von ~Cassiopeia~
2. Erstarrt
„Harry! Nein… nein… bitte, wach auf!“
Draco blieb wie gelähmt stehen.
Es war eindeutig Ginny, die diese Worte rief. Sie kauerte am Waldrand vor einer zusammen gesunkenen Gestalt.
War das etwa Harry?!
Sofort war die unangenehme Dunkelheit vergessen. Draco näherte sich schnell der Stelle, wo Ginny saß, versuchte, Genaueres zu erkennen.
Er wollte gerade direkt auf sie zugehen, als er eine aufgeregte Stimme vernahm. Es war McGonagall, Hauslehrerin Gryffindors.
„Miss Weasley, was machen Sie so spät noch draußen, dazu am Rande des Verbotenen Waldes? Es ist bereits nach 22 Uhr, Sie sollten längst - Mr. Potter?!“
So schnell sie ihre Beine trugen, war McGonnagal bei ihren Schützlingen.
„Bei Merlin, Miss Weasley, was ist hier passiert? Miss -?“
Doch Ginny antwortete nicht, saß nur da und hielt Harrys Hand, weinte stumme Tränen.
Minerva McGonagall erkannte schnell, dass das Mädchen unter Schock stand. Sanft hob sie sie hoch, doch Ginny wehrte sich, sie wollte Harry nicht allein lassen.
Warum hatte er das nur getan?
Warum hatte er nie etwas gesagt?
Minerva redete beruhigend auf sie ein, doch es half nichts.
Schließlich schickte sie verzweifelt einen Patronus in Richtung Schloss, der die Heilerin rufen sollte. Alleine würde sie Ginny und Harry niemals hier fort bekommen.
Draco stand noch immer im Schutz der Dunkelheit und traute sich kaum zu atmen.
Mach etwas!, sagte eine Stimme in seinem Kopf immer wieder. Hilf ihnen!
Doch sein Körper bewegte sich nicht, war wie erstarrt.
Endlich kam Madam Pomfrey aus dem Portal auf sie zu geeilt, folgte dem Patronus, welcher in leuchtender Gestalt vor ihr herlief. Als sie den gewünschten Ort endlich erreicht hatte, löste er sich auf und verwand im aufkommenden Nebel der Nacht.
Die Heilerin war nicht minder erschrocken über das, was sie dort sah, wie die Hauslehrerin. Gemeinsam machten die beiden Frauen sich auf, die Schüler zum Schloss zu bringen, auf die Krankenstation.
Draco setzte sich ebenfalls in Bewegung, behielt jedoch einigen Abstand zu der kleinen Gruppe vor sich.
Erst war er versucht, ihnen in den Krankenflügel zu folgen. Doch keiner der Anwesenden wusste, was er gesehen hatte und es war bereits Sperrzeit, alle nahmen an, dass er im Kerker war.
Leise, um möglichst nicht entdeckt zu werden, schlich er sich hinunter, flüsterte das Passwort und ging auf direktem Wege in sein Zimmer, legte sich auf sein Bett.
Die dunklen, beobachtenden Augen sah er nicht.
Er hätte helfen können, verflucht! Warum hatte er nichts getan, sondern feige in der Dunkelheit gestanden und gewartet?
Hilflosigkeit überkam ihn, Schamgefühl.
Doch vielleicht hätte sie ihn gar nicht erst an sich heran gelassen? Stand er doch in dem Ruf, genau so zu sein wie sein Vater.
Dabei wäre das DIE Möglichkeit gewesen, zu beweisen, dass ich nicht so bin!
Sein Vater… seine Gedanken kehrten zurück zu dem Brief.
Sie hatten ihn enterbt. Ihm die Familienrechte entzogen. Und das nur, weil er sich gegen den Weg des Dunklen Lords entschieden hatten, gegen den Weg seiner Familie. Seine Eltern sahen es als Verrat an - was blieb ihnen auch anderes übrig, wenn sie ihr Gesicht nicht verlieren wollten mit einem Sohn, der sich plötzlich für die Gegenseite entschieden hatte? Der für ihn richtigen Seite folgen würde, sich nicht länger den Traditionen des Hause Malfoys verschrieb?
Entschlossen stand er auf, zog sich um, machte sich fertig und ging ins Bett.
Er fiel in einen unruhigen Schlaf, wälzte sich hin und her. Träumte von ihr, dem Mädchen, welches seinen Wandel erst möglich gemacht hatte.
Lucius Malfoy kam auf ihn zu, den Zauberstab erhoben. Er schien riesig, bedrohlich, lauernd.
„Und so etwas nennt sich mein Sohn? Wie kannst du es wagen, dich mit IHR einzulassen, Draco? Wie kannst du uns nur so bestrafen?“
Draco bekam es mit er Angst, er wusste, die Rache des Lucius Malfoy würde schrecklich sein.
Und sie würde jetzt sein.
Wo war sein Zauberstab?
Panik wallte in ihm auf, er war seinen Eltern schutzlos ausgeliefert.
Plötzlich war da der Dunkle Lord, der sie folterte.
„Nein! Lass sie -“
Sein Herz brach, als er sah, wie sie vor Schmerzen ohnmächtig wurde. Und er wusste, es würde keine Hoffnung mehr geben.
Die kalte Stimme Lucius' Malfoys drang wieder an sein Ohr, wütend, zornig.
„Ist das der Dank unserer Erziehung? Dass du uns verrätst?
Die Seite des Lichtes, dass ich nicht lache. Und wie ich lache und zwar über dich, du, der du mein Sohn sein willst!“
Draco wollte ihm etwas entgegenschleudern, ihm jene Schmerzen zufügen, die er ihm jahrelang, körperlich wie seelisch, zugefügt hatte.
Doch kein Laut kam über seine Lippen.
„All die Jahre haben wir uns für dich aufgeopfert, der Lord hat dir Seine Gnade erwiesen - und du?
Schaffst es nicht einmal, diesen Alten Narren zu töten.
Du bist eine Schande, Draco!“
Der darauf folgende Crucio riss Draco von den Füßen. Er wand sich auf dem Boden, der Schmerz raubte ihm fast die Sinne.
Sein Körper fühlte sich an, würde er auseinander reißen, alles krampfte sich zusammen, er wusste weder ein noch aus, wollte nur, dass es aufhörte..
Doch ein Lucius Malfoy kennt keine Gnade.
Stattdessen gab er seiner Frau, die bisher stumm daneben gestanden hatte, einen Wink.
Diese blickte auf das rothaarige Mädchen, welches ebenfall vor Schmerz gepeinigt am Boden lag.
Richtete den Zauberstab auf sie und sagte mit eiskalter Stimme: „Avada Kedavra!“
„NEIN!“
Angstschweiß bedeckte seine Gesicht, er klammerte sich an die Bettdecke, schlug die Hand weg, die ihn beruhigen wollte.
„Nein! Nicht sie… bitte... nicht sie…“
Der Griff wurde stärker, Hände fixierten seinen Kopf. Ein Stimme drang zu ihm, versuchte, ihn zu beruhigen. Endlich wurde das Zittern weniger, die Atmung beruhigte sich. Doch Draco wachte nicht auf, fiel stattdessen in einen traumlosen Schlaf.
Der nächste Morgen kam, feucht und klamm zog er auf, in Nebel gehüllt, dessen Schwaden träge im ersten Sonnenlicht wanderten.
Draco war schon wach, sah zu, wie die Dämmerung herauf kroch. Leise, um Blaise Zabini nicht zu wecken, ging er ins Bad, duschte lange. Versuchte, die Gedanken der letzten Nacht aus seinem Kopf zu spülen.
Es war so real gewesen, er konnte die Schmerzen und die Angst immer noch spüren.
Ein Zittern lief durch seinen Körper, bescherte ihm eine Gänsehaut.
Er stellte die Dusche heißer, das Wasser verbrannte ihm fast die ohnehin schon gerötete Haut. Draco merkte es kaum.
Nach einer Weile erwachte er aus seiner Starre, verließ die Dusche, zog sich an und setzte sich auf sein Bett.
Was war gestern Abend im Wald passiert?
Warum hatte er nicht geholfen?
Dieser Gedanke quälte ihn unendlich.
* * *
Blaise wachte auf, warf sofort einen Blick auf das Bett seines Zimmernachbarn - und wäre beinahe zusammen gezuckt, als er sah, wie Draco angezogen, die Knie an die Brust gezogen, auf dem Bett saß. Der Blick leer, ohne Ziel.
Was war mit ihm passiert?
Der Schwarzhaarige konnte es sich denken.
Seit der Ermordung Dumbledores war das Hause Slytherin gespalten.
Und Draco Ächtung und Anfeindungen ausgesetzt.
Er merkte, wie dieser sich immer mehr zurück zog, in die Einsamkeit. Doch seit dem letzten Hogsmeadewochenende wirkte er regelrecht verstört. Er konnte sich wahrscheinlich nur ansatzweise vorstellen, was bei dem Blonden Zuhause geschehen war, nachdem dieser so schändlich versagt hatte.
Immer wieder musste er Draco des Nachts beruhigen, wenn dieser von Alpträumen gequält wurde.
Doch der von letzter Nacht… Ob sich Draco noch daran erinnerte?
Blaise machte sich allmählich ernsthafte Sorgen um seinen besten Freund. Was konnte ihn nur so aus der Bahn werfen?
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