von S_ACD
Wer hätte das gedacht? S_ACD ist immer noch nicht tot. *klopft eilig auf Holz*
Und das Sofa-Debakel ist immer noch nicht abgeschlossen, stattdessen ist es jetzt dreigeteilt.
Und falls es da draußen noch irgendwelche Leser geben sollte, die trotz meiner ENORMEN Zuverlässigkeit die Stellung halten - das hier ist ihnen gewidmet. :D
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Fred stolpert beinahe über einen hervorspringenden Pflasterstein und fängt sich gerade noch am nächstbesten Schaufenster. Hinterher ist auf der ansonsten blitzblank polierten Glasscheibe ein kleiner, verschmierter Handabdruck zu sehen, aber da keiner der geschäftig vorbeihastenden Erwachsenen auch nur Notiz davon nimmt, beschließt Fred, dass es ihm auch egal sein kann.
Die Winkelgasse wirkt noch viel größer und beeindruckender als die zwei, drei Male, als sie mit ihrer Mutter hier waren – vor allem, weil er diesmal keinen blöden Besserwisser-Bruder namens Percy im Schlepptau hat, der es einem fast unmöglich macht, abzuhauen, um selber was zu erleben.
Inzwischen weiß Fred zwar nicht mehr wirklich, wo genau er sich befindet, aber die ungefähre Richtung, aus der er gekommen ist, hat er noch im Kopf und außerdem ist er sich ziemlich sicher, dass er das kunterbunte Schaufenster ihres Ladens (bei dem Gedanken schleicht sich ein glückliches Grinsen auf sein Gesicht) wiedererkennen wird, wenn er erst mal davorsteht.
Aber der RĂĽckweg hat noch Zeit.
Er setzt seinen Weg zwischen den ganzen überlebensgroßen Gestalten, von denen ihn niemand wirklich wahrzunehmen scheint, fort und betrachtet neugierig die vielen beeindruckenden Auslagen. Wäre gar nicht mal so schlecht, jetzt etwas Gold zu haben.
Vielleicht hätte er George danach fragen sollen?
Aber andererseits… lieber nicht. Immerhin ist der jetzt richtig erwachsen und so weiter… möglicherweise hätte er ihm sogar verboten, alleine rauszugehen. Irgendwie versetzt ihm das einen kleinen, gemeinen Stich in den Magen.
Sicher nicht. Zwilling bleibt Zwilling und auch, wenn Fred seinen Bruder genau genommen erst seit einem halben Tag kennt, ist er sich doch ziemlich sicher, dass er nicht so bescheuert ist wie die meisten anderen Erwachsenen.
Hoppla. Jetzt hat er doch eine Weile lang nicht aufgepasst, wo er hinmarschiert ist, aber ein ganze Stück weiter vorne leuchtet irgendetwas Weißes zwischen den Hausdächern durch – Gringotts, die Zaubererbank.
So viel weiĂź er zumindest.
Plötzlich bleibt er stehen. Was ist denn…?
Eine dunkle Seitengasse hat sich zu seiner Rechten aufgetan und er betrachtet sie neugierig. Sieht aufregend aus.
DĂĽster, aber aufregend.
Und immer noch besser, als hier von lauter Großen über den Haufen gerannt zu werden; zwischen Geschäften, in denen er sich sowieso nichts kaufen kann.
Nichts wie hinein.
An einer Hauswand hängt ein altes, verwittertes Schild. Fred bleibt stehen und betrachtet es mit schiefgelegtem Kopf. Lesen gehört nicht unbedingt zu seinen größten Stärken, aber die paar Buchstaben wird er wohl noch hinkriegen. Also dann…
„Nooo- Nokut… ne, anders. Nooktuuuur- n- gaas- was?“
Ach so, Gasse. Anderes Wort fĂĽr StraĂźe.
Alles klar.
„Nokturngasse“, sagt er laut und bemerkt erst dann die bucklige Gestalt, die in einer Hausnische lehnt und ihn mit seltsam glühenden (Moment mal, glühenden?) Augen anstarrt.
Das dazugehörige schmale Lächeln ist alles andere als vertrauenserweckend, aber wenn Fred in seinem kurzen Leben mit drei älteren Brüdern eines gelernt hat, dann doch wohl, dass derjenige, der zuerst zeigt, dass er Angst hat, von Vornherein einpacken kann.
Also strafft er die Schultern, hebt das Kinn und gibt sich Mühe, den Klumpen in seiner Kehle so unauffällig wie möglich hinterzuschlucken. Dann geht er weiter. Ein paar Männer in abgerissenen Umhängen kommen ihm entgegen, aber anders als die Zauberer bisher ignorieren sie ihn nicht. Eher das komplette Gegenteil – und mit einem Mal ist Fred sich ziemlich sicher, dass ihm die Erwachsenen von vorhin, die ihn einfach übersehen haben, bei weitem lieber waren als die hier. Die haben ihn nicht so komisch angestarrt.
Er hingegen wĂĽrdigt sie keines Blickes.
Augen gerade aus und weitergehen.
Als er an der nächsten Fassade vorbeigeht, springt plötzlich eine Hexe mit schmutziger Haarmähne hervor. Er zuckt erschrocken zusammen.
„Na so was, na so was“, kichert sie und macht dem aufmerksamen Beobachter dabei gleich klar, dass sie nicht besonders viel von Zahnhygiene hält, „Frische Blut, junges Blut. Was hat dich denn hierher verschlagen, mein Kleiner?“
„Ähh“, sagt Fred und weicht instinktiv ein paar Schritte zurück, „Gar nichts?“
„Aber, aber“, sie kommt ihm nach und versucht, ihm mit langen, spinnenartigen Fingern über den Kopf zu streichen, unter denen er sich hastig wegduckt, „Gibt viel zu erleben, viel zu erzählen. Möchtest du eine Geschichte hören, Kleiner?“
Ein Pergamentbogen von der Länge der Themse reicht nicht aus, um all die Dinge aufzuzählen, die Fred jetzt lieber hören würde als ihre Geschichte, aber er schüttelt bloß den Kopf und hofft, dass er dabei nicht so eingeschüchtert wirkt, wie er sich fühlt.
„Eigentlich nicht“, sagt er, „Aber, öh… danke. Echt. Nur, ich muss jetzt wieder-“
Er will sich umdrehen, um unauffällig abzuhauen, aber ihre Hand schießt blitzschnell hervor und packt ihn am Oberarm. Der Schmerz ist nicht ganz so schlimm wie der, der in seinem Fuß aufgetaucht ist, als er und George mit vier Jahren vom Dach des Hühnerstalls gesprungen sind, aber viel fehlt nicht.
Fred schafft es gerade noch, nicht aufzuheulen, weil ihm das Gefühl in seinem Magen mehr als deutlich sagt, dass es nicht unbedingt schlau wäre, in dieser Gasse mehr Aufsehen zu erregen als unbedingt nötig, aber den leisen, undefinierbaren Schmerzenslaut kann er nicht unterdrücken.
„Komm!“, sagt sie mit schriller Stimme und beginnt, ihn mitzuziehen, „Komm, komm, komm-“
Da holt er aus und tritt ihr mit aller Kraft gegen das Schienbein – und ist gleichzeitig ziemlich dankbar für seine großen Brüder und das jahrelange Training, das automatisch mit ihrer Existenz einhergegangen ist.
Ihr empörter Aufschrei hallt in seinen Ohren wieder und der schraubstockartige Griff lockert sich; zwar nur kurz, aber die paar Sekunden sind mehr als genug.
Er reißt sich ruckartig los und rennt davon, so schnell ihn seine Beine tragen. Über schmutzige Pflastersteine und an grauen, ungepflegten Fassaden vorbei – bis auf einmal wie aus dem Nichts eine hochgewachsene Gestalt vor ihm auftaucht, die vermutlich gerade eben aus einem der Läden getreten ist.
Zum Ausweichen bleibt keine Zeit mehr, und Bremsen ist schon gar nicht drin. Außerdem hat er immer noch die schrille Stimme der Hexe im Kopf und die nicht unbegründete Angst, sie könnte ihm nachgelaufen sein. Der Aufprall tut nicht allzu weh, die Landung aber schon.
Als er sich ein paar Sekunden später aufrappelt, brennen seine Knie und Handflächen mehr als unangenehm und als er benommen nach unten sieht, rinnt ihm etwas Klebriges über die Lippen. Mehr verwundert als erschrocken fährt er sich mit den Fingern über den Mund und stellt fest, dass die erste Vermutung richtig war – Blut.
Nur… woher?
Vorsichtig tastet er etwas höher. Seine Lippen sind noch heil und es ist auch kein Nasenbluten, aber vielleicht-
„Autsch!“
Er zieht seine Hand hastig zurĂĽck, weil er die Quelle des Ăśbels gefunden hat. Irgendwo hat er sich wohl die Nase angeschlagen, denn quer darĂĽber klafft etwas, das blutet wie verrĂĽckt.
„Aua“, macht er noch mal, wie um sich selbst zu bestätigen, dass er sich da gerade wirklich wehgetan hat, „Blöder Stein. Blöde Gasse.“
Dann erst stellt er fest, dass sich keinen Meter vor seiner schmerzenden Nasenspitze immer noch ein Paar teuer aussehende Schuhe samt zugehörigem, samtschwarzem Umhangsaum befinden.
Ups. Der Typ, dem er reingerannt ist.
Fred legt den Kopf in den Nacken und blinzelt nach oben. Blond, mit spitzem Kinn und sehr aufrechter Körperhaltung. Außerdem starrt er Fred an, als könnte er nicht glauben, was er da sieht. Fred legt den Kopf schief und starrt fragend zurück, während er sich mit der Hand sicherheitshalber noch einmal über die Lippen fährt, weil die schon wieder feucht vor Blut sind. Irgendwie sieht der Kerl nicht besonders gefährlich aus.
Nicht gerade wahnsinnig sympathisch, aber auch nicht wirklich bösartig.
Als der Mann Freds Blick bemerkt, hat er seine Gesichtszüge (eine seltsame Mischung aus Ungläubigkeit und Neugier) sofort wieder im Griff – aber er macht keine Anstalten weiterzugehen. Ein paar Sekunden lang herrscht Stille, dann wird es Fred zu dumm.
„’allo“, sagt er und hofft, dass es trotz des Nuschelns höflich klingt, „Ähm… bud bir leid, bass ich bihnen beingebannt bin…“
Der Typ nickt, sieht dabei immer noch irgendwie verblĂĽfft aus und kramt dann ein blĂĽtenweiĂźes Taschentuch aus seinem Umhang hervor (der ĂĽbrigens auch nicht gerade billig aussieht).
„Du blutest“, sagt er kurz angebunden.
„Banke“, sagt Fred und drückt sich das Taschentuch auf die Nase, obwohl er die Feststellung insgeheim mehr als überflüssig findet. Aber so sind Erwachsene nun mal... immer etwas langsam von Begriff.
Sein Gegenüber beobachtet ihn aufmerksam, verzieht dann ärgerlich das Gesicht, als wäre ihm erst jetzt eingefallen, dass ihn an der Situation eigentlich etwas stören müsste.
„Was hast du hier zu suchen, häh?“, fragt er streng (zumindest versucht er, streng zu klingen, aber allzu überzeugend bekommt er es nicht hin). „Das ist kein Ort für Balgen wie dich.“
Fred zuckt mit den Schultern, zieht das Taschentuch vorsichtig weg und wirft einen prĂĽfenden Blick darauf, bevor er es wieder auf seine geschunden Nase drĂĽckt. Diese Reaktion scheint den Mann erst recht auf die Palme zu bringen.
„Also?“
Erneutes Schulterzucken scheint Fred angebracht zu sein.
„Weiß nicht“, nuschelt er so deutlich wie möglich, „Hab mich verlaufen.“
„Verlau-“, murmelt der Mann und dann, mehr zu sich selbst, „Was auch sonst.“
„Uhm“, sagt Fred probeweise und versucht dabei höflich zu klingen, „’Tschuldigung? War jedenfalls keine Absicht.“
Das bringt ihm einen angewiderten Blick ein.
„Wäre ja noch schöner.“
Ein paar Sekunden lang herrscht Schweigen, dann scheint sein GegenĂĽber eine Entscheidung getroffen zu haben.
„Los“, sagt er barsch, begleitet von einer eindeutigen Handbewegung, „Mitkommen.“
Normalerweise ist Fred fĂĽr diese Art von kommandierendem Ton blind und taub, aber das hier ist mehr oder weniger ein Sonderfall, also ist eine Ausnahme durchaus vertretbar.
Der fremde Typ geht mit groĂźen Schritten voraus und macht keine Anstalten, sein Tempo anzupassen, aber er sieht sich immerhin um, um sicherzugehen, dass Fred ihm auch wirklich hinterherkommt. Und das tut er. Zwar muss er ein bisschen laufen, doch alles in allem ist es halb so wild, und nach etwas, das sich anfĂĽhlt wie eine halbe Ewigkeit, gehen sie ein paar Stufen hinauf und stehen wieder in der Winkelgasse.
Fred gibt sich MĂĽhe, nicht ganz so erleichtert auszusehen, wie er sich fĂĽhlt und streckt dem Fremden das inzwischen nicht mehr allzu weiĂźe Taschentuch entgegen.
„Tut mir leid, dass es so aussieht.“
Zum ersten Mal stiehlt sich so was wie ein leichtes Lächeln auf die schmalen Lippen.
„Weißt du“, sagt der Mann spöttisch, „Ich denke, das werde ich überleben.“
Fred nickt ernsthaft. „Gut.“
Dann zuckte er zusammen, als hinter seinem Rücken jemand seinen Namen ruft und als er sich umdreht, sieht er seinen momentan etwas zu groß geratenen Zwillingsbruder mit schnellen Schritten auf sich zusteuern. Fred widersteht heldenhaft dem Drang, George vor lauter Erleichterung auf der Stelle um den Hals zu fallen (beziehungsweise, sich von George hochheben zu lassen, denn dessen Hals befindet sich momentan trotz gutem Willen etwas außer Reichweite) und hofft stattdessen, dass er selber nicht allzu erbärmlich aussieht.
George hat sich eindeutig Sorgen gemacht. Seine Haare sind durcheinander und seine Wangen haben rote Flecken.
„Merlin sei Dank“, fängt er schon an, als er immer noch ein paar Meter entfernt ist, „Merlin. Sei. DANK. Mann, was machst du denn, hast du auch nur irgendeine beschissene Ahnung, welche-“
In diesem Moment bemerkt er den blonden Mann und bleibt wie angewurzelt stehen.
„Malfoy?!“
Der blonde Mann sieht mittlerweile drein, als hätte er irgendeinen üblen Geschmack im Mund.
„Hätte mir klar sein müssen“, sagt er kalt, „Fangt ihr jetzt auch schon an, euch fortzupflanzen?“
„Malfoy“, wiederholt George mit einer Stimme, aus der man puren Abscheu heraushören kann und schiebt Fred mit einer Hand schützend hinter sich. „Heute schon versucht, n’paar Menschen umzubringen, deren Leben tausendmal mehr wert wäre als deins? Ein bisschen gefoltert? Nein?“
Malfoy wird, sofern das überhaupt möglich ist, noch ein Stück blasser.
„Warum erstickst du nicht an deiner Zunge, Wiesel?“
„Sorry“, sagt George grinsend, „Todessern tue ich prinzipiell keinen Gefallen. Nimm’s nicht persönlich, aber das ist einfach nicht mein Stil. Obwohl... doch, nimm es ruhig persönlich.“
In Malfoys Unterkiefer zuckt es leicht, wahrscheinlich deshalb, weil er seine Zähne so fest zusammenbeißt und er setzt zu einer Antwort an, aber dann wendet er sich abrupt ab und marschiert davon. George, dessen Grinsen einen grausamen Zug bekommen hat, deutet hinter ihm eine Verbeugung an.
Und Fred... Fred ist einfach nur mĂĽde und verwirrt.
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