von ~Cassiopeia~
4. Nacht?
Dunkel.
Eine Stimme klang an sein Ohr, hell und schrill. Sie tat in seinen Ohren weh, die innerlich zu vibrieren schienen.
„Mr. Malfoy? Sind Sie wach? Können Sie mich hören?“ Ja, verdammt, wenn Sie nur etwas leiser sprechen würden!
Es war eindeutig die Stimme der Heilerin, Madam Pomfrey. Er regte sich, zeigte, dass er wach war, ohne die Augen zu öffnen. Sie waren so schwer.
„Professor Snape?“, hörte er wieder diese unerträglich helle Stimme. „Er ist wach.“
Er hörte, wie jemand an sein Bett trat, spürte dessen Kraft. Dunkel, machtvoll.
Warum war es dunkel? Nacht - es musste Nacht sein.
Er war so müde… aber er konnte jetzt nicht gleich wieder einschlafen, wenn sein Hauslehrer vor ihm stand. Verzweifelt versuchte er, durch die Dunkelheit etwas zu erkennen, sah jedoch nur ansatzweise Schemen.
„Mr. Malfoy?“, hörte er eine tiefe Stimme, sie hatte etwas Kaltes an sich. Er mochte es nicht, wenn Snape so sprach, wusste er doch, dass er es nur in der Öffentlichkeit tat. „Können Sie mich hören?“ Ein Nicken seitens Draco. „Können Sie sprechen?“
Er versuchte es, machte den Mund auf. Ein armseliges Krächzen entkam seiner Kehle, sein Hals brannte. Er spürte, wie ihm jemand ein Glas Wasser an den Mund hielt, trank in kleinen
Schlucken.
Immer noch fragte er sich, warum eigentlich alle hier im Dunkeln herumstanden, sagte aber nichts.
Er probierte es erneut, brachte immerhin ein Flüstern zu Stande.
Wieder vernahm er Snapes Stimme, sanfter diesmal: „Mr. Malfoy, wer war das?“ Snape wusste, er konnte jetzt nicht von dem Jungen verlangen, den gesamten Hergang zu beschreiben, nicht in diesem Zustand, doch er wollte wenigstens wissen, wer die Schuldigen waren.
„Ich… weiß nicht, Sir… dunkel... hinten…“, flüsterte Draco, war sich nicht sicher, ob sein Gegenüber ihn überhaupt verstanden hatte.
„Sie meinen, Sie wurden von hinten angegriffen? Im Dunkeln?“ Wieder nickte Draco nur kurz, sprechen war so anstrengend.
„Haben Sie vielleicht Stimmen gehört? Irgendeinen Hinweis, wer es gewesen sein könnte?“
Diesmal ein trauriges Kopfschütteln.
Snape brummte etwas Unverständliches und entfernte sich wieder, verließ den Krankenflügel.
Draco hatte sehr wohl einen Verdacht, sprach ihn jedoch nicht aus. Die beiden würden wahrscheinlich noch am selben Tag von der Schule fliegen und dann hätte er gar nichts mehr von seiner Rache... oh ja, er würde sie dafür bluten lassen, auch, wenn er noch nicht einmal genau wusste, was ihm überhaupt fehlte.
Angestrengt versuchte er, sich die gestrigen Ereignisse in Erinnerung zu rufen.
Er war auf dem Weg in das Verwandlungsklassenzimmer gewesen… hatte sich Gedanken über sich selbst gemacht… und plötzlich hier wieder aufgewacht.
Was war mit ihm passiert? Ihm war nicht schlecht, aber ein bitterer Geschmack im Mund verriet ihm, dass er sich wohl übergeben hatte. Etwas pochte an seinem Hinterkopf. Er fühlte sich seltsam, traute sich nicht, den Kopf zu bewegen, hatte das Gefühl, alles drehte sich um ihn. Aber ansonsten schien er innerlich in Ordnung. Und der Rest des Körpers?
Er bewegte seine Füße. Gut, das war kein Problem. Weiter, die Beine. Finger, Hände, Arme. Alles beweglich, alles sensorisch in Ordnung.
Vorsichtig und mit größter Kraft hob er seine Hände an, die Unterarme, legte sie auf seinen Bauch. Kein Verband, nur ein Shirt. Tastete vorsichtig und unendlich langsam, als wögen seine Arme Zentner, die Brust herauf. Konnte jedoch nichts erschreckendes Entdecken, alles war so, wie es sein sollte.
Wieder beim Bauch angekommen, wanderten seine Hände weiter nach unten, tastend. Hüften, Becken - normal. Oberschenkel - normal. Weiter herunter kam er nicht, also ließ er seine Hände neben sich plumpsen, zog sie ein wenig an, schob sie unter sich, ertastete seinen Po, doch auch da konnte er nichts finden. Wagte es schließlich, sich zwischen die Beine zufassen - alles in Ordnung, wie es sein sollte.
Er kam sich reichlich lächerlich vor, wie er sich die ganze Zeit selbst betatschte, aber was sollte er machen? Er musste unbedingt wissen, ob noch alles ganz war und bei der Dunkelheit hier blieb ihm kaum eine andere Wahl.
Es war schwer, doch mit einer letzten Kraftanstrengung hob er die Hände zum Kopf, betastete seinen Schädel und das Gesicht.
Alles normal, keine gebrochene Nase, keine Augenklappe, nur ein Kopfverband. Doch er war eindeutig zu erschöpft, seinen Kopf weiter zu untersuchen, so ließ er mit einem Seufzer die Arme fallen und schlief beinahe augenblicklich wieder ein.
* * *
Wieder wach. Er hatte nicht gut geschlafen, sich unruhig hin und her gewälzt.
Hatte wieder von seinem Vater geträumt. Und von Ginny.
Ginny! Richtig, er war ja auf dem Krankenflügel, also musste sie auch hier sein, wenn sie bei Potter war.
Er merkte, wie Eifersucht in ihm aufbrandete.
Und Traurigkeit gepaart mit Sehnsucht.
Niemals, dachte er.
Seit wann ließ er sich so von Gefühlen steuern? Er war ein Malfoy, verdammt! Gefühle - das war etwas für diese dämlichen Gyffindors, aber nicht für einen Slytherin, einen Malfoy schon gar nicht.
Doch warum tat es dann so weh, wenn er an sie dachte? Wenn er sie mit Potter zusammen sah?
Das Messer, das sich jedes Mal in seine Brust bohrte, wenn er sah, wie die beiden sich küssten.
Potter, er musste hier auch irgendwo liegen. Verdammt, wieso war es nur so dunkel?!
Aber wenn Potter hier war, würde Ginny auch kommen.
Ein eigenartiges Gefühl durchströmte ihn. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder lieber Angst haben sollte.
Sie kommt nicht wegen dir!, mahnte er sich selbst.
Er merkte, wie bei den Gedanken sich etwas in ihm schmerzhaft zusammen zog.
Doch bis sie kam würde es wohl noch eine Zeitlang dauern, es war immer noch mitten in der Nacht. Er schien nicht sehr lange geschlafen zu haben.
Er fragte sich, wie es Potter wohl ging. Was war ihm passiert am Waldrand?
War er angegriffen worden, oder hatte er sich selbst verletzt? Vielleicht sogar - umbringen wollen?
Nein, sicher nicht. Was hätte der Goldjunge Gryffindors schon für einen Grund dafür, sich umzubringen?
Wahrscheinlich mehr als du.
Er kannte die Gerüchte, wie Harry Potter leben sollte. In einem Schrank unter der Treppe, von seinen Verwandten gehasst und geprügelt. Er hatte seinen Paten verloren, nachdem er schon keine Eltern hatte. Nun auch noch seinen Mentor, Dumbledore. Er stand nun wirklich allein da.
Nein, Potter hat immerhin Freunde, die zu ihm stehen und einen nicht verraten. Und er hat Ginny.
Nein, er musste schleunigst über etwas anderes nachdenken! Die Gedanken um Ginny und Harry machten ihn sonst noch wahnsinnig.
Unwillkürlich wanderten sie weiter zu seinem Vater, dem Brief, dem Traum. Er musste dringend mit Snape sprechen, ob er bei ihm wohnen konnte, wollte er nicht die Ferien in Hogwarts verbringen. War das überhaupt erlaubt?
Er wusste es nicht, Hilflosigkeit überkam ihn. Wo sollte er hin, wenn nicht zu Snape? Ein Zuhause hatte er schließlich nicht mehr. Doch würde dieser ihn auch aufnehmen?
Plötzlich erklang die Stimme der Heilerin, der Duft von Essen hing in der Luft. Langsam fragte sich Draco, ob sie verrückt war, mitten in der Nacht Essen aus zu teilen, doch ihre nächsten Worte führten ihm seinen gewaltigen Irrtum vor Augen.
„Mr. Potter, Ihr Mittagessen.“
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