von Mrs. Granger
Das Leder ihres Koffers verbreitete seinen Duft um sie herum, als Hermine in die Eingangshalle trat. Sie war zu spät dran. Sie hatte den Hogwarts-Express verpasst, mit dem sie hatte fahren sollen, um von Menschen umgeben zu sein und nicht in Gefahr zu geraten. Aus lauter Verzweiflung hatte sie Kings Cross verlassen und in einer Seitengasse den Arm mit ihrem Zauberstab ausgestreckt. Nach einigen Abstechern nach Cambridge, Cardiff, Dorchester, Cornwall und mehreren kleinen Städten in Irland kam sie endlich in Hogwarts an. Besser gesagt in Hogsmead, denn näher an Hogwarts heran wollte Ernie Prang nicht fahren, da er meinte, sein Bus könne vom Schülerstrom umringt werden. Und so war sie in Hogsmead ausgestiegen und von dort gerannt. Im strömenden Regen. Und jetzt war sie nass, ihre Haare standen ihr zu Berge und sie war zu spät. Sie sah gerade noch, wie einige letzte Koffer der Schüler aus der Eingangshalle schwebten. Die Pforte zur großen Halle war geschlossen. Sollte sie einfach hinein gehen? Alle Augen würden auf sie gerichtet sein, und das war nicht der Aufzug, um sich mit ihren zukünftigen Schülern bekannt zu machen. Aus der Halle ertönte Musik. Der sprechende Hut hatte wohl gerade begonnen zu Singen. Vielleicht sollte sie doch eintreten? Bei der Musik würde sie sicherlich keiner bemerken. Sie legte die Hand auf die Türklinke und wollte sie gerade runterdrücken, als ein ohrenbetäubender Lärm durch die Eingangshalle tönte. „Hermine!“ Sie erkannte die raue Stimme sofort. Als sie sich umdrehte, erkannte sie Hagrid, der von der Treppe her auf sie zugestürmt kam. „Hagrid? Ich dachte du und Olymp seien noch in Afrika?“ Hagrid überging ihre Frage und packte sie an den Schultern. „Bist du ok? Wer war das? Hat er dich im Zug entführt? Oder musstest du vor einem Angreifer fliehen?“ Hermine starrte Hagrid an. „Entführt? Fliehen? Wovon redest…“ Das Portal zur Eingangshalle krachte mit einem lauten Schlag auf. Hermine konnte nichts sehen, da Hagrid direkt vor ihr stand. „Hagrid, hast du sie gefunden? Hast du die Eule ans Ministerium geschickt? Hast du ihnen gesagt sie sollen Auroren schicken? Wenn ich den, der ihr auch nur…“ Hagrid trat beiseite. Hermine sah Ron in der Eingangshalle stehen. Einen Moment rührte er sich nicht. Seine Augen wanderten prüfend über Hermines Körper, als wolle er sicher gehen, dass ihr nichts passiert war. Dann atmete er erleichtert aus und stürmte er auf sie zu. „Tu das nie wieder.“ Er senkte seinen Kopf in ihre Halsbeuge und drückte sie an sich. Hermine erwiderte die Umarmung. Beide tropften und von ihren Kleidungsstücken stieg leichter dampf auf. Als Ron sich von ihr löste, nahm er ihren Kopf in beide Hände und sah sie einen Moment an. „Ist alles in Ordnung?“ Sie nickte. „Ich hab den Zug verpasst und bin mit dem fahrenden Ritter gefahren. Das ist alles.“ Ron schloss für einen Moment die Augen und lächelte. Ein Schnauben von Hagrid holte sie in die Realität zurück. „Fahrender Ritter, mh? Hätten wir dran denken müssen, den zu prüfen.“ Er betrachtete Ron und Hermine einen Moment, dann verschwand er in einer Seitentür. „Ich sag nur schnell McGonagall Bescheid, dass du da bist.“ Er schloss die Tür. Ron sah Hermine immer noch in die Augen. „Wir haben gerade gegessen, da kam der Brief von Hagrid, dass du nicht aufgetaucht seist. Wir sind sofort hierher gekommen. Wir haben die Schlossgründe abgesucht und Hagrid hat das Ministerium verständigt. Ich…“ Sie sah, wie Ron mit den Tränen kämpfte. „Es war wie damals. Ich habe gedacht ich sehe dich nie wieder und… Tu das nie wieder.“ Er drückte sie erneut an sich und Hermine erwiderte die Umarmung noch stärker als zuvor. Als sie sich voneinander lösten, hörten sie prasselnden Regen. Die Tür zur Eingangshalle war erneut aufgeflogen. Drei Gestalten betraten die Eingangshalle. Im ersten Moment konnte Hermine sie durch den Regenschleier nicht erkennen, dann stürmten zwei von ihnen auf sie zu. Ginny und Harry drückten sie an sich. „Alles in Ordnung?“ Ron erzählte, was passiert war und Harry und Ginny betrachteten sie prüfend von Kopf bis Fuß. Doch Hermines Augen waren auf die dritte Gestalt fixiert, die nun schnaubend die Eingangshalle betrat. Der Mann öffnete seinen Umhang und sah sie weiterhin an. Sie hatte ihn seit Fleurs Hochzeit nicht mehr gesehen. Auch er betrachtete sie besorgt, ging aber nur mit einer ausgestreckten Hand auf sie zu. „Hermine, schön dass es dir gut geht.“ Hermine erwiderte den Händedruck, sah ihn aber weiter gebannt an. Er hatte sich kein bisschen verändert. Er war immer noch so gutaussehend wie immer. „Hallo Viktor.“
Die Pforte zur Großen Halle wurde aufgestoßen und Professor McGonagall betrat gefolgt von den Professoren Flitwick und Slughorn die große Halle. „Meine Liebe, ist alles in Ordnung. Was…?“ Hermine wollte es nicht wieder erzählen. Sie war müde, durchnässt und sie wusste, dass hinter ihrem Rücken gerade ein Kampf zwischen Ron und Viktor Krum ausgetragen wurde. Überhaupt, Viktor Krum war der Punkt, der sie ein wenig aus dem Konzept brachte. „Professor, würde es sie stören, wenn ich eventuell gleich mein Zimmer beziehen könnte und ihnen einer der anderen die Situation erklärt?“ Sie wusste, dass gleich Auroren hier auftauchen würden, und wenn sie nicht schleunigst verschwand, würden auch die sie noch ausfragen wollen. McGonagall sah sie einen Moment an, dann nickte sie. „Natürlich. Sie können unmöglich länger mit ihren nassen Kleidungsstücken hier stehen. Mr. Potter, tragen sie bitte den Koffer von Miss Granger in ihr Zimmer im dritten Stock. An der Tür hängt ein Türschild.“ Harry nahm seinen Zauberstab, rief einen schnellen Spruch und war schon halb die Treppe hinauf. Ginny harkte sich bei Hermine unter und sie folgten Harry. „Horace, wenn sie so freundlich wären, in die Küche zu gehen und nach ein paar belegten Broten für Miss Granger zu fragen?“ Hermine sah, wie Slughorn in den Kerkern verschwand. „Und sie Hagrid.“ Hagrid kam gerade aus der Großen Halle und vergewisserte sich, was mit Hermine geschah. „Sie und Professor Flitwick warten hier auf die Auroren und erklären ihnen, was geschehen ist. Ich bleibe hier in der Großen Halle und…“ Mehr konnte Hermine nicht hören, da sie und Ginny um eine Ecke bogen. Ginny vergewisserte sich, dass Harry außer Hörweite war, dann sagte sie: „Oh mein Gott…“ „Ich weiß was du meinst.“, seufzte Hermine. Ginny lächelte sie an. „Jetzt bist du hier zu deiner eigenen Sicherheit. Und bist in größeren Schwierigkeiten als je zuvor.“ „Was macht er hier?“ „Er ist als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste hier. Harry und ich haben ihn getroffen, als Ron schon längst verschwunden war. Er war sofort bereit uns zu helfen. Und aufrichtig besorgt. Und…“ Sie warf Hermine einen schelmischen Blick zu. „…er ist Single.“ „Ginny!“ Ginny lachte laut auf. Beide bogen um eine Ecke. Sie waren so lange nicht mehr in diesen Korridoren gewesen und doch kannten sie sich perfekt aus. Hermine atmete tief ein. Es war, als käme sie nach Hause. Sie kamen im dritten Stock an. In der Mitte des Korridors war eine offene Tür, aus der Licht herausströmte. Als Hermine und Ginny den Raum betraten, hörten sie ein prasselndes Feuer. Harry stand am Kamin und sah in die Flammen. Als Hermine die Tür schloss, sah er auf. „Tu es nicht. Tu mir und dir den Gefallen und tu es bitte nicht. Du weißt wie Ron ist, er liebt dich über alles auf dieser Erde. Er wollte vorhin sogar ohne Schuhe los, um schneller hier zu sein.“ Es war dieser alte Streit, der wieder aufbrannte. Hermine wusste nicht genau, ob sie es witzig oder niederschmetternd finden sollte. Es war wie früher: Vertrag dich mit Ron! Stand in Harrys Augen. „Lass die Finger von Viktor Krum.“ Hermine war enttäuscht, was sie von ihr dachten. Sie hatte sich schon einmal gegen Viktor und für Ron entschieden. Und sie würde es wieder tun. Aber sie brauchte noch ein wenig Zeit. Die sie in Hogwarts haben würde. Zumindest, wenn Viktor sie in Ruhe lies. „Vertrau mir Harry. Ich schaffe das.“ Sie lächelte ihn an und er konnte nicht umhin, ein Lächeln zu erwidern. Er umarmte sie. „Benimm dich. Sonst müssen wir dich wieder abholen und das wäre sehr peinlich.“ Er küsste sie auf die Stirn, winkte und verließ ihr Zimmer. Auch Ginny drückte ihre beste Freundin. „Pass auf dich auf. Und auf deine Unterwäsche.“ Hermine verdrehte die Augen. „Du peinliches Etwas, verschwinde endlich.“ Ginny streckte ihr die Zunge raus und verschwand aus der Tür. Hermine wunderte sich gerade, warum Ginny die Tür nicht zugezogen hatte, als sich ihre Frage beantwortete: Ron schlurfte durch die Tür, seine Schultern waren hoch gezogen, die Hände in seinen Hosentaschen verschwunden. Am Bahnhof, als er sich von ihr verabschiedet hatte, hatte es schon ähnlich bekümmert ausgesehen. Doch die Anwesenheit von Viktor Krum hatte seien Laune wohl beträchtlich verschlechtert. Er sah Hermine an, seine Züge erinnerten an die eines kleinen Kindes. Er malte mit seinem Fuß Kreise auf den Boden. Hermine konnte seinen Anblick nicht ertragen. Sie ging auf ihn zu und warf sich in seine Arme. Ron regte sich nicht. Es schien, als habe er Angst sie zu berühren. Weil er dann ihre Berührung vermissen würde. „Ron, vertrau mir. Ich kann dir nicht mehr sagen. Vertrau mir.“ Sie löste sich von ihm und sah ihm in die Augen. Sie leuchteten. Das Rontypische Leuchten. Sie lächelte. „Ich komme wieder. Vertrau mir.“ Sie gab Ron einen sanften Kuss. Ron hatte sich immer noch nicht geregt. Jetzt sah er sie noch einen Moment an, in ihm schienen die verschiedensten Gefühle zu toben. Dann wandte er sich um, ging durch die Tür und verließ den Raum.
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