
von S_ACD
Hrrrmh... mal wieder. Argh.
Ganz viel Flogging Molly. Und ansonsten?
Viel SpaĂź.
~-~-~-~
„Was ist damit?“
George nimmt das Pergament, wirft einen prĂĽfenden Blick darauf und verzieht das Gesicht.
„Prickels? Was’n das für ein bescheuerter Name?“
Ich verdrehe die Augen. „Darum geht’s nicht.“
„Behaupte ich ja gar nicht. Aber komm schon, Prickels? Der vergrault uns doch die Leute!“
„Ah ja. Weil…“, ich krame einen weiteren Lebenslauf aus dem gegenwärtigen Chaos aus Pergamentstapeln und Frühstücksresten hervor, „…Ringelcook ja um so vieles besser klingt, was?“
Er reibt sich seufzend den Nacken und wirft das Bündel Lebensläufe, das er gerade durchgesehen hat, resigniert zurück auf die Tischplatte.
„Merlin noch mal. Wie schwer kann es denn bitte sein, zwei, drei einigermaßen normale, zuverlässige Durchschnittsleute zu finden?“
Ich sehe auf und versuche ein Grinsen. „Woher soll ich das wissen? Mit denen hab ich für gewöhnlich nicht besonders viel zu tun.“
„Charmant wie eh und je.“
Eine Weile lang ist es (abgesehen vom anhaltenden Rascheln der Schriftstücke und dem obligatorischen Rücken von Stuhlbeinen) mucksmäuschenstill – dann steht er plötzlich ruckartig auf, schnappt sich die beiden mittlerweile leeren Kaffeetassen vom Küchentisch und knallt sie mit weitaus mehr Nachdruck als nötig ins Spülbecken.
Ich seufze ebenfalls. Mein Zwillingsbruder lehnt in Jeans, T-Shirt und ohne Socken an unserer SpĂĽle, sieht aus wie der Inbegriff der Frustration und ich bin absolut nicht in der Verfassung, irgendetwas dagegen zu unternehmen, weil der Unterschied in unserer aktuellen GemĂĽtsverfassung im Moment nicht besonders groĂź ist und ich am liebsten selber damit anfangen wĂĽrde, Sache durch die Gegend zu werfen.
Entweder das, oder irgendjemandem einen Klatscher mitten ins Gesicht zu knallen. (Es ist echt unwahrscheinlich, wie viel Aggressionen man bei so was abbauen kann.)
Bitte, irgendjemand.
Gebt mir ’nen Klatscher und ’nen Schläger und ich bin zufrieden.
„Mann“, murmelt er auch schon, „Würd was drum geben, wenn ich jetzt Draco Malfoy ’nen Klatscher in die Fresse ballern könnte…“
„Wem sagst du das.“
Er bringt ein grimmiges Halbgrinsen zustande, das absolut keinen Aufschluss darĂĽber gibt, ob die folgende Bemerkung nur im Scherz dahingesagt oder doch ernst gemeint ist.
(Zutrauen wĂĽrde ich ihm im Augenblick ohne weiteres beides.)
„Was hält uns eigentlich davon ab, huh? Holen wir das Quidditch-Zeug raus und klingeln mal bei denen an der Haustür.“
„Jaah, sicher doch“, sage ich sarkastisch, obwohl die Idee mit einem Mal durchaus ihre Reize hat, „Morgen, Lucius, altes Haus! Sorry, dass wir stören, wir wollen nur schnell mal deinem Sohn die Fresse polieren… du hast doch sicher nichts dagegen, oder?“
Zum ersten Mal an diesem vollkommen unerfreulichen Morgen muss er wirklich lachen.
„Allein sein Gesichtsausdruck wär’s wert, findest du nicht auch?“
„Ganz eindeutig.“
Er schlendert zum Tisch zurück und lässt sich mit etwas, das verdächtig nach Kapitulation aussieht, wieder auf seinen Stuhl fallen. Dann streckt er die Hand aus.
„Gib her.“
Ich halbiere meinen Stapel und reiche ihm den Rest.
„Viel Spaß.“
„Ach, halt die Klappe.“
Noch ein paar Minuten später sehe ich auf.
„Alter, ich sage das ja echt nicht gerne, aber ich bin für Prickels. Der macht bei weitem den besten Eindruck.“
„Ja?“
„Ja.“
Er reibt sich die Nasenwurzel.
„Schön, okay. Meinetwegen. Ich hab nichts gegen den Kerl. Alles was ich sage ist, dass sich sein Name nicht unbedingt verkaufsfördernd anhört.“
„Na, dann hat er ja Glück, dass wir hier noch ’nen zusätzlichen Verkäufer suchen und keine Prostituierte.“
Auf seinem Gesicht breitet sich ein dreckiges Grinsen aus.
„Stimmt. Letzteres würde auch erheblich mehr Spaß machen. Vorname?“
„Ähh, warte…“, ich blättere um und muss mir dann plötzlich Mühe geben, nicht loszulachen, „Oh. Ähm… Perry.“
George starrt mich an. „Kein Scheiß?“
„Nein.“
„Der Typ heißt Perry Prickels?“
„Yep.“
Er lehnt sich feixend zurück und fährt sich mit der Hand durch die Haare.
„Mann. Seine Eltern müssen ihn ja wirklich gehasst haben.“
Ich grinse vor mich hin. „Anzunehmen.“
Wenigstens das hätten wir geklärt. Erweiterungen beim Personal sind sowieso schon seit einer halben Ewigkeit fällig (leisten könnten wir sie uns ohnehin doppelt und dreifach) und jetzt, mit der ganzen Rumäniengeschichte im Hintergrund haben wir endlich auch dir richtige Motivation dazu.
Verity kriegt die Verantwortung, solange wir weg sind; unterstützt wird sie von den beiden Typen, dir hier schon des Öfteren ausgeholfen haben und die – wie intensives Beobachten gezeigt hat – nicht komplett unfähig sind und dann kriegt das ganze Team noch Verstärkung von… Nun ja.
Perry Prickels.
Ist wahrscheinlich ganz gut, dass wir uns keine groĂźartigen Sorgen mehr um den Laden machen mĂĽssen, weil es familienintern mittlerweile genug Dinge gibt, ĂĽber die man sich den Kopf zerbrechen kann.
Das (und nicht die schwerwiegende Entscheidung, wen von diesen ganzen Vollidioten wir künftig an unser Vorratslager lassen werden) ist übrigens auch der Hauptgrund dafür, warum heute beide ziemlich durchhängen.
Ich will ja nicht behaupten, dass ich vor lauter Sorge die ganze Nacht wach gelegen bin, aber ich habe auf jeden Fall auch schon mal besser geschlafen.
Besser und vor allem länger.
Und für George ist es vermutlich kein Stück weniger mies gelaufen, weil er immerhin schon im Morgengrauen mit den Worten in meinem Zimmer stand, wenn das mit dem Pennen schon nichts werde, könnten wir genauso gut auch irgendwas sinnvolles erledigen.
Haufenweise Lebensläufe und schwarzer Kaffee am frühen Morgen sind nicht unbedingt das, was ich einen gelungenen Start in den Tag nennen würde.
„Okay“, sage ich, „Sind wir uns einig?“
„Yep. Prickels ist unser Mann.“
„Da wird er sich aber freuen“, ich mache Anstalten, mich zu erheben, „Dann schlage ich vor…“
„Heyheyhey!“, fällt er mir ins Wort, „Wo genau willst du hin, wenn man fragen darf?“
„Öh“, mache ich möglichst unschuldig und überlege, ob ich versuchen soll, die paar Meter zur Badezimmertür zu rennen (blöderweise sitzt er näher dran), „…nirgends?“
„Jaah, aber klar doch. Vergiss es, Bruderherz, ich bin dran. Du warst gestern zuerst.“
„Na und?“
„Tse. Versucht der Kerl doch glatt, sein eigenes Fleisch und Blut um die wohlverdiente erste Dusche zu bringen. Hast du denn gar kein Schamgefühl?“
Ich ziehe fragend die Augenbrauen hoch.
„Höh? Kann man das essen?“
„Ja“, sagt er, während er sich im Rückwärtsgang und mit argwöhnisch zusammengekniffenen Augen ins Badezimmer verzieht, „Und ich hoffe, du erstickst dran.“
„Meine armen Gefühle!“, schreie ich ihm hinterher.
„Tut mir le-“, kommt es durch die geschlossene Tür, „Ne, warte. Doch nicht.“
Und in mir keimt die leise Hoffnung auf, dass der Tag unter Umständen (und nur ganz möglicherweise) doch nicht so beschissen wird wie befürchtet.
~-~-~-~
Dreieinhalb Stunden später bin ich mir über eine Tatsache ziemlich im Klaren:
Der Tag ist wirklich nicht so beschissen wie befĂĽrchtet.
Er ist noch viel, viel beschissener.
„Nein!“, sagt unser Dad gerade, „Ihr kommt nicht mit! Wäre ja noch schöner.“
„Was?!“, empört sich George, „Warum nicht?“
„Weil“, sagt Bill bestimmt und wirkt dabei so erwachsen, dass ich ihm glatt eine reinhauen könnte, „…ihr dort absolut nichts verloren habt.“
„Ah ja?“, gebe ich wütend zurück, „Und du? Was hast du dort zu suchen? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, warst du auch noch kein Angestellter des Ministeriums!“
„Bei mir ist das was anderes“, verteidigt er sich, „Ich… ich gehöre zur Familie.“
George reißt der Geduldsfaden. „UND WIR NICHT?“
„Das hat doch niemand behauptet“, sagt Dad in beruhigendem Tonfall, sichtlich bemüht, die Situation wieder unter Kontrolle zu kriegen, „Es ist nur…“
„Nur was?“, fauche ich ungehalten, „Hä? Wir könnten Mist bauen? Wir haben keinen ach-so-tollen Beamtenposten? Was?!“
Ernsthaft mal, Percy ist auch unser Bruder. Mag ja sein, dass die gegenseitige Zuneigung in den letzten zwanzig Jahren nicht so offensichtlich rübergekommen ist und mag ja auch sein, dass wir uns ihm gegenüber ab und zu hart an der Grenze zur Bösartigkeit verhalten haben – aber das heißt noch lange nicht, dass wir ihn im Gefängnis sitzen lassen!
Pardon, unter Arrest. (Als ob das auch nur den Geringsten Unterschied macht.)
Verurteilt ist er schlieĂźlich noch nicht.
George und ich kommen mit, das ist beschlossene Sache.
Beschlossen von unserer Seite zumindest, denn unsere Eltern (einschließlich unseres großen Bruders, der sich von allen ungünstigen Zeitpunkten ausgerechnet diesen ausgesucht hat, um einmal auf Mums Seite zu sein) sehen das Ganze ein klein wenig anders – aber das hat uns schließlich noch nie von irgendwas abgehalten.
„Schatz“, schaltet sich unsere Mutter ins Gespräch ein, „Ehrlich, ich kann euch verstehen, aber begreift doch-“
Seit sie das von Percy Verhaftung erfahren hat, ist sie eigentlich nur noch in Tränen aufgelöst… immerhin sind mittlerweile schon zwei ihrer Kinder in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. (Gut, es besteht zwar immer noch die Möglichkeit, dass Charlie bloß mit irgendeiner Rumänin durchgebrannt ist und nach den Flitterwochen bestens gelaunt wieder auftaucht, aber mal ehrlich… wie wahrscheinlich ist das?)
Noch dazu eine gute Woche vor Weihnachten – da ist es verständlich, dass sie nicht auch noch mit George und mir Zoff bekommen will. Und ich würde ihr diese Zerreißprobe auch wirklich gerne ersparen – alles, was sie tun muss, ist uns mitkommen zu lassen.
„Jungs, sie werden euch ohnehin nicht reinlassen“, sagt Dad und sieht dabei furchtbar müde aus, „Bill durchzuboxen war schon schwer genug-“
„Aber-“
„Nichts aber!“, braust unser großer Bruder auf und sein Tonfall alleine ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich sein normalerweise meilenlanger Geduldsfaden gefährlich dem Ende genähert hat und man von nun an entweder die Klappe hält oder damit beginnt, sein Testament zu verfassen, „Jetzt ist aber mal Schluss, verdammt! Habt ihr nicht zugehört? Ihr bleibt hier und damit basta.“
Tja. Anfangs dachte ich ja noch, Mums Nerven lägen blank, aber das ist nichts (und ich wiederhole nichts) im Vergleich zu ihrem ältesten Sohn. Ich kann zwar nur raten, aber ich vermute mal, dass er das Gefühl hat, in seiner Aufgabe als großer Bruder auf ganzer Linie versagt zu haben – und das ist er ganz eindeutig nicht gewohnt, weil er dem Job bis jetzt eigentlich verdammt gut gewachsen war.
Georges Augen werden schmal
„Und damit basta?“, wiederholt er, „Aber sonst geht’s dir noch gut was?“
Ich verschränke rasch die Arme, um zu signalisieren, dass ich vollkommen seiner Meinung bin, weil er gerade dabei ist, eine ziemlich bedeutende Grenze zu überschreiten.
Sozusagen die allerletzte Festung, denn Bill war – zumindest dann, wenn er diesen Gesichtsausdruck draufhatte – seit unserem sechzehnten Lebensjahr die einzige Person, an deren Befehl wir uns ohne Wenn und Aber gehalten haben. Kein Witz.
Was er sagte, galt.
Bis heute jedenfalls. Und es tut mir ja auch wirklich leid um seine brüderliche Autorität und so weiter, aber wenn er weiterhin auf stur schaltet… bitte.
Soll er doch sehen, was er davon hat.
Was er kann, können wir schon lange.
Er baut sich vor uns auf und sieht dabei so wütend aus, dass ich unwillkürlich schlucken muss. (Unauffällig natürlich.)
„Ihr. Habt. Dad. Gehört“, sagt er mit mühsam beherrschter Stimme und im Normalfall wäre das der Augenblick (allerspätestens!), in dem wir nachgegeben hätten – wenn schon aus keiner anderen Motivation heraus, dann wenigstens aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
Aber diesmal geht es nicht um uns, sondern – so abwegig das auch klingen mag – um Percy und aus irgendeinem seltsamen Grund, den ich selber nicht so ganz verstehe und über den ich ehrlich gesagt auch nicht allzu ausführlich nachdenken möchte, ist das sogar wichtig genug, um sich mit Bill anzulegen.
„Yep“, sage ich kühl, „Und ich nehme mal an, Dad hat uns auch gehört.“
„Wir kommen mit“, ergänzt George entschlossen.
Unsere Mutter wirft unserem Vater einen beschwörenden Blick zu.
Der seufzt abgrundtief. „Na schön“, sagt er langsam und Bill, der uns immer noch angestarrt hat, als wollte er uns mit seinen Blicken erdolchen, wendet sich abrupt ab und stellt sich mit verschränkten Armen neben Mum, „Na schön. Aber, Jungs… eins könnt ihr mir glauben: Sie werden euch nicht reinlassen.“
„Macht gar nichts“, sage ich und tausche einen verstohlenen Blick mit meinem Zwillingsbruder.
Wäre ja bei weitem nicht das erste Mal…
Dass George und ich mit solchen Situationen schon die eine oder andere Erfahrung gemacht und für alle Fälle auch einen Plan B in der Tasche haben, behalte ich lieber für mich.
~-~-~-~
Ich war noch nie in Askaban und an den ganzen Erzählungen, es wäre dort um ein vielfaches weniger schrecklich, seit es keine Dementoren mehr gibt, mag durchaus was Wahres dran sein, aber… besonders einladend sieht der Kasten auch jetzt nicht aus. Weder von außen, noch von innen.
Wir betreten ein muffiges Vorzimmer.
Der diensthabende, alles anders als putzmunter aussehende Wachbeamte lässt eine ältere Ausgabe der Hexenwoche auf die stumpf glänzende Platte des Schalters fallen, als er uns hereinkommen sieht.
„Ja, bitte?“
Durch einen offenen TĂĽrspalt hinter ihm wird ein winziges Kabuff sichtbar, in dem zwei Mitglieder der Magischen Strafverfolgung ĂĽbel aussehenden Kaffee hinunterkippen.
Glaubt man Harry, ist Askaban, seit sie hier ohne Dementoren auskommen müssen, chronisch unterbesetzt – was zu haufenweise Überstunden und außerdem am Laufenden Band zu Beschwerden führt.
Wie Dad vorausgesagt hat, werden George und ich nicht durchgelassen. Verwandtschaft ersten Grades spielt offenbar keine Rolle – unser großer Bruder kann nur mit, weil Dad ihn vorher schon angemeldet hat oder so ähnlich.
Wir werden gebeten, zu warten.
Als sie mit dem Wachbeamten durch die TĂĽr verschwinden, wirft uns Bill einen fast schon entschuldigenden Blick zu.
„Tut mir leid“, murmelt er leise, als er vorbeigeht, „Aber seid so gut und baut keinen Mist, okay?“
Eigentlich hätte diese Bemerkung ja irgendeine patzige Antwort verdient (Mal ehrlich, was glaubt der denn, was wir hier machen? Rumrennen und die Gefangenen freilassen?), aber im Moment bin ich einfach viel zu erleichtert, dass er überhaupt mit uns redet.
Anscheinend ist er doch nicht sauer… zumindest nicht richtig.
Nicht auf uns jedenfalls.
Die beiden Typen verlassen das Kabuff und verschwinden durch die TĂĽr, durch die wir gerade eben hereingekommen sind. Einer der beiden wirft uns einen durchdringend Blick zu.
Ich starre unbeeindruckt zurück und kann mir gerade noch verkneifen, eine Grimasse zu schneiden. Einen Gesetzeshüter blöd anzumachen – noch dazu in einem Gefängnis – ist vermutlich nicht der hellste Einfall, den ein Mensch haben kann.
George lehnt sich gegen den Schalter und seufzte leise.
„Und?“, fragt er, „Plan B?“
Der verschlafene, desinteressierte Wachmann taucht vor meinem inneren Auge wieder auf. „Doch“, sage ich, „Einen Versuch ist es wert.“
„Yep“, bestätigt er, „Könnte klappen. Der sah auf jeden Fall danach aus, findest du nicht?“
Ich nicke langsam. Und ob er danach ausgesehen hat…
Nach – so fühlt es sich wenigstens an – einer halben Ewigkeit taucht der Wachbeamte endlich wieder auf. Mustert uns gleichgültig und setzt sich hin, um seine Lektüre wieder aufzunehmen.
Ich räuspere mich vernehmlich.
„Verzeihung, Sir?“
Er sieht auf.
„Was denn?“
„Sir“, steigt George mit ein und klingt dabei so kultiviert, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, als an Staatsbanketts teilzunehmen, „Uns ist natürlich klar, dass wir von Ihnen vorhin bereits von der Tatsache in Kenntnis gesetzt wurden-“
„-dass wir aufgrund mangelnder Genehmigung keinen Zutritt haben.“
„Was Sie nicht wissen können, ist, dass es sich hier um eine Familienangelegenheit handelt.“
„Haben Sie Familie?“
Sein Gesichtsausdruck lässt deutlich erkennen, dass er, immerhin stolze Mitte vierzig, vermutlich noch nie ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hat, eine Frau zu suchen und Kinder in die Welt zu setzen. (Was, objektiv betrachtet, wahrscheinlich kein allzu großer Verlust für den Fortgang der Weltgeschichte ist, aber man weiß ja nie…)
„Nein.“
„Haben Sie Geschwister?“, hakt George nach.
„Ja“, der Wachbeamte blättert um, „Einen älteren Bruder.“
„Ah“, sage ich, „Nun ja, dann-“
„Konnte ihn nie leiden“, werde ich missmutig unterbrochen, „Hat mir ständig alles weggenommen und unsere Ma hat nie was gesagt, weil sie ihn im Grunde viel lieber mochte als mich.“
„Aha…“, mache ich gedehnt, „Das ist… traurig, wirklich.“
„Worauf wir aber eigentlich hinauswollen“, fährt George fort, „Ist folgendes-“
Ich grabe in den Taschen meines Umhangs nach dem Beutel mit Galleonen und fische fĂĽnfzehn MĂĽnzen heraus, die ich vor der Nase des verdutzen Wachmanns auf den Schalter knalle.
„-reicht das aus, um vielleicht ’ne inoffizielle Genehmigung zu kriegen?“
„Wir würden unseren Bruder nämlich echt gerne sehen“, fügt George höflich hinzu.
Der Wachbeamte starrt uns an, starrt die Goldstücke an, die zwischen meinen Fingern durchschimmern, macht den Mund auf, klappt ihn wieder zu…
Äußerlich bleibe ich völlig ruhig, auch wenn ich mich innerlich bereits darauf gefasst mache, dass er uns gleich am Wickel hat – ein Restrisiko ist schließlich immer dabei.
Nicht, dass er uns im Ernstfall groß was anhaben könnte. Dann stünde nämlich sein Wort gegen unseres und im Lügen (so mancher von euch hat das vielleicht schon bemerkt) sind George und ich einfach absolute Weltklasse.
AuĂźerdem machen wir das bei weitem nicht zum ersten Mal.
(Und selbst wenn es zum Äußersten kommt, die Erfahrung hat gezeigt, dass uns bei Bestechung niemand was anhängen kann, weil sich nie restlos klären lässt, wer von uns beiden nun das Gold letztendlich in der Hand hatte. Solange einfach beide Parteien stur behaupten, dass sie und nur sie alleine den Geldbeutel gezückt haben, steht jedes ausführende Organ der Strafverfolgung ziemlich dumm da.)
Aber der Beamte scheint ohnehin keinen großen Radau machen zu wollen – stattdessen öffnet und schließt er seinen Mund karpfenmäßig noch ein paar Mal… und sagt dann einen Satz, der die ganze Situation noch einmal um hundertachtzig Grad herumdreht.
~-~-~-~
Sie sitzen an einem zerfurchten Tisch in einem kleinen Raum, der mindestens so muffig und schlecht gelüftet ist wie das Zimmer, aus dem wir gerade kommen. Percy hockt da wie ein Häuflein Elend und man merkt deutlich, dass Mum geheult hat.
Trotzdem gucken sie allesamt ziemlich verdattert aus der Wäsche, als George und ich mit dem Wachbeamten und noch einem anderen Typen im Besucherzimmer auftauchen.
„Mr. Weasley“, sagt der Typ und nur, weil er Percy dabei ansieht, weiß man, wer gemeint ist, „Holen Sie ihre Sachen. Sie können gehen.“
„Äh“, stottert Percy, „W-was?“
„Sie können gehen“, wiederholt der Typ und für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich, ihn schmunzeln zu sehen, „Ihre Kaution wurde hinterlegt.“
„Was?“, wiederholt Percy mit großen Augen, „Meine Kaution? Das kann nicht sein. Die betrug zweihundert Galleonen!“
„Was zum-“, schaltet Dad sich ein, „Von wem?!“
„Ich schlage vor, Sie klären das unter sich“, sagt der Typ ruhig, „Mr. Weasley, darf ich bitten?“
„Uhm“, sagt Percy und steht so zaghaft auf, als ginge es um seine Verhaftung und nicht um seine Haftentlassung, „Natürlich. Selbstverständlich.“
Mum springt auf, kaum dass sie den Raum verlassen haben.
„Arthur! Was hat das zu bedeuten? Wer hat für ihn bezahlt?“
Unser Dad kratzt sich am Hinterkopf. „Tja, äh… ehrlich gesagt, Liebling…“
Bill ist der einzige, der die Zusammenhänge zu begreifen scheint. Er sieht nämlich plötzlich auf und mustert mich und George von oben bis unten.
„Woher in Dreiteufelsnamen habt ihr beide zweihundert Galleonen?“
„Tjaah“, grinse ich, während die Köpfe unsere Eltern zu uns herumfahren, „Harte Arbeit.“
„Harte, harte Arbeit“, ergänzt George.
~-~-~-~
Percy scheint die ganze Sache furchtbar peinlich zu sein.
„I-ich“, stammelt er auch noch, als wir schon längst wieder im Fuchsbau sitzen, „Ich kann das nicht annehmen.“
So wie’s aussieht hat ihn die ganze Verhaftungssache emotional ziemlich mitgenommen (was irgendwie verständlich ist bei einem Menschen, der in den ganzen sieben Jahren seiner Schulzeit kein einziges Mal nachsitzen musste und die paar Male, bei denen er tatsächlich mal Punkte abgezogen bekommen hat, an einer Hand abzählen kann) und er scheint sich am liebsten irgendwo verkriechen zu wollen.
„Aaach“, sagt George, „Vergiss es. Sieh es als verfrühtes Weihnachtsgeschenk oder so was.“
„Genau“, setze ich hinzu und versuche, aufmunternd zu grinsen, weil es mir irgendwie gegen den Strich geht, ihn auf halbe Größe geschrumpft zu sehen, „Dafür kriegst du dann am Vierundzwanzigsten nichts mehr, klar?“
Das scheint tatsächlich irgendwie zu helfen.
„Gut“, sagt er und lächelt etwas zögernd, „Das klingt fair.“
Als ob wir das eben ernst gemeint hätten…
George rollt unauffällig mit den Augen.
Ich zucke mit den Schultern.
Wenn’s ihm dann besser geht, meinetwegen.
Unsere Mum scheint uns seit einer guten Stunde übrigens in einem komplett neuen Licht zu sehen. Ich meine, uns war völlig klar, dass sie uns unseren spektakulären Schulabbruch nie vollkommen verziehen hat, Laden hin oder her.
Zumindest bis heute.
Heute, so scheint es, ist ihr nämlich zum ersten Mal so richtig klar geworden, wie viel Geld wir tagtäglich machen. (Ich will an dieser Stelle ja wirklich nicht angeben, aber wir verdienen echt ’ne Menge – immerhin genug, um diese zweihundert Galleonen locker und ohne die geringsten Probleme verschmerzen können.)
Wir sitzen um den Küchentisch, auf dem Herd zischt der Teekessel vor sich hin und wären da nicht ein paar eindeutig ungeklärte Fragen, könnte fast so was wie besinnliche Stimmung aufkommen.
Leider sind die paar ungeklärten Fragen aber eindeutig da.
Kurz geht mir der Gedanke durch den Kopf, was zum Teufel heuer eigentlich los ist. Fast wirkt es, als wolle uns irgendjemand, der ein paar Stufen ĂĽber den Dingen steht, mit aller Absicht das Weihnachtsfest kaputtmachen.
„Mein lieber Fred“, murmelt George leise in meine Richtung, „Ich glaube, du wirst paranoid.“
Ich grinse zurück. „Es ist keine Paranoia, wenn’s die Wahrheit ist.“
Bill, der sich vermutlich aus unbewusstem BeschĂĽtzerinstinkt den Stuhl neben Percy unter den Nagel gerissen hat, wirft uns einen belustigten Blick zu.
Seine schlechte Laune scheint verraucht zu sein und dass er vor nicht allzu langer Zeit ziemlich angepisst war, hat er anscheinend auch vergessen.
„Herrschaften, wäre es wirklich zu viel verlangt, mal für zehn Minuten die Klappe zu halten? Ich für meinen Teil würde nämlich echt gerne wissen, wie unser Vorzeigeschüler es fertiggebracht hat, auf der Liste der bösen Jungs zu landen.“
Mum wirft ihm einen strafenden Blick zu.
„Bill! Das ist nichts, worüber man Witze macht.“
Dad nickt zustimmend.
„Also, Sohn, dann mal raus mit der Sprache… was hast du angestellt?“
Der rasche Blick, den George und ich wechseln, entgeht ihnen vollkommen. Der Hauptgrund, warum sie alle eigentlich verhältnismäßig ziemlich entspannt sind, ist der, dass niemand so recht glauben kann, dass Percy tatsächlich was angestellt hat.
Sie sind alle der festen Überzeugung, dass es sich schlicht und einfach um ein Missverständnis handelt – um eines handeln muss.
Und so falsch wäre das wahrscheinlich gar nicht… wenn Percy nicht vor ein paar Monaten wirklich ein paar Gesetze übertreten hätte.
(Zwar nicht aus eigenem Antrieb, sondern um George und mir aus der Patsche zu helfen, aber das interessiert in unserem Rechtssystem normalerweise ja niemanden.)
Deshalb wäre es durchaus denkbar, dass die Vorwürfe gegen ihn einigermaßen gerechtfertigt sind… Merlin, ich hoffe, das ist nicht wirklich der Fall.
George rückt auf seinem Stuhl hin und her, aber das ist auch schon alles, was er sich an Unbehagen anmerken lässt.
„Jaah, Perce“, sagt er, „Erzähl mal. Was hast du ausgefressen?“
~-~-~-~
Bestechung ist kriminell und korrupt und verboten.
So. Musste auch mal gesagt werden.... =D
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