The Bad and the Beautiful – Kapitel 10: Eine Erzählung
Die nächsten Wochen verschwammen in einem Wirbel aus Arbeit, Unterrichtsstunden mit Caitlin wechselten sich ab mit dem Zubereiten von Zaubertränken und den Vorbereitungen für das nächste Schuljahr, und er hatte das Gefühl, dass sich in seiner Welt nur noch Anstrengung und Schlaf abwechselten.
Und doch, der Stress tat ihm gut, denn wenn er abends todmüde und vollkommen erschöpft ins Bett fiel, blieben seine Alpträume fern und er konnte durchschlafen, auch wenn er sich morgens meist wie gerädert fühlte, mit jedem Tag mehr.
Caitlin verbrachte immer mehr Zeit alleine, durchstreifte das Schloss mit der Karte des Rumtreibers, die er ihr gegeben hatte, und erforschte die hintersten Winkel mit einer Neugier, die ihn wieder überraschte.
Doch nicht nur auf diesem Feld, auch mit ihren Fähigkeiten übertraf sie seine Erwartungen, mit den meisten einfachen Zaubern stellte sie sich recht geschickt an, nur bei Dingen wie magischem Bügeln oder Küchenarbeit misslang ihr alles. Auch dazu, einen eigenen Trank zu brauen, hatte er sie noch nicht überreden können, auch wenn sie ihn manchmal bei seinen Arbeiten für den Orden unterstützte.
Kopfschüttelnd legte er sein Messer weg und warf die letzte Zutat, Venemosa-Tentacula-Wurzeln, in den Trank, der daraufhin purpurrot aufglühte. Doch die leuchtende Farbe verlor sich fast sofort wieder, verblasste zu einem gräulich-violetten Ton, und zufrieden füllte er sein Explosionselixier in kleine, verzauberte Phiolen ab. Sie konnten in Taschen nicht zerbrechen, doch wenn man sie auf den Boden warf, zersplitterten sie, und ihr Inhalt entfaltete seine ausgesprochen zerstörerische Wirkung.
Diese Frau gab ihm einfach viel zu viele Rätsel auf, befand er, während er nach dem nächsten Rezept griff, doch dann überlegte er es sich anders. Mit Sicherheit hatte er heute genug gearbeitet, und jetzt verdiente er eindeutig eine Pause, denn es war schon später Abend, und er hatte noch nichts gegessen.
Ein wenig genervt fragte er sich, wo Caitlin war, normalerweise kehrte sie immer kurz nach Einbruch der Dunkelheit ins Schloss zurück, denn auch die Karte des Rumtreibers bot keine Sicherheit, wenn man sie nicht ablesen konnte.
Dunkel erinnerte er sich, dass sie erwähnt hatte, nach draußen an den See gehen zu wollen, und kopfschüttelnd beschloss er, dass er genauso gut nachsehen gehen konnte als hier zu warten. Mit wehendem Umhang brachte er den Weg hinauf zur Eingangshalle hinter sich und trat hinaus in die schon merklich kühle Nachtluft, den ganzen Tag hatte die Sonne auf die Ländereien gebrannt, doch jetzt funkelten die Sterne und die Temperatur sank rasch.
Mit einem flüchtigen Blick konnte er Caitlin nicht entdecken, doch es war schon ziemlich dunkel, die Farben zu einem dumpfen Grau verblasst, und so folgte er dem Weg, der zum See hinabführte.
Ein leises Platschen im Wasser ließ ihn zusammenzucken, und reflexartig zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf die Stelle, an der eine dunkle Silhouette aus dem See ragte. Eine Silhouette, die jetzt leise zu lachen begann.
„Kommen Sie heraus, das Wasser ist kalt.“
„Ist es nicht...“, gab sie zurück, sie klang gut gelaunt, so als ob sie ihn auslachte, und mit einer ungeduldigen Handbewegung entzündete er seinen Zauberstab, richtete den Strahl direkt auf sie.
Unwillig hob sie ihren Unterarm vor ihr Gesicht, er blendete sie, das Wasser troff aus dem Ärmel ihres schwarzen Kleides, während sie sich gleichzeitig bemühte, daran vorbei zu spähen.
„Sie sollten wirklich herauskommen.“
„Ich will aber nicht.“ Sie klang nicht trotzig, eher verspielt, auf eine Weise, die er an ihr bis jetzt noch nie erlebt hatte, und warf sich mit einem Platschen rückwärts ins Wasser, der Strahl seines Zauberstabes erfasste plötzlich nur noch kleine Wellen.
Missmutig breitete er seinen Umhang im Gras aus und ließ sich darauf sinken, mittlerweile kannte er sie gut genug und wusste, dass er sie nur mit Gewalt aus dem See würde holen können, und selbst das war beträchtlich schwieriger geworden, seit er angefangen hatte, sie zu unterrichten.
Also wartete er, hörte das Platschen, wenn sie aus dem Wasser auftauchte, die kleinen, gleichmäßigen Wellen, wenn sie schwamm, während der Mond, in dieser Nacht ein strahlendes Oval, hinter den Baumwipfeln des verbotenen Waldes auftauchte. Nach einer Weile begann er, seinen Hunger, den er schon fast vergessen hatte, wieder zu spüren, und schon spielte er mit dem Gedanken, ins Schloss zu gehen und sich etwas zu Essen zu holen, als ein lauter Knall die Stille der Ländereien zerriss.
Schon hatte er seinen Zauberstab in der Hand, als er Netty, seine kleine Hauselfe neben sich entdeckte, die einen Picknickkorb trug, der größer war als sie selbst. „Netty hat Abendessen für den Meister und die Mistress.“ Sie nickte geschäftig und breitete eine große Decke im Gras aus, dann legte sie einen Stapel Handtücher darauf und verschwand ebenso schnell, wie sie gekommen war.
Ein wenig abwesend griff er nach einem Sandwich und verschlang es fast, er hatte wirklich vergessen, wie hungrig er war, doch bald darauf wurde er von einer Bewegung im Wasser unterbrochen. Beiläufig entzündete er seinen Zauberstab und richtete ihn auf das Seeufer, Caitlin trat gerade aus dem Wasser, das schwere, dunkle Kleid klebte eng an ihrem Körper und ein distanzierter Teil seines Selbst fragte sich, wie sie damit eigentlich schwimmen konnte. Doch das war nur ein ferner, abwesender Gedanke, während er selbst spürte, wie sein Blick sie förmlich durchbohrte, ihm war nicht aufgefallen, dass sie in den letzten Wochen zugenommen hatte und nun kein dürres Skelett mehr war...
Verdammt, er war wirklich zu lange allein gewesen. „Fühlen Sie sich jetzt besser?“, fragte er, während sie nach einem der großen, weichen Handtücher griff und sich darin einwickelte.
„Natürlich“, bemerkte sie nur, während sie in den Picknickkorb griff und einen Apfel herauszog. „Außerdem ist es bald September, und jeder warme Tag könnte der letzte gewesen sein...“
September, ja... darüber wollte er mit ihr reden, schon seit einiger Zeit, doch er hatte nie den richtigen Moment gefunden, nie gewusst, wie er es beginnen sollte... Er nahm sich noch ein Sandwich und kaute nachdenklich daran, der Hunger war einem merkwürdigen Gefühl gewichen, das er nur noch mit Mühe einordnen konnte... Sie zog ihn an, auf eine Weise, die ihn verwirrte und die er sich nicht erklären konnte, denn sie war weder besonders hübsch, noch der Typ Frau, den er normalerweise bevorzugte... Abwesend schüttelte er den Kopf, es wurde Zeit, dass er wieder unter Menschen kam.
„Was ist?“ Sie betrachtete ihn mit schräggelegtem Kopf, im Licht seines Zauberstabs konnte er erkennen, dass ihre schmalen Lippen blau angelaufen waren vor Kälte, doch es schien sie nicht zu stören.
„Nichts...“, antwortete er ruhig und blickte auf den See hinaus, der Mond spiegelte sich auf der glatten Wasserfläche, während er sich innerlich einen Narren nannte. Sie hatte ihn gefragt, und er hatte nichts gesagt... warum?
Er griff in den Picknickkorb und seine Hand glitt über eine rundliche Flasche, als er sie herauszog, merkte er, dass es Wein war, und mit einem genaueren Blick konnte er auch zwei Gläser entdecken.
Vorsichtig füllte er eines davon und reichte es schweigend Caitlin, dann zögerte er einen Moment, bevor er auch sein eigenes füllte. Sie lächelte und prostete ihm still zu, dann trank sie einen Schluck und blickte gedankenverloren hinaus auf den See.
„Ist Ihnen nicht kalt?“, fragte er leise, doch sie schüttelte den Kopf. „Wenn Sie darauf anspielen, dass ein Trocknungszauber bequemer wäre, dann gebe ich Ihnen Recht. Aber ich denke, das wäre... langweilig.“
Verträumt ließ sie sich nach hinten fallen und blickte hoch zu den Sternen, die Stille hing zwischen ihnen, nur durchbrochen vom Zirpen der Grillen. Gerade als er anfing, zu überlegen, ob sie schon eingeschlafen war, meinte sie leise und abwesend: „Die Sterne sind hier viel heller als vor London. Dort fehlen immer so viele...“
Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte, goss sich stattdessen Wein nach.
„In meiner Wohnung war mein Vater... aber der Wald, der See und die Sterne gehörten immer mir...“ Der Schmerz in ihrer Stimme klang alt und abgenutzt, aber trotzdem war er da, schlug eine Saite tief in seinem Inneren an. Er war nicht die Art von Mann, die sich um verletzte Vögel kümmerte oder kleine Katzen von der Straße auflas, ganz und gar nicht, aber jene tiefe Einsamkeit erinnerte ihn an ihn selbst. Er wusste nicht, wie die Worte den Weg auf seine Lippen fanden, vielleicht kratzte der Wein an seiner Selbstbeherrschung, aber er sprach sie aus, hörte sie wie die eines Fremden. „Erzählen Sie...“
Überrascht richtete sie sich von der Decke auf, starrte ihn für einen Moment an, doch dann sank sie langsam, wie in Zeitlupe, zurück und blickte hoch zu den Sternen. „Mein Vater hatte gerade eine Anstellung in Hongkong und lebte mit meiner Mutter dort, als ich geboren wurde...“, begann sie stockend, ihre Stimme klang abwesend, als wäre ihr Geist in Erinnerungen gefangen.
„Ich... ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, denn bevor ich drei wurde, verlor er den Posten und wir gingen zurück nach England... London, ein hübscher, kleiner Vorort, ein kleines Haus mit Garten... ich hatte eine Katze, ging zur Schule, mein Vater war kaum zu Hause... und ich bekam eine kleine Schwester.“ Plötzlich klang sie erstickt, so als würde sie ein Schluchzen unterdrücken, und er warf einen Blick zu ihr, doch sie bewegte sich nicht. „Sie... sie hieß Mary... und war... oder ist... sieben Jahre jünger als ich... ich weiß nicht, wo sie ist...“
Für einen Moment war sie still, doch als sie weitersprach, zitterte ihre Stimme nicht mehr so stark. „Wir waren glücklich... und dann starb meine Mutter. Sie war krank, niemand wollte mir und meiner Schwester erklären, was sie hatte, und mein Vater fing an zu trinken.“
Wieder fehlte jegliche Emotion, starr blickte sie nach oben, so als ob sie nicht wahrnehmen könnte, was ihre Augen sahen. „Ich war gerade zwölf und musste mich um meine Schwester kümmern... mein Vater war nie zu Hause, entweder arbeitete er, oder er verschwand in irgendeiner Kneipe... aber es war nicht so schlimm... er war ja nie da...“
Stille, ruhige, lastende Stille selbst die Grillen schwiegen nun. „Aber... als ich vierzehn war, hat er seinen Job verloren... wegen des Alkohols... dann... dann saß er immer zu Hause und betrank sich dort... und ich musste kochen und putzen und waschen... er hat mir nicht geholfen... und ich wollte nicht, dass meine Schwester... ich wollte, dass sie eine Familie hat...“
Sie lächelte, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen, sich mit dem Seewasser in ihren Locken mischten. „Aber ich war wohl nicht sehr erfolgreich... sie war immer ein rebellisches Kind... hörte nur selten auf mich... und gar nicht auf meinen Vater. Er schlug sie deswegen, wenn sie ihn nicht bedienen wollte... und mich, wenn ich dazwischen ging...“
Sie klang kalt, angewidert, wütend, doch als sie schließlich weitersprach, war ihre Ruhe zurückgekehrt. „Aber... als ich die Schule abgeschlossen hatte, einen Job in der Bibliothek des Ortes gefunden, suchte ich mir eine Wohnung und wollte sie von dort wegholen... aber... aber ich bekam das Sorgerecht nicht... sie sagten, ich wäre... wäre zu jung... und dass ihr Vater ja für sie da wäre...“
Der Abscheu, mit dem sie das Wort ausgesprochen hatte, passte nicht zu dem Schmerz, der herzzerreißenden Qual, die sich auf ihren Zügen abzeichnete. „Also ging ich zurück... ich... ich konnte sie doch nicht dort alleine lassen... mit ihm... aber... sie verstand, was passierte... dass er mich mit ihr unter Druck setzte... und... als sie fünfzehn war, lief sie weg.... sie... sie schrieb mir einen Brief... sagte, dass es nicht meine Schuld war... aber ich... ich glaubte ihr nicht... kann es nicht glauben... ich kann einfach nicht...“
Sie schluchzte erstickt, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, und Snape fühlte sich hilflos, so unendlich hilflos vor diesem Anblick. Mangels Alternativen griff er nach ihrem Weinglas und füllte es auf, sie blickte ihn trotzig an und wischte sich die Tränen von den Wangen.
„Danke“, sagte sie leise und nahm einen großen Schluck, dann seufzte sie tief. „Danach... ich zog um, heiratete den falschen Mann, ließ mich wieder scheiden, zog um... und hatte gerade mein eigenes Leben aufgebaut, war dabei, glücklich zu werden...“
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