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Fanfiction

Hellfire - Hellfire

von Sam Chaucer

Die große Halle war ein Bild des Chaos – wie immer zur Abendbrotzeit. In den Gängen zwischen den Haustischen herrschte ein Kommen und Gehen, dass Lucius, Schulsprecher, Quidditch-Held und vor allem Stammhalter der altehrwürdigen Familie Malfoy, sich manchmal fragte, ob es in diesem Schloss überhaupt noch Menschen gab, die im Sitzen zu essen pflegten. Aber schlimmer war die Geräuschkulisse. Im ganzen Saal schien kein Schüler zu sein, der nicht irgendetwas von sich gegeben hätte, verstärkt noch durch die Akustik der schwindelerregend großen Halle.
Das Gekicher von jemandem nicht weit von ihm drang durch das allgemeine Gesumme zu Lucius durch, und kurz darauf sirrte ein Cocktailwürstchen knapp an seinem linken Ohr vorbei. Lucius seufzte, hob seinen Zauberstab und schoss über die Schulter. Ein Schrei und kurz darauf das unverkennbare Poltern eines fallenden Körpers, als die Ganzkörperklammer ihr Ziel traf.
Lucius wandte sich wieder seiner Mahlzeit zu, aber da fiel sein Blick auf das Wurfgeschoss, das direkt vor seiner Nase in einer Schüssel Kartoffelbrei gelandet war. Angewidert schob er den Teller von sich.
Vielleicht wäre Durmstrang doch die bessere Wahl gewesen. Der Meinung war eigentlich auch Lucius' Vater gewesen. Letztendlich hatte er der Einschulung seines einzigen Sohnes in Hogwarts nur deshalb zugestimmt, weil das Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste dort von Amadeus Smythewick unterrichtet wurde, einem guten Freund und Geschäftspartner der Familie, während er in Durmstrang momentan keine Beziehungen hatte. „Beziehungen sind absolut unerlässlich“ - Lucius hatte den Satz, hunderte Male wiederholt, genau im Ohr.
Und doch... In Durmstrang wäre er zumindest nicht mit einer solchen Schülerschaft konfrontiert worden. In Durmstrang hätten so einige Dinge, die hier in Hogwarts vollkommen falsch liefen, niemals passieren können.
Da gellte plötzlich ein lauter Pfiff über den Lärm hinweg, dicht gefolgt von mehrstimmigem Gelächter.
Lucius wusste sofort, von wem beides stammte und auch, welchem Mädchen es gegolten hatte, noch ehe seine drei Freunde die Plätze neben ihm von Schülern befreiten und sich auf die Bank fallen ließen.
Rodolphus Lestrange, Gabriel Goyle und Theobald Crabbe. Reinblütig, aber sonst nicht viel.
Theobald musste diesmal gepfiffen haben; er wirkte besonders zufrieden mit sich. Alle drei lachten noch immer.
„Leute, habt ihr das gesehen?“, rief Gabriel und verdrehte schwärmerisch die Augen. „Sie hat schon wieder diesen Rock an, in dem ihr Hintern am allerbesten aussieht.“
„Nicht mehr lange, wenn's nach mir geht!“, krähte Gabriel dazwischen, und die beiden anderen kicherten wie kleine Mädchen.
Lucius umklammerte fest seinen Becher, nicht zuletzt, um das Zittern seiner Hand zu kaschieren. „Der Rock gehört zu ihrer Schuluniform. Sie trägt ihn jeden Tag“, erwiderte er scheinbar unbeteiligt.
„Eben drum!“, rief Gabriel. Wieder Gekicher.
„Lucius.“ Rodolphus knuffte ihn an der Schulter. „Schau sie dir wenigstens an. Du kannst dir auch mal was gönnen!“
Lucius blickte seinem Freund direkt in die Augen. „Warum“, fragte er mit kalter, harter Stimme, „sollte ich, wenn ich mir etwas gönnen will, ausgerechnet einem Schlammblut nachsteigen?“
Mit einiger Befriedigung sah er, wie das schmierige Grinsen von Rodolphus' Gesicht tropfte und einem Ausdruck zwischen Bestürzung und Ärger Platz machte. Die beiden anderen verstummten schlagartig.
Lucius erhob sich, aber als er sich gerade zum Gehen wandte, packte Rodolphus seinen Arm. Unwillig wandte er sich ihm zu.
„Du nimmst das alles viel zu ernst“, sagte Rodolphus. Um seine Lippen spielte schon wieder ein kleines Lächeln, das jedoch seine Augen Lügen straften. „Hey, wir sind jung, Mann! Und wer weiß, vielleicht stellst du ja eines Tages fest, dass du gar nicht so viel besser bist als wir.“
„Ich an deiner Stelle würde nicht darauf warten“, antwortete Lucius schroff, riss sich los und ließ die drei stehen.

Beata Maria
You know I am a righteous man
Of my virtue I am justly proud

Beata Maria
You know I'm so much
purer than
The common, vulgar,
weak, licentious crowd


Er sah sie aus dem Augenwinkel, als er die Halle durchquerte, aber dank einer höchst wirkungsvollen Mischung aus Scham und Stolz gelang es ihm, die Augen geradeaus zu halten, anstatt sie zum Ravenclaw-Tisch zu wenden.
Eine schwarze Schliere wischte gerade noch durch sein Blickfeld, als sie den Kopf zurückwarf, und er konnte sie lachen hören, kristallklar.
Elizabeth Whitehall.
Whitehall... Er hatte den Namen während seiner zu Hause verbrachten Ferien in Stammbäumen und Chroniken gesucht. Vergeblich.
Und doch ertappte er sich immer wieder bei dem Gedanken an sie. Er hatte mit seinem Vater gesprochen, soweit hatte sie ihn gebracht. Er hatte sich recht erfolgreich eingeredet, dass es nichts zu bedeuten hatte, dass er dabei nicht an sie dachte, dass er nur allgemeine Informationen sammeln wollte. Aber irgendwo in seinem Hinterkopf quälte ihn seither die unumstößliche Tatsache, dass kein Malfoy irgendetwas ohne Hintergedanken tat.

Lucius betrat die Bibliothek von Malfoy Manor, schob die Tür hinter sich zu und wartete ab. Er wusste, dass er bemerkt worden sein musste; die Tür knarrte ebenso abrupt wie laut, wenn man sie nur anrührte. Trotzdem ließ sein Vater zunächst keine Reaktion erkennen.
Abraxas Malfoy saß in einem hohen, mit weichem, cremefarbenen Stoff bezogenen Lehnstuhl, der die weitläufige Bibliothek dominierte, wie ein Symbol für Abraxas' Rolle in Haus, Familie und Unternehmen.
Lucius nutzte die Gelegenheit, um seinen Vater unauffällig zu mustern. Er würde nicht mehr lange jung sein. Das lichtblonde Haar verblasste bereits und würde bald graue Strähnen zeigen, und die Stirnfurchen schienen jetzt schon tiefer eingegraben zu sein als noch in den Weihnachtsferien, als Lucius das letzte Mal zu Hause gewesen war. Die Veränderungen machten begreifbar, was man ihm von frühester Kindheit an immer wieder gesagt hatte – eines Tages würde alles, was die Familie Malfoy sich in Jahrhunderten aufgebaut hatte, ihm gehören und seiner Verantwortung unterstellt sein. Aber noch war sein Vater hart, kontrolliert und beherrschend wie immer, das Oberhaupt der Familie durch und durch.
Endlich schlug Abraxas seinen Tagespropheten zu und wandte sich an seinen Sohn.
„Was gibt es?“, fragte er mit leiser, ruhiger Stimme. Seine kalten grauen Augen jedoch ließen keinen Zweifel an dem, was Lucius, wie jeder im Hause, schon längst wusste: Abraxas Malfoys Zeit nahm man nicht ohne guten Grund in Anspruch.
Er räusperte sich verhalten. „Ich muss kurz mit dir sprechen, Vater... Über meine Zukunft.“
„Ich höre?“
Lucius musterte seinen Vater, der einen unbeteiligten, beinahe gelangweilten Gesichtsausdruck auf seinem kantigen Gesicht zur Schau trug. Seine Laune war niemals leicht einzuschätzen, aber heute war Lucius ziemlich sicher, einen guten Moment erwischt zu haben.
Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Gibt es bereits irgendwelche Pläne bezüglich meiner Verheiratung?“
„Ach, das.“ Abraxas legte die Zeitung weg und fasste Lucius schärfer ins Auge. „Hegst du denn diesbezüglich konkrete Absichten?“
„Nein.“
„Dann solltest du bald anfangen, darüber nachzudenken. Und um deine Frage zu beantworten: Nein, es gibt keine Vereinbarung.“
Lucius musste verwundert ausgesehen haben, denn Abraxas' rechter Mundwinkel zuckte kurz.
„Weißt du, deine Mutter und ich haben darüber gesprochen und sind uns einig geworden, dass du dir, auch wenn es noch bei uns anders war, durchaus selbst eine Braut auswählen kannst. Ich sehe ein, dass man von euch jungen Leuten nicht erwarten kann, zu leben wie eure Eltern und Großeltern.“
Lucius neigte leicht den Kopf. „Danke, Vater.“
„Noch etwas?“
„Nein... Das war meine einzige Frage. Ich überlasse dich wieder deiner Lektüre.“
Lucius wandte sich um und umfasste die Türklinke.
„Lucius!“
„Ja?“
Abraxas hatte sich vorgebeugt und fixierte ihn nun mit jenem Blick, der auf unangenehme Weise bis in sein Innerstes zu dringen schien.
„Wir reden natürlich über eine reinblütige junge Frau, oder?“
Lucius packte die Türklinke fester.
„Natürlich, Vater.“


Während Lucius den langen, düsteren Gang zum Slytherin-Schlafsaal entlangging, versuchte er, seinen Kopf einfach nur frei zu bekommen. Allein der Gedanke, an sie zu denken, war Wahnsinn. Aber alles, die Schüler, die Umgebung, war schrecklich vertraut – da war nichts, was ihn ablenken konnte...
Lucius war beinahe froh, als Rodolphus, Gabriel und Theobald neben ihm auftauchten, alle drei an mitgebrachten Sandwiches kauend.
„Wieso warst du denn so schnell weg?“, wollte Gabriel wissen und hätte Lucius mit halb zerkauten Brotkrümeln besprüht, wenn dieser nicht im letzten Moment ausgewichen wäre.
„Ich war fertig mit dem Essen“, antwortete Lucius, rümpfte die Nase und wischte mit einem vielsagenden Blick zu Gabriel einen imaginären Brotkrumen von seinem Umhang.
„Tschuldigung“, mümmelte der und riss mit den Zähnen einen weiteren großen Bissen von seinem Sandwich.
Rodolphus lachte leise. „Ich glaube eher, unser tugendhafter Lucius war zu entsetzt über unsere gar schändlichen Phantasien.“
Theobald grinste anzüglich. „Lucius hat ja auch ganz klar die bessere Option.“
„Fang nicht wieder davon an“, sagte Lucius und beschleunigte seine Schritte ein wenig.
„Wenn Narzissa Black hinter mir her wäre, würde ich...“
„Natürlich würdest du, denn offenbar reicht zur Befriedigung deiner Ansprüche ja schon weit weniger“, fuhr Lucius scharf dazwischen. „Gründervater.“
Der Durchgang zum Gemeinschaftsraum der Slytherins öffnete sich, und die vier Jungen traten ein. Die meisten Schüler waren noch beim Abendessen, aber bei einer Sesselgruppe saßen ein paar Mädchen zusammen. Die meisten von ihnen sahen nur kurz auf und setzten dann ihr Gespräch fort, aber eines der Mädchen, sehr blond, sehr hellhäutig und sehr elegant, selbst in ihrer einfachen Schuluniform, hielt ihren Blick ein wenig zu lange auf Lucius geheftet.
Rodolphus sah ihn unter hochgezogenen Augenbrauen an, bevor er sich in einer Ecke am Feuer niederließ. Theobald und Gabriel folgten ihm, aber Lucius bog direkt zu seinem Schlafsaal ab.
Er wollte ein wenig allein sein mit seinen Gedanken, obwohl er wusste, wie gefährlich das war.
Lucius hatte Glück; der Schlafsaal war dunkel und leer. Außer ihm und seinen drei Schatten bewohnte ihn noch Archibald Fleech, ein schmächtiger Junge mit einem fürchterlichen Sinn für Ordnung, welcher von der segensreichen Gewohnheit, sich vergleichsweise selten im Schlafsaal aufzuhalten, ausgeglichen wurde.
Lucius wusch sich hastig, getrieben von der Sorge, jemand könnte hereinkommen und die himmlische Ruhe stören, die ihn jetzt und sonst viel zu selten umgab. Er entspannte sich erst, als er sich auf seinem großzügigen Himmelbett ausstreckte und mit einem Wisch seines Zauberstabes die Vorhänge versiegelte.
Lucius verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an den Betthimmel, der sich in der Finsternis verlor.
Was war nur in letzter Zeit los mit ihm? Wie konnte etwas in seinem Kopf so falsch laufen? Er hatte lange versucht, es einfach zu verdrängen, aber inzwischen musste er einsehen, dass es nicht verschwinden würde.
Langes, schwarzes Haar, das beim Gehen auf ihrem Rücken tanzte und sich nur durch seinen Glanz und seine Bewegung von ihrem ebenso schwarzen Umhang abhob...
Lucius presste die Lippen aufeinander und versuchte angestrengt, das Bild zu verscheuchen.
Wenn er sich wenigstens erinnern könnte, wann es angefangen hatte... Aber es hatte schleichend begonnen, gegen Anfang des Jahres etwa. Zunächst unbemerkt, und als es schließlich in sein Bewusstsein gerückt war, war es schon zu spät.
Er hatte nie besonders auf sie geachtet, nie mit ihr gesprochen. Die ganzen Jahre hindurch war sie eher Teil des Inventars gewesen, störend, aber eben etwas, womit er leben musste. So wie all die anderen Schlammblüter in diesem Sumpf, der sich Schule schimpfte. Warum hätte es auch anders sein sollen? Sie war stets unter seiner Würde gewesen... Und sie war es immer noch, rief er sich hastig ins Gedächtnis.
Und trotzdem hatte er sich irgendwann das erste Mal und von da an immer öfter dabei ertappt, ihr nachzustarren. Irgendwann war sie ihm im Unterricht aufgefallen, als sie mit ihrer Banknachbarin tuschelte und dabei ihr langes Haar zurückwarf. Er hatte zugesehen, wie sie sich in der Großen Halle mit anmutigen, fließenden Bewegungen zwischen Schülern hindurchschlängelte. Diese Momente hatten sich nach und nach gehäuft, und mittlerweile schien sie einfach überall zu sein. Er konnte von Glück sagen, dass es noch niemandem aufgefallen war, aber dabei würde es nicht bleiben, wenn er so weitermachte.
Ein Schlammblut...
Lucius hielt das Wort fest, rief sich ihr Bild vor Augen und versuchte, sie so zu sehen, wie er sie sehen sollte – als einen überflüssigen Klumpen Mensch, ein widerwärtiges Abfallprodukt, welches der Natur bei der Erschaffung der Zauberer entstanden war, eine wandelnde Beleidigung all seiner Werte.
Aber es passte einfach nicht. Alles, was er sah, war ein hübsches junges Mädchen.
Lucius stöhnte gequält auf und krallte die Hand in die Bettdecke.
Ihm kam ein erschreckender Gedanke. Was, wenn Rodolphus Recht hatte? War er wirklich nicht besser als diese drei halben Blutsverräter?
Nein, das konnte nicht sein. So war er nicht, so völlig achtlos gegen sein großes Erbe.
Wie um ihn Lügen zu strafen, schob sich wieder ihr Bild vor sein inneres Auge. Diesmal war er zu schwach, um der Versuchung zu widerstehen. Als seine Hand zu seiner Körpermitte wanderte, versuchte er, sie wenigstens nachträglich durch ein anderes Mädchen zu ersetzen, irgendeines... Aber ihr Bild ließ sich nicht vertreiben, es war selbst dann noch da, als zumindest sein Körper längst Entspannung gefunden hatte.

Then tell me, Maria
Why I see her
dancing there
Why her smold'ring
eyes still scorch my soul

I feel her, I see her
The sun caught in
her raven hair
Is blazing in me out
of all control


Als Lucius am nächsten Morgen erwachte, hatte er einen trockenen Mund und miserable Laune. Seine Zimmerkameraden waren allesamt bereits fort, und während er auf der Bettkante sitzend ein Glas Wasser aus der Karaffe neben seinem Bett hinunterstürzte, schossen ihm wirre Fetzen eines Traumes durch den Kopf, an den Lucius sich lieber nicht zu detailliert erinnern wollte.
Als er den Schlafsaal verließ und den Gemeinschaftsraum betrat, fand er ihn leer bis auf ein paar Zweitklässler. Jetzt erst ging Lucius auf, wie spät es war, und die Tatsache, dass ihm zum Frühstücken keine Zeit mehr bleiben würde, besserte seine Stimmung nicht gerade.
Während er Zauberstab, Pergament und Bücher zusammenraffte, rief er barsch: „Elf!“
Mit einem leisen „Plopp“ erschien einer der kleinen Diener von Hogwarts. Lucius beachtete seine tiefe Verbeugung nicht. Er setzte sie voraus.
„Was kann Hersky für den jungen Herrn tun?“
„Ein Apfel.“
Lucius streckte die Hand aus, und schon lag das Gewünschte darin. Ein hastiger Imbiss auf dem Weg zum Klassenraum war nicht das, was er gewohnt war, aber besser als nichts.
Er eilte durch den Gemeinschaftsraum und die Geheimtür, durch den Korridor zur Eingangshalle und die Treppe zum ersten Stock hoch.
Normalerweise besaß Lucius eine Souveranität und Gelassenheit, für die ihn viele bewunderten. Er war unerschütterlich, denn er war auf alles vorbereitet. Aber die Eile ließ seine Konzentration bröckeln. Und so war er dem Schrecken, der ihn erwartete, rettungslos ausgeliefert, als er in dem einsamen Korridor, den er gerade durchquerte, um eine Ecke bog und sie ihm plötzlich entgegenkam.
Es gab noch nicht mal einen Zusammenstoß, er streifte im Vorbeigehen nur leicht ihre Schulter. Doch das reichte, um ihn mit einem Ruck erstarren zu lassen.
Der Apfel fiel aus seiner Hand und prallte mit einem durchdringenden Laut wie von einem Paukenschlag auf den Steinboden. Sie war stehen geblieben, jedenfalls konnte er keine Schritte mehr hören. Auf einmal fand Lucius es unerträglich heiß.
„Kannst du nicht aufpassen!“, fuhr er sie an, ohne sich umzudrehen. Seine Stimme zitterte, vor mühsam unterdrückter Wut und etwas anderem, über das er sich verbot nachzudenken.
„Tut mir leid“, sagte sie. Ihre leise, klare Stimme durchdrang kaum das Rauschen in seinen Ohren. Er zwang sich, sich zu ihr umzudrehen.
Es war klar, dass sie auch in Eile war. Ihre Wangen waren leicht gerötet, das Haar lag ihr leicht wirr ums Gesicht.
Sie bückte sich und hob den Apfel auf, den er fallen gelassen hatte. Die Druckstelle, die beim Aufprall auf dem harten Boden entstanden war, war deutlich zu sehen. In ihrem Zentrum war die Schale geplatzt, und ein winziger Tropfen Saft glänzte aus dem schmalen Riss hervor.
Elizabeth streckte ihm die Hand entgegen. „Dein Apfel.“
Als er keine Anstalten machte, ihn entgegenzunehmen, nahm sie seine Hand und wollte die Frucht hineinlegen. Ihre Finger waren warm, weich und trocken.
Lucius zuckte zurück, als hätte er sich verbrannt. „Behalt ihn“, sagte er mit rauer Stimme. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging mit großen Schritten davon. Er bekam erst wieder richtig Luft, als er zwei Korridore zwischen sich und ihr wusste.

Als die Mittagspause begann, hatte Lucius seine innere Ruhe beinahe vollständig wiedergewonnen. Es war nur eine Laune, eine Probe seiner Standhaftigkeit, wenn man so wollte. Es würde vergehen und er würde es unter Kontrolle bekommen wie alles andere in seinem Leben. In ein paar Monaten oder Jahren würde er über seine Dummheit lachen können.
Er befand sich auf dem Weg zur Großen Halle, Rodolphus, Theobald und Gabriel tuschelnd und kichernd auf seinen Fersen. Sein Magen knurrte; aber der Gedanke an die Umstände, die dazu geführt hatten, dass sein Frühstück ihm abhanden gekommen war, führten in eine gefährliche Richtung, und er wischte ihn schnell beiseite.
Plötzlich sah er sie, Elizabeth, auf dem Gang nicht weit von ihm. Vor ihr, hinter ihr, neben ihr waren Unmengen von schwatzenden, drängelnden Schülern, aber er hätte sie unter Tausenden herausstechen sehen. Eine beklemmende Enge schnürte ihm den Hals zu.
Als ihr Blick sich in seine Richtung verirrte, wandte er die Augen stur nach vorn. Aber es nützte nichts. Zu seiner Bestürzung musste er feststellen, dass sie genau auf ihn zuhielt. Er fühlte eine gerade abergläubische Angst davor, ihr zu nahe zu kommen; aber momentan waren seine Gefährten das weitaus größere Problem. Er konnte nicht mehr verhindern, mit ihr zusammenzutreffen, also musste er die drei loswerden, bevor sie bemerkten, dass sie mit ihm sprechen wollte. Dumme Fragen waren das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte.
Lucius schalt sich im Stillen. Nur seine mangelnde Geistesgegenwart heute Morgen hatte ihn in diese missliche Lage gebracht.
„Geht schon vor zur Großen Halle, ich habe noch was zu erledigen“, rief er über die Schulter und den allgemeinen Lärm hinweg.
„Warum denn?“, rief Theobald zurück.
„Weil ich euch gerade nicht ertragen kann, deshalb“, gab Lucius betont gelangweilt zurück.
Die drei lachten, und Rodolphus schlug ihm im Vorbeigehen auf die Schulter. Dann waren sie weg, ohne Elizabeth im Gewühl wahrgenommen zu haben. Keine Sekunde zu früh, denn schon stand sie vor ihm. Lucius ging blitzschnell seine Optionen durch. Um so zu tun, als habe er sie nicht bemerkt, war es viel zu spät. Also nickte er ihr kurz zu und wollte an ihr vorbeigehen, doch sie legte die Hand auf seinen Arm und er erstarrte.
„Hast du einen Moment?“
„Eigentlich nicht“, presste er hervor. Ihre Hand lag federleicht auf seinem Arm, und doch war das mehr, als er ertragen konnte.
„Es dauert nicht lang.“
Lucius blickte unauffällig um sich; noch hatten sie kein Aufsehen erregt, aber das würde sich garantiert ändern, wenn er sich jetzt in eine Diskussion verwickeln oder sie brüsk stehen ließe. Ihm blieb wohl keine andere Wahl, als mit ihr zu sprechen, aber das konnte er keinesfalls vor allen Leuten tun.
„Na gut“, knurrte er, befreite seinen Arm und schob sie vor sich her den Gang entlang, wobei er sich immer wieder verstohlen umsah. Er war erleichtert, als sie endlich einen weniger belebten Korridor erreichten. Im Moment war niemand zu sehen, aber er würde keine ruhige Minute haben, solange jederzeit jemand vorbeikommen konnte. Also bugsierte er sie in die nächste Geheimkammer auf dem Weg, die er kannte, und schlüpfte hinter ihr hinein.
Der Raum war hinter einem großen, burgunderroten und verschwenderisch bestickten Wandteppich verborgen, der nur wenig Licht hineinließ und beinahe sämtliche Geräusche ausschloß. Ein nur zwei Schritte langer schmaler Gang führte zum eigentlichen Zimmer, dessen Zweck Lucius schleierhaft war. Die spartanische Einrichtung mit ihren nackten Steinwänden, dem schmalen, leinenbezogenen Bett und dem Schemel erinnerte an eine Mönchszelle, nur der dicke, flauschige Teppich, der den ganzen Boden bedeckte, durchbrach dieses Bild. Vor allem aber die Kammer eng. So eng, dass Lucius Zweifel an seiner Wahl kamen.
Elizabeth war ihm viel zu nah, so nah, dass er flüchtig ihren blumigen Duft wahrnahm, durchsetzt mit etwas Schwerem, Exotischen, das er nicht bestimmen konnte.
„Du bist Lucius Malfoy, richtig? Aus Slytherin?“
Lucius nickte knapp.
„Ich wollte mit dir reden.“
Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann tu das. Auch wenn ich eigentlich Besseres zu tun habe.“
Zufrieden bemerkte er, wie seine Abfuhr sie aus dem Konzept brachte. Sie stockte einen Moment, aber dann fuhr sie fort: „Du bist so... merkwürdig. Ich hatte in letzter Zeit irgendwie das Gefühl, dass du... naja, das klingt gleich sicher dumm...“
„Tut es jetzt schon“, versetzte er mit der größten Gleichgültigkeit, während eine böse Ahnung in ihm aufstieg.
Sie lächelte bloß unsicher, ließ sich aber nicht beirren. „Mir ist schon länger aufgefallen, dass deine Freunde mich... beobachten.“
Erleichterung durchströmte Lucius. Das war alles, was sie wollte. Bestimmt würde sie ihn gleich um Hilfe bitten, er würde es selbstverständlich ablehnen, und alles wäre wieder...
„Und seit neuestem auch du. Nur eben... anders.“
Ein heißer, harter Klumpen schien sich in Lucius' Magen breitzumachen. Er starrte hinab auf ihr Gesicht, auf dem sich ehrliches Interesse und ein bisschen Verwirrung malten, und wusste einen Moment nicht, wie er weitermachen sollte. Er war ihr noch nie so nah gewesen. Er konnte jeden Fleck und jeden Lichtreflex in ihren dunklen Augen sehen und der Kontrast, den ihre erstaunlich helle Haut zu ihrem schwarzen Haar bildete, nahm ihn völlig gefangen.
„Du musst dich irren. Warum sollte ich auch?“, entgegnete er heiser.
„Ich weiß nicht. Deshalb frage ich ja.“
Der winzige Raum schien sich um ihn zusammenzuziehen.
„Ich weiß wirklich nicht, was das soll und warum ich hier... Ich werde jetzt gehen“, sagte er und wollte sich an ihr vorbeidrängen.
„Warte doch! Ich wollte doch nur...“ Sie packte seinen Arm, und plötzlich steckten sie beide in dem schmalen Tunnel fest, der eigentlich nur je einer Person Durchgang bot.
Lucius verdrängte sämtliche Gedanken. Falsch, ganz falsch. Dadurch spürte er ihren Körper nur noch deutlicher, sogar das Heben und Senken ihrer Brust.
Lucius starrte ihr ins Gesicht und hoffte, er würde dort irgendeine Widerwärtigkeit oder Unregelmäßigkeit finden, irgendetwas, das ihm helfen konnte, auch alles andere an ihr hässlich zu finden. Er wusste, da musste etwas sein, da war etwas bei jedem Menschen, und ganz besonders bei jedem Schlammblut. Aber er konnte es nicht finden. Stattdessen zeigte ihr Gesicht hoffnungsvolle Erwartung, und Lucius wurde mit einem Mal klar, dass diese Unterredung in dieser kleinen Kammer ein riesengroßer Fehler gewesen war.
„Weißt du, du bist mir auch aufgefallen“, flüsterte sie. Ihre Augen schienen übergroß, und sie kamen näher, als sie sich auf die Zehen stellte.
Lucius spürte ihren Atem an seinem Kinn und ihre Hand, die immer noch auf seinem Arm lag. Und dann war alles zu spät. Er küsste sie gierig, und die Lust mischte sich in seinem Inneren mit der Scham, bis er beides kaum noch auseinander halten konnte.

Like Fire
Hellfire
This fire in my skin
This burning
Desire
Is turning me to sin


Im ersten Moment nach dem Erwachen war die Welt noch in Ordnung. Noch halb im Schlaf, konnte Lucius nicht denken, nur fühlen, und was er fühlte, war behagliche Wärme, weiches, duftendes Fleisch, das sich an seinen Körper schmiegte, und eine körperliche Befriedigung, die in ihrer Vollkommenheit auch seine Seele wärmte.
Dann nahm sein Gehirn die Arbeit auf, und all das bekam einen bitteren Beigeschmack.
Er machte sich gar nicht erst die Mühe, zu hoffen, dass es nicht wahr sei, sondern schlug gleich die Augen auf und sah wie erwartet die schweren Samtvorhänge des Bettes, in dem er gestern Abend eingeschlafen war. Bis auf dieses Bett war der Raum der Wünsche vollkommen leer – kein Wunder, richtete sich der Raum doch vollkommen nach den Bedürfnissen desjenigen, der ihn beschwor.
Er wandte den Blick, und da lag sie, noch schlafend, direkt neben ihm. Den Körper an seinem, eine Hand auf seiner Hüfte, nackt wie er.
Er sollte verdammt sein – es fühlte sich immer noch gut an.
Elizabeths Augenlider zuckten und ihr Atem strich über seine Brust. Lucius begann zu überlegen.
Die Szene in der Geheimkammer war nun schon Wochen her, und seitdem hatte er sie immer wieder getroffen, in Geheimräumen, in Toiletten, in verlassenen Gängen. Das Schlimmste war, dass es für ihn immer mehr zur Gewohnheit wurde. Es fühlte sich kein bisschen weniger falsch an als beim ersten Mal, aber sein Ehrgefühl bot von Mal zu Mal weniger Widerstand. Je öfter er es tat, desto lauter wurde die Stimme, die sehr überzeugend darlegen konnte, dass es auf ein weiteres Mal nun auch nicht mehr ankäme. Es war fast, als speiste sich die – ja – Sünde aus sich selbst.
Trotzdem war dies ein neuer unrühmlicher Höhepunkt. Er schlief zwar schon seit Wochen mit ihr, aber er hatte noch nie die ganze Nacht mit ihr verbracht. Es war eine Brücke über dem Graben, den er ängstlich zwischen ihnen beiden gezogen hatte, vor allem aber war es ein weiterer Beweis seiner Schwäche. Er hatte gewusst, dass es falsch war. Aber er war so müde und wohlig entspannt gewesen...
Eine Welle von elendem Selbstmitleid schwappte über ihn hinweg, aber das hatte noch nie irgendetwas besser gemacht. Er riss sich zusammen und überschlug im Kopf die Situation. Es war Samstag, also gab es zumindest keinen Unterricht, zu dem er zu spät kommen konnte. Doch seine Zimmergenossen mussten natürlich trotzdem bemerkt haben, dass er die Nacht nicht in seinem eigenen Bett verbracht hatte. Was Archibald anging, so standen die Chancen gut, dass er selbst nicht da gewesen war. Theobald und Gabriel würden leicht abzufertigen sein.
Rodolphus jedoch war ein Eissplitter in Lucius' Bewusstsein. Er würde Fragen stellen, und er war nicht dumm.
Nun, es war passiert und ließ sich nicht mehr ändern. Lucius musste einfach das Beste aus der Situation machen. So hatte es ihm sein Vater beigebracht, wenn er dabei auch bestimmt nicht an so etwas gedacht hatte.
Elizabeth schlug neben ihm die Augen auf. Sie lächelte, und selbst während sie nackt und noch von seinem Geruch bedeckt war, drang ihr die Unschuld aus allen Poren. Dieses Miststück.
Sie dehnte ihren Körper und gähnte übertrieben. Dann lachte sie leise, vergrub das Gesicht an seiner Brust und küsste ihn direkt auf eine seiner Brustwarzen.
Lucius sagte sich zum wohl tausendsten Mal, dass es so falsch war wie nur möglich, aber sein Körper betrog ihn. Ein Prickeln zog sich von seiner Brust bis hinunter zu seinen Lenden.
„Guten Morgen“, murmelte sie. Er antwortete nicht. Er traute seiner Stimme nicht, denn jetzt zogen ihre leicht geöffneten Lippen eine feuchte Spur über seinen Hals zu seinem Schlüsselbein. Sie legte die Wange auf seine Brust, unter der sein Herz nun heftig pochte, und sah strahlend zu ihm auf. Er hätte sich gern gesagt, dass sie einfach eine Schlampe war, aber er glaubte es selbst nicht. Aus ihrem Blick und allem, was sie tat, sprach einfach nur eine unschuldige, ja geradezu rührende Freude an seinem Körper und ihrem eigenen.
Wenn sie nur ein Reinblut wäre... Er hatte sich ausgemalt, wie es sein könnte, wenn durch einen verrückten Zufall doch noch herauskäme, dass sie aus einer Familie stammte, die seiner zumindest annähernd ebenbürtig war. Adoptionen, Verwechslungen im Babyalter... Das Leben schrieb ja die unglaublichsten Geschichten...
Aber natürlich war es nicht so. Und selbst wenn – es würde seine Schuld kein bisschen geringer machen, denn solange es keinen Beweis oder wenigstens Hinweis für das Gegenteil gab, war sie, was sie war. Ein Schlammblut.
Sie küsste ihn und ließ ihre Zunge in seinen Mund gleiten, dann schwang sie ein Bein über seine Hüften. Mit den Händen umfasste er ihren Po, als der Teil von ihm, der sie wollte, wieder einmal den Kampf gewann.
Ihre Brüste, klein und fest, schwebten vor seinem Gesicht. Sie stieß einen kleinen Laut aus, mehr ein Seufzen als ein Stöhnen, und ihr Gesicht nahm diesen entrückten Ausdruck an. Und dann war mal wieder alles zu spät.

Ungefähr eine Stunde später befand sich Lucius nachdenklich unterwegs zum Slytherin-Gemeinschaftsraum. Irgendwann musste es ja sein. Seine erste Eingebung war es gewesen, sich so lange wie möglich zu verstecken, aber je länger er fort blieb, desto schwerer würde seine Abwesenheit zu erklären sein. Also war er nun auf dem Weg. Er hatte seinem Impuls widerstanden wie schon bei vielen anderen Gelegenheiten. Also warum gelang ihm das nicht, wenn es um Elizabeth ging? Er war enttäuscht von sich selbst. War sie all die Schwierigkeiten und Schuldgefühle überhaupt wert? Natürlich nicht. Und doch... Er war immerhin froh, dass er es bisher geschafft hatte, alles geheim zu halten. Das war schwer genug unter so vielen Menschen. Und Elizabeth war nicht gerade begeistert davon.
„Ich will mich nicht immer verstecken“, hatte sie eben erst wieder gesagt, als sie sich vor dem Raum der Wünsche verabschiedet hatten. „Aber ich will dich auch nicht drängen...“ Sie hatte abgebrochen und zu Boden geblickt.
„Dann tu das doch einfach nicht“, hatte Lucius geantwortet.
„Ja... Aber warum ist das denn überhaupt so wichtig? Was sollen die anderen schon machen? Warum können wir nicht einfach zusammen zum Frühstück gehen und...“
„Das Frühstück ist schon vorbei, kleine Langschläferin“, hatte Lucius mit einem Augenzwinkern gesagt, und dann hatte er sie geküsst, denn wenn er sie küsste, konnte sie nicht reden.
„Na gut“, hatte sie geflüstert, als er sich von ihr löste, die Stirn an seine gelehnt, und dann hatte sie sich noch einmal an ihn gepresst, ehe sie gegangen war, wobei sie seine Hand erst im letzten Moment losgelassen hatte.
Lucius wusste, dass sie diese Diskussion nicht zum letzten Mal geführt hatten. Aber sie sagte die Wahrheit: Sie wollte ihn nicht drängen, und er war so sicher, wie man sich bei einem Schlammblut eben sein konnte, dass sie nichts verraten würde, solange er es nicht erlaubte. Sie glaubte, dass er sie irgendwann von selbst in sein Leben lassen würde. War ihr denn nicht klar, dass bereits das, was sie jetzt taten, eigentlich unmöglich war? Wenn er ganz ehrlich mit sich war, musste er sich eingestehen, dass er ihr zwar keine Lügen erzählt, aber ihr auch nie ausdrücklich gesagt hatte, wie die Dinge aus seiner Sicht standen. Aber sie musste es doch trotzdem wissen...
Lucius befand sich jetzt im Korridor, der zu seinem Gemeinschaftsraum führte. Er grüßte Bekannte, die ihm über den Weg liefen, und hatte es Sekunden später schon wieder vergessen. Immerhin, je weiter er sich von ihr entfernte, desto klarer konnte er denken.
Die Erkenntnis, dass seine Willenskraft wohl doch nicht so groß war, wie er stets gern geglaubt hatte, schmerzte. Er war sich bewusst, dass seine eigene Schwäche ihn in diese Situation gebracht hatte, aber ein Teil von ihm nahm es Elizabeth übel, dass sie diese Schwäche ans Licht gebracht hatte. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, hatte sie ihm Dinge über ihn erzählt, die er gar nicht wissen wollte.
Da war er, der Eingang zum Gemeinschaftsraum. Lucius setzte eine gleichgültige Miene auf wie einen Panzer, dann sprach er das Passwort - „Kerkermeister“ - und trat ein.
Für einen Moment konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf ihn, aber das musste nichts zu bedeuten haben. Er war, auch wenn er sich in letzter Zeit nicht so benahm, eben immer noch Lucius Malfoy. Die Blicke seiner Freunde jedoch ruhten länger als gewöhnlich auf ihm. Einen Moment erwog er, sich gleich unter irgendeiner Entschuldigung in sein Zimmer zurückzuziehen, aber das würde ihre Spekulationen nur anheizen. Besser, er brachte es gleich hinter sich.
Er durchquerte den voll gestopften Raum und stieß beinahe mit Archibald zusammen, der an einem Sessel lehnte und gelangweilt in einem Stapel Notizen blätterte.
„Hey, Lucius“, sagte er. Unter seinem Blick fühlte sich dieser gar nicht wohl.
„Hey. Wo warst du denn letzte Nacht?“, fragte Lucius auf gut Glück.
Archibald legte den Kopf schräg und verengte die Augen. „Ich war da.“
Verdammt.
Sein hageres, gleichgültiges Gesicht änderte seinen Ausdruck kaum, nur ein Mundwinkel zuckte kurz nach oben. „Schon gut. Ich will es gar nicht wissen. Ich werde auch nichts sagen. Klatsch interessiert mich nicht.“
Lucius atmete innerlich auf. Guter Mann.
Er sagte nichts, nickte seinem Zimmergenossen jedoch dankbar zu, ehe er seinen Weg fortsetzte.
Viel zu schnell hatte er Theobald, Gabriel und Rodolphus erreicht, die, wie eigentlich immer, auch jetzt aufeinander hockten. Sie waren gerade mit einem kleinen zweiten Frühstück beschäftigt, das nun jedoch vergessen war.
Lucius erwiderte ihre neugierigen Blicke mit der größten Gleichgültigkeit. Er würde nichts sagen, ehe sie es nicht taten.
„Du warst letzte Nacht nicht in deinem Bett.“ Natürlich war es Rodolphus, der als erster sprach, und es war keine Frage.
„Nein“, sagte Lucius gedehnt. Sein Blick ruhte nachdenklich auf Narzissa, die in der Nähe saß und ihn, wie sie glaubte, unauffällig beobachtete. Bis er sie gesehen hatte, hatte er gar nicht an sie gedacht. Er dachte überhaupt nur selten an sie. Einen Moment erwog er, sie vorzuschieben. Aber das wäre zu leicht zu widerlegen und würde zu viele Konsequenzen nach sich ziehen.
Seine drei Kumpane sahen ihn nach wie vor erwartungsvoll an.
„Wir haben niemandem was gesagt“, meinte Rodolphus mit einem Glitzern in den Augen.
Na toll. Was für eine billige Art, einen auf Komplize zu machen. Jetzt sollte Lucius ihnen wahrscheinlich auch noch dankbar sein. Er war Lucius Malfoy, hatte er es wirklich nötig, sich vor ihnen zu rechtfertigen?!
Aber irgendetwas musste er sagen.
„Ich wüsste nicht, was es euch angeht“, begann er mit genau der richtigen Mischung aus Desinteresse und Kälte in der Stimme, „aber meinetwegen... Ich war im Raum der Wünsche, um in Ruhe einen Zauber zu üben, und habe die Bettruhe verpasst. Danach wollte ich mich lieber nicht mehr auf den Gängen blicken lassen und habe im Raum übernachtet. Zufrieden?“ So weit wie möglich an der Wahrheit bleiben, das war die beste Strategie. Theobald und Gabriel nickten und wandten sich wieder ihrem Imbiss zu. Rodolphus jedoch hielt seine Augen auf Lucius geheftet.
„Sehr fleißig“, meinte er mit einem Unterton, der alles bedeuten konnte.
„Ja, nicht wahr?“, entgegnete Lucius spitz. „Solltest du auch mal versuchen. Man hatte den Eindruck, dass du Professor Smythewick in der letzten Stunde ziemlich unglücklich gemacht hast.“
Rodolphus' Gesichtsausdruck änderte sich nicht, aber seine Wangen färbten sich leicht rosa, als er an seinen missglückten Zauber dachte. Es hatte Madam Pomfrey Stunden gekostet, die knallroten Pusteln von seinem Gesicht zu bekommen.
„Punkt an dich“, murmelte er und wandte endlich, endlich den Blick ab.
„Schinkenbrötchen?“, fragte Lucius und streckte die Hand in Theobalds Richtung, der augenblicklich das Brötchen, in das er gerade hatte beißen wollen, in Lucius' Hand legte. Es gab eigentlich noch genug zu essen, aber Lucius konnte sich so benehmen, weil er eben Lucius Malfoy war, und das fühlte sich gerade in diesem Moment einfach gut an.
Er verschlang fast die Hälfte des Brötchens auf einmal.
„Ich denke, ich drehe eine Runde auf dem Quidditch-Feld. Wer ist dabei?“
Alle drei natürlich. Auf dem Weg nach draußen warf Lucius einen langen Blick in Narzissas Richtung und brachte sie zum Erröten. Einfach nur so, weil er es konnte. Warum eigentlich nicht sie? Gutes Aussehen, gute Familie, guter Ruf, und soweit er es beurteilen konnte, war sie auch intelligent. Aber Elizabeth...
Ein Schlammblut.
Niemand weiß davon, beruhigte er sich. Aber er selbst wusste es, und das war schlimm genug. Wenn er es recht bedachte, war sie seit Monaten hinter ihm her gewesen. Warum? Sie wusste doch, wer er war. Er machte ja nicht gerade ein Geheimnis daraus.
Er hatte nicht vor, sich selbst zu schonen. Er war schwach, verführbar. Aber musste sie das ausnutzen?
Auf dem Quidditch-Feld besserte sich seine Laune. Es war ein schöner Tag, sonnig, aber nicht zu heiß, klare Luft und blauer Himmel. Perfektes Flugwetter. Er genoss es, sich die frische Luft um die Nase wehen zu lassen, während sein Umfang hinter ihm flatterte. Für eine Weile gelang es ihm, nicht an sie zu denken. Umso deprimierender, als er es schließlich doch wieder tat.
Er rollte alles von vorne auf, dachte an ihr erstes Zusammentreffen, die Zeit davor. Hatte sie es nicht von Anfang an darauf angelegt, dass es so kam, wie es jetzt gekommen war?
Wäre er ehrlich zu sich selbst gewesen, hätte er sich eingestehen müssen, dass er ihr Unrecht tat. Aber er tat es trotzdem.

It's not my fault
I'm not to blame
It is the gypsy girl
The witch who sent this flame
It's not my fault
If in God's plan
He made the devil so much
Stronger than a man


„Mr. Malfoy, die zwölf Anwendungen für Drachenmilch?“
Lucius dachte kurz nach, dann antwortete er ausführlich und fehlerfrei. Professor Slughorn lachte und klatschte begeistert in die Hände. „Hervorragend, Mr. Malfoy, hervorragend! Fünf Punkte für Slytherin! Wenn Sie so weitermachen, werden Sie es noch weit bringen, oh ja!“
Lucius dachte beklommen, dass er es bereits weit getrieben hatte, viel zu weit.
Professor Slughorn fuhr mit seinem Unterricht fort, nicht ohne vorher in einem wohlwollenden Blick seine Schützlinge aus Slytherin zu umfassen.
Rodolphus schaute sich rasch nach Theobald und Gabriel um. Als er sah, dass beide emsig auf ihre Pergamente kritzelten und ihm keine Beachtung schenkten, wandte er sich an Lucius zu seiner Rechten.
„Wir wollten nachher in den Eulenturm. Ein, zwei Briefe abschicken und ein bisschen rumhängen. Bist du dabei?“
„Warum nicht.“ Lucius war auf der Hut.
„Es sei denn, du hast etwas vor...“ Ach ja. Deshalb.
Lucius drehte sich zu Rodolphus um, zu dessen erwartungsvoll glitzernden Augen, die jede Schwäche und jedes Schwanken sofort registrieren würden. Sie waren schon so lange befreundet. Wann hatte Rodolphus angefangen, so zu sein?
Er war schon immer so gewesen. Andernfalls wären sie nie so gute Freunde geworden. Sie beide waren Raubtiere, und sie beide brauchten das Kräftemessen wie die Luft zum Atmen.
„Nein. Ich habe nichts vor.“ Lucius ließ ein Lächeln aufblitzen, aber nur für eine Sekunde.
„Schön. Dann direkt nach der letzten Stunde?“
„Meine Herren, bitte folgen Sie dem Unterricht“, sagte Professor Slughorn in jovialem Ton. „Gerade Sie zwei, die Ihrem Haus normalerweise solch eine Ehre machen, wollen doch keine Flecken auf Ihrer weißen Weste, nicht wahr?“
Rodolphus und Lucius wandten sich nach vorne um, lächelten entschuldigend und taten so, als seien sie brave, harmlose Schüler.

Zwei Stunden später saßen Lucius und seine drei Freunde in der Eulerei. Sie hatten ihre Briefe bereits abgeschickt – Gabriel einen an seine Freundin daheim, die bereits mit Hogwarts fertig war, Rodolphus einen an seinen kleinen Bruder, Lucius einen an seine Eltern – und ließen sich nun an einem der Fenster die steife Brise um die Ohren wehen, während sie an Kräckern knabberten, die sie sich von einem Hauselfen hatten bringen lassen. Die Stimmung war gelöst, und Lucius fühlte sich so gut wie lange nicht mehr.
„U-und dann, müsst ihr euch vorstellen...“ Gabriel begann krampfhaft zu kichern und verschluckte sich an seinem Kräcker.
„Was, was?“, drängte Rodolphus grinsend.
„Er, also er... Hahaha... Er packt also diesen Erstklässler an den Armen und sagt „Weißt du nicht, wer ich bin?“ - und der Kleine sagt „Ein Arschloch“ und rammt seinen Kopf gegen seine Stirn...“
Gabriel begann zu lachen und brachte mit Mühe hervor: „Wisst ihr, was er gemacht hat?“
„Was denn?!“, riefen die anderen im Chor.
„Er geht zu Boden, faselt was von seiner Migräne und fängt fast an zu flennen, während der Kleine schon über alle Berge ist!“
Alle, auch Lucius, brachen in unbeherrschtes Gelächter aus.
„Okay, ich will noch eine Geschichte hören“, sagte Theobald, als er sich halbwegs wieder beruhigt hatte. „Wie ist das nun mit Ophelia? Stimmt es, dass ältere Mädchen...“ Er wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, und Rodolphus und Lucius stießen sich an und begannen gleich wieder zu lachen.
„Ja, nun...“ Gabriel verdrehte die Augen und machte eine kleine Kunstpause, bis die ganze Aufmerksamkeit ihm galt, immerhin ging es um sein Lieblingsthema. „Da ist schon was dran. Ich hatte so viel zu tun in den Ferien, dass ich fast schon keine Lust mehr hatte...“ Er lachte dreckig. „Ich wusste kaum noch, wie ich meinen Eltern erklären soll, wohin ich drei-, viermal am Tag verschwinde. Aber als echter Gentleman habe ich mich natürlich geopfert.“
Die Freunde johlten und Theobald klatschte Gabriel auf den Rücken, dass dieser beinahe vornüber auf den Boden schlug.
„Und dann steigst du trotzdem noch der Whitehall hinterher, du Hengst!“
Lucius zwang sich, weiterzulachen, obwohl der Satz für ihn wie eine kalte Dusche war. Nun, im Grunde konnte es ihm egal sein. Er hatte sie seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen. Da war dieser Brief seiner Mutter gekommen, mit diesen kleinen, alltäglichen Begebenheiten, von denen sie ihm immer schrieb, aber er hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen bekommen. Wenn er schon dabei war, Vernunft anzunehmen, sollte er jetzt nicht damit aufhören.
„Du doch auch“, rief Gabriel mit einem Blitzen in den Augen.
„Oh ja, ich würd's ihr gern besorgen“, antwortete Theobald und verdrehte schwärmerisch die Augen. „Dieser Arsch...“
Lucius drehte sich der Magen um. Woher kam dieser Impuls – auch wenn er ihm natürlich nicht nachgab – Theobald die Faust ins Gesicht zu rammen? Es lag bestimmt nur daran, dass er so ein Blutsverräter war, wenn er öffentlich zugab, hinter einer wie ihr her zu sein.
„Dieses Schlammblut“, sagte er verächtlich.
„Wenigstens für eins können die doch gut sein“, rief Theobald, und Lucius' drei Freunde brachen in gackerndes Gelächter aus. Lucius stimmte notgedrungen ein, auch wenn er das Gefühl hatte, als läge ihm ein Stein im Magen.
An diesem Abend passte Lucius Elizabeth auf dem Außengelände ab, wo schon der erste Duft von Schnee in der Luft lag, und war selbst fast erschrocken über die Heftigkeit, mit der er sie küsste und schließlich im Raum der Wünsche liebte, stundenlang, bis beide erschöpft, verschwitzt und ineinander verschlungen wie echte Liebende einschliefen.

Protect me, Maria
Don't let this siren cast her spell
Don't let her fire sear my flesh and bone
Destroy Esmeralda
And let her taste the fires of hell
Or else let her be mine and mine alone


Lucius räusperte sich noch einmal, straffte die Schultern – er war schließlich Lucius Malfoy, die hinter ihm Wartenden würden ihm alle Zeit lassen, die er brauchte – und fühlte sich immer noch nicht bereit. Nun, was half es. Vorbereitung war nun einmal alles, und genau die fehlte ihm. Lucius konnte kaum glauben, dass der Weihnachtsball beinahe unbemerkt an ihm vorübergezogen wäre. Es war so viel geschehen... Das aufgeregte Getuschel der anderen hatte ihn gerade noch rechtzeitig daran erinnert, um sich einen angemessenen Festumhang zu besorgen. Und nun stand er hier, direkt vor dem Portal zur Großen Halle. Dieser Ball, den er im Vorfeld einfach vergessen hatte, würde ihm, sobald er sich mit seiner Begleiterin hatte sehen lassen, umso lebhafter in Erinnerung bleiben.
Lucius fasste sich ein Herz und bot Narzissa den Arm. Sie nahm ihn mit einem bescheidenen kleinen Lächeln, und die beiden schritten durch das Portal.
Erwartungsgemäß ernteten die beiden eine Menge Aufmerksamkeit – der reiche Erbe und die kühle Schönheit aus Slytherin, beide attraktiv und beliebt und schon seit einiger Zeit Gegenstand von Gerüchten - und Lucius gestattete sich, diese Aufmerksamkeit ein wenig zu genießen. Er hatte sich zuletzt viel zu oft verstecken müssen.
Narzissa neben ihm trug ein hübsches weißes Ballkleid, fast wie ein Hochzeitskleid. Lucius fand das für eine erste Verabredung eigentlich etwas unpassend, zumal sie ja eigentlich nur eine Notlösung gewesen war. Aber der Gedanke an sein eigenes Verhalten verbot ihm jede sarkastische Bemerkung, die er sonst vielleicht hätte fallen lassen.
Die beiden schoben sich durch die summende Menge und blieben hier und dort stehen. Lucius schüttelte Hände und plauderte, Narzissa beschränkte sich meist aufs Lächeln und Nicken. Es war fast wie einer der Empfänge auf Malfoy Manor. Allerdings hatte ihn dort selten eine so merkwürdige, wachsende Unruhe geplagt. Er tat das Richtige, rief er sich zum hundertsten Mal ins Gedächtnis.
Aber offenbar fühlte es sich nicht notwendigerweise gut an, das Richtige zu tun.
„Nach wem suchst du?“
Lucius zuckte leicht zusammen. Ertappt! Nein, sie konnte nichts wissen. Er hatte kaum bemerkt, wie er seinen Blick über die Menge hatte schweifen lassen. Jetzt wandte er ihn Narzissa zu.
„Ich wollte nur sehen, ob Rodolphus und die anderen schon da sind.“
„Und mit wem?“ Narzissa zwinkerte, und Lucius erwiderte ihren Blick mit neuem Interesse. Sicher, es war ziemlich lustig, dass Gabriel darauf bestanden hatte, allein zu kommen, weil er den Abend mit keiner anderen als seiner Ophelia verbringen wollte. Allerdings hätte er ihr so viel Sinn für Sarkasmus nicht zugetraut.
Narzissa schlug in dieser gut, aber leider nicht perfekt gespielten unterwürfigen Art die Augen nieder, und der Moment war vorbei. Lucius wandte sich ab.
„Also, wo sind sie?“
In diesem Moment bewegte sich am Rand seines Blickfeldes ein schwarzer Schatten, und Lucius hatte das Gefühl, als hätte ihm jemand in den Magen geschlagen.
Sie war es. In einem schwarzen Kleid, das lange Haar offen. Die Augen auf ihn gerichtet. Am liebsten wäre er quer durch den Saal zu ihr gelaufen, aber das ging natürlich nicht. Bei ihm war Narzissa, und bei ihr war irgendein Kerl, den Lucius nicht kannte und auch nicht kennen wollte. Die Eifersucht war wie ein Reflex; aber er war es schließlich gewesen, der vorgeschlagen hatte, mit anderen Partnern zum Ball zu kommen. Er hätte ja nicht...
Er sah kurz weg, ehe der Blickkontakt zu auffällig wurde. Als er wieder hinsah, war sie verschwunden. Dafür winkte ihm von der anderen Seite des Saales aus Rodolphus zu, an seiner Seite Bellatrix, die Schwester von Narzissa.
Lucius packte Narzissas Arm fester und setzte sich in Bewegung. Er würde sie jetzt erst einmal vorzeigen, dafür war sie schließlich da.
Rodolphus lehnte lässig an einem Tisch, in einer Hand ein Butterbier. Er ließ seinen Blick über Narzissa wandern, dann nickte er Lucius anerkennend zu.
„So eine hab ich auch“, grinste er und wies mit dem Daumen auf Bellatrix, die in gespielter Empörung den Kopf schüttelte. „Nimm dir ein Butterbier.“
Das tat Lucius, während die beiden Mädchen sich begrüßten. „Wo sind die anderen?“
Rodolphus umfasste in einer vagen Geste den Saal. „Keine Ahnung. Irgendwo hier. Ach... Da ist auf jeden Fall schon mal Gabriel.“
Er winkte ihn heran, und Gabriel kam. Er war tatsächlich allein und trug die heroische Miene eines Märtyrers zur Schau.
„Na, so ganz allein?“, fragte Lucius augenzwinkernd. Gabriel errötete leicht.
„Wenn du sie kennen würdest...“
„Schon gut, schon gut“, meinte Rodolphus beschwichtigend und drückte auch Gabriel ein Butterbier in die Hand, von dem dieser gleich einen tiefen Zug nahm.
„Na, ihr seid ja zumindest ganz gut versorgt“, murmelte er mit Blick auf die Black-Schwestern. „Was ist mit Theobald?“
„Der hat auch irgendeine mitgebracht“, antwortete Rodolphus. „Ganz hübsch. Scheint sogar tierisch auf ihn zu stehen, weiß der Geier, warum.“
„Gehen wir tanzen?“ Das war Bellatrix, die neben ihnen aufgetaucht war.
„Klar, warum nicht“, antwortete Rodolphus lässig und drückte sein halb leeres Butterbier Gabriel in die Hand.
„Ich denke, wir schauen uns auch noch ein bisschen um, wie sieht's aus, Narzissa?“, fragte Lucius.
„Klar“, antwortete sie und hakte sich bei ihm unter.
Die beiden schlenderten weiter, mitten hinein in ein etwas unangenehmes Schweigen, das Narzissa etwa zehn Minuten später mit einer spitzen Bemerkung über das Kleid eines Gryffindor-Mädchens brach.
Lucius seufzte und wandte sich ab.
Da war sie wieder, Elizabeth, immer noch mit diesem anderen Kerl. Und wieder sah sie ihn an.
„Wollen wir tanzen?“, fragte Lucius hastig.
„Sicher, warum nicht“, antwortete Narzissa verwirrt, und Lucius rannte beinahe zur Tanzfläche.
Es wurde im Laufe des Abend nicht besser, er stolperte immer wieder über sie und war nicht ein einziges Mal innerlich vorbereitet. Aber es war immer noch zu früh, um sich unauffällig verabschieden zu können. Nach dem ungefähr hundertsten Tanz und der tausendsten Bemerkung Narzissas über irgendein anderes Mädchen hatte Lucius das Gefühl, eine Pause ebenso nötig wie verdient zu haben.
„Narzissa“, murmelte er, „es ist ein bisschen heiß hier drin und ich kriege langsam Kopfschmerzen.“ Das war nicht einmal gelogen. „Macht's dir was aus, wenn ich kurz nach draußen gehe?“
„Geh ruhig... Aber soll ich nicht mitkommen?“, fragte sie.
„Nein, nein, schon gut“, antwortete Lucius hastig und floh, ehe sie noch etwas sagen konnte.
Draußen atmete er erst einmal tief die kühle Luft ein, und das Pochen in seinen Schläfen ebbte beinahe augenblicklich ab. Lucius stand auf den Steinstufen und versuchte einfach an gar nichts zu denken. Schon gar nicht an...
„Lucius!“
Lucius riss die Augen auf. Vom Schlossgelände her kamen im Halbdunkel Rodolphus, Theobald und Gabriel auf ihn zu. Nun, tatsächlich torkelten sie wohl eher.
Als die drei ihn erreichten und sich schwatzend und lachend auf die Steinstufen fallen ließen, stieg Lucius der vertraute Geruch von Feuerwhiskey in die Nase, dem alle drei offenbar schon kräftig zugesprochen hatten. Die Flasche wurde ihm entgegengereckt, und Lucius nahm höflichkeitshalber einen kleinen Schluck, der wie Feuer seine Kehle hinunterrann.
„Wo ist deine kleine Black?“, fragte er wie nebenbei und genoss den Anblick von Rodolphus' Gesicht, das sich angesichts seiner Niederlage verzerrte.
„Mit diesem Avery abgezogen. Und wo ist Narzissa?“
Es war die reine Befriedigung für Lucius, dass er antworten konnte: „Nicht mit Avery abgezogen. Sie wartet drinnen auf mich.“ Er verzog keine Miene, aber die Botschaft war angekommen. Rodolphus wandte den Blick ab.
„Theobald hier“, er wies auf den Jungen, der gerade die Flasche an den Hals setzte, obwohl er das offenbar kaum mehr nötig hatte, „hat seine auch verloren.“
Theobald wischte sich mit dem Handrücken den Mund und lallte: „Was is die auch so zimperlich... „Heute nicht, wir kennen uns doch erst so kurz“ - was denkt die, wozu ich mit ihr herkomm... Aber wenigstens hatte ich eine, nicht wie Gabriel!“ Er klatschte seinem Freund auf den Rücken und lachte, durchsetzt mit Hicksern.
Gabriel machte ein säuerliches Gesicht, doch dann grinste er, irgendwo zwischen dreckig und idiotisch. „Dann halt doch die Whitehall.“
Lucius' Kopf ruckte herum. „Du wolltest doch extra allein herkommen. Wegen dieser Ophelia“, sagte er etwas schärfer als beabsichtigt. Rodolphus bemerkte es sofort. Natürlich. So betrunken konnte er gar nicht sein.
„Bei Schlammblütern gilt es nicht wie bei richtigen Mädchen“, murmelte Gabriel.
„Warum suchen wir sie nicht und spielen ein bisschen mit ihr?“, schlug Rodolphus vor. Den Blick hielt er auf Lucius geheftet. Es war beinahe völlig dunkel, aber genauso gut hätte Lucius unter einem Flutlicht stehen können.
Doch diesmal war er vorbereitet und verzog die Lippen nur zu einem dünnen, unverbindlichen Lächeln. Rodolphus konnte reden, so viel er wollte, er würde keine Reaktion mehr ernten. Es konnte doch sowieso nichts passieren. Elizabeth war hier mit Wer-auch-immer, unter hunderten Menschen, darunter Lehrer...
Doch gerade im Moment durchstreifte sie mutterseelenallein das Schlossgelände.
Lucius zwang sich, den Blick abzuwenden, bevor einer der Jungs etwas bemerkte. Glück gehabt; sie hatten sie scheinbar nicht gesehen. Noch nicht. Doch das Herumgestolper auf der Treppe sah verdächtig nach Aufbruch aus.
„Geht rein, ihr seid betrunken“, sagte Lucius verächtlich und ahnte schon, dass es nichts nützen würde.
„Nein, geh du doch rein. Wir sind uns nicht zu schade für den geilsten Arsch von Hogwarts“, krähte Gabriel und erntete Gelächter von den beiden anderen.
„Na schön“, antwortete Lucius betont gleichmütig. „Ich sehe euch dann morgen. Wenn auch wahrscheinlich nicht vor Mittag, bei eurem Zustand.“ Er drehte sich um und verschwand hinter einer der Flügeltüren, wohl wissend, dass Rodolphus ihn beobachtete. Er wartete, bis die drei von der Treppe verschwunden waren, dann schlüpfte er wieder hinaus. Ungeduldig ließ er den Blick schweifen, fand Elizabeths dunkle Silhouette – glücklicherweise mit reichlich Sicherheitsabstand zu den Rodolphus, Theobald und Gabriel, die sie scheinbar noch nicht entdeckt hatten – und hielt im Schatten von Büschen und Bäumen unauffällig auf sie zu.
Vielleicht fanden sie sie gar nicht. Vielleicht liefen sie, betrunken wie sie waren, direkt an ihr vorbei und kehrten unverrichteter Dinge in die Große Halle zurück. Aber vielleicht auch nicht. Lucius konnte das nicht riskieren. Er hatte das Glitzern in ihren Augen gesehen. Das hier war definitiv nicht harmlos.
Endlich erreichte er sie. Er flüsterte leise ihren Namen und sah sich noch einmal gehetzt um, ehe er sie hinter einen hohen Busch zog. Sehr gut, die drei waren noch weit genug entfernt.
„Lucius, was soll das?“, fragte sie überrascht.
„Erklär ich dir nachher. Lass uns erst reingehen“, antwortete er gehetzt. Er wollte sie so schnell wie möglich hier wegschaffen, dorthin, wo es hell und voller Menschen war. Dafür würde er sogar riskieren, mit ihr gesehen zu werden.
„Lucius...“
„Jetzt nicht, gleich, jetzt müssen wir erst mal...“
„Lucius!“
Irgendetwas in ihrer Stimme brachte ihn dazu, innezuhalten und sich zu ihr umzudrehen. Es war dunkel, nur ein schwacher Schimmer drang vom offenen Portal zu ihnen, und er konnte ihren Gesichtsausdruck kaum erahnen.
„Ich kann nicht mit dir kommen.“

Hellfire
Dark fire
Now gypsy, it's your turn
Choose me or
Your pyre
Be mine or you will burn


„Es tut mir leid“, setzte sie schnell hinzu, und so klang es auch wirklich.
„Was soll das heißen, du kannst nicht?“, fragte Lucius. Er spürte plötzlich die kalte Luft nicht mehr.
„Ich bin mit Dan hier. Es wäre unfair ihm gegenüber, wenn ich jetzt mit dir auftauche.“
Jetzt wollte sie auf einmal nicht mit ihm gesehen werden? Das hatte eine gewisse Ironie.
Irgendwo in der Ferne hörte Lucius Rodolphus' unverwechselbares Lachen, laut und unbeherrscht.
„Ja, ich weiß, ich wollte getrennt herkommen“, antwortete er gehetzt, „wir können auch später über alles reden, aber jetzt lass uns erst mal gehen.“ Er zerrte an ihrer Hand, doch sie blieb wie angewurzelt stehen.
„Lucius...“ Ihre Stimme klang leise und unsicher. „Das geht so nicht. Ich dachte... Ich wollte dir ja wirklich alle Zeit lassen, die du brauchst. Aber dieses ständige Verstecken ist nichts für mich. Ich habe geglaubt, heute auf dem Ball... Und dann bist du mit Narzissa gekommen und ich mit Dan... Weißt du, ich will ganz ehrlich sein, ich mag ihn nicht so wie dich. Aber er ist nett und klug und... Lucius, wir sollten uns erst mal nicht mehr sehen.“
Er ließ ihre Hand los, als hätte er sich verbrannt.
„Vielleicht später... Wenn du dir sicher bist...“, fuhr sie fort.
„Schon gut“, sagte er, und seine Stimme zitterte fast gar nicht. „Schon gut.“ Sein Gehirn fühlte sich merkwürdig benebelt an. Was war gerade passiert? Er war Lucius Malfoy. Sie war ein Schlammblut. Erinnerungen an gemeinsame Nächte schossen ihm durch den Kopf, einzelne Bilder und Gerüche. Mehr hätte sie nie für ihn sein dürfen. Fast hätte er alles für sie riskiert. Und nun ließ sie ihn sitzen.
Er trat einen Schritt zurück. Jetzt konnte er Theobalds Gebrabbel hören, näher als vorhin Rodolphus' Lachen.
„Ich gehe rein“, murmelte er und ließ sie stehen.
„Vielleicht sehen wir uns ja nachher noch“, sagte sie mit leiser Stimme.
Lucius ruckte nur mit dem Kopf; er traute seiner eigenen Stimme nicht. Das Gesicht tief in den Kragen vergraben, ging er weiter durch die Dunkelheit.
In seinem Rücken hörte er einen Ausruf, doch er galt nicht ihm. Die drei mussten sie entdeckt haben.
Ein Schritt. Noch einer. In Lucius' Umgebung war niemand zu sehen. Von weit, weit her trug die kalte Nachtluft Musik und Stimmen vom Ball herüber, dort, wo das helle Rechteck des Eingangs in der Dunkelheit leuchtete. Nur nicht stehen bleiben, denn wenn er das tat, würde es mit seiner Selbstbeherrschung womöglich vorbei sein. Also durchmaß Lucius weiter das Schlossgelände, mit mechanischen, gleichmäßigen Schritten.
Er blieb nicht stehen und drehte sich kein einziges Mal um. Auch nicht, als sie anfing zu schreien.

God have mercy on her
God have mercy on me

But she will be mine
Or she will die!


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Die Arbeit mit Steve Kloves war ein Genuss. Er ist fantastisch.
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