre Augen waren rot. „Ich mach dir einen Tee. Zieh dir was an und komm runter. Ginny, Harry und ich haben eine Überraschung für dich.“ Sie sah Ron mit einem leidigen Blick an. „Keine Widerrede.“ Ron küsste sie auf die Stirn und ging dann die Treppe runter. Hermine überquerte den Flur und betrat ihr Zimmer. Sie ging zum Fenster und öffnete es. Die nächtliche Luft und die Geräusche von draußen beruhigten sie. Sie sog noch einmal tief die Luft ein, dann wandte sie sich zum Schrank und zog einen Pullover und eine Hose heraus. Sie streifte sich beides über, nahm dann den Zauberstab aus dem eben abgelegten Bademantel und trocknete ihre Haare. Dann ging sie widerwillig die Treppe hinunter und betrat das Wohnzimmer. Die Terrassentür war weit geöffnet und draußen sah sie ein Feuer auf dem Rasen. Sie sah zwei Gestalten, die Hand in Hand Stockbrot über das Feuer hielten. Jemand tippte ihr von hinter auf die Schulter. „Würstchen?“ Ron hielt ihr einen Spieß mit gebratenen Würstchen entgegen. Hermine schüttelte den Kopf. Einen Moment schwiegen sie sich an. „Was wolltet ihr mir zeigen?“ Ron riss theatralisch die Augen auf: „Ein Wunder! Ein Wunder, sie hat gesprochen! Harry! Ginny! Sie kann reden!“ Hermine verdrehte die Augen und ließ sich missgelaunt auf die Couch fallen, als Ginny und Harry den Raum betraten. Erst jetzt bemerkte sie einen kleinen Viereckigen Kasten, der von einem roten Tuch verdeckt auf einer der Wohnzimmerkommoden stand. „Hermine, wir haben lange gebraucht, um das hier zu finden, aber es ist uns gelungen…“ Harry wurde von Ginny unterbrochen. „Genauer gesagt ist es Dad gelungen. Wir haben halt unsere ‚Special Connections’.“ Harry verdrehte die Augen. „Wie auch immer. Ich darf präsentieren…“ Ron trommelte hinter ihr auf das Sofa. Sie musste Grinsen. Harry packte das Tuch an einer Spitze und zog es weg. Unter dem Tuch tauchte ein kleiner Reisefernseher auf. Er schien uralt. „Ich weiß, er ist alt.“, gab Harry zu. „Aber mit einem Zauber hier und einem Sprüchlein da…“ „Wie neu!“, fügte Ginny hinzu. „Dann musst du nicht immer in die lästigen Coffee-Shops und bleibst trotzdem auf dem Laufenden.“ Hermine starrte ihre drei besten Freunde für einen Moment an. Dann brach sie in Tränen aus.
Sie konnte sich nicht mehr fangen, hickste und schluchzte haltlos. Ginny hatte sie in den Arm genommen und Ron und Harry strichen hin und wieder über ihre Haare. Ihr war klar, dass keiner von ihnen eine Ahnung hatte, was die unzusammenhängenden Sätze bedeuten sollten, die aus ihrem Mund sprudelten; aber ihr tat es gut es wenigstens zu versuchen. „Und dann und… er… ich… wir… dieser….“ Wieder brach sie ab. „Hermine, beruhig dich.“ Sie spürte wie Ron sie auf den Kopf küsste. Sie hörte Harry murmeln. „Ich mach ihr einen Tee. Mit viel, viel Firewhiskey.“ „Ich… aber---verdammt.“ Sie hörte auf sich an Ginny zu lehnen und ließ ihren Kopf auf ihre Knie sinken. Ihre Arme baumelten auf dem Teppich und sie riss einzelne Fuseln heraus. Auf ihrer anderen Seite ließ sich Ron nieder. Er und Ginny strichen über ihren Rücken. Sie atmete tief ein und aus. Sie zitterte immer noch am ganzen Körper, als sie sich langsam aufrichtete. Ginny und Ron sagten kein Wort. Hermine starrte an die gegenüberliegende Wand. „Heute ist der bei weitem schlimmste Tag in meinem Leben.“, krächzte sie. Jemand drückte ihr von hinten einen dampfenden Becher in die Hand. Harry setzte sich auf die Sofa-Lehne und sah sie nun ebenfalls an. „Das Ministerium hat mich rausgeschmissen. Sie meinen, meine Forschungen und mein Bemühen würden zu keinem Ergebnis führen und dass es eine reine Finanzenverschwendung sei.“ Sie hörte wie Ron und Ginny zischend ausatmeten. Hermine starrte weiter geradeaus. „Und Karl hat mich gebeten, meine Umzugskisten wieder bei ihm abzuholen. Unsere Beziehung sei zu Ende.“ Sie sah Ron an. Seine Augen hatten begonnen zu glänzen. Sie wusste, dass er sich das nicht anmerken lassen wollte, aber das waren für ihn die besten Nachrichten seit vier Jahren. „Wer hat dir gekündigt? Der Minister?“ „Nein, einer seiner Sekretäre… nicht Percy.“ Harry ging um das Sofa herum und ließ sich zwischen Ginny und Hermine fallen. Er schenkte Ginny einen liebevollen Blick, dann wandte er sich Hermine zu. „Meinst du Kingsley hat mich rauswerfen lassen?“ Harry dachte einen Moment nach. „Nein. Er hat mir neulich erst erzählt, dass er dir vertraut, trotz den Startschwierigkeiten. Er findet deine Idee toll. Außerdem meint er, Belfer sei ein Slogan, der sich einpräge.“ „B.Elfe.R!“, fauchte Hermine. Im nächsten Moment wollte sie sich wieder auf die Zunge beißen. Sie klang wie damals in der Schule. Wie sie Ron immer angefaucht hatte. Harry, Ron und Ginny lachten laut. „Vielleicht war es diese Art an mir, die Karl genervt hat.“ Ron und Harry sahen sie verwirrt an. „Okay Jungs, das war das Signal. Raus hier. Das ist Mädchensache.“ Harry stand auf und küsste Ginny auf den Mund, dann gab er Hermine einen Kuss auf die Wange. „Das wird wieder. Ich rede morgen mal mit Kingsley.“ Ron schien nicht aufstehen zu wollen. Als Hermine ihn an sah, schnellten seine Augen zwischen den ihren hin und her um darin etwas lesen zu können. Hermine blinzelte und sah weg. „Gute Nacht, Ron!“, sagte Ginny laut und sah ihren Bruder mit einem durchdringenden Blick an. Ron stand langsam auf und schlurfte ohne ein weiteres Wort aus dem Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse zu Harry, der bereits am Feuer stand. „Männlicher Instinkt. Feuer, Jagen, Weiber.“, murrte Ginny. Hermine lächelte ein wenig und nahm einen Schluck aus dem Becher. Sie hustete. Da war wirklich sehr viel Firewhiskey drin. „Zeig mal.“ Ginny schnappte ihr den Becher weg, nippte daran und hustete ebenfalls. „Harry, du bist ein Stümper!“, schrie sie nach draußen auf die Terrasse. „Ja Ginny, Schatz, ich liebe dich auch!“ Ginny lachte laut und warf ihr Haar nach hinten. Beide schwiegen. Hermine erinnerte es an den Anfang eines Gespräches, das sie vor fünf Jahren gehalten hatten. Die Erinnerung daran ließ ihren Herzmuskel krampfen. „Also, es ist alles abgeblasen? Die Hochzeit auch?“ „Wahrscheinlich.“, sagte Hermine. Sie war sich nicht sicher, ob es ihr wirklich um Karl Leid tat. Umso mehr sie darüber nach dachte wurde sie sich bewusst, wie leidenschaftslos ihre Beziehung über drei Jahre hinweg verlaufen war. Herkömmliche Dates, reservierte Küsse, witzloser Sex. Er wollte Karriere machen im Ministerium, hatte in der Schule immer vorbildliche Noten gehabt und sich von einem kleinen Sekretäriats-Job in eine der höchsten magischen Kontrollabteilungen hochgearbeitet. Sein Job und vor allem sein Ruf bedeuteten ihm alles. Deswegen hatte er sie direkt nach ihrem Rauswurf im Atrium abgefangen. „Hermine, das alles geht nicht mehr. Ich… ich… wir sind zu verschieden. Wir haben unterschiedliche Ziele. Das würde nicht funktionieren.“ Dann war er in der Menge verschwunden. Anstatt ihr Trost zu spenden hatte er das Seil zerschnitten, dass sie vor dem Fall in ein tiefes Loch rettete. Sie hatten zusammenziehen und heiraten wollen. Es brach ihr jetzt schon das Herz, dass sie ihren Eltern diese Nachricht überbringen musste. „Ist es so schlimm wie damals bei Ron?“, fragte Ginny vorsichtig und riss Hermine aus ihren Tagträumen. „Ich hab eben schon darüber nachgedacht, dass mich das alles hier an ein Gespräch erinnert, was wir beide schon einmal hatten. Nein, das mit Ron und mir…“ Sie brach ab. Ginny strich ihr über den Arm. Die Trennung von Ron vor fünf Jahren war nicht erfolgt, weil sie sich nicht mehr liebten. Ganz im Gegenteil. Es war weil sie immer öfter aneinander geraten waren. Weil sie sich gegenseitig vernichtet hatten. „Ich habe damals lange gebraucht um über ihn hinweg zu kommen. Um Karl erscheint es mir noch nicht mal schade. Schließlich hat er mich nicht gerade gut behandelt.“ „Wer hat dich nicht gut behandelt?“ Ron war in der Terrassentür aufgetaucht. Sie konnte seine Augen funkeln sehen. Er würde jeden zu Tode schlagen, der ihr auch nur ein Haar krümmte. „Mein Hamster, der hat mich früher immer gebissen.“, murrte Hermine. „Der Sarkasmus ist zurück, lasst uns Essen!“, rief Harry und schwenkte eine Bratzange in der Hand. Ginny und Hermine erhoben sich vom Sofa, Ginny schnürte ihre Strickjacke enger zu und Hermine lief die Treppe hinauf, um sich ebenfalls etwas über zu ziehen. Zwar war es eine laue Sommernacht, aber sie fröstelte immer noch von ihrem Gefühlsausbruch. Gerade als sie sich von ihrem Schrank abwandte stieß sie in der Dunkelheit gegen eine Gestalt. Sie schrie auf. „Ich bins.“ Ron legte eine Hand auf ihre Schulter. „Bist du bescheuert hier hinter mir her zu schleichen?“ Sie drängte sich an Ron vorbei. Er schloss schnell neben ihr auf. Bevor sie die Treppe hinunter gehen konnte stellte er sich vor sie. „ich will nur eine Sache wissen. Deswegen bin ich dir gefolgt. Hat er dir irgendwas angetan?“ Hermine verzog keine Miene. „Nein. Nicht mehr als du mir je getan hast.“
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