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Fanfiction

Familiengeheimnisse - Familiengeheimnisse

von Sam Chaucer

Sorgsam faltete Hermine das dicht und leicht krakelig beschriebene Stück Pergament zusammen und legte es neben sich auf die warmen, trockenen Grashalme. Dann drehte sie sich vom Bauch auf den Rücken und blickte, eine Hand im Nacken, die andere neben dem Körper, hoch in den strahlend blauen Himmel.
Noch gab es laue, helle Abende wie diesen, aber der Wandel der Jahreszeiten zeichnete sich bereits ab, was Hermine beinahe mit Verwunderung erfüllte, kam es ihr doch so vor, als sei die Zeit seit ihrem Schulabschluss stehen geblieben. Wäre da nicht der Wind gewesen, der in letzter Zeit immer öfter kühl und scharf blies, und Harrys Briefe, die jedes Mal bis auf den letzten Zentimeter vollgestopft waren mit begeisterten, in Schrift und Ausdruck gleichermaßen temperamentvollen Berichten über seine Aurorenausbildung, so hätte Hermine vielleicht wirklich zu glauben begonnen, dass sie zusammen mit Ron in einer zeitlosen, stillen Blase feststeckte. Sie wusste, dass solche Gedanken sie beunruhigen sollten; doch für den Moment genoss sie die Ruhe und Abgeschiedenheit in vollen Zügen. Sie kannte sich selbst gut genug um zu wissen, dass das drängende Verlangen nach einer Aufgabe früh genug von allein zurückkommen würde.
Die Küchentür knarrte, und Schritte waren zu hören, gedämpft durch das weiche, dichte Gras.
“Hermine?”
Hermine setzte sich rasch auf. “Hier!”
Die Schritte kamen näher, und einen Moment später umrundete Ron den Busch, hinter dem Hermine saß, und ließ sich neben ihr nieder.
“Mum hat das Essen fertig... Warst du die ganze Zeit hier?”
Hermine nickte.
Langsam, beinahe beiläufig, als hoffte er, sie würde es nicht bemerken, schlang Ron seinen Arm um ihre Taille und zog sie an sich. Hermine lehnte sich an seine Brust, legte die Hand auf seine und spürte einen federleichten kleinen Kuss im Nacken.
Wieder wurde die Küchentür geöffnet, hörbar schneller diesmal, und Mrs. Weasley rief quer durch den Garten ihre Namen.
Ein paar Herzschläge noch verharrten Ron und Hermine in ihrer Position, dann regte sich Ron, und der Bann war endgültig gebrochen.
“Gehen wir?”
Hermine nickte und lieĂź sich von ihm hochziehen.

Herrliche Düfte zogen durch den Fuchsbau, als Schüsseln, Platten und Soßenterrinen von Mrs. Weasley dirigiert zum Tisch schwebten. Ron schnappte sich die Hackfleischbällchen, kaum dass sie in seiner Reichweite waren, und tat pflichtschuldigst zuerst Hermine auf, ehe er sich selbst eine große Portion auf den Teller lud.
Mr. Weasley legte seine Zeitung beiseite und wandte sich seinem Teller zu, und auch Mrs. Weasley lieĂź sich nun am Tisch nieder.
“Wie war's heute auf der Arbeit, Arthur?”, erkundigte sie sich zwischen zwei Bissen Bratkartoffeln.
“Gut, gut”, meinte Mr. Weasley. “Abgesehen davon, dass Perkins sich einen bösen Ausschlag von einer beschlagnahmten Eieruhr eingefangen hat. Ist einfach losgegangen, als er sie untersuchen wollte. Aber so schlimm ist es wohl nicht, im St. Mungo meinten sie, zwei Tage und er ist wieder auf dem Damm... Da fällt mir ein... Ron?”
Ron blickte tief erschrocken auf und nahm die Hand von Hermines Knie.
“Du meintest doch letztens, dass du immer noch nicht weißt, was du jetzt nach Hogwarts machen willst – hast du inzwischen eine Idee?”
Ron schüttelte den Kopf und seufzte. “Das ist gar nicht so leicht...”
“Vielleicht hab ich da was für dich.” Mr. Weasley legte eine effektvolle Pause ein. “Heute habe ich im Fahrstuhl Amadeus Hopkins vom Besenregulations-Kontrollamt getroffen. Er meinte, dass sie für ihre Abteilung noch jemanden suchen, und ich denke, dass ich dir den Job besorgen kann, wenn du willst! Ich weiß, es ist nichts Besonderes, aber für den Anfang...”
Ron rümpfte leicht die Nase. “Danke, Dad, aber ich glaub nicht, dass das das Richtige für mich ist.”
“Und wann wirst du rausfinden, was das Richtige für dich ist?”, fragte Mrs. Weasley säuerlich. “Weißt du, deine Chancen werden nicht besser, je länger du wartest...”
“Schon gut”, sagte Mr. Weasley beschwichtigend. “Er soll sich das in Ruhe überlegen, es ist ja nicht gerade unwichtig. Oh, könntest du mir noch ein Stück von dieser wunderbaren Erbsenpastete geben?”
Mrs. Weasley legte die Stirn in Falten, Ron sank auf seinem Stuhl ein wenig zusammen, und gerade in diesem Augenblick riss jemand die KĂĽchentĂĽr auf und erstickte die aufkeimende Diskussion.
Fred und George schoben sich in den Raum, ein Grinsen auf den Gesichtern, und brachten einen Schwall kalte Luft und Betriebsamkeit mit herein.
“Wie geht's, wie steht's?”, warf Fred launig in die Runde. “Wie ich sehe, kommen wir gerade rechtzeitig, um unserem gierigen Bruder noch ein paar Fleischbällchen zu entreißen.”
Ron lief rot an und lieĂź die SchĂĽssel los, die er zu sich herangezogen hatte.
“Na na, keinen Streit”, sagte Mr. Weasley, schaffte es jedoch nicht, dabei sonderlich streng zu klingen. “Schön, dass ihr euch freimachen konntet. Wie läuft's im Laden?”
“Bestens”, sagte George und packte dabei seinen Teller voll.
“Hatten heute wieder gut zu tun”, ergänzte Fred.
“Aber für die Familie nehmen wir uns natürlich trotzdem Zeit”, sagte George mit einem Augenzwinkern in Richtung seiner Mutter.
Mrs. Weasley lächelte geschmeichelt. “Freut mich wirklich, dass ihr in letzter Zeit wieder öfter hier seid.”
Hermine sah Fred und George einen Blick tauschen.
Fred seufzte gespielt entkräftet. “Einfacher wäre es ja, nach einem langen Tag einfach in unserer Wohnung ins Bett zu fallen...”
“...aber wir konnten euch unsere Anwesenheit doch nicht ewig vorenthalten”, ergänzte George großzügig.
Ron prustete in seinen Kürbissaft. “Ich glaub vielmehr, ihr würdet auf euch allein gestellt verhungern.”
“Nun ja...”, meinte George, “eine gewisse Rolle spielen Mums exzellente Kochkünste sicherlich schon...”
Mrs. Weasley strahlte und fĂĽllte seinen und Freds Teller nach.
Draußen wurde es rasch dunkler, während die Teller und Schüsseln sich leerten und das Tischgespräch, zusammen mit dem Klirren von Besteck auf Geschirr und dem Rumoren des Ghuls, die Küche in eine anheimelnde Atmosphäre hüllte.
Irgendetwas jedoch passte nicht. Hermine hatte das deutliche GefĂĽhl, dass da irgendwo am Rande ihres Bewusstseins etwas war und ihr keine Ruhe lieĂź. Eine kleine Unstimmigkeit, wie ein Haar zwischen zwei Buchseiten oder ein KlĂĽmpchen im Zaubertrank. Es dauerte eine Weile, bis sie herausfand, was es war.
George hatte schon lange kein Wort mehr gesagt. Hermine sah zu ihm herĂĽber und blickte direkt in seine Augen, die unverwandt auf sie gerichtet waren.
Ein leiser Schauer lief Hermine ĂĽber den RĂĽcken. Sie richtete die Augen auf irgendeinen Punkt im Raum, dann wieder auf George, und er sah sie immer noch an.
Niemand schien etwas zu bemerken; Fred hatte Georges Teil des Gesprächs derart selbstverständlich und lückenlos übernommen, dass dessen ungewöhnliche Schweigsamkeit nicht weiter auffiel.
Hermine schluckte, starrte hinunter auf ihren Teller und schaute während des Essens kein einziges Mal mehr hoch.
Trotzdem glaubte sie, Georges Blick auch dann noch zu spĂĽren, als sie schlieĂźlich aufstand und ihren Teller in die KĂĽche trug.

Während der folgenden zwei Wochen wurde George nach und nach, beinahe unmerklich, mal mit Fred an seiner Seite, mal ohne ihn, zu Hermines ständigem Begleiter. Wohin sie auch ging, er war da. Wenn sie im Garten las, spielte er mit Fred und Ron Quidditch. Wenn sie Mrs. Weasley in der Küche half, ging er dort ein und aus, aß Muffins und unterhielt sich mit seiner Mutter. Sichtete sie im Wohnzimmer Jobangebote, saß er neben dem Kamin, spielte Zaubererschach mit Ron oder tuschelte mit Fred.
Hermine hatte von Anfang an das diffuse Gefühl, dass irgendetwas im Gange war, doch sie versuchte, es sich auszureden. George gehörte zur Familie. Er hatte jedes Recht, sich in jedem erdenklichen Winkel des Fuchsbaus aufzuhalten. Das Haus war nicht groß. Es musste nichts zu bedeuten haben, dass er oft in ihrer Nähe war.
Ron war zärtlich und aufmerksam wie immer, aber die Unruhe blieb, breitete sich in Hermine aus wie Gift und beherrschte nach und nach ihr ganzes Denken. Sie war sich noch immer nicht sicher, was sie eigentlich von der ganzen Sache hielt und ob sie sich nicht nur irgendetwas einbildete; sie wusste nur, dass ein fremdartiges Ding in ihr Wurzeln geschlagen hatte und ihre gewohnte Denkweise, ihr gewohntes Dasein bedrohte, wenn sie es nicht fand.
Hermine bemühte sich, George auf Abstand zu halten. Mal behandelte sie ihn betont familiär, mal ignorierte sie ihn, soweit es möglich war, ohne unfreundlich zu erscheinen; es änderte sich nichts, er war nach wie vor da.
Zu ihrem eigenen Schrecken wie zu ihrer Faszination bemerkte Hermine, wie seine beinahe ständige Anwesenheit für sie zur Gewohnheit wurde. Mehr als einmal ertappte sie sich dabei, wie sie nach ihm Ausschau hielt, wenn er einmal nicht in Sichtweite war. Meist tauchte er in solchen Momenten aus dem angrenzenden Zimmer auf und streifte sie mit einem nicht zu deutenden Blick, als wüsste er genau, was in ihr vorging.
Das war der Punkt, an dem Hermine klar wurde, dass sie etwas unternehmen musste. Etwas, das sie aus ihrer passiven Rolle befreite. Sie musste mit George reden.

Am Samstagabend nach dem Essen stieg Hermine die Treppe hoch zum alten Jugendzimmer der Zwillinge, das sie auch jetzt noch bewohnten, wenn sie sich im Fuchsbau aufhielten.
An diesem Abend war der nahende Herbst deutlich zu spüren; der Wind heulte ums Haus, ließ die Fensterläden klappern und den Ghul toben. Ron war unten bei Mr. und Mrs. Weasley im Wohnzimmer, vor dem Kamin, wahrscheinlich mit einem heißen Butterbier in der Hand und völlig arglos. Einen Moment spielte Hermine mit dem Gedanken, kehrtzumachen, ihr verwirrendes Vorhaben mit Rons behaglicher Nähe einzutauschen und einfach mit diesem ungelösten Rätsel zu leben.
Da stand sie aber schon vor der ZimmertĂĽr der Zwillinge.
Hermine atmete tief durch, hob die Hand und klopfte dreimal an.
“Immer rein.”
Hermine trat ein und fand die Zwillinge nebeneinander auf Georges Bett vor. Wie sie da saßen, die Köpfe noch immer zusammengesteckt, und zu ihr hochblickten, hatten sie etwas Verschwörerisches. Aber nun, da sie schon einmal da war...
“Na, so ganz allein hier oben?”, fragte sie launig.
Fred und George wechselten einen Blick, so schnell, dass Hermine nicht sicher war, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte.
“Mehr oder weniger”, sagte Fred.
“Setz dich doch und lass nicht so viel kalte Luft rein”, sagte George mit einem leichten Grinsen und wies auf Freds Bett.
Wenn sie noch umkehren wollte, dann war dies ihre letzte Chance, das wusste Hermine. Aber sie hatte sich bereits entschieden. Die TĂĽr schloss sich mit einem kleinen Schnapplaut, sie durchquerte das Zimmer und lieĂź sich gegenĂĽber von Fred und George nieder.
“Was treibt ihr denn hier oben so?”
Eine so hohle und unnütze Frage, einzig und allein gestellt, um das drohende und verräterische Schweigen zu verdrängen, und auch noch so offensichtlich. Hermine glaube, den Zwillingen ansehen zu können, dass sie dasselbe dachten, auch wenn Fred es dankenswerterweise in seiner Antwort nicht durchblicken ließ.
“Eigentlich haben wir uns nur ein bisschen unterhalten.”
“Ihr seid in letzter Zeit ziemlich oft hier... Bekommt ihr keine Probleme mit dem Laden?”, fragte Hermine geradeheraus.
“Wieso, willst du uns loswerden?”, fragte Fred grinsend.
George erließ ihr Antwort, indem er sagte: “Lee schmeißt den Laden, während wir hier sind. Wir haben uns quasi Urlaub genommen. Wegen der netten Gesellschaft.”
Seine Augen bohrten sich in ihre, und Hermine erwiderte tapfer seinen Blick. “Ja, ihr freut euch sicher, Ron mal wieder zu sehen...”
“Nicht nur.”
Hermine wandte sich erschrocken ab.
“Wir wollten natürlich auch Mum und Dad mal wieder besuchen”, ergänzte Fred, und Hermine fühlte sich ertappt.
“Ja... Natürlich.” Hermine verstummte und zwirbelte einen Zipfel von Freds Bettdecke.
Beinahe zwei volle Minuten sagte keiner im Zimmer ein Wort. Dann lehnte George sich auf dem Bett zurück. “Wie lang bist du jetzt eigentlich schon mit Ron zusammen?”
Hermine atmete auf; eine klare, leicht zu beantwortende Frage.
“Etwa sechs Monate. Und wir sind sehr glücklich...”
George zog amüsiert die Augenbrauen hoch. “Klar. Warum auch nicht.”
Hermine hatte das deutliche Gefühl, zu viel gesagt zu haben. Irgendwie lief dieses Gespräch nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.
“Sechs Monate sind noch nicht so lang...”, meinte Fred beiläufig.
“Was meinst du damit?”, schnappte Hermine.
Fred runzelte die Stirn. “Nichts. Gar nichts.”
George beugte sich wieder nach vorn und war Hermine nun näher als vorher. “Du siehst hübsch aus.”
“Danke”, würgte Hermine hervor; das war das Letzte, womit sie gerechnet hatte. “Aber wie kommst du jetzt darauf...?”
George zuckte mit den Schultern. “Du hast uns hier oben besucht, nicht umgekehrt.”
Hermine presste die Lippen zusammen. Gerade wurde ihr so einiges klar. Er hatte von Anfang an vorgehabt, ihr den ersten Schritt zuzuschieben (den ersten Schritt von was?), und sie war auf ihn hereingefallen. Ihre Wangen brannten vor Scham, aber gleichzeitig war sie wĂĽtend.
“Ich denke, ich gehe dann mal wieder”, sagte sie so kühl und gleichgültig wie möglich und erhob sich.
Augenblicklich war auch George auf den Beinen und fasste nach ihrem Arm.
“Warte.”
Hermine hatte sich gerade zur Tür hin umdrehen wollen und erstarrte nun mitten in der Bewegung. Einige Herzschläge lang rührte sich niemand. Hermine starrte George an, in ihrem Kopf arbeitete es. Sie konnte sich einfach losreißen und verschwinden. Was sollten sie tun, ihr einen Fluch auf den Hals jagen?
Wenn sie nur einen klaren Gedanken fassen könnte...
Georges Gesichtsausdruck war forschend, ein krasser Kontrast zu dem fröhlichen Grinsen, das er sonst meist zur Schau trug. Er war ihr jetzt näher als noch einen Augenblick vorher; sein warmer, leicht holziger Duft stieg ihr in die Nase. Ob er einen Schritt vorwärts getan hatte oder sie, konnte Hermine beim besten Willen nicht sagen.
Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr. Fred stand von Georges Bett auf, ganz langsam, als fürchtete er, eine zu schnelle Bewegung könnte sie aufscheuchen.
“Ich lass euch dann mal allein”, sagte er halblaut. Hermines Magen machte einen Satz.
Fred verlieĂź das Zimmer, und das Schloss klickte in eben jenem Moment, da George seine Lippen auf Hermines senkte.

“Gibst du mir mal den Brotkorb?”
Hermine zuckte leicht zusammen und riss ihren Blick von George los.
“Klar”, antwortete sie und reichte Ron das Gewünschte. Hatte er sie längst durchschaut? Wie er sich in völliger Gemütsruhe seinen Toast butterte, sah er nicht danach aus. Nicht zum ersten Mal war Hermine der festen Überzeugung, dass jemand es doch bemerkten musste, aber bisher war nichts passiert, was darauf schließen ließ.
Die vergangenen Wochen waren wie im Nebel an ihr vorbeigezogen, schockierend und faszinierend zugleich. George war das genaue Gegenteil von Ron. Rote Haare und Sommersprossen mochten manchen darüber täuschen, sie jedoch nicht, erst Recht nicht nach allem, was geschehen war.
George war kleiner und kräftiger gebaut als sein hoch aufgeschossener, schmaler Bruder. Aber die körperlichen Unterschiede waren noch das Wenigste. Wenn sein aufbrausendes Temperament nicht gerade gereizt wurde, dann war Ron gutmütig, manchmal auch grüblerisch und zweifelnd. George hatte eine offene, mitreißende Art und schien irgendwie über den Dingen zu schweben, jedenfalls hatte Hermine ihn nie ernsthaft wütend erlebt. War es genau das, was sie wollte? Hatte sie die ganze Zeit unbewusst nach einem Ausgleich gesucht, nach jemandem, der so völlig anders war als Ron?
Manchmal fragte sich Hermine auch, warum es ausgerechnet auf George hinausgelaufen war und nicht etwa auf Fred. Das absolut gleiche Aussehen, derselbe offene Charakter. Aber Fred war es nicht gewesen, der all das eingefädelt hatte, er war es nicht, dessen bewundernde Blicke sie täglich begleiteten und der sie küsste, als hätte er monatelang darauf warten müssen. Wahrscheinlich war das der ganze entscheidende Unterschied.
“Alles in Ordnung?”
“Was?” Hermine sah auf und begegnete Rons besorgtem Blick.
“Du siehst ein bisschen blass aus...”
“Ja... Mir geht's auch nicht so gut”, sagte Hermine, dankbar für die mundgerecht servierte Ausrede. “Ich leg mich lieber ein bisschen hin.”
“Okay. Ruh dich aus.” Ron küsste sie auf die Wange, und Hermine verschwand, bevor sie noch weiter über die ganze Situation nachdenken konnte.
Oben angekommen, warf sich Hermine aufs Bett und wartete ab. Sie hatte Ginnys Zimmer fĂĽr sich, solange diese in Hogwarts war, und das war sehr nĂĽtzlich und sehr schrecklich, je nachdem, wie man es betrachtete.
Es dauerte zehn endlose Minuten, bis George hereinkam und erst die TĂĽr versiegelte, dann ihre Lippen.

Weitere Wochen vergingen, von Hermine wie im Taumel erlebt. Die Zwillinge waren wieder zu ihrem Laden zurückgekehrt, verbrachten aber nach wie vor die Abende und Sonntage im Fuchsbau. Mal quälte Hermine ihr Gewissen derart, dass sie am liebsten sofort alles gebeichtet hätte, aber oft schaffte sie es, diesen Gedanken vollständig zu verdrängen. Manchmal machte sich aus unerfindlichen Gründen sogar eine Art Trotz in ihr breit, der ihren Kopf auf höchst angenehme Weise leer fegte und sie noch mehr in Georges Arme trieb.
Es war ein Dienstagmorgen, an dem Hermine merkte, dass etwas nicht stimmen konnte.
Sie war über der Zeit, wie ihr plötzlich klar wurde. Mindestens sechs Tage.
Nichts und niemand hätte sie darauf vorbereiten können. Sie war in eine Sache hineingerutscht, die verwirrend und falsch war, aber keine Konsequenzen haben sollte.
Noch am selben Tag schickte Hermine eine Blutprobe an das St. Mungos; in drei Tagen wĂĽrde sie mehr wissen.
Nach dem Abendessen durchquerte Hermine den Flur, den Kopf bis zum Platzen gefĂĽllt, und ĂĽbersah George, bis er sie am Arm packte und in eine dunkle Ecke zerrte.
Hermine schob gedankenverloren seine Hand weg, die ĂĽber ihre Wange und ihren Hals wanderte.
“Was ist los?”
Seine Lippen glitten über ihre Schläfe.
“Nichts”, murmelte Hermine.
“Dann ist ja gut”, sagte George mit einem leisen Lachen.
Hermine wusste, es war unsinnig, etwas zu erwähnen, bevor sie das Ergebnis hatte. Aber bei diesen Worten kochte irgendetwas in ihr hoch, und ehe sie es verhindern konnte, platzte es auch schon aus ihr heraus: “Ich bin vielleicht schwanger.”
Die Wirkung war durchschlagend und zeigte sich augenblicklich. George ließ sie los, als hätte er sich verbrannt, und trat einen Schritt zurück. Sein Gesicht konnte sie im Halbdunkel nicht genau erkennen, aber sie konnte sich den Ausdruck darauf vorstellen.
“Was heißt vielleicht?”, fragte er lauernd.
“Ich bin noch nicht sicher. Ich bin überfällig. In drei Tagen hab ich ein Ergebnis”, beschied Hermine ihm knapp.
“Du weißt, was das bedeuten könnte?”
Hermine empfand ein leises, schamerfĂĽlltes VergnĂĽgen dabei, ihn so verwirrt und getroffen zu sehen angesichts einer Krise, an der auch er Schuld hatte.
“Ja.”
“Und was willst du machen, wenn...” George brach ab, als sei es ihm zuwider, den Gedanken auszusprechen.
“Ich weiß nicht”, sagte Hermine und versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. “Ich weiß ja noch nicht mal, ob überhaupt...”
“Das wird auf keinen Fall funktionieren!”, sagte George scharf. “Ich – ich hab den Laden, und die Sache mit Ron... Hoffen wir mal, dass nichts passiert ist.”
Hermine verschränkte die Arme vor der Brust. “Und wenn doch?”
“Ich weiß nicht... Ich weiß es wirklich nicht. Ich werd lieber ins Bett gehen.”
Hermine stand noch eine Weile, nachdem er verschwunden war, in der dunklen Ecke, lauschte den weit, weit entfernten Geräuschen im Wohnzimmer und schluckte an dem dicken Kloß in ihrem Hals. Eindeutiger hätte seine Reaktion kaum ausfallen können.
Plötzlich kam ihr ein erschreckender Gedanke – was, wenn er es aus irgendeinem Grund Ron erzählen würde? Bei dem Gedanken wurde ihr beinahe schlecht. Sie würde es selbst tun müssen, bevor er es tat.
Hermine fand Ron im Wohnzimmer vor dem Kamin sitzend und mit hochkonzentrierter Miene im Feuer herumstochernd. Als er sie kommen hörte, sah er auf und lächelte sie an.
Eine spontane, heftige Zuneigung fĂĽr Ron schwoll in Hermine an, und sie fĂĽhlte sich sehr schlecht bei dem Gedanken an das, was sie ihm sagen musste.
Sie lieĂź sich neben ihm auf dem Kaminvorleger nieder und legte einen Arm um ihn.
“Das wird hier nix mehr...”, seufzte Ron, hängte den Schürhaken weg und wandte sich von den ersterbenden Flammen ab, Hermine zu, die sich inzwischen sehr flau im Magen fühlte.
“Kann ich kurz mit dir reden?”, fragte sie.
“Klar”, antwortete Ron, und Hermine führte ihn in Ginnys Zimmer.
Dort angekommen, wusste sie nicht, wie sie weitermachen sollte.
“Was ist los?”, fragte Ron argwöhnisch.
Hermine schluckte. Es musste sein, und das Beste war, sie tat es schnell und schmerzlos.
“Ich bin vielleicht schwanger”, flüsterte sie, zum zweiten Mal innerhalb einer halben Stunde, und barg das Gesicht in den Händen.
“A – aber nur vielleicht?”, stammelte Ron.
Hermine nickte; sprechen konnte sie nicht. Sie hatte es sich fast gedacht. Auch von ihm brauchte sie kein Verständnis zu erwarten, und das hatte sie gar nicht anders verdient...
“Hey... Nicht weinen, okay?”, murmelte Ron, nahm ihre Hände in seine und zog sie von ihrem Gesicht weg. “Selbst wenn, wir kriegen das schon hin, ob jetzt oder in ein paar Jahren, das macht doch nichts...”
Hermine starrte ihn an, so ĂĽberrascht, dass sie fĂĽr einen Moment ganz vergaĂź, sich Sorgen zu machen.
Ron war ein bisschen rot geworden, sah ihr aber tapfer ins Gesicht.
“Wir haben doch beide nicht mal Arbeit”, murmelte Hermine niedergeschlagen.
“Dad meinte, er kann mir einen Job im Ministerium besorgen...”
“Du meinst den, den du nicht wolltest?”, sagte Hermine bissig. “Du sollst nicht meinetwegen was tun, was du nicht...”
Ron sah ihr direkt in die Augen und packte ihre Hände fester. “Hermine, wenn wir wirklich ein Baby kriegen, dann will ich diesen Job, okay?”
Hermine nickte überwältigt, als Ron sie an sich zog und fest die Arme um sie schlang. Zum ersten Mal an diesem Tag war ihr Kopf fast gänzlich frei von schwarzen, deprimierenden Gedanken, auch wenn sie noch nicht ganz fassen konnte, was gerade mit ihr passierte.
“Da wär übrigens noch was, was ich dich sowieso mal fragen wollte...”, raunte Ron in ihr Haar hinein.
Hermine schloss die Augen und wartete mit klopfendem Herzen ab.

Mr. und Mrs. Weasley waren vollkommen aus dem Häuschen, als sie am nächsten Tag von der Verlobung ihres Sohnes erfuhren. Mr. Weasley umarmte Ron und Mrs. Weasley Hermine, dann umgekehrt, und Mrs. Weasley begann hemmungslos zu schluchzen, als Ron Hermines Hand nahm.
“Wie wunderbar! Oh Ronnie... Das wurde aber auch Zeit!”
“Mum...”, murmelte Ron peinlich berührt und starrte auf seine Schuhspitzen.
“Ich hab da eine sehr hübsche Halskette, die ich schon bei unserer Hochzeit getragen habe, du kannst sie dir ja einmal ansehen, Hermine, Liebes... Oh!”
Mr. Weasley tätschelte seiner Frau mit einem nachsichtigen Lächeln den bebenden Rücken.
Etwas schob sich in Hermines Blickfeld; sie wandte den Kopf und sah George im TĂĽrrahmen lehnen, der die Szene beobachtete.
Als er ihren Blick bemerkte, grinste er und zwinkerte verschwörerisch, und Hermine lächelte kurz zu ihm herüber, bevor sie sich wieder Ron zuwandte.
Sie hatten einander nichts zu vergeben, denn sie wusste jetzt, wohin sie gehörte. Und auch, wenn sie einen ihrer Schwager wahrscheinlich nie ganz so würde sehen können, wie es sich gehörte, ahnte sie, dass die Zukunft ganz wundervoll werden würde.


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Das, was Harry so liebenswert macht, sind, glaube ich, seine charakterlichen Stärken, die wir selbst gerne hätten, und es sind auch seine Schwächen, die wir nur allzu gut verstehen.
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