von Svelita
Die Stille legte sich wie ein wohltuender Schleier auf sein elektrisiertes Gemüt. Innerlich brannte er für sein Vorhaben. Ungewissheit und Ungeduld vermischten sich zu einer explosiven Komposition, die seinen Puls anspornte, den Teufel im Kopf animierte. Und ihn zu seinen Mitteln zwang.
Das erwartete Klopfen an der Tür. Seine Augenlider wurden wie auf Knopfdruck aufgeschlagen. Der schwarze Wimpernkranz umrahmte unheilvoll die trüben Augen, den Vorhang zu seiner Seele. Er verwehrte jeglichen Einblick in die Tiefe seines Mysteriums. Das glanzvolle Ziel der Kunst der Okklumentik.
„Treten Sie ein.“
Auf die Stimme folgte das Aufschwingen der Tür zu seinem Büro, welches den Blick auf ein Mädchen darbot, dessen Uniform sie als Gryffindor verriet.
„Guten Abend, Miss Brown“, machte Snape den Anfang und grüßte mit einem Nicken.
Genannte erwiderte den Blick nach einem unmerklichen Zucken. So als hätte sie nicht gerechnet, in Empfang genommen zu werden. Obgleich sie es war, die Datum und Uhrzeit ausgewählt hatte, jene er festlegte. „N’Abend, Professor Snape.“
Der Zaubertranklehrer war wenig verwundert über ihre törichte Art, ihren Mangel an Taktgefühl. Das Fehlen ihrer Disziplin machte sie jedoch zu einem wertvollen Schatz. „Setzen Sie sich.“
Die Brown tat wie geheißen. Ihre Augen rannten ziellos in den Höhlen und versuchten die Umgebung kritisch zu beobachten. Wie ein Preisgeschenk lieferte sie ihrem Gegenüber damit die Erkenntnis ihres Unwohlseins. Ihre zarten Hände bewegten sich unruhig auf den übereinander geschlagenen Beinen, sie schien wie unter Strom auf eine Antwort zu warten.
Snape war gnädig mit ihr. „Sie haben erkannt, wie wichtig es ist, in diesen dunklen Zeiten Maßnahmen zu ergreifen. Sie wissen, dass Sie sich eine Waffe zu Nutze machen müssen, die Sie vor anderen, aber auch vor sich selbst schützt, richtig?“
Lavender hing an seinen Lippen, sog die Worte zu neuer Kraft in sich auf. „Ja, Sir. Ich will meine Gedanken verschließen können. Ich will nicht, dass sie jedem zugänglich sind. Todesser machen sich so etwas zu nutzen, oder?“ Die Angst wirkte erneut unterschwellig in ihrer Stimme mit.
Es war naiv, diesem Tratsch Glauben zu schenken. Welche Information einer Lavender Brown könnte für den Dunklen Lord schon von Vorteil sein? Snape behielt das Amüsement für sich. Wie eigentlich alles in seinem Leben. Stattdessen nickte er zustimmend, lobte sie für ihre Vorsicht.
„Darum… darum will ich auch die Okklumentik beherrschen, Sir.“
Natürlich wollte sie das. Dafür hatte Snape im Unterricht gesorgt. Er hatte auf die Gefahr hingewiesen, die zur Zeit im Lande weilte und den Schutz des Gedankenguts gepredigt. Er hatte Einfluss auf seine Schüler ausgeübt, sie verunsichert und gleichermaßen von seiner Idee überzeugt. Diese war eingehüllt in eine Lüge, die ahnungslose Akteure benötigte, um seinem Ziel einen Weg zu ebnen. Er wollte sich die Unwissenheit zu Nutze machen.
„Vorher halte ich es für wichtig, festzuhalten, dass nichts, was sich innerhalb dieser Wände abspielt, auch nur in einem Wort nach draußen gelangt“, beteuerte Snape und durchdringte Lavender mit seinem Blick, ehe er fortfuhr. „Mein Versprechen haben Sie, Miss Brown. Alles ist streng vertraulich.“
Sie nickte aufgeregt, als hätte er sie soeben mit einem Befehl gestraft. „Ich verstehe! Natürlich, Professor. Von mir erfährt auch keiner was.“ Warum auch? Es ging hier ja schließlich um sie, oder nicht? Warum sollte Lavender dann aus dem Nähkästchen plaudern, was hier ablaufen würde?
„Gut. Sie entscheiden, wann Sie bereit sind, die Stunde anzutreten.“ Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah sie abwartend an. Es würde nichts nützen, Ihr Vertrauen zu erzwingen.
Lavender fummelte nervös an ihrem Armband herum. Woran merkte man denn, dass man bereit war? Konnte sie denn so viel falsch machen? „Ich bin soweit startklar.“ Ihre Stimme wirkte nicht so fest, wie sie es gerne gehabt hätte.
Snapes Mundwinkel machten den Anschein, als würde sie zu einem zufriedenen Lächeln ansetzen. Er erhob sich von seinem Stuhl und trat um das Pult herum, um sich einer Position vor seiner Schülerin annehmen zu können. „Sie müssen sich loslösen. Sich befreien, von allem, was um Sie herum einwirkt, was an der Oberfläche Ihrer Wahrnehmung kratzen könnte. Versuchen Sie in Ihr tiefstes Inneres zu horchen. Gestatten Sie mir Einlass. Helfen Sie mir Ihnen zu zeigen, was Okklumentik bedeutet. Gestatten Sie Ihrer Seele für einen Moment in Besitz ergriffen zu werden. Nur so verstehen Sie die Kraft, die jener Magie innewohnt.“
Seine Worte wiegten wie im Takt einer fremden Musik. Sie lullten das Mädchen in eine Art Trance ein. Sie entfernte sich ihres eigenen Körpers. Die Silben seiner Worte gaben den Rhythmus ihres Herzens vor. Das Blut in ihren Adern strömte in seinem Redefluss. Ihre Glieder fühlten sich taub an, ihre Aufmerksamkeit war ein bröselndes Gerüst. Lavender hing an unsichtbaren Fäden, die ein Puppenspieler tanzen ließ. Ihre Kontrolle legte sie in seine Hände.
Snapes Augen bohrten sich in die des jungen Mädchens. Er fühlte, wie schwer ihre Lider zu werden begannen, doch sein Blick hielt ihre Augen offen. Es bedurfte keines Kampfes, durch die haselnussfarbenen Spiegel in den Tempel ihrer Träume, ihrer Gedanken, ihrer Erinnerungen einzutauchen. Als reiche sie ihm die Hand mit vollstem Vertrauen, erreichte er ihre Welt mit einem letzten Blickkontakt.
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