von Eulenkeks_96
Jetzt komt endlich (mit ein paar Tagen Verspätung) Halloween aus Ginnys Sicht!
Viel Spaß!
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Und dann kam Halloween. Die Große Halle war festlich dekoriert worden: Lebende Fledermäuse flogen in Scharen umher und Hagrids Riesenkürbisse waren zu Laternen ausgeschnitzt worden. Die Vorfreude war groß. Ginny und ein paar andere Gryffindors machten sich früher als sonst auf den Weg zum Abendessen.
„Habt ihr schon das Neueste gehört?“, fragte Matthew aufgeregt die anderen. „Dumbledore soll anscheinend ’ne Truppe von tanzenden Skeletten gebucht haben. Das hat mir so ein blonder Zweitklässler aus Hufflepuff (Zacharias Smith, Anm.d.A.) erzählt.“
„So ’n Schwachsinn“, grunzte Hagrid, der hinter ihnen herlief. „Jedes Jahr an Halloween werden die wildesten Gerüchte in die Welt gesetzt un’ die Leute glauben das auch no’.“
„Hey, Hagrid, was machst du eigentlich hier oben, bist du nicht Wildhüter?“, fragte Matthew frech.
Hagrid brummte: „Auch wenn dich das nichts angeht, ich hat’ ’n Gespräch mit dem Schulleiter.“
Matthew gab sich damit zufrieden und fing mit Samuel eine Diskussion an, ob der blonde Hufflepuff ein zuverlässiger Informant sei, der die anderen Gryffindors neugierig lauschten.
Ginny jedoch hakte nach: „Warum warst Du bei Professor Dumbledore, Hagrid?“
Er beugte sich zu ihr runter und sah sie verschwörerisch an: „Erinners’ du dich noch an den Hahn, den ich gekauft hab?“ Sie nickte kurz und er fuhr fort: „Der is’ umgebracht worden.“
„Was?“
„Ja, ich glaub, das war an dem Tag, an dem ihr bei mir wart.“ Ginny erinnerte sich nur zu gut an diesen Tag, an die Flucht vor Filch, an das Gespräch mit Dumbledore und daran, wie sie schlafgewandelt war. Sie hatte Hagrids Hühner in dieser Nacht noch mal besucht...
„Weis nich, wie’s passiert ist. Muss in der Nacht gewesen sein. Hab am nächsten Tag nur den Kadaver gefunden. Würd ja sagen, ’s war’n Fuchs, aber er hat den Hahn nich gefressen, nur umgebracht. Und überall warn Federn... Ich hab dir doch damit jetzt keine Angst gemacht, oder?“, fügte Hagrid rasch mit einem besorgten Blick auf ihr plötzlich kreidebleiches Gesicht hinzu.
„Nein – ich – hab nur was vergessen“, stotterte Ginny, wirbelte herum und rannte so schnell sie konnte, hauptsache weg von hier.
Die Erkenntnis hatte sie wie ein Blitz getroffen. Sie selbst musste den Hahn ermordet haben! Als sie schlafwandelnd zu Hagrids Hütte gegangen war, hatte sie irgendwie unbewusst einen Hahn ermordet. Und überall waren Federn... Auf ihrem Umhang waren auch Federn gewesen. Sie hatten von einem Hahn gestammt, der ohne sie noch leben würde...
Die Gänge waren gefüllt mit Schülern, die gut gelaunt in die Große Halle strömten, doch Ginny nahm sie kaum war. Sie rannte immer weiter in die entgegengesetzte Richtung, rempelte hunderte Menschen an, doch es war ihr egal: In ihrem Kopf kreiste nur dieser eine Gedanke: Ich habe unbewusst einen Hahn ermordet!
Schlitternd kam sie vor der Fetten Dame zum Stehen und nannte ihr keuchend das Passwort. Die Fette Dame rief ihr irgendetwas Unfreundliches hinterher, als sie in den Schlafsaal stürmte, doch Ginny hörte es nicht. Im Schlafsaal angekommen, begann sie hastig das Tagebuch zu suchen. Sie riss die Schubladen ihres Nachtschränkchens heraus, leerte den Inhalt achtlos auf dem Boden aus und suchte fahrig, warf alles andere, unwichtige beiseite und fand schließlich, was sie suchte.
Tom Riddle war der einzige, dem sie davon erzählen konnte und der ihr hoffentlich glauben würde, dass sie es nicht mit Absicht getan hatte.
Tom, es ist etwas Schreckliches passiert!, berichtete Ginny.
Hallo Ginny, du kannst dich mir ganz anvertrauen, das weißt du ja. Was ist passiert?
Ich bin seit kurzem Schlafwandlerin und... Ginny schluckte.
Bitte glaub mir, ich hab den Hahn nicht absichtlich umgebracht! Ich weiß nicht, was ich getan habe, aber es muss so gewesen sein. Ich kann mich an nichts erinnern, aber wahrscheinlich bin ich zu Hagrids Hütte schlafgewandelt und irgendwie hab ich dann den Hahn umgebracht. Warum hab ich das getan? Ich mag Tiere doch! Wir haben selbst Hühner im Fuchsbau.
Das Tagebuch hatte ihr noch nicht geantwortet, also schrieb Ginny weiter.
Ist es möglich, dass man als Schlafwandler böse Dinge tut?
Immer noch keine Antwort.
Hagrid wird mich für ein Monster halten, wenn er das erfährt!, schrieb Ginny und brach in Tränen aus.
Niemand wird je davon erfahren, kam nun die Antwort.
Tom, ich hab’ so ein schlechtes Gewissen. Was ist, wenn so was nochmal passiert?
...............
Das laute Poltern von drei Menschen, die die Treppe zum ersten Stock hochgerannt kamen, drang an Ginnys Ohren. Ihr Unterbewusstsein schien ihr zu sagen, dass sie sich beeilen musste um in die Mädchentoilette zu gelangen, bevor jemand sie sah.
„Harry, was tun wir –“, hörte sie eine bekannte Stimme aufgeregt rufen. Ginny zuckte zusammen und schien ihre Umgebung plötzlich wieder klarer vor sich zu sehen. Sie hatte die Türklinke zur Mädchentoilette (im 1. Stock) in der Hand.
„SCHHH!“, machte eine andere Stimme. Die polternden Schritte hatten angehalten.
Im Gang schien alles still zu sein. Ginny wollte gerade die Türe hinter sich schließen, als eine Stimme die sie nun als Harrys erkannte, schrie:
„Es wird jemanden umbringen!“
Harry, Hermine und vermutlich Ron rannten die Treppe zum 2. Stock hinauf.
Ginny war schockiert und total verwirrt. Es wird jemanden umbringen?
Was hatte das zu bedeuten? Sie witterte Gefahr und für einen Augenblick wollte sie losrennen und Harry zu Hilfe eilen - doch eine innere Stimme schien ihr davon abzuraten und sie zum Waschbecken zu drängen. Dort angekommen drehte sie den Wasserhahn auf und-
„Aaaaah!“, schrie Ginny entsetzt. Ihre Hände waren voller Blut!
Doch es konnte nicht ihr eigenes sein, das wusste sie.
Ginny fing an zu weinen. Das Blut musste von jemand anderem stammen. War es möglich, dass sie erneut jemanden schwer verletzt oder gar umgebracht hatte?
Sie warf nochmal einen ängstlichen Blick auf ihre Hände und stutzte. Das Blut sah irgendwie doch seltsam aus, mehr wie Farbe. Vorsichtig nahm Ginny etwas davon in den Mund und spuckte es sofort wieder aus.
Das war eindeutig Farbe!
Ginny atmete vor Erleichterung tief aus. Und sie hatte tatsächlich gedacht, sie hätte jemanden umgebracht! Eine so große Erleichterung hatte Ginny noch nie gefühlt, nicht einmal als sie endlich ihren Brief aus Hogwarts erhalten hatte. Sie stand leicht taumelnd auf und wusch sich die Farbe von den Händen und ihrem Umhang.
„Deshalb wollte ich hierher“, dachte sich Ginny. „Gut, dass ich so nicht zum Fest gegangen bin.“
Harry hatte sie in diesem Moment wieder vergessen.
Ginny wollte nur noch in ihren Gemeinschaftsraum. Dieses erneute Schlafwandeln hatte sie sehr erschöpft und durcheinander gebracht. Sie war gerade am Fuß der Treppe zum 2. Stock angekommen, als sie das laute Geschnatter unzähliger Schüler vernahm. Plötzlich erstarrte das Geschnatter und als sie sich nach kurzer Zeit der großen Anzahl an Schülern näherte, hörte sie Filch schreien:
„Du hast meine Katze ermordet! Du hast sie getötet! Ich bring dich um! Ich –“
„Argus!“ Diese Stimme gehörte Dumbledore.
Ginny hatte nicht die geringste Ahnung, was hier vor sich ging. Sie versuchte durch die Schülerschar einen Blick nach vorne zu erhaschen, doch sie war einfach zu klein. Die Menge hatte einen Halbkreis zur Wand hin gebildet, aus dessen Mitte Ginny Dumbledores Hut herausragen sah.
„Kommen Sie mit, Argus“, hörte Ginny Dumbledore sagen. „Und Sie auch, Mr Potter, Mr Weasley, Miss Granger.“
Bei diesen Worten erinnerte sich Ginny wieder an das, was Harry gesagt hatte, als er mit Ron und Hermine die Treppen hochgerannt war: Es wird jemanden umbringen!
Ginny lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Was war los?
„Mein Büro ist am nächsten, Direktor“, ertönte Professor Lockharts Stimme aus dem Halbkreis. „Nur die Treppe hoch – bitte seien Sie so frei –“
„Ich danke Ihnen, Gilderoy“, antwortete Dumbledore und die Menge teilte sich um ihn, Lockhart, McGonagall, Snape, Harry, Ron und Hermine durchzulassen. Ginny wurde zur Seite gedrängt, konnte aber einen kurzen Blick auf die vorbeiziehenden Menschen werfen und als sie erkannte, was Dumbledore in der Hand hielt, lief ihr ein weiterer eiskalter Schauer den Rücken hinunter: Es war Mrs Norris, steif und erstarrt, wie tot.
Was war passiert? War Mrs Norris umgebracht worden? Von wem? Und was hatten Ron, Harry und Hermine damit zu tun? Tausend Fragen kreisten durch Ginnys Kopf. Ihr wurde alles zu viel. Sie war verwirrt und erschöpft.
Als die Professoren außer Sichtweite waren, begann sofort ein lautes Geschnatter und Geschubse, doch Percy war sogleich zur Stelle: „Alle Schüler gehen unverzüglich in ihre Gemeinschaftsräume! Gryffindors, folgt mir! Hey, ich bin Vertrauensschüler!“
Die Menge teilte sich, als jeder in die Richtung seines Gemeinschaftsraums drängte und noch bevor Ginny sehen konnte, was an der Stelle war, vor der die Schülerscharen gerade noch gestanden hatten, wurde sie von dem Schülerstrom mitgerissen. Erst ein Stockwerk weiter oben konnte sie sich zu Chloe und Emily durchkämpfen, die aufgeregt miteinander diskutierten. Als sie jedoch Ginny sahen, blickten sie erleichtert auf.
„Ginny! Wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragte Emily. „Hagrid hat gesagt, du würdest gleich nachkommen. Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“
„Tut mir leid, ich musste nur noch etwas wirklich Wichtiges erledigen“, schwindelte Ginny.
„Noch wichtiger als das Festessen?“, mischte sich Matthew ein.
Ginny ging nicht darauf ein und fragte: „Was ist denn überhaupt los?“
„Naja, bis vor ein paar Minuten war noch alles normal, aber dann wollten wir nach dem Essen in unsere Schlafsäle gehen und haben Filchs Katze tot an einem Fackelhalter hängen gesehen –“, begann Emily.
„Sie hing einfach dort – ganz steif und hat sich nicht mehr gerührt“, murmelte Chloe ängstlich.
„Irgendwie scheint keiner zu wissen, was genau passiert ist“, meinte Emily.
„Und diese Schrift an der Wand – das ist echt unheimlich“, fügte Chloe hinzu und ihre Lippen bebten.
„Welche Schrift?“, fragte Ginny äußerst beunruhigt. Die ganze Angelegenheit machte ihr Angst.
„Jemand hat mit Blut etwas an die Wand geschrieben –“
„ ‚Die Kammer des Schreckens wurde geöffnet. Feinde des Erben, nehmt euch in Acht.’ “, sagte Matthew melodramatisch.
Irgendwie hatte Ginny das Gefühl, diesen Satz schon mal gehört zu haben, doch das war absurd. So verwirrt war sie, dass sie glaubte, sich an Dinge zu erinnern, von denen sie davor noch nie gehört hatte.
Inzwischen waren sie im Gryffindor-Gemeinschaftsraum angekommen und schoben schnell ein paar Sessel zusammen. Auch die anderen Erstklässler setzten sich zu ihnen. Alle schienen bleicher als sonst und von dem Mord an Mrs Norris mehr oder weniger betroffen zu sein, doch trotzdem diskutierten sie eifrig und stellten wilde Theorien auf, was passiert sein könnte.
„Das Blut für die Schrift stammt bestimmt von Mrs Norris selbst“, meinte Matthew überzeugt. Ella quiekte entsetzt und starrte ihn mit großen Augen an.
Doch Samuel widersprach: „Das glaub ich nicht. Mrs Norris hat überhaupt nicht geblutet und überhaupt überlege ich grade, ob die Schrift vielleicht gar nicht mit Blut, sondern mit Farbe geschrieben wurde. Es sah irgendwie nicht echt aus.“
Blut, das wie Farbe aussah? Oder Farbe, die wie Blut aussah? Mit einem weiteren Schrecken dachte Ginny an die Farbe, die sie sich von den Händen gewaschen hatte. Es konnte, nein, es durfte einfach nicht sein, dass sie etwas mit dem Tod von Mrs Norris zu tun hatte. Es war bestimmt nur reiner Zufall, dass sie voll mit blutroter Farbe gewesen war. Doch wo war diese Farbe hergekommen? Was hatte sie getan, als sie geschlafwandelt war?
Sie starrte ins Feuer und suchte nach Antworten auf all die Fragen, die in ihrem Kopf kreisten. Doch in ihr drehte sich alles und die Erschöpfung drückte sie nieder, sodass sie keine Erklärungen finden konnte.
„Ginny?“, rief jemand und erschrocken fuhr Ginny hoch und schaute panisch um sich, in die Gesichter der Erstklässler, die sie besorgt ansahen.
„Was ist denn los mit dir?“, fragte Emily.
„Nichts“, murmelte sie schnell, während ihr Herzschlag sich allmählich wieder beruhigte.
„Aber irgendetwas stimmt doch nicht mit dir“, hakte Emily nach.
Zum Glück blieb Ginny die Antwort erspart, da Percy in diesem Moment herbeigewuselt kam und überzeugt verkündete, dass es höchste Zeit für sie sei, ins Bett zu gehen. Natürlich wollte jetzt noch niemand von ihnen schlafen, aber als Percy mit Punkteabzug drohte, machten sie sich widerwillig auf den Weg in die Schlafsäle. Ginny wollte ihren Mitschülerinnen gerade folgen, als Percy sie zurückrief.
Entgeistert drehte sie sich wieder um. Das Letzte, was sie jetzt wollte, war mit Percy zu reden, doch:
„Ginny, wir müssen reden! Du siehst so blass und aufgeregt aus! Was ist los? Liegt es daran, dass Ron mit Harry und Hermine am Tatort erwischt wurde?“
Erschrocken sah Ginny auf. Was meinte er mit erwischt? Wieder hörte sie Harrys Worte in ihrem Kopf: Es wird jemanden umbringen! Anscheinend hatte er etwas gewusst, doch die drei hatten doch eigentlich nichts damit zu tun gehabt! Oder doch?
„Mach dir keine Sorgen, ich bin sicher, sie haben dieser Katze kein Haar gekrümmt!“, fuhr Percy fort. „Der Schulleiter wird das schon wissen, sie werden bestimmt nicht nach Hause fahren müssen.“
Ginny hörte nicht mehr richtig zu, sie wollte nur noch ins Bett. „Percy, kann ich jetzt bitte gehen?“, fragte sie müde.
„Wir müssen darüber reden, Ginny!“, erwiderte Percy bestimmt.
Doch Ginny konnte einfach nicht mehr. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie verzweifelt sagte: „Ich will jetzt nicht reden! Ich bin müde und will nur noch schlafen! Bitte lass mich einfach in Ruhe!“
Und sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Treppe zum Mädchenschlafsaal hoch, Percys entgeisterten Blick im Nacken.
Vor der Tür zum Schlafsaal der Erstklässlerinnen wischte sie schnell die Tränen aus dem Gesicht. Dann trat sie ein und fand die anderen in einer weiteren Diskussion.
„Was soll das überhaupt sein, die Kammer des Schreckens?“, fragte Megan gerade.
„Soweit ich weiß, ist das ein alter Mythos“, antwortete Emily. „Es hat mit den Gründern von Hogwarts zu tun, glaube ich. Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.“
„Wie auch immer, das Ganze ist schon ziemlich gruselig. Stellt euch vor, sowas passiert noch einmal!“, sagte Amelia verschwörerisch und Ella quiekte wieder ängstlich.
„Könnt ihr nicht endlich aufhören, darüber zu reden?“, fuhr Ginny ihre Mitschülerinnen an, der endgültig der Geduldsfaden gerissen war.
Die Mädchen verstummten und starrten Ginny verwundert an. Ginny drehte sich weg, ging zu ihrem Bett und zog die Vorhänge zu.
„Ginny?“, hörte sie Chloe zaghaft fragen.
„Lass sie“, ertönte Emilys ruhige Stimme. „Vielleicht braucht sie einfach ein bisschen Ruhe.“
Doch obwohl kein Laut im Schlafsaal zu hören war, konnte Ginny keine Ruhe finden und als sie endlich einschlief, träumte sie von roter Farbe, Mädchentoiletten und Katzen.
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Ich hoffe, es hat euch gefallen und würde mich wie immer über Kommis freuen. :)
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