von Federflügel
9. November 1979
Liebster James,
Kannst du dir eigentlich vorstellen, wie still es in diesem Haus sein kann? Ich höre die Holzvertäfelung knacken, den Windhauch durch den Kamin heulen, fast kann ich sogar die Wanzen trippeln hören. Aber am schlimmsten ist die Uhr. Ständig dieses nervtötende Ticken, das mir nur klar macht, wie lange ich noch warten muss, bis du wieder hier bist und diese Geräusche mit deinem Lachen vertreibst. Wenn ich versuche, Radio zu hören, ist diese ganze pseudo-Fröhlichkeit so ätzend, dass ich schon nach einer Minute wieder ausschalten muss. Bei denen ist alles tralala. Haben die denn keine Ahnung, was in der Welt so vor sich geht? Leute verschwinden spurlos oder werden ermordet und wir kämpfen gegen die, die das verursachen.
Manchmal muss ich aber die Nachrichten hören. Ich habe dann immer Angst, dass eine Meldung über dich oder die anderen kommt, oder überhaupt über jemanden, den wir kennen. Ich kann diese ständige Angst fast nicht mehr aushalten. Nur die Gewissheit, dass wir einander haben, gibt mir Kraft.
Gerade regnet es. Ich sitze auf unserer breiten Fensterbank im Wintergarten und sehe den Tropfen zu, die an den Glasscheiben herunter laufen. Das gleichmäßige Tröpfeln ist irgendwie ein beruhigendes Geräusch. Selbst wenn sich alle Zauberer auf Erden in diesem sinnlosen Krieg auslöschen, wird es auf der Erde immer noch regnen, schneien oder die Sonne scheinen. Mir wird klar, dass nichts von Menschenhand geschaffenes von Dauer ist. Diese Erde ist stärker als wir Menschen.
Aber jetzt ist genug Melancholie in diesem Brief. Das wirst du alles nicht gerne lesen wollen. Du brauchst selbst ein wenig Aufmunterung. Ich kann mir vorstellen, wie es bei euch zugeht. Um das Badezimmer machen alle einen ganz großen Bogen. Wer sich gerade etwas unwohl fühlt, hat Pech gehabt. Der wird einfach von den anderen weiter vollgemieft. Das Ungeziefer fühlt sich sehr wohl in eurer Kleidung und wird sich auch bald in euren Haaren einnisten. (Ich halte den Läusekamm und die Essig-Essenz bereit!)Und sobald es etwas zu essen gibt, stürzen sich alle wie ausgehungerte Löwen auf den Topf. Oder sollte ich besser Trog sagen?
Heute Abend besuche ich noch Alice. Wir hocken zwar schon im Hauptquartier ständig aufeinander, aber wir haben uns auch nach Feierabend noch einiges zu sagen. Alice macht Mousse au Chocolat und wir werden eine Flasche Wein zusammen leeren. Wusstest du schon, dass Alkohol die Stimmung verstärkt, in der man sich gerade befindet? Also wenn du schlecht drauf bist, wird es dir mit Alkohol noch schlechter gehen. Und wenn du gut drauf bist, dann wirst du dich vor lauter Ausgelassenheit nicht mehr einkriegen. Darum muss ich mich jetzt in besonders gute Stimmung versetzen. Ich fange schon mal an. Wie wär´s mit einem Witz? Aber mir fällt gar keiner ein, den du noch nicht kennst. Normalerweise bist du der Witze-Erzähler. Ich mache mal das Fernsehen an, wenn ich mit dem Brief fertig bin. Da kommt genug Witz für eine ganze Kompanie Trauerklöße. Sofern man den Humor der Fernsehleute teilt. Ach, es wird schon etwas nach meinem Geschmack kommen.
Ich habe jetzt Lust darauf, Kekse zu backen. Und dann nehme ich sie morgen mit ins Hauptquartier. Erinnerst du dich an den Tag, als ich die Apfelkekse dabei hatte und dann sieben Heiratsanträge bekam? Ist Mundungus eigentlich den Ausschlag losgeworden, den du ihm deswegen verpasst hast?
Also, ich fange schon mal an zu backen. Und du brauchst keine Angst um mich haben, denn wer deinen Ehering an meiner Hand sieht, macht sofort auf dem Absatz kehrt und verschluckt die Worte, die er sagen wollte in undeutlichem Gemurmel.
Ich erwarte sehnsüchtig deinen Brief.
Dein für ewig,
Lily
************************************************
So ihr Lieben, das war jetzt Anfangs ein bisschen arg melancholisch. Aber das muss auch mal sein.
Ich habe vor, später noch etwas Dramatik einzubauen. Und noch jede Menge Gefühl.
Danke an alle, für eure lieben Kommentare. Da schreibe ich doch gleich noch lieber weiter.
Euer Federflügel
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel