von black_swan
Böses Erwachen
Lavenders Lider flatterten leicht. Sonnenstrahlen wärmten ihr Gesicht. Sie seufzte wohlig und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie an den Traum dachte, den sie eben gehabt hatte. Verrückt… so was albernes… Haare! Manchmal träumte man schon ziemlichen Unsinn…
„Miss Brown?“, unterbrach eine unbekannte Stimme ihre träge dahin fließenden Gedanken.
Lavender schreckte auf und öffnete ihre Augen. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten und sie mehr als nur Schemen erkennen konnte. Sie lag ein einem Bett aus weißem Metall, das unweit eines großen Fensters stand, durch dessen Scheiben die Sonne herein strahlte. Den Rest des Raumes konnte sie nicht sehen, denn ein limonengrüner Vorhang versperrte ihr die Sicht.
„Wo bin ich hier?“, fragte sie den jungen Mann, der steif auf einem Stuhl neben ihrem Bett saß. Die Angst, die in ihr hochstieg, ließ ihre Stimme piepsiger klingen, als beabsichtigt. „Und wer sind Sie überhaupt?“
„Mein Name ist Lycan Crump“, antwortete er mit heiserer Stimme. Sein straßenköterblondes Haar war weder kurz noch lang und hing ihm strähnig ins Gesicht, das von einigen Narben derart durchzogen war, dass es aussah, als sei es einst zerbrochen und nur mühsam wieder zusammengesetzt worden. „Ich bin Leiter von Wolfstraum, einer Selbsthilfegruppe für junge Werwölfe.“
Lavender zog eine Augenbraue nach oben. „Und was hat das mit mir zu tun?“, fragte sie betont kühl. Kaum zu glauben, jetzt wurde man schon beim Aufwachen um Spenden angebettelt.
„Sie wurden beim letzten Kampf gegen Du weißt schon
wen von Fenrir Greyback, dem blutrünstigsten Werwolf aller Zeiten angefallen. Jetzt liegen Sie im St.-Mungo-Hospital. Erinnern Sie sich denn nicht?“
Lavenders Augen hatten sich bei seinen Worten vor Entsetzen geweitet. Erinnerungen stürzten auf sie ein. Erinnerungen, die einem Alptraum entsprungen zu sein schienen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie grelle Lichtblitze zucken, gellende Schreie klangen ihr in den Ohren und plötzlich… ein roter Blitz, der direkt auf ihre Brust zuraste… stechender Schmerz… Lavender stöhnte auf. Erst jetzt nahm sie die Schmerzen bewusst wahr, die vor allem von ihrer Körpermitte ausgingen. Tastend schob sie eine Hand unter die Bettdecke. Ihre Finger stießen auf eine dicke Schicht Bandagen.
„…Knochenbrüche - wohl von einem Sturz - wurden schon am ersten Abend geheilt. Aber für diese Bisswunde braucht es erfahrene Heiler. Deshalb hat man Sie auf die Dai Llewellyn-Station für schwere Bisswunden gebracht“, erzählte der Mann, der sich Lycan nannte.
Langsam aber sicher setzten sich die Puzzleteile in Lavenders Verstand zusammen. Sie war angegriffen worden. Von einem Werwolf. Er hatte sie gebissen… Dann war der Traum von vorhin kein Traum gewesen, sondern eine Erinnerung… Trelawney hatte es geahnt… „Ich bin ein… Werwolf?“, flüsterte sie fassungslos.
Lycan nickte.
Lavender starrte in sein narbiges Gesicht und wünschte sich, noch einmal aufzuwachen und in ihrem eigenen Bett zu liegen. Sie wünschte es sich so sehr, dass es weh tat.
„Ich weiß, es ist am Anfang schwer zu akzeptieren, aber etwas anderes bleibt Ihnen nicht übrig.“ Er legte eine Hand auf ihre Schulter. „Immerhin ist Er, dessen Name
nicht genannt werden darf, besiegt worden. Und Sie haben dazu beigetragen.“
Sollte das etwa beruhigend sein? Sollte sie sich jetzt vielleicht freuen? Lavender wurde von einer Wut überrollt, wie sie sie noch nie zuvor gefühlt hatte. Offensichtlich sah man ihr das an, denn Lycan zog seine Hand weg und wich zum Vorhang zurück.
„Fällt Ihnen nichts besseres ein,“ , knurrte Lavender, „als hier herein zu stiefeln und mir fröhlich mitzuteilen, dass ich jetzt ein Werwolf bin? Und dass man da halt nichts dagegen machen kann?“ Die letzten Worte hatte sie fast geschrien. „Aber Hauptsache, Du weißt schon wer ist besiegt! Dann ist es ja scheißegal, was mit mir passiert oder wie?!“
Der junge Mann floh förmlich, verfolgt von ihrem Geschrei, durch die Lücke im Vorhang.
Lavender hörte wie die Tür ins Schloss fiel und brach in Tränen aus.
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