von Federflügel
29. November 1979
Lieber James,
ich bin heute in Gedanken ständig bei dir und den anderen. Ich hoffe und bete, dass alles gut geht und die Aktion gelingt. Es wäre ein gewaltiger Schritt, wenn wir so viele Todesser auf einmal fassen könnten. Es wäre endlich ein Hoffnungszeichen.
Schreib mir so bald wie möglich, ob alles geklappt hat. Du kannst dir sicher vorstellen, wie ich hier auf Kohlen sitze und jedem Vogel nachsehe, ob er nicht eine Eule mit einer Nachricht von dir ist. Mein Kopf findet heute keine Ruhe, meine Gedanken schweifen ab und verselbständigen sich. Ich bin so nervös und in Sorge um dich, dass ich kaum etwas essen kann. Ich versuche jetzt einfach, dir von Petunia und Vernon weiter zu erzählen.
Also, Vernon kam zur Tür herein. Petunia begrüßte ihn überschwänglich (ich musste fast kotzen, als ich diese bescheuerten Kosenamen gehört habe, die sie sich gaben). Dann betraten sie gemeinsam die Küche. Vernon blieb abrupt stehen und sah mich an wie eine widerliche Kröte. „Was willst du hier?“, fragte er im üblichen Tonfall. „Keine Angst, Vernon, morgen früh bin ich mit dem ersten Hahnenkrähen verschwunden.“, sagte ich. Petunia erklärte ihm die Sachlage und er fand sich zumindest damit ab. Ich sah ihm richtig an, dass meine Anwesenheit ihm den Abend verdarb.
Petunia bat ihn dann, mir mein Zimmer zu zeigen. Er führte mich die Treppe hoch und zeigte mir ein Zimmer, das offensichtlich als Abstellraum genutzt wird. Ich glaube, sie haben dort einfach ihre ganzen Umzugskartons rein gestellt und seither die Tür nicht mehr geöffnet. Das Bett muss Vernons altes Kinderbett sein. Die Matratze ist schon so durchgelegen, dass ich Rückenschmerzen bekam. Und gequietscht hat es wie eine verrostete Gefängniszellentür. Auf dem Bett lag eine gefühlte Staubschicht von drei Zentimetern. Ich konnte kaum glauben, dass ich bei Petunia zu Hause war. Ansonsten ist ihr Haus nämlich so sauber, dass man vom Toilettensitz essen könnte.
Ich hab dann in einem der zahlreichen Kartons Bettwäsche gefunden und diese auch gleich aufgezogen. Vernon dachte gar nicht daran, mir zu helfen. Er hat nur hämisch gegrinst und gemeint, dass ich als Hexe das bestimmt schneller und besser könnte als er und ist nach unten abgezogen. Der Geräuschpegel ließ darauf schließen, dass er sich vor den Fernseher geschmissen hat und den Sportkanal anschaute. Typisch. Und seine Frau darf sich in der Küche allein um das Abendessen kümmern.
Ich hab das Zimmer in einen bewohnbaren Zustand gebracht und dann das Badezimmer gesucht. Vorher hab ich aber etwas anderes entdeckt: das geplante Kinderzimmer. Bettchen und sonstige Möbel sind schon aufgestellt und auch verschiedener Schnickschnack, den ein Baby so braucht, lag herum. „Meine Babyparty war letzte Woche.“, sagte eine leise Stimme hinter mir. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass Petunia herauf gekommen war. „Da warst du aber schnell, so viel weiter als ich bist du ja auch nicht.“ „Die Frauen in der Nachbarschaft sind gerade so gut in Form, es sind mehrere gerade schwanger oder haben ihr Baby gerade bekommen. Unser Kind wird also viele Freunde haben.“
Das war alles, was wir an persönlichem noch redeten.
Dann gab es Abendessen und danach zog ich mich zurück, um Vernon nicht ertragen zu müssen. Ich hab ein bisschen den Krempel in meinem Zimmer durchgesehen und ich habe die Vermutung, dass Petunias Kind das verwöhnteste Balg von ganz England wird. So viel unnützer Spielkram, wie er dort herumliegt… Ich glaube nicht, dass der eine Entschuldigung für Vernons Erziehung ist.
Ich hab dann noch ein bisschen in Petunias und meinen alten Kinderbüchern gelesen. So lange ist diese unbeschwerte Zeit noch gar nicht her. Manchmal überlege ich, was gewesen wäre wenn…
Aber das sind dann so unnütze Gedanken. Warum sollte ich etwas hinterher trauern, wenn ich doch das Beste habe, das es gibt: Dich.
Ich freue mich auf dich und liebe dich jeden Tag ein bisschen mehr!
Deine Lily
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