von *~Sonnenwind~*
Prolog
Der kaum belichtete Raum war voller Bücherschränke, Tischen und Kerzen. Doch keiner der Anwesenden las, alle hatten sich dem einen Mann zugewandt, welcher mit einer piepsigen Stimme seine Rede hielt. Niemand hätte ihn ernst genommen, wäre er nicht so intelligent, begabt und mächtig.
Dass er Autorität besaß, sah man sofort, denn die Anwesenden hingen an seinen Lippen. Kein Geflüsterter oder Rascheln war zu hören.
Das Treffen hatte zweifellos etwas Geheimnisvolles. Das einzige Licht ging von Ketten aus, die Jeder Anwesende um den Hals trug, aus. Kleine blaue Lichter schwebten also in Halshöhe und ließen die Gesichter der Personen düster und mit Schatten verhangen erscheinen.
Jedem Außenstehenden wäre sofort klar gewesen, dass alles was hier besprochen wurde, nicht rechtens sein konnte. Doch ihnen nicht, nein, sie waren sich sicher, dass das was sie taten, gut war.
„Wir müssen wachsen, meine Brüder und Schwestern. Mehr Menschen müssen das Große erkennen und bekehrt werden! Nichts ist so wichtig. Nicht euer Leben und nicht meines.“ Nun bewegten sich die Zuhörer, alle zogen sie gleichzeitig die Kapuzen ihrer hellblauen Kutten ein Stück tiefer ins Gesicht, während sich der Redner mit einer steifen Bewegung umdrehte und auf einen Schrank voller Ketten zeigte. Sie leuchteten nicht. „Diese werden bald die Hälse unserer neuen Brüder und Schwestern schmücken.“
Schon lange wurde kein Neuer mehr in ihren Kreis aufgenommen. sie selbst waren schon relativ alt. ihnen allen war bewusst, dass eine neue Generation folgen musste, um das Überleben ihrer Runde zu sichern. Doch der Drang nach Wissen war schon lange keine erstrebenswerte Tugend mehr unter den jungen Leuten. Es war schwer geeignete Anwärter zu finden. Sie stellten hohe Anforderungen an die Neuen und kaum einer war diesen gewachsen.
Doch alle waren sich sicher, dass sie die Intelligenz finden würden, die sich suchten. Irgendwo in den hübschen und jungen Köpfen befand sich das, nachdem ihre Gemeinde suchte. Das absolute Wissen würde nur ein junger Mensch vollkommen in sich vereinen können, wenn er den Drang nach Freiheit und Unsinn ablegen konnte. Dies könnte nur mit Kontrolle erreicht werden.
Gefühle waren auf dem Weg zum absoluten Wissen hinderlich, doch schien es in der heutigen Generation Trend zu werden, seine Gefühle zu zeigen. Gefühle resultierten aus einem Gewissen, doch manchmal musste man auf radikale Methoden zurückgreifen, wenn man ihr Ziel verfolgte.
Ihr Anführer begann erneut zu sprechen:
"Wäre es möglich, dass die viel versprechenden Kandidaten ihre Gefühle ignorieren könnten, wären viele geeignet für unsere Gemeinde. Wenn wir nicht zulassen wollen, dass unsere kleine Runde ausstirbt, müssen wir auf unkonventionelle Mittel zurückgreifen. Diese modifizierten Mitgliedsketten", er zeigte auf den Schrank hinter sich, „helfen ihnen, sich selbst zu ändern und zu bessern. Viele werden zu uns kommen und den Sinn unserer Gemeinde verstehen." Ein zustimmendes Murmeln erklang, doch es erlosch sofort, als sich der scharfe Blick des alten Mannes erhob. "Wir werden den Menschen zeigen, was es heißt, Intelligenz zu besitzen. Wir werden ihnen deutlich machen, was für einen geringen Preis der Verlust der Gefühle war, im Vergleich zu der absoluten macht!" Einige Anwesenden fassten sich langsam an die leuchtenden Ketten und spürten die leichte Vibration die durch ihre eigene Erregtheit ausgelöst wurde.
"Sucht eure Bekannten auf und prüft sie, führt sie langsam und behutsam in unsere Kenntnisse ein, zeigt ihnen, was wir ihnen bieten können!"
Mit diesen Worten wurden sie entlassen. Es gab nichts weiter zu sagen, sie wussten, was sie nun zu tun hatten. Das Überleben ihrer Gemeinde stand auf dem Spiel und jeder von ihnen war bereit bis zum Äußersten zu gehen um ihren Fortbestand zu sichern.
Leise huschte einer nach dem anderen aus dem dunklen Raum und jeder nahm sein Licht mit. Nun war ihr Anführer alleine im Raum und nur noch eine einzige Kette spendete ein wenig kaltes Licht. Der Mann hob sie langsam vor seine Augen und umfasste sie fest mit einer Hand. Sie war kalt, wie aus reinem Eis. das Leuchten, seine Gefühle, gefangen in einem kleinen Eispanzer.
Ein kühles Lächeln huschte über das runzlige Gesicht des Mannes, als er sich der Macht bewusst wurde, die er besaß. Er konnte handeln, wie er wollte, ohne auch nur die geringste Gefühlsregung. Wenn ihm danach war, konnte er diese Menschen in den Tod schicken und sie würden bereitwillig gehen. Doch wieso sollte er das tun? Er wollte doch nur alles wissen, alles andere war ihm egal. Ob nun noch zwanzig dumme, gar blinde Menschen mehr auf der Erde lebten, was scherte es ihn? Er besaß die Macht, nach welcher er immer gestrebt hatte.
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