von Kinditem
“Das war so klar! DU lässt unsere.. Meine Tochter sterben, nur um dich mit deinem Lover zu vergnügen! Du bist das Allerletzte, Natalia! Eine eiskalte Mörderin!”, schrie Tom sie wutentbrannt an.
“Nein… Nein…”, kam es schluchzend von Nati, “Nein…”
Tom war kurz nach dem Charlie angerufen hatte, her gekommen und stand nun schreiend in dessen Wohnzimmer, während Natalia sich immer mehr zusammen kauerte.
“Ich hab doch versucht sie da raus zu holen… ich habs doch versucht…”
“Und du hast es versaut, Natalia, du hast Leah ihr kleines Leben genommen, du hast sie umgebracht, ohne Gewissen und ohne mit der Wimper zu zucken!”
“Jetzt ist gut!”, ging Charlie dazwischen, “Vielleicht ist sie ja doch in einem Krankenhaus!”
Natalia brach in krampfhaftes Schluchzen aus und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
“Dann hätten sie uns schon angerufen!”, wetterte Tom weiter, während Charlie Natalia tröstend an sich drückte und einmal tief durchatmete, um seine Stimme zu beruhigen.
“Sht… wird alles wieder gut..”
Sanft strich Charlie ihr über den Kopf und durch die braunen Haare, als sie sich noch stärker an ihn drückte und ihr Gesicht in seinem Hemd vergrub, welches sich langsam mit dem salzigen Wasser voll zog.
“Ich wollte das nicht… Es tut mir so leid…. Das wollte ich doch nicht…”
“Ich weiß, Nati, das wollte keiner. Es ist nicht deine Schuld, du kannst nichts dafür, Liebes. Du hast keine Schuld... Du wolltest sie beschützen, das weiß ich, das weiß jeder.”
“Ich hab sie nicht umgebracht…. Ich hab sie nicht umgebracht…”
“Nein, das hast du nicht. Das war ein Feuer, das war ein Unglück, das war beschissen, aber keinesfalls war es deine Schuld.”
“Ich hätte besser aufpassen sollen…” schluchzte sie weiter.
“Oh ja, hättest du!”, fuhr Tom sie prompt an und baute sich vor den Beiden auf, “Das hättest du tun sollen! Wie eine echte Mutter und nicht wie ein Stück Dreck!”
“Halt die Klappe, Tom! Du hast dich auch nie einen Deut um Leah gekümmert, da musst du nicht jetzt damit an kommen und deine verbockte Scheiße auf Nati projizieren!”
“Ja, ich hab mich selten um meine Tochter gekümmert und ich bereue es! Ich hätte mich um sie kümmern sollen, dann wäre das jetzt nicht passiert!”
Natalia klammerte sich verzweifelt an Charlie.
“Das weißt du nicht, vielleicht wäre es trotzdem passiert. Halt dich einfach zurück und verschwinde!”
“Nein wäre sie nicht! Wenn sich jemand vernünftiges um MEINE Tochter gekümmert hätte wäre sie jetzt noch am Leben! Aber ich war wirklich der Ansicht, dass eine Mörderin auf sie aufpassen könnte!”
“Es reicht, Tom, es reicht wirklich. Diese Vorwürfe bringen keinem etwas, okay? Davon kommt sie auch nicht wieder zurück.” versuchte Charlie ihm mit einigermaßen ruhiger Stimme beizubringen, ehe er Natalia sanft in seinen Armen wiegte.
“Nati, wollen wir zum Haus, ein paar Sachen raus holen?”
Sie nickte schwach und wischte sich die Tränen weg. “Ja…”
“Okay, dann los.”
Charlie griff Nati unter die Kniekehlen, hob sie sanft hoch und ging mit ihr auf dem Arm hinaus an die frische Luft.
“Ich bin keine Mörderin…”, murmelte Natalia leise weiter und drückte sich an ihn, während Charlie sie sanft streichelte.
“Das weiß ich doch. Du liebst deine Tochter, du würdest ihr nie was an tun.”
“Nein.” Sie schniefte leise. “Das würde ich nicht.”
“Na siehst du. Es ist alles in Ordnung, du hast dir nichts zu Schulden kommen lassen, du hast dir keine Vorwürfe zu machen.”
“Ist gut…” Doch überzeugt klang sie bei Weitem nicht.
“Nati.. Hey… Kopf hoch, meine Schönheit, wir schaffen das, wir halten zusammen.”
“Das bringt sie nicht zurück…”
“Nein, aber sie würde nicht wollen, dass du unglücklich bist.”
“Weil sie gerade erst 3 war und das nicht verstanden hätte.”
“Na und? Natalia, trauer ruhig, das ist völlig okay..”
“Sie war erst drei… drei Charlie… Sie hatte ihr gesamtes Leben vor sich. Sie ist noch nicht ein Mal in den Kindergarten gegangen!”
“Ich weiß, verdammt, ich weiß das doch! Und glaubst du nicht, dass mir nach heulen zumute ist? Ich liebe die Kleine, ich habe sie wie meine eigene Tochter geliebt, aber ich kann jetzt nicht zusammenbrechen, weil du sonst völlig alleine wärst! Und ich liebe dich, ich will für dich da sein, ich will dir helfen, dich irgendwie auffangen! Aber das geht nicht, wenn du jetzt auch noch anfängst, mir Vorwürfe zu machen! Ach was solls, besser mir als dir!”
Nati drückte sich an ihn. “Tut mir Leid…”
“Ist schon okay..” Sachte strich Charlie ihr über den Rücken., seufzte leise.
“Wenn wir sie wenigstens noch ein letztes Mal sehen könnten…”
Natalia fing wieder an leise zu schluchzen, während Charlie sie näher an sich drückte.
“Lass alles raus..”
Doch Natalia wollte nicht alles raus lassen, recht schnell fing sie sich wieder und wischte sich die Tränen weg.
“Ich will zu dem Haus… können wir los?”, fragte sie mit schwacher Stimme und sah zu ihrem Freund hoch.
“Ja natürlich.” Liebevoll küsste er sie auf die Stirn, setzte sie vorsichtig ab, nahm dann ihre Hand und ging los.
In einer dunklen Nebengasse, in welcher sie so oder so niemand sah oder beachtete, apparierten sie dann zu dem kleinen Vorstadthaus, in dem noch gestern Natalias Eltern gewohnt hatten, welches jetzt aber nur noch einer verkohlten Ruine glich.
Natalia war nicht im Stande etwas zu sagen, als sie das einstige Haus ihrer Familie, ihrer Zuflucht vor sich sah, weswegen Charlie sie nur ganz dicht bei sich hielt.
“Vielleicht finden wir ja noch etwas darin… ein Buch oder ein Stofftier oder irgendetwas.”, murmelte er wenig hoffnungsvoll.
Nati nickte schwach bei seinen Worten und folgte ihm zu dem Haus.
Ăśberall drin lag Schutt ĂĽber den sie klettern mussten, herabgestĂĽrzte Balken, unter denen sie sich herducken mussten.
Während er sich noch im Flur umsah trugen ihre Füße sie ins Wohnzimmer. Langsam ließ sie ihren Blick schweifen.
Das alles so zu sehen versetzte ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz.
Noch gestern hatte sie hier gestanden und sich von Leah verabschiedet… Tränen stiegen in ihr hoch und biss sich auf die Zunge um nicht zu Schluchzen.
Vielleicht etwas zu fest, weil schon im nächsten Moment hatte sie den metallischen Geschmack von Blut im Mund.
“Nati?”
Charlie legte von hinten die Arme um seine Freundin.
“Es ist schrecklich, das alles zu sehen, nicht?”
Sie nickte schwach, lehnte sich an ihn und schloss die Augen.
“Ja, ist es…” Dann, plötzlich, erstarrte sie.
“Hast du das gehört?”
“Was soll ich gehört haben?”
Charlie schloss ebenfalls die Augen und lauschte genau, horchte in die leere Stille hinein.
“Du meinst… meinst du, was ich meine?”
“Leah…”, murmelte sie leise, doch im nächsten Moment war sie sich selbst nicht mehr sicher, ob sie wirklich ihre Tochter gehört hatte.
Sie schĂĽttelte den Kopf.
“Nein… Nein. Leah ist tot.” Wieder schüttelte sie stark den Kopf.
Natalia machte sich von Charlie los und ging einige Schritte weiter, bĂĽckte sich dann und hob einen schmutzigen, rosa Drachen auf, den Charlie der Kleinen einst geschenkt hatte.
Sanft strich sie mit der Hand darĂĽber und drĂĽckte ihn dann fest an sich, um an der Wand zusammen zu sinken.
“Ich werde verrückt, nicht wahr?”
“Nein, wirst du nicht.”
Charlie hockte sich zu ihr nieder und strich Nati sanft ĂĽber die Wange.
“Wirst du nicht. Ich hab es doch auch gehört.”
“Aber da ist nichts…”, murmelte sie und drückte den Plüschdrachen an sich.
“Doch, da ist eine Kinderstimme. Aber die ist dumpf, ich weiß nicht, ob es Leah oder ein Kind aus der Nachbarschaft ist. Aber es stimmt.. Es kann nicht Leah sein… Leah ist doch jetzt ein Engelchen.”
Sachte kĂĽsste er ihre Stirn, stand dann auf und sah aus dem verkohlten Fenster.
“Es wird noch eine Weile dauern… aber nenn mich verrückt, ich kann sie praktisch noch immer vor mir sehen. Ihre Zöpfchen, ihr Lachen, ihre Augen…”
Natalia sah verwirrt zu ihm hoch.
“W-wie?”
“Ich seh sie vor mir… ich weiß nicht, ich … Nati… komm her. Schnell.”
Sie rappelte sich auf und stellte sich neben den Rotschopf, starrte fassungslos aus dem Fenster.
Dort im Nachbargarten spielte ihre kleine Tochter im Sandkasten und lachte vergnügt, als könnte sie kein Wässerchen trüben, als hätte sie nie etwas anderes getan, als dort Sandkuchen zu backen.
Als sei das alles nie geschehen.
Einige Augenblicke lang starrte sie auf das kleine Mädchen, so unwirklich erschien ihr alles.
“Leah…”
Wie von der Tarantel gestochen wirbelte sie herum und rannte die Treppe herunter, dicht gefolgt von einem verwirrten Charlie.
“Nati ,warte! Du fällst sonst noch hin und dann müssen wir dich ins Krankenhaus bringen!”
Aber Nati konnte, wollte nicht warten, nein. Sie musste unbedingt zu ihrer Tochter.
Der Weg zum Nachbarhaus kam ihr noch länger vor, als er es sonst immer gewesen war.
Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis sie endlich atemlos das Gartentor erreichte und daran rĂĽttelte um es auf zubekommen.
Noch länger schien es zu dauern bis das alte Ding endlich mit einem leisen Quietschen den Protest aufgab und aufschwang, so dass Natalia den Kiesweg betreten konnte.
Doch lange blieb sie nicht darauf.
Ohne der verwirrten Nachbarin die gerade aus dem Haus trat auch nur einen Blick zu zuwerfen, lief sie ĂĽber den gepflegten Rasen des Gartens zu dem Sandkasten hin.
“Leah!”
Das kleine dunkelhaarige Mädchen hob den Kopf und rappelte sich strahlend auf, als sie ihre Mutter sah.
Die kleinen Händchen und die Knie voller Sand.
“Mummy!”
Im nächsten Moment lag sie auch schon in den Armen ihrer Mutter, die sie leise schluchzend in die Knie ging und sie an sich drückte, als wollte sie sie nie wieder loslassen.
Leah verstand das alles noch nicht.
Ihre Mummy musste doch nicht weinen, war doch alles gut.
Charlie war doch auch da.
Sie hatte doch Mumm und Daddy hier.
“Hey Leah.”, begrüßte Charlie die Kleine etwas atemlos, da er so schnell gerannt war.
Es war wie ein kleines Wunder, dass sie noch lebte.
Was war denn geschehen?
Warum lebte sie noch?
Wie war das möglich?
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