von KengaChico
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14. Wertvolle Erinnerungen
Petunia schreckte aus ihren Gedanken hoch, als es an die TĂĽr klopfte.
Auf ihrem Schoß hatte sie einen kleinen Koffer, in dem Fotos, Umschläge und Bücher, die wie Alben aussahen, zu sehen waren. In der Hand hielt sie ein gerahmtes Foto, auf dem vier Personen zu erkennen waren.
„Ja, bitte!“, sagte Petunia, den Kopf zur Tür gewandt.
Melinda steckte den Kopf herein und fragte, „Darf ich reinkommen?“
„Ja natürlich!“, antwortete Petunia. Sie deutete Melinda mit ihrer Hand an, sich zu setzen,
„Was gibt es denn?“
Melinda antwortete, „Du hast dich seit wir aus London zurück sind, sehr zurückgezogen. Wir machen uns ein wenig Sorgen, ob alles in Ordnung ist.“
Petunia lächelte und sagte, „Natürlich ist alles in Ordnung. Ich schwelge nur ein wenig in Erinnerungen.“
„Aha“, meinte Melinda, „an deine Zeit mit Vernon?“
Petunia schüttelte den Kopf und antwortete, „Nein, hier sind Fotos aus meiner Kindheit und Jugend, von meinen Eltern und von Lily.“
Sie holte tief Luft und sprach weiter, „Ich habe euch ja erzählt, dass Harry vorgeschlagen hat, dass wir einen neuen Anfang wagen sollten und dass wir uns ein wenig ausgesprochen haben. Natürlich gibt es noch einiges zu sagen…..und da dachte ich, dass ich ihm endlich die Fotos und Dinge zeige, die ich ihm so lange vorenthalten habe.“
Melinda machte große Augen, und fragte, „Dann hat Harry diese Fotos niemals gesehen?“
Petunia schüttelte den Kopf und antwortete leise, „Nein, niemals. Ich habe meine Familie und Harry immer glauben lassen, dass keine Fotos und Erinnerungsstücke an Lily und meine Eltern existieren.“
Melinda schüttelte nur ungläubig den Kopf.
Petunia holte wieder tief Luft und meinte, „Ja, nun sitze ich seit Tagen hier und versuche ein paar schöne Fotos, Briefe usw. für Harry auszusuchen. Aber ich komme nicht wirklich weiter. Immer fallen mir kleine Episoden ein, die ich jahrelang verdrängt habe.“
Dann rĂĽckte sie auf dem Sofa ein wenig zur Seite und bat ihre Schwiegertochter sich dazu zu setzen.
„Sieh mal, hier auf dem Foto sind meine Eltern, Lily und ich. Das muss kurz bevor der Brief aus Hogwarts kam, gewesen sein.“
Melinda lächelte versonnen, „Eine glückliche Familie….Können wir davon einen Abzug haben? Für unsere Ahnengalerie über dem Sideboard im Wohnzimmer?“
Petunia antwortete, „Ja, sicher! Ich wollte euch so wieso bitten, mir zu helfen, bei der Auswahl der Dinge für Harry. Ich schaffe es einfach nicht allein und will mich eigentlich von gar nichts trennen.“
Melinda sagte, „Das musst du ja auch gar nicht. Dudley kann alles einscannen mit einem Bildbearbeitungsprogramm bearbeiten. Er hat ein Händchen dafür.“
Petunia schaute ihre Schwiegertochter erfreut an, „Dann kann ich die Originale ja behalten. Von den Fotos kann man ja Abzüge machen und vielleicht sind ja auch einige doppelt, aber von Briefen und Schriftstücken gibt es nur das Original. Lilys Zeugnisse gebe ich ja gerne an Harry weiter, aber von den Briefen würde ich mich nur ungern trennen. Gut, das man heutzutage so etwas einscannen kann. Aber leider habe ich davon so gar keine Ahnung.“
Melinda nickte verstehend, „Dudley dafür umso mehr. Und private Briefe würde ich auch ungern weggeben, nicht einmal an Harry!“
Petunia legte das Bild in den Koffer, schloss ihn und meinte zu Melinda,
„Dann lass uns mal nach unten gehen, bevor ich es mir noch einmal anders überlege.“
Melinda nahm ihr den Koffer ab, öffnete die Tür und sagte, „Nach Dir.“
Im Wohnzimmer angekommen, hob Dudley kurz den Kopf und frotzelte,
„Da seid ihr ja! Ich wollte gerade eine Vermisstenanzeige aufgeben.“
Mit einem Blick auf den Koffer, fragte er, „Oh, wollen wir verreisen?“
Petunia schĂĽttelte den Kopf, aber Melinda antwortete
„Ja, im übertragenen Sinne schon.“
Dudley schaute die beiden Frauen fragend an, „Im übertragenen Sinne? Was heißt das konkret?“
Melinda antwortete, „Das heißt konkret, dass wir eine Zeitreise machen werden. Und hier in diesem Koffer sind die Dinge, die wir dazu benötigen, enthalten.“
Dudley schaute konsterniert von Petunia zu Melinda, „Ich verstehe nur Bahnhof!“
„Ja, das sieht man!“, feixte Melinda, um dann umso ernster fortzufahren.
„Deine Mum hat in diesem Koffer Fotos und andere Erinnerungsstücke an ihre Kindheit und Jugend, also an die Zeit mit ihren Eltern und Lily.“
Dudley schaute nach diesen Worten seine Mutter ungläubig an, „Aber du hast doch immer erzählt, du hättest keine Fotos mehr, wenn Harry danach gefragt hatte.“
„Ja“, antwortete Petunia, „das habe ich euch immer erzählt. Aber ich konnte sie nicht vernichten…schließlich sind es Erinnerungen an meine Eltern…und meine Schwester Lily.“
Dann holte sie tief Luft und meinte, „Nun, am Sonntag, haben Harry und ich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit. Er hat es mir vorgeschlagen, wie ich schon erzählt habe……ja und nun wollte ich….nun dachte ich, dass es an der Zeit ist, Harry diese Fotos und Erinnerungsstücke zur Verfügung zu stellen. Viel zu lange haben sie im Koffer gelegen….“
„Das ist eine sehr gute Idee,“ meinte Dudley, „aber ich habe die Fotos auch noch nicht gesehen und es wäre auch für mich schön, zu wissen, wie meine Großeltern und meine Tante ausgesehen haben.“
Melinda legte den Koffer auf den Tisch und sagte zu ihrer Schwiegermutter,
„Petunia, ich denke, wir sollten uns setzten.“
Petunia kicherte und setzte sich zu ihrem Sohn auf das Sofa. Der fragte die beiden Damen,
„Was haltet ihr von einer Flasche Wein?“
Melinda und Petunia nickten zustimmend und entschieden sich fĂĽr Rotwein.
Ein paar Minuten später war eine Weinflasche geöffnet. Dudley goss für jeden etwas Wein ein und dann prosteten sie sich zu und sagten, „Auf einen guten Neuanfang für Harry und Mum!“
Inzwischen hatte Petunia den Koffer geöffnet und zeigte auch Dudley das Familienfoto. Der betrachtete es lange und meinte dann versonnen.
„Ja, hier kann man es genau sehen, von wem Emma ihre grünen Augen hat. Von ihrer Grandma!“
Dann stellte er das Foto auf den Tisch und fragte, „Können wir davon einen Abzug machen lassen, Mum?“
„Ja, “ antwortete Petunia, „das hat Melinda auch schon gefragt. Für eure Fotosammlung über dem Sideboard.“
Dudley nickte, „Ja, dann müssen wir aber auch einen Abzug für Harry machen! Schließlich sind es auch seine Großeltern…und was noch wichtiger ist, seine Mum ist darauf!“
Melinda lächelte und zeigte auf Lily, „Sieh mal Dudley, genau solche roten Haare, wie sie Harrys Tochter hat.“
Dudley griff in den Koffer, um das nächste Foto heraus zu holen.
„Oh, von dem möchte ich auch einen Abzug haben!“
Melinda schaute auf das Foto, „Aha!“, sagte sie und grinste. „Klein-Petunia, mit Lily auf dem Arm!“
Petunia schmunzelte dazu und sagte, „Nun, ich wollte euch bitten, mir zu helfen, bei der Auswahl der Fotos. Wir könnten eine Mappe für Harry zusammenstellen, aber alleine schaffe ich das nicht. Doch ich denke, Harry hat ein Anrecht auf diese Dinge.“
Dudley antworte tief bewegt, „Mum, das ist eine gute Idee! Natürlich helfen wir dir dabei.“
„Ja“, sagte Petunia, „das denke ich auch und es ist längst überfällig. Aber wenn eure Kinder nicht diesen Brief bekommen hätten…..“
Tränen kullerten über Petunias Gesicht. Sie sprach schluchzend weiter,
„Dann hätte ich nie….dann hätte ich nie…..“
Melinda vollendete den Satz mit seltsam tränenerstickter Stimme,
„Dann hättest du nie darüber nachgedacht.“
Dann fielen sich die Frauen weinend in die Arme und auch Dudley hatte feuchte Augen und nahm beide Frauen in den Arm.
„Ach, Mum! Warum machen wir Menschen es uns nur immer so schwer?“
Eine Weile saĂźen die drei Menschen so da und als sie sich wieder etwas beruhigt hatten, sagte Melinda zu ihrer Schwiegermutter
„Petunia…..Mum! Es ist egal, warum. Wichtig ist, dass ihr, du und Harry, eure Chance nutzt. Manchmal brauchen wir Menschen vom Schicksal wohl einen Schubs, um in die richtige Richtung zu laufen.“
Petunia nickte und meinte, „Ja, so ist das wohl, auch wenn es ziemlich gedauert hat.“
Nach einigen Stunden waren zwei ansehnliche Häufchen auf dem Tisch, einer mit Fotos und einer mit Schriftstücken zum einscannen. Dann zog Dudley ein Foto aus dem Koffer, auf dem sich die Personen bewegten und fragte seine Mutter.
„Ist das hier in Hogwarts? Dieser Dumbledore ist darauf.“ Er reichte das Foto an Petunia weiter.
Die schaute darauf und antwortete, „Ja, das ist in Hogwarts, in Lilys erstem Jahr. Sie war für das Haus Gryffindor ausgewählt worden und das hier ist wohl ihr Jahrgang. Neben Dumbledore ist Prof. Mc Gonagal, die Hauslehrerin von Gryffindor.“
Melinda nahm das Foto und schaute fasziniert, wie sich die Personen auf dem Foto bewegten, auseinander liefen und sich wieder zusammenstellten. Dann fragte sie,
„Das sind also diese so genannten Zappelphotos? Du hast mir davon erzählt, Dudley.“
„Ja, “ antwortete Dudley, „das sind sie.“
„Faszinierend!“, sagte Melinda.
Dann schauten beide wieder auf das Foto und Dudley rief dann,
„Schau mal, Melinda! Hier dieser Strubbelkopf mit der Brille! Das muss Harrys Vater James sein. Sieht genauso aus, wie Harry!“
Melinda bestätigte das und wies dann auf den Jungen neben James.
„Und wer ist das hier?“
Petunia warf einen Blick auf das Foto und sagte,
„Das müsste Sirius Black sein, der beste Freund von James und Harrys späterer Pate. Von ihm hat Harry ja das Haus in London geerbt. Neben Sirius, das könnte Remus Lupin sein.“
Petunia dachte kurz nach und meinte, „Ja, ich meine Lily hat das so gesagt, als sie in ihren ersten Ferien von Hogwarts kam.“
Melinda zeigte auf einen etwas untersetzten Jungen neben Remus Lupin, der etwas ängstlich dreinschaute.
„Und wer ist das?“ Petunia überlegte eine Weile und sagte dann.
„Ich glaube, der hieß Peter Pettigrew. Lily hat nie so viel von ihm erzählt, wie von den anderen.“
„Kein Wunder!“, meinte Dudley bitter. „Schließlich hat Harry es ihm zu verdanken, dass er ohne Eltern aufwachsen musste!“
Die beiden Frauen schauten ihn fragend an.
Dudley erklärte ihnen dann, „Pettigrew hat seine Eltern an diesen Voldemort verraten. Das hat Harry mir einmal erzählt.“
Melinda und Petunia nickten verstehend. Dann wandte sich Dudley an Petunia.
„Mum, dafür, dass du Lily so gehasst hast, weißt noch ziemlich gut, wie ihre Schulkameraden hiessen.“
Petunia verdrehte die Augen und erklärte ihrem Sohn,
„Ich habe Lily doch nicht gehasst….Ja, ich weiß, dass habe ich immer gesagt. Aber ich habe Lily niemals gehasst. Ich habe es mir eingeredet, ja….und habe irgendwann auch daran geglaubt, aber ich weiß, dass ich mir selbst etwas vorgemacht habe.“
Und wieder kullerten Tränen über ihre Wangen,
„Oh, ich vermisse sie so….“, schluchzte sie. Dann sprach sie weiter,
„Immer, wenn mich Harry angeschaut hat, meinte ich sie zu sehen…. Harry hat so viel von ihr…“
Melinda tätschelte ihr liebevoll die Schultern und meinte zu ihr,
„Komm sprich dich aus. Mach deiner Seele Luft!“
Petunia holte tief Luft und sprach weiter,
„Ich würde so viel darum geben, noch einmal mit Lily reden zu können, mich bei ihr entschuldigen, wie ich sie behandelt habe, nachdem sie den Brief bekommen hatte.“
Melinda und Dudley hörten ihr aufmerksam zu, ermunterten sie weiter zu reden.
„Immer, wenn Lily einen Raum betrat, war es, als ginge die Sonne auf. Die Sympathien der Leute flogen ihr nur so zu.“, sagte Petunia, „Ihr schien alles zu gelingen. Sie war freundlich, hübsch….Wenn ich mit ihr in einem Raum war, kam ich mir immer so unbedeutend vor, so unscheinbar.“
Petunia machte eine Pause.
„Ja, und dann kam der Brief aus Hogwarts. Mum und Dad waren so stolz auf sie. Und ich kam mir abgeschoben vor. Seit dieser Zeit redete ich mir ein, dass es Magie nur im Märchen gäbe, obwohl ich es durch Lily besser wusste und diesen…..Snape-Jungen.“
Melinda fragte, „Snape?“
„Ein Lehrer von Harry.“, antwortete ihr Dudley.
Petunia nickte zustimmend und sprach weiter, „Seitdem habe ich alles abgelehnt, was auch nur im Geringsten von der Norm abwich. Mit Dudleys Vater hatte ich dann jemanden gefunden, der meine Ansichten teilte und mir meinen grössten Traum erfüllte…. Eine ganz normale Familie zu haben.“
Melinda dachte eine Weile nach und meinte dann,
„Und durch Harry sahst du dann diese Welt in Gefahr?“
„Ja,“, sagte Petunia, „Wir haben alles versucht, um ihn nicht wissen zu lassen, dass er ein Zauberer ist und ihm erzählt, dass seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, obwohl ich wusste, das dieser Voldemort sie umgebracht hat.“
Melinda schüttelte den Kopf, während Dudley peinlich berührt zur Seite schaute.
„Vernon hat es mir leicht gemacht, zu glauben, das alles was nicht der Norm entsprach, zu verteufeln sei, obwohl ich oft Gewissensbisse hatte, wegen Harry. Aber er war nun mal ein Kind von Zauberern und Zauberei gab es in meiner Welt nicht. Vernon hat genau das gesagt, was ich immer hören wollte und ich war überzeugt davon. Doch inzwischen habe ich viel Zeit gehabt nachzudenken und möchte einiges ändern und versuchen, wieder gut zu machen. Natürlich kann ich Harry nicht seine Kindheit wiedergeben, aber vielleicht können wir als Erwachsene ein gutes Verhältnis zueinander aufbauen.“
Melinda erhob ihr Weinglas und sagte,
„Darauf lasst uns anstossen!“
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