
von S_ACD
Woah.
Ich muss gestehen, ich bin schockiert. Seit wann geht das bei mir so schnell? OĂ´
Gewöhnt euch mal lieber nicht zu sehr dran, irgendwas kann da nämlich nicht stimmen...
Was gibt's sonst noch zu sagen?
Blut. Gaaaanz viel Blut~ hrm. Irgendwie kriegt George immer mehr auf den Deckel als Fred.
Ich hoffe, ihr hattet ein schönes Silvester, seid gut ins neue Jahr gekommen und habt den versäumten Schlaf nachgeholt. =]
~-~-~-~
Ich kippe mitsamt dem Sessel so weit wie möglich zurück, ohne das Gefühl zu bekommen, gleich umzukippen und seufze abgrundtief.
Der Pergamentbogen auf der Tischplatte leuchtet mir herausfordernd entgegen – rechteckig, geduldig und – leider, leider – immer noch vollkommen leer.
Was vermutlich daran liegt, dass ich absolut keine Ahnung habe, was ich Angelina antworten soll. (Und das wiederum liegt zum größten Teil daran, dass ich nicht weiß, was ich eigentlich will.)
Ich meine… man sollte doch eigentlich meinen, dass es keine große Sache ist. Immerhin stecken George und ich seit gut dreiundzwanzig Jahren dreihundertfünfundsechzig Tage am Stück zusammen – da kommt es doch auf einen mehr oder weniger auch nicht an, Weihnachten hin oder her.
Der eine oder andere wird vielleicht sogar sagen, dass es ohnehin endlich mal an der Zeit ist.
Aber aus irgendeinem Grund ist es eben doch eine groĂźe Sache.
Ich kann diesen Feiertag nicht ohne meinen Zwillingsbruder feiern – zum Teufel, ich kann mir nicht mal vorstellen, wie das überhaupt ablaufen soll.
Auf der anderen Seite… ich mag Angelina. Ich mag sie wirklich.
Und aus dieser chaotischen Ja-nein-vielleicht-noch-ist-nichts-offiziell-Beziehung, zu der sich dieses… dieses Etwas zwischen uns in den ganzen Irren und Wirren im Kampf gegen Todesser und andere dunkle Gestalten entwickelt hat, kann durchaus was werden.
Wenn ich ganz ehrlich bin – ich will, dass was draus wird.
Und genau da liegt das Problem. Ich will Angelina, aber gleichzeitig will, oder viel mehr kann ich nicht auf George verzichten. Ausgeschlossen.
Das geht einfach nicht, nicht an Weihnachten.
Leider bin ich mir aber über eine Sache ziemlich im Klaren: So unkompliziert und verständnisvoll Angelina sonst auch sein mag, sie ist und bleibt ein weibliches Wesen.
Und sie wäre ganz sicher ziemlich sauer, wenn ich sie ohne ersichtlichen Grund oder halbwegs plausibler Entschuldigung auf ihrer Einladung sitzen lassen.
(Und wäre damit nicht einmal im Unrecht.)
„Argh…“
Ich widerstehe dem Drang, meinen Kopf auf unseren Küchentisch zu hämmern.
Wenigstens ist George außer Haus um, wie er sagt, „mal ’ne Runde zu drehen“, was im Prinzip nichts weiter als eine billige Ausflucht ist, um mir den nötigen Freiraum zu geben, über eben diesen Mist nachzugrübeln. (Beziehungsweise, um mir aus dem Weg zu gehen, aber wer nimmt das schon so genau?)
Tump.
Ich runzle die Stirn.
Tumptumptumptump.
Irgendjemand kommt die Treppe raufgerannt – und den Schritten zufolge ist es ganz sicher nicht mein Zwillingsbruder.
Was ist denn jetzt schon wieder-…
So weit komme ich mit meinem Gedankengang, dann hämmert auch schon jemand an die Tür.
„Mr. Weasley?“
Jeff.
Ich seufze erneut, stehe auf und öffne widerwillig die Wohnungstür.
„Was ist?“
Er ist, dafĂĽr dass er gerade mal mickrige einundzwanzig Stufen nach oben gerannt ist, beeindruckend auĂźer Atem.
„Es…“, er schnappt nach Luft, fuchtelt mit den Händen nach unten Richtung Hinterzimmer und ich komme zu dem Schluss, dass es wohl die Aufregung ist, „Sie… Ihr Bruder hat… also…“
Er unterbricht sich, um einmal tief Luft zu holen, aber mir ist schon schlecht.
Das ist SO WAS von gar nicht gut.
„Was ist los?“
Jeff deutet meinen Tonfall ganz offenbar richtig, stellt die atemlosen Erklärungsversuche ein und zeigt nach unten.
Ich bin mir ziemlich sicher, unsere Wendeltreppe noch nie so schnell hinuntergepoltert zu sein wie heute. Ohne hinzufallen, meine ich.
Dass George an einem der überfüllten Regale lehnt und aufsieht, als er mich kommen hört, ist nur im ersten Moment ein gutes Zeichen.
Er ist ungesund blass um die Nasenspitze – was den klaffenden Spalt an seiner linken Schläfe und das daraus hervorsickernde Blut dramatisch gut zur Geltung kommen lässt.
„Heilige Scheiße!“, entfährt es mir und weiß nicht, ob ich das müde Grinsen als gutes Zeichen werten soll, weil es zeigt, dass es ihm einigermaßen gut geht oder als schlechtes, weil es beweist, dass er jetzt vollkommen durchgeknallt ist, „Was in Merlins Namen-“
Mit zwei Schritten bin ich neben ihm, halte dann aber inne – er zuckt nicht wirklich zurück, aber seine Körperhaltung macht eindeutig klar, dass ihm ein paar Zentimeter Abstand im Moment eindeutig lieber sind.
Okay, bitte schön, dann wird mit dieser Situation eben umgegangen wie mit allen anderen potenziell traumatischen Situationen unseres Lebens auch – irgendjemand reißt einen blöden, unpassenden Witz.
„Hab ich was verpasst?“, ich deute auf das dünne Rinnsal, das über seine Wange rinnt und unaufhörlich von seinem Kiefer hinein in seinen Kragen tröpfelt, was er nicht einmal zu bemerken scheint, „Kommt das jetzt in Mode?“
Das Grinsen wird breiter und noch eine Spur schiefer. Irgendwas stimmt nicht.
„Du kennst mich doch… immer am Puls der Zeit.“
Ich versuche, zurückzugrinsen und scheitere kläglich. Hinter mir ertönen Schritte, dann ist auch Jeff wieder da und mustert uns besorgt.
„Alles in Ord-“
„Ja“, sagen wir gleichzeitig, George wendet sich mit leisem Schmunzeln ab und mir ist klar, was er mir damit sagen will.
Mach du das.
„Alles in Ordnung“, versichere ich unserem skeptisch drein sehenden Mitarbeiter, „Warum gehen Sie nicht zurück an die Arbeit, hm?“
„Aber…“, er überlegt einen Augenblick, „Also… na schön.“
Mit einem letzten Blick verschwindet er wieder in den Verkaufsraum.
Und ich habe endlich Zeit, meinen Zwillingsbruder unter die Lupe zu nehmen.
„Mann, was zur Hölle ist passiert?“
Er dreht sich wieder zu mir um, schĂĽttelt den Kopf und holt dann etwas zittrig Luft.
Was ist nur los? Ich meine, die Kopfwunde sieht schlimm aus, aber…
„Fred?“
„Was?“
„Wir müssen ins St. Mungo’s.“
Und ich dachte, das Gefühl in meiner Magengegend könnte nicht noch ekliger werden.
„Klar“, sage ich sofort, „Sicher, ich meine, wenn du… sicher.“
Ihm scheint etwas klar zu werden.
„Nein“, sagt er und gestikuliert mit er rechten Hand in Richtung des klaffenden Spalts an seiner Stirn, „Nicht… nicht deswegen. Ich glaube... na ja, ich glaube, mein Handgelenk ist gebrochen.“
Er hat auch noch den Nerv, so zu klingen, als wäre ihm diese Tatsache peinlich und mich überkommt das Bedürfnis – Kontraproduktivität hin oder her – ihn an den Schultern zu packen und zu schütteln.
„Du-“, erst jetzt fällt mir auf, dass er seinen linken Arm so nah wie möglich an seinen Oberkörper gedrückt hält und dann habe ich sekundenlang einen Aussetzer, „Scheiße!! Verdammt noch mal, und du kannst nicht- Ach, scheiße!“
Das bringt ihn doch tatsächlich zum Lachen und für einen Augenblick schwanke ich zwischen dem dringenden Verlangen, ihn zu schlagen und dem noch dringenderen Verlangen, ihn zu umarmen.
„Na, danke vielmals“, sagt er, „Als ob es meine Schuld gewesen wäre.“
„Halt die Klappe“, knurre ich, während ich in Gedanken bereits alles nötig durchgehe, „Halt bloß die Klappe. Kannst du laufen?“
Er verdreht die Augen und wirkt dabei kurz so, als wĂĽrde ihm schwindelig werden.
„Mein Arm, Bruderherz, nicht mein Bein. Da ist n’Unterschied.“
~-~-~-~
Gute anderthalb Stunden später ist alles wieder im grünen Bereich – so grün besagter Bereich im momentanen Chaos eben sein kann - und wir marschieren durch Londons leidlich kalte Straßen.
Kein Schnee, kein Regen, nur eisig klirrende, glasklare Kälte.
Ich fühle mich so erschöpft, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen, während George beinahe schon erschreckend gute Laune hat. (Auch, wenn ich jederzeit mein ganzes Hab und Gut darauf verwetten würde, dass wenigstens ein Teil davon nur aufgesetzt ist, weil er mir deutlich ansehen kann, wie mitgenommen ich bin und das irgendwie wieder gutmachen will.)
Wir sind in irgendeiner unbelebten Seitenstraße, als ich plötzlich ruckartig stehen bleibe.
„Weißt du was, schön langsam könntest du eigentlich mit der Sprache herausrücken, findest du nicht auch?!“
Er wirkt kein bisschen ĂĽberrascht.
„Doch, eigentlich schon“, er vergräbt die Hände in den Manteltaschen, „Das Problem ist nur, dass es nicht besonders viel zu sagen gibt.“
„George-“
„Nein, ganz im Ernst! Du willst die Geschichte? Es gibt keine Geschichte. Ich gehe durch die Winkelgasse, denke an nichts Böses und auf einmal- peng!“
Ich sehe ihn mit skeptisch hochgezogenen Augenbrauen an.
„Peng.“
„Merlin, jetzt sei doch nicht so pingelig“, er rollt mit den Augen, „Irgendjemand hat mir aus heiterem Himmel ’nen Fluch auf den Hals gejagt… oder es zumindest versucht, da bin ich mir nicht so sicher. Bin durch die Luft gesegelt, irgendwo gegen geknallt und als ich mich Aufrappeln wollte, hab ich wohl nicht aufgepasst.“
Ich sehe ihn an.
„Und da war das Handgelenkt dann alle.“
Er grinst und setzt sich wieder in Bewegung.
„Schön, dass du mitdenkst.“
Ist ja wohl das mindeste, was ich tun kann, aber das sage ich natĂĽrlich nicht.
„Und dein Kopf?“
„Tja, äh… das“, er sieht etwas betreten drein, „Wenn ich ehrlich bin, ich hab keine Ahnung. Muss ich mir wohl auch irgendwo angeschlagen haben.“
„Und dann?“
„Nichts dann, das war’s auch schon. Es ist die Winkelgasse sechs Tage vor Weihnachten… ich schätze, für ’nen zweiten Versuch waren da einfach zu viele Menschen.“
„Hast du wenigstens gesehen, wer’s war?“
Er wirft mir einen langen Blick zu.
„Was denkst du, huh?“
Also nicht.
„Schöne Scheiße“, murmle ich, „Dann können wir mal getrost davon ausgehen, dass das heute derselbe Spinner war wie gestern im Laden.“
„Anzunehmen“, er seufzt und sieht dann dem weißen Wölkchen hinterher, das mal sein Atem gewesen ist, „Wenn das nämlich nicht ein- und dieselbe Person war, haben wir ein größeres Problem als wir dachten.“
Ich kann nicht anders, ich muss grinsen.
„Wieso denn? Ich wollte schon immer mal ’nen Fanklub haben.“
„Jahh… kommt ziemlich gut, nicht?“, er reibt sich den Nacken, „Hör zu, mal was ganz anderes… ich hab mir was wegen Percy überlegt.“
Inzwischen sind wir auf einer belebten EinkaufsstraĂźe gelandet.
„Schieß los.“
„Na ja, wenn diese Halleb-Geschichte wirklich stimmt… du weißt schon, wenn er gegen Geld Informationen weitergegeben hat und so weiter und die in seiner Abteilung schon länger Ärger damit hatten… also, dann muss das doch rauszukriegen sein, oder?“
Sicher muss es das und eigentlich haben wir auch genug Leute in der Familie, denen sich deswegen auf den Zahn fĂĽllen lieĂźe, aber das Thema haben wir schon besprochen.
Nicht solange wir nicht wissen, was genau mit Percy los ist.
Ich nicke langsam.
„Stimmt. Umso mehr wir drüber wissen, desto besser. Was hast du gedacht, wen wir auf die Sache ansetzen?“
Er gibt keine Antwort, bleibt bloĂź stehen und grinst mich an.
Es dauert eine Sekunde, bevor ich seinen Gedankengang einigermaĂźen rekonstruiert habe. Dann macht es Klick.
„Du meinst… Lee?“
„Lee.“
Ich grinse zurĂĽck.
„Na, der wird sich freuen.“
~-~-~-~
Die Person, die uns die WohnungstĂĽr aufmacht, ist ganz eindeutig nicht unser bester Freund und langzeitiger Kumpane Lee Jordan.
Unbekannt ist sie trotzdem nicht.
„Äh“, mache ich, „Alicia?“
Alicia Spinnet starrt uns zwar verblüfft an, scheint aber nicht halb so überrascht zu sein wie wir. (Was irgendwie logisch ist, wenn man so darüber nachdenkt, weil George und ich auf Lees Türschwelle vermutlich nicht halb so unwahrscheinlich sind wie die ehemalige Jägerin unserer Quidditch-Mannschaft.)
„Uh… ja, ich bin’s. Hi“, sie macht einen Schritt zur Seite, „Ihr wollt doch sicher reinkommen, oder?“
„Yep“, sagt George und klingt dabei so, als ob er sich längst wieder gefasst hat, „Danke.“
Als wir uns in die Wohnung schieben, wirft er mir hinter ihrem RĂĽcken einen entgeisterten Blick zu.
Was zum Teufel haben wir jetzt schon wieder verpasst?
Ich zucke mit den Schultern und schlieĂźe die TĂĽr.
„Eigentlich wollten wir ja zu-“
„Lee, schon klar“, sie lächelt leicht, „Was auch sonst. Er kommt gleich, er ähm… ist noch unter der Dusche.“
Man kann förmlich sehen, wie George ein Licht aufgeht – ich kann es zumindest.
Was unter Umständen daran liegt, dass mir bei ihren Worten genau dasselbe passiert.
„Ach?“, sagen wir gleichzeitig.
Alicia läuft leicht rosa an. „Ja“, sagt sie und dann, offensichtlich in dem Versuch, das Thema zu wechseln, „Wie geht’s euch so, Jungs? Hab gehört, der Laden läuft echt spitzenmäßig.“
„Kann man so sagen, ja. Und? Erzähl mal, was hast du so, ahm… getrieben in der Zwischenzeit?“
George schafft es gerade noch, seinen Lachanfall in mäßig überzeugendes Husten zu verwandeln und Alicias Wangen färben sich feuerrot.
~-~-~-~
„Alter“, ich lasse mich auf Lees Sofa fallen, „Ich dachte, du hättest ’ne Freundin? Diese… diese Lucy-Irgendwas von der Wetteransage?“
„Zweimonatiges Jubiläum?“, ruft George aus der Küche, „Alles happy und so weiter?“
Lee steigt vollkommen unbeeindruckt über meine auf dem Couchtisch übereinandergeschlagenen Beine und lässt sich neben mir nieder.
„Nur um das klarzustellen, ich habe ’ne Freundin“, sagt er und sieht missbilligend zu George, der mit seiner Butterbierflasche in Lees kombiniertes Wohn- und Schlafzimmer kommt, „Und anscheinend auch den Zeitpunkt verpasst, ab dem euch mein Liebesleben irgendwas angeht.“
„Kein Problem“, George wirft dem Bett einen prüfenden Blick zu und entscheidet sich dann für den abgewetzten Polstersessel (in meinen Augen aus naheliegenden Gründen eine ziemlich weise Wahl), „Deine erste Zugfahrt nach Hogwarts.“
Lee runzelt die Stirn.
„Was soll da gewesen sein? Der Tag, an dem du deinen Anstand verloren hast?“
„Nein“, ich mache es mir gemütlich, „Das ist der Tag, ab dem uns dein Liebesleben was angeht.“
Er verdreht die Augen. „Nur in euren Träumen, das kann ich dir versichern.“
„Ach, komm schon“, ich klopfe ihm auf die Schulter, „Mal im Ernst, was ist passiert? Du warst doch schwer verknallt – habt ihr Schluss gemacht?“
Er betrachtet seinen Teppich. „Nein.“
„Nein?“, George stützt die Ellenbogen auf die Knie und lehnt sich nach vorne, „Aber dann- oh. Oh.“
Lee wirft ihm einen finstern Blick zu.
„Ja“, sagt er. „Oh. Das trifft’s ziemlich gut.“
„Warte mal… du meinst, du hast sie gerade beschissen?“
„Danke, dass du das so dezent ausdrückst. Da fühle ich mich doch gleich viel besser.“
Ich verziehe das Gesicht. „Sorry, Alter. So war das nicht-“
Er winkt ab.
„Ach, vergesst es. Das eben mit Alicia war ’ne einmalige Sache… ich meine“, er hebt die Schultern, „Es war nicht geplant oder so was, es ist einfach… passiert.“
Ein paar Sekunden herrscht Stille.
„Und du…“, George nimmt einen Schluck, „Ich meine, du wirst das Lucy doch jetzt nicht auf die Nase binden, oder?“
„Hältst du mich für bescheuert?“, Lee fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht, „Natürlich nicht… Mann, was für ’ne verdammte Scheiße.“
George und ich tauschen einen Blick. Irgendwas Tröstendes wäre jetzt wohl angesagt.
Aber bevor wir auch nur ein Wort sagen können, hat Lee sich schon wieder am Riemen gerissen.
„Egal“, er sieht auf und grinst schief, „Deswegen seid ihr ja höchstwahrscheinlich nich’ hier, oder? Was gibt’s? Wieder mal Mist gebaut? Haben wir ein Problem?“
Einerseits ist es beleidigend, dass er auf der Stelle annimmt, wir wären in Schwierigkeiten… aber andererseits auch irgendwie beruhigend.
Und für das kollektive, absolut selbstverständliche Wir könnte ich ihn sowieso jedes Mal wieder küssen.
„Na jahh“, lässt sich die Stimme meines Zwillingsbruders vernehmen, „Pass mal auf, die Sache ist die…“
~-~-~-~
„Gut“, ich kicke mir die Stiefel von den Füßen, „Lee kümmert sich also drum…“
„Yep“, George pfeffert Mantel, Schal und Mütze über die nächste Stuhllehne, „Wäre das also auch geklärt.“
Der Pergamentbogen, der immer noch unbeschrieben auf dem Tisch liegt, wird von beiden Parteien geflissentlich ĂĽbersehen.
„Bruderherz, ich bin immer wieder fasziniert darüber, was du unter dem Wort geklärt verstehst.“
„Halt die Klappe“, er grinst, „Haben wir irgendwas zu essen, das nicht schon das vorige Jahrzehnt überdauert hat?“
„Du wirst es kaum glauben – wir haben. Fleur hat uns heute Stullen geschickt.“
„Was?“, er zieht eine Augenbraue hoch, „Warum?“
„Keine Ahnung… weihnachtliche Nächstenliebe? Vielleicht hatte sie auch einfach zu viel von den Dingern.“
„Das wird’s sein“, er schlägt die Hände zusammen, „Ist doch großartig, das heißt, wir müssen uns keine Sorgen mehr ums Abendessen machen.“
„Hmm… sag mal, findest du nicht…“
„Was?“
„Dafür, wie viel wir tagtäglich verdienen… also, eigentlich ist es lächerlich, wie oft wir uns Sorgen ums Essen machen müssen, oder?“
Er grinst unglaublich breit.
„Liegt nur daran, dass du nicht kochen kannst, Darling.“
„Sicher, gib ruhig mir die Schuld.“
„Wem auch sonst?“, er wirft einen Blick aus dem Fenster, hinter dem es mittlerweile wieder stockdunkle Nacht geworden ist (Sechs Tage, der Countdown läuft… und ich habe echt keine Ahnung, wie wir dieses ganze Durcheinander in der kurzen Zeit hinkriegen wollen.), „Sieht so aus, als würde es wieder schneien.“
Ich reibe mir den Nacken. „Ernsthaft?“
„Yep“, er durchquert das Zimmer, „Bin dann mal unter der Dusche, ja?“
„Was denn? Du bist schon wieder zuerst?“
„Ähm…“, sagt er, „Ja. Ich war verletzt, schon vergessen?“
„Aber klar doch“, empöre ich mich, obwohl es mir nicht im Geringsten was ausmacht, dass er anfangen will – aber gewisse Konventionen müssen einfach gewahrt werden, „Jetzt kommen die Ausreden. Sonst noch was?“
Er zwinkert mir zu.
„Willst du mitkommen?“
Ich muss lachen.
„Hau schon ab.“
Sobald er im Badezimmer verschwundnen ist, schnappe ich mir Pergamentbogen, Feder und Tintenfass vom Küchentisch und verstaue das Zeug so tief wie möglich in der nächstbesten Schublade.
~-~-~-~
Die Frage kommt trotzdem.
„Und…?“, George, der mir mit halbtrockenen, ziemlich unordentlichen Haaren gegenübersitzt, schluckt das letzte Stück und der vorsichtige Tonfall an sich ist schon Warnung genug, „Hast du dir überlegt, was du…“
Ich entschlieĂźe mich dazu, Zeit zu schinden.
„Was?“
Er sieht mich missbilligend an. „Stell dich nicht dümmer als du bist.“
Tja. Etwa neunzig Prozent der Zeit ist es absolut abgefahren, jemanden um dich zu haben, der so gut wie immer weiß, was du denkst… und die restlichen zehn Prozent ist es einfach nur bescheuert.
„Wegen Angelina?“
„Hm“, er sieht aus, als bereue er es, bereits aufgegessen zu haben, weil er jetzt nichts mehr hat, womit er sich beschäftigen und gleichzeitig so tun kann, als wäre ihm die Unterhaltung eigentlich vollkommen egal, „Genau.“
„Ich…“
Ach, keine Ahnung. Was weiĂź denn ich?
Was ich wirklich will ist, auf nichts verzichten zu mĂĽssen und das geht ja irgendwie nicht.
„Ich finde, du solltest-“
Ich bringe ihn mit einem einzigen Blick zum Schweigen.
Ernsthaft… George, der mir den selbstlosen Ratschlag gibt, Angelinas Einladung anzunehmen, weil er der Ansicht ist, das würde mich irgendwie glücklich machen oder so was, obwohl er es gar nicht so meint, ist das letzte, was ich jetzt gebrauchen kann.
„Hör auf, okay? Echt, das ist… lass es.“
Er zuckt mit den Schultern und betrachtet seinen Teller.
„Sorry.“
Merlin noch mal, ich wünschte, ich könnte mit irgendjemandem drüber reden. Das Blöde an der ganzen Sache (wie so mancher vielleicht schon bemerkt hat) ist nur, dass die Person, mit der ich mich normalerweise wegen so was beratschlagen würde, diesmal nicht infrage kommt.
Argh, verdammter Mist.
Irgendwas muss ich sagen und Kapitulation ist immer noch besser als gar nichts.
„Ich weiß es nicht, alles klar? Hab mich noch nicht entschieden, ich… keine Ahnung!“
Er hebt beschwichtigend die Hände.
„Okay, okay… mach mal keinen Aufstand.“
„Denkst du, das ist hilfreich?“
Schmales Grinsen.
„Ganz und gar nicht.“
Ein paar Sekunden herrscht Schweigen, dann wechselt er das Thema und es ist beinahe unheimlich, wie dankbar ich ihm dafĂĽr bin.
„Bist du mit packen fertig?“
„Häh? Wofür?“
Er rollt mit den Augen. „Sag mir jetzt bitte nicht-“
„Nein, keine Panik. Ich hab’s nicht vergessen.“
„Puh. Für ’nen Moment dachte ich schon, du wirst alt.“
„Hättest du wohl gerne. Fehlanzeige, ich bin startklar.“
„Na dann…“, er verschränkt die Arme im Nacken und uns ist beiden klar, dass die Angelina-Weihnachtssache vorübergehend auf Eis gelegt ist, „Wird sicher n’interessanter Tag morgen.“
~-~-~-~
Ganz ehrlich?
Auf das nächste Kapitel freue ich mich schon seit Ewigkeiten wie Sau. Aaaahh! *_*
Sehr schön, endlich.
Mal sehen, ob das was wird.
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