
von S_ACD
Ferien sind unglaublich motivierend...
Und es hat geschneit!! *_*
(Zweieinhalb Millimeter oder noch weniger, aber wen interessiert das schon?)
In diesem Sinne hab ich auch ganz feierlich auf einen Cliffie am Kapitelende verzichtet... hmm, ja auf einen direkten zumindest. Oder so ähnlich.
Ihr kriegt das dann schon mit.
~-~-~-~
Sie lehnt mit hochgezogenen Schultern neben der Kassa und scheint sich in dem Gedränge ganz offensichtlich nicht wohlzufühlen.
Ich mustere sie hastig.
Zierliche Figur, dunkler Haarknoten, Nickelbrille mit dicken Gläsern.
Sie sieht so aus, wie man sich eine Bibliothekarin vorstellt und irgendwie ist sie hübsch – auf extrem schüchterne, unauffällige Art und Weise.
Nachdem man zum vierten Mal hingesehen hat.
Sie macht einen Schritt auf mich zu, sobald ich in ihrem Blickfeld aufgetaucht bin und wirkt dabei so sicher, dass ich kurz darüber ins Grübeln komme, ob ich sie nicht möglicherweise doch kenne – aber andererseits, wenn es um einen unserer Brüder geht, nimmt sie vielleicht einfach die Haarfarbe als Anhaltspunkt.
Keinen Augenblick später entpuppt sich diese Theorie als richtig, denn ihr Tonfall klingt kein bisschen sicher.
„Mr. Weasley?“
Ich setze ein strahlendes Lächeln auf, denn erstens ist sie weiblich und zweitens wirkt sie auch so schon eingeschüchtert genug. „Höchstpersönlich. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Guten Morgen, Sir“, sagt sie (was etwas seltsam klingt, weil sie keinen Tag älter aussieht als ich) und streckt mir die Hand entgegen.
Die nächsten paar Sekunden stehen wir beide da und sehen unangenehm berührt hinunter auf meine rechte Hand, die immer noch fest in meinen (inzwischen blutdurchtränkten) Umhangsärmel gewickelt ist.
Zögernd zieht sie ihre Rechte wieder zurück.
„Ähm, ja“, sage ich, „Entschuldigen Sie bitte, ich hatte vorhin einen kleinen… Unfall.“
„Nichts Ernstes“, füge ich rasch hinzu, als ich ihr erschrockenes Gesicht sehe, „Ganz und gar nicht… ehrlich, es sieht schlimmer aus, als es ist. Also, was kann ich für Sie tun, Miss…? “
„O'Halloran“, sagt sie, „Audrey O'Halloran.“
„Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen, Miss O’Halloran“, sage ich munter, „Sie sagte, es… es geht um unseren Bruder?“
Sie nickt, sieht sich dann zögernd um. Menschen, Menschen und noch mehr Menschen.
„Könnten wir uns vielleicht irgendwo unterhalten, ohne…?“
„Sicher“, sage ich, „Klar, kein Problem.“
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie George einen pikierten Fleury verabschiedet. Sein Angebot steht, wir haben eine Woche Zeit, um uns zu entscheiden.
Am dreiundzwanzigsten will er seine Antwort haben.
„Wie wär’s, wenn wir-“, ein paar Leute, die vor der Kassa Schlange stehen, starren unverhohlen auf meinen rechten, rot glänzenden Umhangsärmel, „Was denn?! Noch nie Blut gesehen? Kommen Sie, Miss O’Halloran.“
Gehorsam folgt sie mir hinüber zu George, der die Tür zum Hinterzimmer aufhält.
~-~-~-~
Unser Wohnzimmer ist wahrscheinlich nicht der beste Ort, um unbekannte Informanten zu empfangen, aber auf jeden Fall besser als die ganzen Alternativen.
Sie entscheidet sich für Tee und ich versuche, meinen knurrenden Magen (schließlich hatte ich immer noch kein Frühstück) mit einer Flasche Butterbier zu besänftigen.
Es bleibt bei dem Versuch.
George wirft mir einen amĂĽsierten Blick zu, ich starre finster zurĂĽck.
„Also, Miss O’Halloran“, sagt er freundlich, „Was führt Sie zu uns?“
Sie nippt an ihrem Sumpfwurzeltee, lässt den Blick schweifen und scheint nach dem erforderlichen Mut zu suchen.
„Es…“, setzt sie an, stellt die Tasse auf den Couchtisch und rückt sie gerade (ich bin mir nicht ganz sicher, ob das ein Manöver ist, um Zeit zu schinden oder ob sie von Natur aus so pingelig ist – zutrauen würde ich ihr beides), „Es geht um… ich…“
Wir warten.
Sie holt tief Luft.
„Ich… ich habe Grund zu der Annahme, dass ihr Bruder erpresst wird.“
Hm. Na wenn das so ist…
„Verzeihung“, sagt George, „Die Frage mag Ihnen vielleicht etwas dumm vorkommen, aber… von welchem Bruder reden wir hier?“
„Machen Sie sich über mich lustig?“
„Nein“, sage ich rasch, „Nein, ganz und gar nicht. Es ist nur-“
„Percy!“, bricht es aus ihr heraus und prompt errötet sie bis in die Haarwurzeln, „I-ich meine…“
…ach du meine Güte. Da scheint aber jemand einen ordentlichen Narren an unserem Oberstreber gefressen zu haben. Ich gebe mir Mühe, mein Grinsen im unbedrohlichen Rahmen zu halten.
Neben mir rutscht George unruhig hin und her und ich bin mir ziemlich sicher, dass er gerade mit genau demselben Problem zu kämpfen hat. Wenn ich ihn jetzt ansehe, breche ich innerhalb einer Minute vor lauter Lachen zusammen.
Er räuspert sich.
„Sie meinen Percy? Unser Bruder Percy wird erpresst?“
Klar, der Satz an sich ist alles andere als witzig – aber seine Stimme klingt so mühsam beherrscht, dass sogar Audrey O’Halloran auffällt, wie schwer wir gerade um unsere Selbstbeherrschung zu kämpfen haben.
Ihre Stimme zittert vor unterdrückter Empörung.
„Finden Sie das etwa lustig?!“
„Nein“, sage ich hastig, „Überhaupt nicht, ehrlich. Es ist nur- also, ich meine, wie… wie kommen Sie darauf?“
Vielleicht ist sie ja auch nur die paranoide Sekretärin. Wer weiß das schon?
„Nun ja“, sie angelt wieder nach ihrer Teetasse und hält sich daran fest, „Sagt Ihnen der Name Geoffrey Halleb zufällig was?“
Neben mir versteift George sich unmerklich, während ich versuche, mir das eiskalte Gefühl in meiner Magengegend nicht anmerken zu lassen.
Und puff- einfach so, von einer Sekunde auf die andere hat die ganze Sache auch schon aufgehört, witzig zu sein.
~-~-~-~
Geoffrey Halleb vom Büro gegen den Missbrauch der Magie, Abteilung für Ein- und Ausfuhr von gefährlichen magischen Gegenständen und Substanzen.
Das ist so was von beschissen.
„Scheiße“, murmelt mein Zwillingsbruder auch schon, „Scheiße, scheiße.“
„Kannst du laut sagen“, ich zerpflücke eine alte Kürbispastete mit den Fingern, die ich irgendwo in den Tiefen unserer Küchenschränke gefunden habe, aber der Appetit ist mir vergangen (Miss O’Halloran und ihre Teetasse sitzen immer noch im Wohnzimmer, während George und ich uns für eine hastige Besprechung in die Küche geflüchtet haben), „Verdammt, wir hätten besser aufpassen sollen.“
Mein Zwillingsbruder nickt zustimmend, obwohl wir diesmal sogar erstaunlich wenig für den ganzen Schlamassel können.
So wie’s aussieht hat der gute Mr. Halleb nämlich selber keine blütenweiße Weste.
Ganz im Gegenteil – laut dem netten Wesen, das auf unserem Sofa sitzt, geht im Ministerium schon seit Monaten das Gerücht um, irgendjemand aus der Ein- und Ausfuhrabteilung werde bestochen, um die eine oder andere Information zur richtigen Zeit für die richtigen Leute durchsickern zu lassen.
Es gab innerbetriebliche Untersuchungen und so weiter und anscheinend war man sich nach einer Weile ziemlich sicher, in Geoffrey Halleb den Schuldigen gefunden zu haben – zumindest so lange, bis der die ganze Schuld auf unseren Bruder abwälzte.
Was natĂĽrlich nicht sein kann.
Mal ehrlich, ich traue Percy ’ne Menge zu, aber Bestechung?
Niemals.
Vorher landet er auf der Straße und fristet sein Dasein als Bettler, bevor er auch nur einen einzigen Knut annimmt, der ihm nicht rechtmäßig zusteht.
Unser Bruder lässt sich nicht bestechen. Eher geht die Welt unter.
Bleibt die Frage, warum er sich dann trotzdem als SĂĽndenbock nach Askaban hat schleppen lassen und zu der ganzen Sache ĂĽberhaupt schweigt wie ein Grab, anstatt sich zu verteidigen, wie das jeder normale Mensch tun wĂĽrde.
Tja, und der Grund dafür liegt laut Audrey O’Halloran darin, dass Halleb irgendwas gefunden hat, um Percy Druck zu machen.
Was das ist, weiß sie natürlich nicht, aber so abwegig ist die Vermutung gar nicht, weil George und ich ihr sofort einen guten Grund nennen könnten, mit dem Percy unterzukriegen wäre.
Einen Grund, an dem wir nicht ganz unbeteiligt sind.
Verdammt, verdammt.
„Anhörung am zweiundzwanzigsten Dezember?“, fragt George und mir ist klar, dass er das nur tut, um irgendwas zu sagen.
„Hm.“
„Scheiße.“
Die KĂĽrbispastete besteht inzwischen nur mehr aus KrĂĽmeln.
Wenn das mit Halleb tatsächlich stimmt, kann er sich schon mal warm anziehen - dann bringen wir ihn nämlich um.
„Na, na…“, George lächelt schmal, „Spar dir die Mordgedanken. Das würde noch mehr Ärger geben, als wir jetzt schon haben.“
„Ah ja? Noch mehr? Lass mich mal nachdenken, was haben wir denn bis jetzt anzubieten? ’Nen Bruder, der in ’nem anderen Land verschollen ist, ’nen Bruder, der durch unsere Schuld wahrscheinlich bald im Gefängnis sitzt, ’nen eingebildeten Schnösel, der unseren Laden kaufen möchte und irgendeinen Unbekannten, der uns ganz offensichtlich an den Kragen will. Hab ich irgendwas vergessen?“
Er seufzt tief und reibt sich die Nasenwurzel.
„Verfluchter Mist.“
„Kannst du laut sagen.“
~-~-~-~
Ich bin fasziniert.
Ungelogen.
Das Rot-werden hat in unserer Familie ja seit Urzeiten Tradition und ist fast schon so was wie eine Erbkrankheit, aber Percy hat ganz offensichtlich beschlossen, heute irgendeine Art von Rekord zu brechen.
Sein Kopf glüht so dermaßen, dass man beinahe schon beginnen könnte, sich Sorgen um sein Wohlbefinden zu machen. Sein körperliches, meine ich.
Den ganzen psychischen Rest kann man sowieso vergessen.
Das eigentlich Faszinierende an der ganzen Sache ist jedoch nicht mal das Wie? sondern vielmehr das Warum?
Er ist nämlich nicht deshalb tomatenrot im Gesicht, weil wir ihn wegen Halleb und der Erpressungsgeschichte zur Rede gestellt haben… ohh nein, ganz und gar nicht.
Die richtig ungesunde Röte kam erst, als ein gewisser Name erwähnt wurde.
„U-und Audrey hat… ich meine… warum… woher… sie kann nicht… das…“
Ich lehne mich hinüber und tätschle ihm beruhigend den Unterarm.
„Na, na. Ganz ruhig. Man könnte direkt meinen-“
„-du hättest noch nie ’ne Freundin gehabt!“, auf dem Gesicht meines Zwillingsbruder breitet sich ein diabolische Grinsen aus, „Und wir alle hier wissen doch, dass das nicht der Fall ist.“
(Der Sommer, in dem wir dank Ginnys losem Mundwerk wussten, dass er was mit Penelope Clearwater hatte, war ungelogen einer der besten unseres Lebens… allerdings kann ich da nicht für ihn sprechen.)
Percy starrt so lange hinunter auf meine Hand, bis ich sie wegziehe.
Dann seufzt er abgrundtief.
„Zum Totlachen, wirklich.“
„Danke“, sage ich vollkommen ernst, „Wir geben uns auch alle Mühe.“
Er wirft uns einen missbilligenden Blick zu.
„Das Traurige ist, das glaube ich euch sogar.“
Hm. Kommt mir das nur so vor oder ist er auf dem Gebiet unauffälliger Themenwechsel in letzter Zeit doch merkbar besser geworden?
George hat offensichtlich denselben Verdacht.
„Übrigens“, sagt er, „Netter Versuch, ganz ehrlich, aber wie wär’s mit ’nem kleinen Schwenk zurück zur eigentlichen Problematik?“
Percy gibt immer noch nicht nach.
„Die da wäre?“
„Öh“, ich zucke mit den Schulter, „Keine Ahnung, sagen wir mal… Halleb? Erpressung? Du, zwei Kriminelle und ein Mistelzweig über die Weihnachtsfeiertage in ’ner Gefängniszelle?“
„Üble Kombination“, gibt George mir Recht, „Ganz, ganz üble Kombination.“
„Für dich“, füge ich hinzu, „Nicht für die Kriminellen. Die freuen sich sicher.“
Percys Gesicht bekommt diesen Ausdruck, der dort immer auftaucht, wenn wir blöde, leicht unjugendfrei angehauchte Witze auf seine Kosten machen – so, als wüsste er nicht, ob er sauer sein oder darüber stehen und den ganzen Blödsinn einfach ignorieren soll.
Völlig entscheiden kann er sich nie, was dazu führt, dass das ganze immer in einer leicht pikierten Miene endet, bei der ein normaler Mensch einfach unmöglich ernst bleiben kann.
Ein wahrer Teufelskreis, ganz ehrlich.
Es dauert ein paar Sekunden, bevor er sich wieder gefangen hat.
„Wie dem auch sei“, sagt er dann, „Ich weiß eure, ähm… Anteilnahme wirklich zu schätzen, aber – nichts für ungut – es geht euch wirklich nichts an.“
George sieht drein, als erwarte er, sich verhört zu haben.
„Was?“
„Es… ist nicht euer Problem, in Ordnung?“, Percy macht Anstalten aufzustehen, „Seid so gut und haltet euch da raus.“
„Was?!“
„Wieso?“
„Deshalb. Und jetzt entschuldigt mich, ich hab noch was zu erledigen.“
Weg ist er.
Und ich stelle fest, dass das BedĂĽrfnis, irgendjemandem einen Klatscher mit voller Wucht ins Gesicht zu knallen, ein grandioses Comeback gefeiert hat.
Mein Zwillingsbruder dreht sich entgeistert zu mir um.
„Was… sag mal, für wie blöd hält der uns eigentlich?“
~-~-~-~
Der Laden ist immer noch gut besucht, als wir zurĂĽckkommen.
„Mr. Weasley?“, Jeff hält zwischen zwei Kunden inne, als er uns kommen sieht, „Einer von Ihnen hat ’ne Eule.“
„Danke. Und, wie läuft’s?“
Man muss seine Angestellten ja schlieĂźlich motivieren.
Er grinst etwas unbeholfen. „Geht so. Ähh, ich meine, alles unter Kontrolle, selbstverständlich-“
„Schon gut.“
„-nicht, dass Sie jetzt denken-“
„Tu ich nicht, keine Panik.“
„Puhh. Wie geht’s Ihrem Arm?“
„Bestens. Keine Geistesgestörten Irren mehr, seit wir weg waren? “
Sein Grinsen wird breiter. „Kommt drauf an, ob ich Sie beide mitzählen soll.“
Ich klopfe ihm im Vorbeigehen auf die Schulter.
„Nicht, wenn Ihnen an Ihrem Weihnachtsbonus was liegt.“
Der Junge ist gar nicht mal so ĂĽbel.
George wirft mir einen Umschlag entgegen, als ich endlich nach oben getrottet komme. (Und mich gleichzeitig zu fragen beginne, ob so viel Stress an einem Tag ĂĽberhaupt gesund ist.)
„Ist für dich.“
Ich werfe ihm einen raschen Blick zu, weil das ziemlich selten ist. Normalerweise kriegen wir einen Brief und nicht bloĂź einer alleine.
Die mickrigen Ausnahmen kann ich an fünf Fingern abzählen.
Ein kurzer Blick auf die Handschrift und ich weiĂź, wer mir da geschrieben hat.
George weiß es offenbar auch – was unter Umständen an dem dümmlichen Grinsen liegen könnte, das sich auf mein Gesicht geschlichen hat und gegen das ich einfach nichts machen kann.
Er grinst verhalten.
„Angelina?“
Ich reiĂźe den Umschlag auf und setze mich auf die Tischkante.
„Yep.“
Der Brief ist nicht lange. (Ist übrigens eine weitere Eigenschaft an ihr, die ich mehr als mag – kein langes, bescheuertes Drumherum. Das mit Angelina ist unkompliziert und deshalb verdammt angenehm.)
Ich lese ihn einmal und dann ein zweites Mal, während George unsere Küche auf den Kopf stellt, offensichtlich in dem Versuch, etwas Essbares zu finden.
„Verdammt“, murmelt er, „Du warst nicht zufällig einkaufen, oder?“
Ich werfe ihm einen abschätzenden Blick zu.
„Doch, klar“, meine Stimme trieft vor Sarkasmus, „In den mickrigen zehn Minuten, die wir heute getrennt verbracht haben, hab ich schnell Lebensmittel besorgt und zur Maniküre war ich auch noch.“
Er knallt den KĂĽhlschrank zu und grinst.
„Ich wusste, dass mit deinen Fingernägeln was nicht stimmt.“
„Da spricht der Experte.“
„Mh-hm“, er schwingt sich auf die Anrichte (Mum würde vermutlich einen Anfall kriegen, weil sie Zeit ihres Lebens versucht hat, uns klarzumachen, dass Stühle eine hervorragende Sitzgelegenheit abgeben und ganz offensichtlich gescheitert ist), „Was auch sonst?“
Ich grinse zurĂĽck.
„Was gibt’s zum Abendessen?“
„Hehe…“, er schwenkt triumphierend eine blasse Tüte, „Ich hätte n’paar Knallbonbons anzubieten.“
„Aus welchem Jahr?“
„Ist das denn wirklich wichtig?“
„Urgh… Lecker.“
Er zuckt mit den Schultern. „Was soll man machen? Mehr haben wir nicht.“
„Sicher?“
„Na ja, bis auf ein paar Stangen Sellerie… und Johannesbeergelee.“
„Geniale Kombination.“
„Kannst du laut sagen.“
„Was schlägst du vor? Fallen wir bei Mum und Dad ein?“
„Der vorbildliche Sohn…“, er nickt Richtung Brief, „Und, was schreibt sie? Irgendwas Wichtiges?“
„Nein“, ich drehe den Pergamentbogen zwischen zwei Fingern und bin mir nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee ist, das jetzt zu sagen, „Ich meine, nicht wirklich, sie… na ja, sie lässt anfragen, ob ich… ob ich Weihnachten mit zu ihren Eltern will.“
Sekundenlang herrscht Stille.
„Ah“, macht George dann und seine Stimme hat diesen vorsichtigen Tonfall, den sie immer bekommt, wenn er sich sicher ist, dass er das, was er eigentlich sagen will, lieber nicht sagen sollte und gleichzeitig nicht genau weiß, was er stattdessen sagen soll, „Also… echt nett von ihr.“
„…stimmt.“
„Wird sicher toll.“
Yep. Definitiv eine beschissene Idee. Meine Reaktion fällt so heftig aus, dass ich selber überrascht bin.
„Mann, jetzt tu gefälligst nicht so, als hätte ich schon zugesagt!“
„Solltest du aber“, sagt er vollkommen ruhig, „Ernsthaft, das-“
„Weißt du was, vergiss es einfach, okay? Ich hab keinen Bock, das jetzt zu diskutieren…“
Er nickt. Zurückhaltend, höflich. „Klar. Ganz wie du willst.“
Dann steht er auf.
„Wo willst du hin?“
„Ich… geh pennen, denke ich. Langer Tag, du weißt schon.“
„Du- klar. Was ist mit…?“
„Irgendwie…“, er zuckt die Achseln, „Ach, hab keinen Hunger.“
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihm noch nie irgendetwas so sehr nicht geglaubt wie diese Bemerkung, aber ich sage nichts.
„Klar.“
Im Türrahmen hält er inne.
„Was aber nicht heißen soll, dass du nicht-“
„Klar.“
„Ernsthaft, wenn du noch was essen-“
„Nein, geht schon… hatte sowieso keinen Hunger.“
Schmales, distanziertes Lächeln.
„Klar.“
Mit einem Mal ĂĽberkommt mich das unwiderstehliche Verlangen, ihm eine reinzuhauen.
Mal ehrlich, es gibt ja wirklich viele Adjektive, mit denen man unsere… keine Ahnung, „Beziehungskiste“ beschreiben kann, aber distanziert gehört ganz sicher nicht dazu.
Ganz im Gegenteil, es fühlt sich an, als würde er versuche, irgendein blödes Naturgesetz zu brechen. Vielleicht ist der Ich-knalle-ihm-eine-Trieb auch nur eine Art Reflex, der diese unnatürliche Distanziertheit überbrücken will… was weiß ich denn schon?
Er hat die Zeit genutzt, um zu verschwinden.
Und ich sitze da wie der letzte Vollidiot, Angelinas Brief in der Hand und starre auf unsere KĂĽchentĂĽr.
~-~-~-~
Ich liege im Dunkeln und bin nicht wirklich überrascht, als ich draußen auf dem Flur erst die Klinke und dann Schritte höre.
Die WohnungstĂĽr kommt dann zugegebenermaĂźen doch etwas ĂĽberraschend.
Einen Augenblick lang bin ich mir nicht sicher, was ich tun soll, dann springe ich auf.
Nichts wie hinterher.
Er sitzt im Dunkeln auf dem Tresen, eine Flasche in der Hand (die vermutlich irgendwas Alkoholisches enthält) und ich muss unwillkürlich lachen. „Bisschen melodramatisch, mein lieber Sir, finden Sie nicht auch?“
„Aaach, woher denn“, er rückt ein Stück zur Seite, um mir Platz zu machen und mir fällt ein gigantischer Stein vom Herzen, als ich ihn grinsen sehe, „Du hast bloß absolut kein Gespür für gute Inszenierungen.“
Die nächsten paar Minuten sitzen wir im Finstern (ohne Licht sieht der Laden irgendwie viel größer aus) und George reicht mir wortlos die Flasche.
„Da.“
„Danke.“
„Was wir vielleicht noch besprechen sollten“, sagt er irgendwann, als würden wir gerade ein Gespräch fortsetzen, dass wir vor nicht allzu langer Zeit unterbrochen haben, „Verkaufen wir?“
„An diesen Fleury?“ Die Visitenkarte habe ich sogar noch in der Tasche.
„Hm.“
Stille.
„Niemals!“
„Auf keinen Fall.“
„Würde ich auch sagen.“
„Was glaubt der denn-“
„Aber hallo!“
„Heh“, er holt sich die Flasche zurück (Feuerwhiskey, wie ich bereits festgestellt habe), und nimmt einen langen Schluck, „Ich hoffe mal, der akzeptiert ein Nein.“
„Pfff“, ich verschränke die Arme im Nacken, „Und selbst wenn nicht, mit dem werden wir schon fertig.“
„Keine Frage.“
Und mit einem Mal ist da das überwältigende Gefühl, dass alles gut werden wird – so weit hergeholt, unrealistisch und utopisch das in dem aktuellen Schlamassel auch scheinen mag.
„George?“
„Ja?“
„Ich bin am verhungern.“
„…ich auch.“
Wird schon werden.
Irgendwie.
~-~-~-~
Eigentlich gibt's noch was zu feiern, mal abgesehen vom Schnee - fĂĽr manche Menschen mag das ja vielleicht nix besonderes sein, aber ich bin seit heute offiziell zum ersten Mal ĂĽber der 35-Personen-Marke der Leute, die das hier abonniert haben.
Sind Luftschlangen da angebracht?
Egal, ich freu mich! ^___^
Dankedankedanke!! Ihr seid die größten.
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