von Godess_Artemis
Cold case* - Hot case
Während Bathilda erfolglos versuchte weitere Details aus ihrem gesprächsunwilligen Großneffen zu quetschen, war im selben Moment der Schichtwechsel des Ministeriums in vollem Gange.
Die letzten Nachzügler der Tagschicht überliessen soeben ihren Kollegen der Nachtschicht das Feld. In den Gängen herschte reges Treiben, am ruhigsten war es noch in der Umgebung des Aurorenbüros. Viele Familienväter hatten es sich nicht nehmen lassen in den Sommerferien ihre Überstunden abzubauen oder ihren Resturlaub auszunutzen. So blieben nur ein paar einsame Alleinstehende und noch junge Auroren in Ausbildung übrig, die auf Grund ihrer Stellung die Zeitspanne für ihre Vorgesetzten hatten feihalten müssen. Zu diesen unglückseligen Auroren gehörten auch Ramirez und Patric.
Die beiden jungen Ermittler arbeiteten schon seit etwa fünf Monaten zusammen als Zweier-Team an den Einsteigerfällen wie Einbrüchen, Diebstahl, Vandalismus und ähnlichem. Der Ältere von Beiden, Ramirez, hatte bisher ein anderes Team unterstützt und nun war es seine Aufgabe, Patric in allen Bereichen zu unterweisen. Dabei wäre Patrics Karriere fast an seiner Größe gescheitert, da er mit einem Meter fünfundsechzig und siebenundsechzig Kilo nur knapp die Mindestbedingungen erfüllte. Als Partner war der Jüngere ein echter Glücksgriff für den Spanier, der frischgebackene Auror-Azubi war aufmerksam, lernte schnell dazu und was ebenfalls ein Segen war, er verpetzte Ramirez nicht, weil er in letzter Zeit immer zu spät kam. Sowie heute. Auch wenn er jedes Mal eine Weile eingeschnappt war, weil er es nicht ausstehen konnte wenn ein einzelner der ganzen Gruppe zusätzlich seine Last aufbürdete und die Regeln verletzte.
Heute abend mussten sie die Beweise aus einem Fall untersuchen, der sich noch in der Tagesschicht ereignet hatte, da es aber zur Zeit sehr viele Fälle gab und kaum Personal zur Bearbeitung war es nicht so ungewöhnlich, wenn ein Fall von einer Schicht in die nächste übertragen wurde.
Patric, der ?neuere` der beiden, war pflichtbewusst schon etwas früher dagewesen und hatte bereits mit dem Auspacken und Sichten der einzelnen Beweise angefangen. Mit vor Konzentration verzogenen Stirnfalten umrundete der Schwarzhaarige den Tisch, auf dem er sie ausgebreitet hatte und suchte sich mit geübtem Blick die wichtigsten aus, die er laut Regelbuch sofort bearbeiten musste.
Im Gegensatz zu Ramirez, der schon zwei Jahre der Ausbildung hinter sich hatte, war Patric erst diesen Sommer zu den Auroren gestossen, sozusagen im ersten Ausbildungsjahr noch ein richtiger Frischling. Die etwas älteren, schon fast fertig ausgebildeten Auroren machten sich oft über den kleinen Briten lustig, der ihnen selbst mit seiner Stachelfrisur nur bis zum Hals reichte. Sein kindliches Gesicht mit den rehbraunen Kulleraugen sorgte nicht unbedingt dafür, dass er von anderen eher ernstgenommen wurde - selbst von Zivilisten. Nur Ramirez nahm ihn als einziger ernst, auch seinen Wunsch lieber weniger im Außendienst als in der Untersuchung der Indizien eingesetzt zu werden. Aber der gutmütige - wenn auch trotzdem ehrgeizige - Spanier lies heute länger auf sich warten. Es schlug schon fast neun als ein lautes Rumpeln auf dem Gang seine Ankunft ankündigte. Patric vermutete, dass sein Partner mal wieder einen kleinen Zusammenstoss gehabt hatte. Hoffentlich mit keinem ihrer Bosse!
Schnaufend kam der Dienstältere vor ihm zu stehen. Sich mit einer beiläufigen Eleganz die widerspenstigen dunklen Locken aus dem Gesicht streichend stellte ihm Ramirez etwas außer Atem die erste Frage des Abends: „Hast du schon ohne mich angefangen?“
„Dir auch einen schönen Abend Ramirez.“, schnappte er beleidigt. „Ja, der Zauberstab ist schon unter der Bedampfungshaube. Wenn wir Glück haben, finden wir passende Fingerabdrücke in einer der Datenbanken. Abgemessen und fotografiert hab ich ihn schon, er muss nur noch auf sein Kernstück und so weiter untersucht werden, mit unseren Gerätschaften ist das ein Klacks.“
„Tja, dann bin ich ja schon fast überflüssig.“, unkte der hochgewachsene Spanier und versuchte sich an einem entwaffnenden Lächeln.
Patric zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Wenn du willst kannst du das Glas und die Bruchstücke der Einrichtung untersuchen. Tu dir keinen Zwang an.“
Immerhin besaß der Dunkelhaarige den Anstand, die versteckte Andeutung auf sein dauerndes Zuspätkommen der letzten Zeit zu erkennen, denn er wurde leicht verlegen.
Schnell versuchte er das mit einem besonders munteren „Oh guck mal ich glaub du kannst die Fingerabdrücke vom Holz abziehen. Sind wirklich gut erhalten geblieben, haben wir ein Schwein.“ zu überspielen.
Patric folgte gelangweilt dem Blick des Dienstälteren. „Kann schon sein. Willst du das übernehmen oder soll ich mal wieder?“, maulte er sauer.
Ramirez winkte schnell ab, wenn Patric eingeschnappt war lies man ihn lieber für eine Weile in Ruhe schmollen bis er sich wiedereingekriegt hatte - und der Jüngere war ja so niedlich wenn er versuchte grummelig zu sein! Auch wenn Ramirez diesmal wirklich nichts für sein Zuspätkommen konnte.
Im Moment lief es mit seiner Verlobten nicht sonderlich gut und sie forderte jedes Quäntchen seiner Freizeit, weil sie befürchtete er könnte sonst fremdgehen. Musste er extra erwähnen, dass sie sogar seine Arbeitsstelle besucht hatte um etwaige Rivalinnen auszuspähen? Selbst seinen Chef hatte sie solange drangsaliert bis er ihm einen männlichen Partner zugeteilt hatte.
Der Spanier wusste nicht wo ihm der Kopf stand. Nachts verlangte seine Arbeit alles von ihm ab und tagsüber seine Verlobte, die letzten Wochen hatte er schon mehrere böse Streitereien verursacht, weil er ihre Einladungen ausgeschlagen hatte, deshalb hatte er diesen Nachmittag einfach zusagen müssen! Jetzt etwa ein Jahr nach ihrer Verlobung erwarteten seine Eltern und zukünftigen Schwiegereltern, dass langsam aber sicher mit den Hochzeitsvorbereitungen angefangen wurde. Selbst einen passenden Termin für die Trauung hatten sie schon für ihn ausgesucht ohne ihm Bescheid zu geben! Ausgerechnet in der Woche in der er endlich mal zusammen mit Patric hatte Urlaub nehmen können um das bisher relativ kühle und distanzierte Verhältnis zwischen „Ausbilder“ und Azubi aufzulockern! Er hatte alles schon so durchgeplant gehabt, dass es ihm jetzt gar nicht in den Kram passte alles wieder wegen der Hochzeit umschmeissen zu müssen und zusätzlich fühlte er sich auch nicht wohl bei dem Gedanken bald unter der Haube zu sein. Er war ein Mensch der seinen Freiraum immer geliebt und mit Argusaugen verteidigt hatte, zweiundfünfzig Wochen im Jahr, sieben Tage die Woche und vierundzwanzig Stunden am Tag mit seiner ?Liebsten` aufeinanderzuhocken, die jetzt schon wie verrückt klammerte erschien ihm wenig verlockend.
Im Endeffekt war der lästige Besuch bei seinen zukünftigen Schwiegereltern heute, der Grund gewesen warum er nicht mehr rechtzeitig nach Hause gekommen war um sich für die Arbeit umzuziehen. Deshalb war er noch in seiner verschwitzten Freizeitkleidung im Labor aufgetaucht.
Seufzend zog sich Ramirez den weißen Laborkittel und die dünnen Latexhandschuhe für die Untersuchungen über, band seine langen Haare zu einem Zopf zusammen und machte sich wieder an die Arbeit. Ändern konnte er an der Situation sowieso nichts, also sollte er lieber aufpassen Patric nicht allzu sehr zu reizen. Der Kleine schien schon wieder eine Menge Sticheleien der Älteren zu hören bekommen zu haben, wie der Spanier zu Recht vermutete. Im Gegensatz zu ihm, der schon zwei Jahre hier mitspielte, eine dementsprechend durchtrainierte Figur und einen unerschütterlichen Willen hatte, war sein Partner doch recht schnell aus dem Konzept zu bringen und wirkte für einen Auror oft unbeholfen und schutzbedürftig.
Vorsichtig klappte er die Luke des Bedampfungsgeräts ab und nahm den Zauberstab von der Haltevorrichtung. Der Spezialkleber hatte ein paar wunderbare Sätze Fingerabdrücke sichtbar gemacht. Behutsam pinselte der Auror die Beweise mit schwarzem Pulver ab, das an dem Klebstoff haften blieb. Jetzt musste er die Fingerabdrücke nur noch mit Klebefolie abziehen und an Patric weitergeben, der diese Aufgabe nur selten und äußerst ungern anderen Händen außer seinen eigenen überlies.
Etwas ausgesöhnt nahm der schwarzhaarige Neuling die Fingerabdrücke entgegen und legte sie vor sich auf die Ablagefläche. Er führte komplizierte Zauberstabbewegungen aus und murmelte einen der gut unter Verschluss gehaltenen Zauber ihrer Abteilung, daraufhin löste sich der erste Fingerabdruck wie von Geisteshand von der Folie und nahm eine rauchähnliche Form an, die Patric mit einem leichten Wedeln seines Zauberstabes in ein dunkelbraun-eingebundenes Buch pustete. So verfuhr er mit allen Fingerabdrücken bis er restlos alle zwischen die noch weissen Seiten verbannt hatte. Mit einem weiteren Zauber aktivierte er die Suchfunktion des Buches, das im Grunde nichts weiter war als ein Archiv aller jemals verzeichneter Fingerabdrücke, die jedem jungen britischen Zauberer bei der Einschulung abgenommen wurden. Sein Partner beobachtete in anerkennend aus den Augenwinkeln.
Ja, in der gesamten Abteilung gab es niemanden der Patric in phorensischer Hinsicht überlegen war - nicht mal er selbst. Der Rauch färbte sich schwarz und grün, bevor das magische Behältnis ihn wild durcheinanderwirbelte. Eine lange Liste mit nach Alphabet und Geburtsdatum sortierten Namen ratterte über die aufgeschlagenen Buchseiten. Bei der Geschwindigkeit der Suchmaschine und der langen Namensliste würde es bestimmt einige Zeit dauern bis sie einen Treffer landen würden, außer sie hatten großes Glück und er war im Alphabet weiter vorne angesiedelt oder sie hatten Pech und es war gar kein Brite, der den ?Lindwurm` verwüstet hatte sondern ein ausländischer Tourist. Dann waren die Chancen um ein vielfaches geringer, tendierten aber nicht vollständig gegen Null. Unter bestimmten Umständen wurden auch von Ausländern die Fingerabdrücke genommen, zum Beispiel wenn sie ein Visuum beantragten.
Zufrieden wandte sich Patric wieder ab. „Gut, jetzt kann es ein bisschen dauern bis wir bei all den Abdrücken die passenden fin...“, ein rotes Aufglühen unterbrach ihn. „...den.“ Völlig aus dem Konzept gebracht lugte auf die nun glatte blässlich-graue Oberfläche des Buches, die nun eher wie frisch geschöpftes Papier aussah. Aus der langen Reihe von Namen blinkte einer abwechselnd grün und rot auf.
„Wow, das ging aber diesmal fix.“, unterbrach die überaschte Stimme des Dienstälteren die dröhnende Stille. „Und wer ist es diesmal. Nein sag nichts außer: Mann oder Frau?“
„Keine Ahnung.“, antwortete der Kleinere verwirrt. „Ein sehr exotischer Name jedenfalls. Klingt eher nach einem Jungen oder Mann.“ Hatte er etwa den falschen Fingerabdruck eingegeben oder irrte sich das System? „Seine Fingerabdrücke sind in der nationalen Datenbank auch wenn ich mir nicht erklären kann wie sie dahinein geraten konnten.“
„Wie heißt denn unser Wüterrich?“, wollte der Spanier wissen.
Ramirez suchte zuerst die nationale Datenbank und dann zur Sicherheit auch noch die internationale nach einem passenden Eintrag zu dem sich immerfort blinkenden Namen ab, es dauerte eine Weile bis er fündig wurde. Doch anscheinend hatte das Gerät diesmal nichts verpfuscht. „Hm, ein Ausländer also? Dann werden ihm seine Abdrücke wohl bei der Einreise abgenommen worden sein oder ...hat er eine Portschlüsselgenehmigung?“
Patric überprüfte es kurz. „Ja, Godrics Hollow, vor ein paar Wochen. Meinst du etwa...?“
„Jup, der Kleine scheint schon was auf dem Kerbholz gehabt zu haben sonst hätte er nicht die höchste Sicherheitsstufe gehabt. Ist sicherlich sein Zauberstab, den er da in der Kneipe verloren hat.“, vermutete Ramirez scharfsinnig.
„Hm, meinst du? Wir werden ja sehen ich untersuche erstmal lieber die restlichen Beweise, die Fakten können schließlich nicht lügen.“, erwiderte Patric unsicher.
Ramirez gab ihm den Zauberstab für die restlichen Untersuchungen und widmete sich derweil den restlichen Beweisen, die sie heute Abend noch alle zu untersuchen hatten. Ein gedämpftes Stöhnen entkam ihm. Das würde mal wieder jede Menge Überstunden bedeuten! Und seine Zukünftige war doch sowieso schon sauer weil er sie dauernd mit dieser Ausrede vertröstete!
Patric zog eine altausgediente Waage zu sich her, wie sie in Muggelhaushalten üblich zum Abwiegen von Backzutaten war. Während er den Zauberstab auf die Waagschale legte, beobachtete er genauestens wie sie kurz golden aufleuchtete und dann nach einigen Sekunden, in denen es so klang als wolle das Gerät gleich den Geist aufgeben, einen schmalen Tippstreifen an der Seite ausspuckte, welcher die Basisdaten und den Namen des Besitzers enthielt.
Sein Kiefer klappte ihm vor lauter Fassungslosigkeit auf. Wenn ihn schon die Analyse der Fingerabdrücke an seinem Verstand hatten zweifeln lassen so war das nichts gegen das pure Entsetzen, das ihn beim Durchlesen der Daten zu dem gefundenen Zauberstab überfiel. Dieser Fall war eindeutig eine Nummer zu groß für zwei Frischlinge wie sie es waren!!!
„Ein alter Fall?“, fragte Ramirez neugierig.
„Ein brandheißer Fall...“, murmelte sein Partner verblüfft über das Ergebnis seiner Untersuchungen.
Der Spanier riss ihm den Papierstreifen aus der Hand und überflog die wenigen Daten. Sein ungläubiges Staunen verwandelte sich binnen Sekunden in brodelnde Hoffnung. „Wenn das Ergebnis wirklich stimmt, Pat, dann ist dir eine Beförderung sicher. Boah, dabei bist du erst vor ein paar Wochen von der magischen Polizeibrigade zu uns gekommen! Glückwunsch, da hast du ja genau den richtigen Fall herausgezogen. Wir sollten den Minister schnellstens pesönlich in Kenntnis setzen, oder was meinst du?“
Pat lächelte nervös. „Es ist doch nur eine erste Spur. Wir wissen doch gar nicht ob sie uns zum Ziel führt, vielleicht ist es auch nur ein dummer Zufall?“
„Wir sollten es trotzdem riskieren. Vielleicht ist es ja auch Schicksal. Ist der Minister heute abend nicht auf diese Benefizgala eingeladen gewesen?“, ignorierte Ramirez den Einwand. „Dann bringe ich eben die Nachricht, falls ich falsch liege kriege dann nur ich den Anschiss.“
„Nimm zur Sicherheit den Tippstreifen als Beweis mit.“, meinte Patric besorgt wie ihr Vorgesetzter wohl reagieren würde und drückte dem dunkelhaarigen Spanier den Zettel in die Hand.
„Bis später dann, Patty.“, verabschiedete sich sein Kamerad mit einem frechen Grinsen und wirbelte durch die Tür des Labors.
„Bis später...du Nervernsäge.“, erwiderte der andere Azubi gespielt beleidigt als ein weiteres rotes Aufglühen hinter ihm seine Aufmerksamkeit beanspruchte.
Anscheinend war die Datenbank ein zweites Mal fündig geworden! Welch ein seltsamer Zufall! Patric kam neugierig näher und beugte sich über das Buch. Der Name, welcher ihm ins Auge sprang, kannte er nur zu gut. Hatte er ihn doch erst neulich in der Zeitung gelesen - kurz vor Beginn seiner Ausbildung! Entsetzt starrte Patric auf den widerlich blutrot blinkenden Namen Albus` Dumbledores...
-------------------------------------------------------------------
Cold case* (aus Wikipedia übersetzt)
Die Betitelung [b]„Kalter Fall“ bezieht sich auf ein Verbrechen oder einen Unfall, der nicht gelöst worden ist und nicht das Thema der gegenwärtigen kriminellen Untersuchung oder Zivilstreitigkeit ist, aber für den neue Informationen aus einer Zeugnisaussage gezogen werden konnten oder Archive nochmals überprüft wurden, sowie alte materielle Beweise. Neue technische nach dem Fall entwickelte Methoden können für die Beweise verwendet werden, um die Fälle häufig mit abschließenden Ergebnissen neu darzulegen.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel