von ~Cassiopeia~
3. Draco
„Draco? Kommst du?“ Blaise sah seinen Zimmergenossen mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Langsam schien Bewegung in Draco zu kommen, der Blick klärte sich. Er schaute zur Seite und sah in die Augen seines besten Freundes, die ihn besorgt musterten.
„Hm?“
„Ich habe dich gefragt, ob du mit in die Halle kommst, es gibt Frühstück.“
„Ja… ja, ich komm schon“, grummelte der Blonde.
Eigentlich hatte er gar keine Lust auf Frühstück, aber andererseits konnte er sich nicht drücken - er war immerhin ein Malfoy, wie sähe das denn aus, wenn er fehlte?
Es war sehr voll, viele Schüler aßen auf den letzten Drücker, um dann zum Unterricht zu hetzen.
Missmutig ließ sich Draco auf die Bank fallen, die Blicke der anderen ignorierend.
„Sieh an, der Versager kommt auch noch zum Frühstück“, höhnte Goyle. „Das du dich das überhaupt noch traust…“ Bissiges Gelächter war zu hören.
Draco aß weiter sein Brot, mit eisiger Miene.
Er wollte es sich nicht eingestehen, aber jeder Spruch, jedes Lachen über ihn tat weh, schnitt ins Herz.
Wo war sein Stolz geblieben? War er nicht einst der Anführer gewesen, der Prinz von Slytherin?
Nun war er eine Witzfigur, dem Spott und Hohn der anderen ausgesetzt.
Er versuchte, all das nicht an sich heran zu lassen. Sollten sie doch reden.
Unauffällig warf er einen Blick auf den Gryffindortisch.
Wo war sie?
Er merkte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte und sich etwas in ihm sich zusammen zog. Sie war bestimmt bei Potter auf der Krankenstation.
Potter. Wie er ihn doch hasste! Warum konnte er nicht an dessen Stelle sein?
In Gedanken stand er auf, um seine Sachen aus den Kerkern zu holen. Ein Blick auf den Stundenplan zeigte ihm, dass die ersten beiden Stunden Zaubertränke anstanden. Ausgerechnet bei Snape, der ihn sofort durchschaute ,es konnte kaum einen besseren Tagesbeginn geben.
Im Kerker angekommen, saß der Großteil der Schülerschaft bereits auf den Plätzen.
Draco nahm seinen Platz neben Blaise ein, den feindlichen Blicken seines Hauses und denen aus Gryffindor ausweichend.
Die Stunde schleppte sich dahin, der Trank - wie nicht anders zu erwarten - misslang total. Immerhin explodierte der Kessel nicht, sogar Neville schafft es, seinen ganz zu lassen. Argwöhnisch linste er zu diesem hinüber und war erstaunt, welch fröhliches Gesicht der sonst so in sich gekehrte Gryffindor an den Tag legte.
Doch bevor er sich weiter Gedanken darüber machen konnte, ertönte schon Snapes schnarrende Stimme: „So, die Zeit ist um, bitte geben Sie jeder ein Fläschchen mit einer Probe Ihres Unsichtbarkeitstrankes ab.“
Unsichtbarkeitstrank? Draco hatte gar nicht auf den Namen des Trankes geachtet, einfach zusammengebraut, was an der Tafel stand und das wohl auch eher mehr als schlecht, wie er mit einem kritischen Blick in seinen Kessel feststellen musste. Denn eine dunkellila Farbe mit weißem Rauch war bei ihm bei bestem Willen nicht zu erkennen. Mit viel Fantasie hatte sein Trank einen Hauch von rosé, war aber sonst eher farblos und stank irgendwie nach verfaulten Eiern. Angewidert rümpfte er die Nase, füllte davon etwas in sein Fläschchen und stellte es, möglichst unauffällig, zu den anderen Flaschen.
Er wollte gerade aus dem Klassenraum, da hörte er die Stimme seines Paten: „Mr. Malfoy, auf ein Wort -“
Seufzend blieb er stehen, wartete, bis der Rest des Kurses verschwunden war und drehte sich dann um.
Dunkle Augen musterten ihn, wollten direkt in seine Seele blicken, doch Draco verwehrte ihnen das Vergnügen. Hatte seine Tante ihm doch nicht umsonst Okklumentik beigebracht, was sein Patenonkel sehr wohl wusste, warum versuchte er es trotzdem?
„Draco, was ist los mit dir?“, fragte Snape geradewegs heraus. Er machte sich Sorgen um den Jungen, doch dieser würde wohl freiwillig niemals mit der Wahrheit herausrücken.
„Was soll denn schon sein?“, gab Draco bissig zurück, er mochte es nicht, wenn man ihn so direkt ansprach.
„Du weißt genau, was ich meine. Du bist abwesend, geistig sowie körperlich, unkonzentriert. Treibst dich nach Ausgangsperre auf den Gängen herum. Sprichst kaum noch, starrst vor dich hin, deine Tränke waren in letzter Zeit eine einzige Katastrophe… soll ich weitermachen?“
Draco schloss für einen Moment die Augen. „Was mein Verhalten angeht, ist das ganz und gar meine Sache. Da kannst du noch so oft Legilimentik einsetzten, du wirst nichts erfahren. Und bitte, hör auf, mir nach zu spionieren! Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen! Darf ich jetzt gehen?“
Snape seufzte. So würde er bei dem Jungen nicht weiterkommen. Aber irgendwie musste er ihn doch wach rütteln?
Ergeben entließ er den Malfoy-Spross in die nächste Stunde, sah zu wie dieser den Raum verließ, mit hängenden Schultern.
Was war mit ihm passiert? Eine Nachfrage bei Lucius und Narcissa hatte nichts gebracht, der Junge müsse es ihm selbst erzählen.
* * *
Draco war auf dem Wege zu Verwandlung.
Oh, wie er es doch hasste, wenn man ihm einen Spiegel vor Augen führte. Wo war der alte, stolze Malfoy geblieben, der er einst war? Draco wusste es nicht, aber irgendwo im Laufe des letzten halben Jahres hatte er diesen verloren.
Die Frage war nur: wollte er diesen Draco Malfoy, der über allem und jedem stand, der hochnäsig war, eiskalt berechnend, wollte er diesen Draco Malfoy wirklich zurück?
Nein, sagte eine Stimme in ihm. Niemals.
Nur... wie sollte es nun weiter gehen?
Verblüfft über diesen Gedanken blieb er stehen.
Wer war er wirklich?
Er wusste es nicht, hatte sich immer nach seinem Vater gerichtet. Als er erkennen musste, dass dessen Ideale nicht länger seine Ideale waren, war eine Welt für ihn zusammen gebrochen.
Eine eigene Persönlichkeit - Draco kannte es nicht, hatte nie eine besessen, immer nach Vorbildern gelebt.
Verzweiflung drohte, sich in ihm auszubreiten, dunkel und zerfressend.
Gerade, als er überlegte, ob er wirklich bei Verwandlung erscheinen sollte oder ob es in seiner Verfassung eher angebracht war, zu seinem Stammplatz am See zu gehen, traf ihn etwas schmerzhaft am Rücken.
Er sackte auf dem Boden zusammen, unfähig, die kleinste Gegenwehr zu leisten.
Höhnisches Gelächter war das letzte, was er hörte, bevor es dunkel um ihn wurde.
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