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Fanfiction

Harry Potter und die Totenrelikte - Borgin schweigt

von Wizardpupil

Die Reaktion des Raumes auf Dobbys Opfer ereignete sich sofort, genauso plötzlich wie das, was geschehen war, als Harry die Kiste hochgehoben hatte. Mit einem mindestens genauso lauten Krachen wie bei dem Entstehen der Schlucht schob sich die Erde wieder zusammen; ein paar kleine Steinchen rieselten noch von der Decke, dann hörte auch das auf. Harry stand an der Wand des kreisrunden Raumes, direkt zwischen zwei der drei Fackeln, die noch brannten. Seine Füße waren nicht sichtbar, verschwunden in einem Nebel aus Staub, der nun über dem gesamten Boden des Raumes hing. Und die schwere schwarze Kiste, für die Dobby gestorben war, hielt Harry immer noch umklammert.
Aber jetzt ließ er sie fallen. Und er selbst fiel mit ihr; er landete auf seinen Knien, zog seinen Zauberstab und fiel an zu brüllen: „REDUCTO! REDUCTO!“
Er deutete auf alle möglichen Stellen am Boden, aber nie wirkte der Zauber; nichts wurde weggesprengt. Aber Harry musste da hinunter, musste Dobby retten … er konnte nicht tot sein, durfte nicht … Aber er war es.
„NEIN!“, schrie Harry. „NEIN! REDUCTO!“
Nichts geschah. Harry bekam kaum mit, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen, wie er den Sprengfluch schließlich nur noch schluchzte und krächzte, kaum mehr ein Wort herausbekam. Er konnte sich selbst schreien und weinen hören, spürte, dass er plötzlich am Boden lag. Seine Augen hielt er geschlossen. Er sah Dobby vor sich – den kleinen Elf, wie er sich zu ihm umdrehte und ihm sagte, dass er in liebte, bevor – bevor …
Jemand rief seinen Namen. Er konnte es hören, aber es interessierte ihn nicht. Das hier war – es war – es erinnerte ihn so sehr an – all die anderen … Dumbledore …
Und es war schon wieder seine Schuld.
„Harry!“
Die Stimme wurde lauter. Harry antwortete nicht; er blieb einfach nur liegen. Er merkte, dass er aufgehört hatte, zu weinen. Er fühlte sich erschöpft …
„Harry!“
„Mr Potter!“
Immer noch hatte er nicht vor, etwas zu sagen, oder auch nur die Augen zu öffnen, aber er war doch überrascht, ausgerechnet diese Stimme hier und jetzt zu hören. So überrascht, dass kurzzeitig sein Interesse geweckt war. Aber wirklich nur für kurze Zeit.
Und doch hinterlieĂź Professor Viridians Anwesenheit in ihm irgendetwas.
Die andere Stimme hatte er nun auch erkannt. Professor McGonagall war das. Natürlich – bei einem solchen Lärm wie dem, den das Aufbrechen der Erde unter Hogwarts verursacht hatte, musste die Schulleiterin natürlich kommen.
„Harry!“, rief McGonagall erneut. Er rührte sich immer noch nicht.
„Hier ist eine magische Wand.“ Das war Professor Sprout. „Hier können wir nicht durch. Vindictus, wissen Sie, was für ein Zauber das ist?“
Ein paar Sekunden später antwortete Viridian. „Nein“, sagte er, „das kann ich nicht so ohne Weiteres feststellen.“
„Harry, nun hör aber auf!“ McGonagall klang nervös. „Wir müssen wissen, was geschehen ist! Steh bitte auf und komm her! Bitte!“
Harry dachte darüber nach, weiterhin einfach liegen zu bleiben. Sie konnten nicht durch die Wand … also könnte er, rein theoretisch, bis in alle Ewigkeit hier liegen. Warten, bis er sterben würde. Wie Dobby, der war auch hier gestorben … es war so unfair … und es war seine Schuld!
„Harry!“
Das war eine neue Stimme – nein, zwei neue Stimmen. Er kannte sie, das wusste er. Und dann fiel ihm auch ein, wer das war, als die beiden seinen Namen wiederholt riefen: Das waren Luna, verträumt wie immer, aber aufgeregt, und Neville, angsterfüllt.
Kurz darauf hörte er zu seiner Überraschung, wie an beiden Seiten seines Körpers etwas zu Boden fiel. Er öffnete die Augen – da saßen Neville und Luna über ihn gebeugt.
„Geht es dir gut?“, fragte Neville besorgter.
„Was ist hier passiert?“, wollte Luna wissen; sie sah sich mit interessierter Miene um. „Was ist das für ein Raum?“
„Wie – wie seid ihr durch die Absperrung gekommen?“ Harrys Stimme war schwach und krächzend, rau und kratzig. Ihm wurde klar, wie deutlich man ihm anhören musste, dass er gerade geweint hatte, und war schnell wieder still.
„Absperrung?“ Neville runzelte die Stirn. „Welche Absperrung?“
„Hier ist eine Mauer, Mr Longbottom“, erklärte Professor Sprout. „Eine magische Mauer. Die Schulleiterin, Professor Viridian und ich, wir kommen nicht hindurch. Wenn Sie uns bitte sagen könnten, mit welchem Zauber Sie belegt sind, der Ihnen den Durchgang möglich macht?“
„Wir sind mit keinem Zauber belegt, Professor!“ Neville stand auf und ging zu den Lehrern; er tastete mit den Händen die Luft ab, als würde er etwas suchen. „Aber ich spüre hier auch nichts.“
Harry hörte auf, zuzuhören, als die Professoren und Neville in eine Diskussion über die magische Wand übergingen. Stattdessen wandte er sich Luna zu, die ihn aufmerksam zu beobachten schien.
„Erzählst du mir, was passiert ist?“, fragte sie, während ihre großen Augen ihn unverhohlen anstarrten.
Harry schĂĽttelte zur Antwort nur den Kopf.
„Du wirst es uns aber erzählen müssen, Harry“, rief McGonagall, die offensichtlich gehört hatte, wovon die beiden gesprochen hatten. „Was ist das da unter deinem Arm?“
Harry blickte hinunter – es war die schwarze Kiste. Der Behälter des Horkruxes. Jetzt interessierte sie ihn kaum noch.
McGonagall schien auf eine Antwort zu warten, aber da konnte sie lange dort stehen bleiben. Um ihr deutlich zu machen, dass er nichts sagen wĂĽrde (nichts sagen konnte), sah er sie nur an und zeigte, dass er wie sie nur darauf wartete, dass der jeweils andere etwas tun wĂĽrde. SchlieĂźlich gab McGonagall auf.
„Mr Longbottom, Miss Lovegood“, sagte sie, „bitte begleiten Sie Mr Potter hinauf in den Krankenflügel. Ich werde mich später mit ihm unterhalten.“
Harry lieĂź Luna und Neville tun, als sie ihm unter die Arme griffen und ihn aufrichteten. Er lieĂź sich an McGonagall, Sprout und Viridian vorbeifĂĽhren, ohne einen von ihnen anzusehen oder etwas zu sagen. Er wollte jetzt ĂĽberhaupt nicht reden. Zumindest mit keinem von den hier Anwesenden.
„Warum hältst du diese schwarze Kiste so fest, Harry?“
Lunas seltsame Stimme durchschnitt die wunderbare Stille, die fĂĽr kurze Zeit geherrscht hatte, als sie die KĂĽche verlassen hatten und die Treppe zur Eingangshalle hoch gingen. Warum musste sie jetzt sprechen? Er erwiderte nichts, ging einfach weiter.
In der Eingangshalle erwartete ihn nicht das, womit er gerechnet hatte. Nur wenige Schüler waren hier, und die wirkten nicht beunruhigt. Als wäre nichts geschehen – als hätte niemand gehört, wie sich die Erde aufgetan hatte, fast direkt unter ihren Füßen. Niemand stellte lästige Fragen; es schien ihn überhaupt niemand zu bemerken, so sehr waren sie mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt: Damit, über Porträts zu lachen, die an den Wänden hingen, oder zu versuchen, in eine der magischen Rüstungen hineinzublicken, oder damit, sich in der Gruppe über einen Lehrer aufzuregen. Das war es, was sie jetzt interessierte. Nicht der Tod Dobbys. Nicht, dass auch er hätte sterben können – dass sie alle hätten sterben können, hätte Dobby sich nicht geopfert!
„Sollen wir dich weiter stützen?“, fragte Neville in Harrys Ohr. „Oder willst du lieber allein gehen, damit nicht alle auf uns aufmerksam werden?“
Harry drehte irritiert seinen Kopf nach hinten. Er hatte gar nicht bemerkt, dass Neville und Luna ihre Hände auf seinen Rücken gelegt hatten.
„Könnt loslassen“, sagte er leise. „Hört zu. Ihr – ich geh nicht in den Krankenflügel.“
„Aber du solltest es tun“, sagte Luna in ernstem Tonfall. „Du wirkst völlig zerstört.“
Interessante Beschreibung, dachte Harry. „Ich habe jetzt aber keine Zeit.“
„Wieso –“
„Neville, ich meine es ernst! Geht ihr – geht ihr dorthin, wo immer ihr hin wollt. Ich muss jetzt los.“
Ohne abzuwarten, was die beiden noch zu sagen hatten, wandte er sich von ihnen ab und lief los. Die Marmortreppe hoch, Korridore entlang, Stufen empor. Er wusste, wen er suchte, aber nicht, wo sie sich befanden. Im Gemeinschaftsraum? In der Bibliothek? Möglich. Aber ihm war klar, wo er zuerst nachsehen würde.
Ich möchte in unser Hauptquartier – ich möchte in unser Hauptquartier – ich möchte in unser Hauptquartier!
Er sah zu, wie sich die Tür in der Wand bildete. Der Raum der Wünsche. Ihr Raum der Wünsche. Hoffentlich waren Ron und Hermine hier. Schnell trat er ein, schloss die Tür hinter sich – und sah sich dann um.
An dem Tisch saĂź Hermine.
„Harry, da bist du ja, ich wollte dich gerade – wie siehst du denn aus? Wo kommt der ganze Staub her, was –?“
Harry setzte sich Hermine gegenüber auf einen der gemütlichen grünen Sessel. Laut atmete er aus, dann stützte er seinen Arm auf dem Tisch ab und vergrub seine Augen hinter seiner Hand; er fühlte, wie sein Körper vor androhenden Tränen zu zittern begann.
„Was ist passiert?“, drang Hermines Stimme nach einer knappen Minute an sein Ohr.
Immer noch konnte er nicht antworten. Er wollte es ihr erzählen … aber es ging einfach nicht.
„Was hast du da unter deinem Arm?“
Da war etwas, das sie selbst herausfinden konnte. Ohne die eine Hand von den Augen zu nehmen, griff er mit der anderen nach der Kiste und stellte sie auf den Tisch. Fast hätte er es nicht geschafft, weil sie so schwer war. Warum sie so schwer war, das war ihm jetzt egal.
„Möchtest du mir nicht erzählen, was geschehen ist?“
„Gott, Hermine, öffne doch einfach DIE VERDAMMTE KISTE!“
Harry blickte nun auf und sah, wie Hermine in ihrem Sessel zurĂĽckwich, die Augen erschrocken aufgerissen. Er dachte nicht im Geringsten daran, sich zu entschuldigen: Irgendwie fand er, dass dieser Wutausbruch berechtigt war. Ăśberhaupt sagte er nichts mehr, sondern versteckte seine Augen wieder hinter seiner Hand.
Nach einer Weile hörte er wieder Hermines zitternde Stimme.
„Wenn du es mir nicht sagen willst – könntest – könntest du es mir zeigen?“
Harry war sich sicher, dass er sich verhört hatte. Um ihr zu zeigen, dass sie wiederholen sollte, was sie gesagt hatte, blickte er wieder auf und sah sie mit gerunzelter Stirn an.
„Ich hab dich gefragt, ob du es mir zeigen könntest“, sagte sie. Dann deutete sie mit der Hand auf etwas, das vor ihr auf dem Tisch stand, und das Harry bisher nicht bemerkt hatte. Er sah hin – es war ein Denkarium.
Harry war (gegen seinen Willen) so überrascht, dass das Bild des fallenden Dobby für kurze Zeit komplett aus seinem Kopf verschwand. „Wo hast du das her?“
„Ich hab es von Dumbledore geliehen“, sagte sie. „Ich war in seinem Büro und hab ihn gefragt, ob ich es haben könnte. Ich dachte, so könnten wir unsere Gedanken vielleicht besser ordnen.“
Harry starrte das Denkarium an. Keine Frage, Hermines Idee war toll – aber er hatte nicht damit gerechnet, das Denkarium hier zu sehen. Nein, überhaupt nicht … Da wurden gleich wieder die Gedanken an Dumbledore in ihm wach, gefallen vom Astronomieturm – und Dobby, gefallen hinunter in eine Schlucht …
„Wenn es wichtig ist, dann zeig es mir bitte.“
Nun sah Harry direkt in Hermines Augen. Sie schien etwas zu ahnen – sie wirkte traurig, niedergeschlagen. Es hatte ja doch keinen Sinn … sie musste es erfahren. Harry nickte.
„Gut“, sagte Hermine, sichtlich erleichtert. „Ich habe nachgelesen – um deine Erinnerung zu extrahieren, musst du den Zauberstab an deinen Kopf legen und alles noch einmal vor deinem inneren Auge ablaufen lassen.“
Harry erstarrte – er sollte das alles noch einmal mit ansehen? Aber egal – würde er es erzählen, wäre es wohl noch unangenehmer. Er zog seinen Zauberstab und legte die Spitze an die Stelle am Kopf, auf die Dumbledore seinen Stab immer gerichtet hatte. So oft hatte er ihn das tun sehen, nie hatte er es selbst gemacht – obwohl es sicher angenehm war, seine Gedanken abzulegen – nichts zu denken … gar nichts …
„Aber nur die Erinnerung an das, was eben geschehen ist, Harry. Okay?“
Harry antwortete nicht; hatte man ihm so deutlich angesehen, was er gerade gedacht hatte. Egal – konzentrier dich.
Und dann sah er alles noch einmal.
Harry hatte sich geirrt. Das hier war eindeutig schlimmer, als es einfach nachzuerzählen. Er wusste nicht, warum, aber er sah jede Einzelheit der Ereignisse ganz genau, hörte, was die Elfen gesagt hatten, jedes Wort … War seine Erinnerung so gut, oder hatte er automatisch und unbewusst seinen Zauber angewandt, als er den Stab an seinen Kopf gepresst hatte? Da – da fiel Dobby … nein … oh nein …
„NEIN!“
Harry öffnete die Augen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er sie geschlossen hatte. Zuerst sah er Hermine, entsetzt und voller ängstlicher Erwartung in ihrer Miene ihm gegenüber sitzend. Und dann nahm er etwas Seltsames aus den Augenwinkeln war – ein Leuchten, ein Glänzen … ein silbrig weißes Licht. Er zog den Zauberstab weg von seinem Kopf, und ihm folgte ein strahlender Faden Erinnerung.
„Du – du musst das jetzt in das Denkarium steuern“, sagte Hermine.
Ich weiß, dachte Harry – oder hatte er es laut ausgesprochen? Er war sich nicht sicher. Aber statt lange darüber nachzudenken, führte er die Erinnerung zu dem steinernen Basin. Die Runen am Rand des Denkariums wurden kurz erleuchtet von dem silbrigen Licht, dann versank der Faden in dem Strudel von namenloser Materie, die in dem Denkarium tobte. Während Hermine sich über das Denkarium beugte, stand Harry auf. Er konnte nicht mehr sitzen. Mit großen, aber langsamen Schritten ging er zu einem der Fenster und starrte hinaus auf die Bäume des verbotenen Waldes, die schneeweiß glitzerten, auf den See, dessen Oberfläche stellenweise eingefroren war. Da draußen war es so ruhig … so wunderbar ruhig und friedlich.
Er bemerkte nicht, dass Hermine in dem Denkarium verschwand, aber ihre Rückkehr bekam er mit. Seinem Zeitgefühl zufolge war Hermine gerade einmal eine halbe Minute fortgewesen, aber wenn sie es sich bis zum Ende angesehen hatte, dann dürfte er viel länger aus dem Fenster gestarrt haben, als er geschätzt hätte.
Mit einem dumpfen Geräusch landete Hermine in ihrem Sessel. Harry hörte es, drehte sich aber nicht um.
„Harry – oh, Harry!“
Harry starrte weiterhin stur aus dem Fenster; vermutlich weinte Hermine, und wenn er das sah, würde er wohl auch wieder beginnen. „Ich hätte es wissen müssen“, sagte er. Er merkte, dass er sehr leise sprach.
„W-was hast du –?“
„ICH HÄTTE ES WISSEN MÜSSEN!“
Jetzt drehte sich Harry um; Hermine saß wie versteinert da, so sehr musste Harry sie erschrocken haben. Er sagte nichts mehr, hörte sich nur noch selbst dabei zu, wie er laut und unruhig atmete; dann drehte er sich wieder um, konnte es nicht ertragen, Hermine anzusehen.
„Aber du hättest doch nichts tun –“
„UND OB ICH ETWAS HÄTTE TUN KÖNNEN!“ Harry wusste nicht, was er tun sollte; er drehte sich um, schlug mit der Faust auf die schwarze Kiste, so fest, dass Hermine erschrak und seine Hand vor Schmerzen pochte.
„A-aber –“ Hermines Stimme zitterte.
„NEIN! ICH – HÄTTE WISSEN MÜSSEN, DASS VOLDEMORT EINE FALLE AUFGESTELLT HAT!“ Umso lauter er schrie, desto geringer wurden die Schmerzen in seiner Hand. „ES IST MEINE SCHULD! MEINE!“
Er spürte, wie ihm die Tränen kamen, und wandte sein Gesicht schnell wieder von Hermine ab. So stand er dann für eine Weile da, wartete ab, bis das Pochen in seiner Hand nachließ. Es war still in dem Raum – sie beide schwiegen. Für eine Weile zumindest.
„Wollen wir – wollen wir sie jetzt öffnen?“
Diesmal musste sich Harry aber wirklich verhört haben. Oder konnte sie das ernst meinen?
„Was hast du gesagt?“ Er schrie jetzt nicht mehr – im Gegenteil, er flüsterte; er konnte es einfach nicht fassen.
Hermine sah verzweifelt aus. „Die Kiste. Lass uns doch die Kiste öffnen!“
„Spinnst du?“ Es machte ihm nichts aus, dass sich in Hermines Augen das pure Entsetzen ausbreitete; vielleicht war das sogar sein Ziel gewesen, er wusste es nicht. „Dobby ist gerade gestorben! Und das einzige, was du im Kopf hast, ist – ist diese bescheuerte Kiste?“
„Harry, da ist ein Horkrux drin!“
„Und du glaubst, das interessiert mich jetzt noch?“ Harry schüttelte den Kopf. „Ist es dir etwa egal, dass Dobby gestorben ist?“
„Nein!“ Hermine stand nun auf, flehte. „Nein! Dass Dobby gestorben ist, ist schrecklich! Aber wenn wir den Horkrux in der Kiste jetzt nicht zerstören, dann – war Dobbys Tod völlig umsonst!“
„Ach, und dass wir einen Horkrux bekommen hat, macht Dobbys Tod wertvoll?“ Harry wurde wütend, richtig wütend. Wie konnte Hermine solche Dinge von sich geben?
„Du verstehst mich falsch!“ Hermine stand auf, sprach nun ebenso laut wie Harry; sie wurde hysterisch, schüttelte energisch ihren Kopf. „Völlig falsch! Harry, du musst doch einsehen, dass wir diese Kiste öffnen müssen, dass wir den Horkrux darin zerstören müssen! Dann kann Voldemort nie wieder solche Fallen aufstellen, nie wieder jemanden töten!“
„ES IST MIR EGAL, WAS VOLDEMORT TUT!“
„Nun rede doch nicht solchen Blödsinn!“
„ES IST MIR EGAL!“ Verstand sie es denn nicht? Dobby war tot! Dumbledore war tot! Sirius war tot, seine Eltern waren tot! „SIE ALLE SIND TOT!“
„Nicht alle sind tot, Harry! Und du hast es in der Hand, dass niemand mehr sterben muss! Wenn du diese Kiste öffnest, den Horkrux herausholst und zerstörst, dann sorgst du dafür, dass Dobby gerächt wird! Dobby und Dumbledore und Sirius – und deine Eltern! Aber wenn du jetzt nichts tust, dann –!“
„DANN ÖFFNE DOCH DIE KISTE!“ Er packte seine Haare, riss daran. „ÖFFNE DIE GOTTVERDAMMTE KISTE, WENN DU UNBEDINGT WILLST!“
„Ich will aber auch, dass du verstehst –“
„ICH VERSTEHE!“, schrie er. Und er verstand, ja, er verstand … er verstand, was Hermine gesagt hatte, wusste, dass er dem zustimmen würde, wäre er nicht so außer sich. Aber hier, jetzt, so … da konnte er einfach nicht vernünftig denken, nicht vernünftig reden. Das war etwas, was sie verstehen musste.
Eine Weile standen die beiden dann einfach nur da. Sagten nichts, taten nichts. Harry spürte, dass Hermine ihn ansah, aber er blickte nicht zurück. Sollte sie doch tun, was sie wollte …
Und dann setzte sie sich wieder hin. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Ganz sicher würde da der Becher von Hufflepuff drin stecken, das wusste er – aber trotzdem fühlte er die Anspannung in sich. Die Kiste beinhaltete einen Horkrux … er hatte einen gefunden …
Und er konnte sich nicht einmal im Geringsten darĂĽber freuen.
Langsam hob Hermine beide Hände. Sie berührte den Deckeln der Kiste mit den Fingerspitzen; dann atmete sie tief ein und aus – und hob den Deckel an.
Hermines Miene veränderte sich: Ihre Augen wurden um einiges größer, ihr Mund fiel auf. Harry konnte so nicht sehen, was in der Kiste lag. Seine Neugier war wieder geweckt. Er ging zurück zum Tisch, um ihn herum und stellte sich hinter Hermine; blickte hinab auf die offene Kiste. In gelbem Seidenstoff eingebettet lag –
„Ein Kessel?“
Ein schwarzer Kessel, größer als die winzigen Exemplare, die sie meistens im Zaubertränke-Unterricht benutzten, aber kleiner als jene, in denen Slughorn ihnen zu Beginn des letzten Jahres einige Tränke vorgestellt hatte; der Kessel hatte an beiden Seiten elegant geschwungene Griffe, die an einen Kelch erinnerten. Im Innern befand sich am Boden des Kessels ein großer und schöner gelber Stein. Der Kessel kam Harry bekannt vor, aber er wusste nicht, woher. In diesem Moment hätte er es auch nie erraten können – er war zu überrascht. Nicht der Becher von Hufflepuff? War das, was Harry da gefunden hatte, denn dann überhaupt ein Horkrux? Wenn der Kessel kein Horkrux war – Harry wusste nicht, ob er eines der Fenster vergrößern und aus ihm hinaus springen oder doch ein Feuer im Kamin entfachen und sich bei lebendigem Leibe verbrennen würde.
„Das – das ist ja wunderbar!“
Harry riss den Blick von dem Kessel, richtete ihn auf Hermine. Sie sah hoch zu ihm, strahlte ihn an.
„Was ist wunderbar?“, fragte er sie; er hatte keine Ahnung, was sie meinte.
„Harry, sieh hin – da ist ein Dachs auf dem Kessel!“
Er bückte sich hinunter, betrachtete den Kessel eingehender – tatsächlich: Ein Dachs war vorne in das schwarze Material eingraviert.
„Und?“, sagte er; er verstand immer noch nicht. „Warum ist das so wunderbar?“
„Das hier ist eindeutig der Horkrux von Hufflepuff!“, rief Hermine. „Und – in der Küche versteckt, natürlich, das hätte ich wissen müssen! Helga Hufflepuff war bekannt dafür, eine großartige Köchin gewesen zu sein!“
Das fällt dir jetzt ein?, dachte er, aber er sprach es nicht aus. Stattdessen sagte er: „Aber was ist denn daran so großartig?“
„Versteh doch – dieser Kessel ist der Hufflepuff-Horkrux! Nicht der Becher! Also hat Voldemort es nicht geschafft, auch nur ein Totenrelikt in ein Horkrux zu verwandeln!“
Das schon wieder! Neue Wut machte sich in Harry breit. Mit Mühe schluckte er sie hinunter – zumindest für den Augenblick. Denn gleichzeitig war nun auch etwas in ihm wach geworden, das er bisher nicht zu fühlen fähig gewesen war; etwas, das er vielleicht sogar bekämpft hatte, weil Dobby gestorben war. Aber jetzt war sie da, die Glückseligkeit – er hatte einen Horkrux gefunden!
„Ich frage mich wirklich, wieso der Becher kein Horkrux geworden ist.“ Hermine schien, im Gegensatz zu ihm, Dobbys Tod angesichts des Kessels sofort vergessen zu haben; in typischer Manier begann sie zu grübeln, kratzte sich den Kopf, biss sich auf die Oberlippe; murmelte vor sich hin. „Ob Voldemort es nicht geschafft hat, weil man ein Totenrelikt gar nicht zu einem Horkrux machen kann? Oder hat er den Becher gar nicht gefunden? Nein – nein, das ist unmöglich, er hat ja auch das Medaillon von dieser Smith gestohlen … Moment – Smith! Zacharias!“ Sie drehte sich in ihrem Stuhl um, sah Harry erwartungsvoll an. „Hast du mit Zacharias gesprochen?“
Harry schnaufte. Sie verstand die Antwort – und schlug die Hände vor ihren Mund.
„Harry, tut mir –!“
„Schon gut“, sagte er leise; aber es war natürlich nicht gut. Gar nichts war gut.
Wieder schwieg Hermine einige Sekunden, sah ihn nur an. Dann wandte sie den Blick ab; sie räusperte sich, rutschte hin und her, als wäre es ihr unangenehm, was sie gleich sagen würde. Harry war für alles bereit.
„Hör zu – ich weiß, es ist hart, Harry. Ich fühle es auch – mir tut Dobbys Tod auch so schrecklich Leid, so schrecklich weh – das weißt du doch, oder?“
Harry nickte nur, und obwohl er nicht zögerte, glaubte er nicht, dass sie wirklich das gleiche fühlte wie er.
„Gut. Aber auch, wenn es uns schwer fällt – wir müssen jetzt weitermachen! Wir müssen herausfinden, wie wir den Horkrux hier am besten zerstören sollen. Und wir müssen –“ Sie machte eine Pause. „Harry, ich glaube, wir müssen den Becher finden. Er ist ein Totenrelikt.“
Das hatte Harry erwartet. Die Totenrelikte. Immer wieder die Totenrelikte … warum auch nicht? Dumbledore hatte ihnen von den Relikten erzählt. Oder sie zumindest darauf gestoßen. Und es klang alles sehr plausibel – die Legende, die Geschichten über die Gründer; dass Voldemort die Relikte finden wollte; gegen all das war nichts einzuwenden. Und doch wollte er sich nicht damit beschäftigen. Weil die Horkruxe ihre Aufgabe waren.
Und was war jetzt? Jetzt, nach Dobbys Tod, waren ihm auch die Horkruxe egal! Das durfte nicht sein. Was war los mit ihm? War er so schwach? Er fühlte sich schwach, definitiv. Und müde – so müde …
„Okay“, sagte er. „Suchen wir den Becher.“
„Wirklich? Ich meine – großartig!“ Hermine erhob sich. „Ich freue mich, dass du das sagst. Und – Harry –“ Kurz stand sie ihm nur gegenüber; dann umarmte sie ihn. „Es tut mir so Leid“, flüsterte sie in sein Ohr. „Wirklich.“
Harry legte seine Arme ebenfalls um sie. „Danke“, flüsterte er zurück. Und dann – dann begann er endlich wieder zu weinen.

Die zwei verließen den Raum der Wünsche wenig später. Sie hatten einander die ganze Zeit gehalten – genau das hatte Harry jetzt gebraucht. Er fühlte sich besser. Nur, weil eine Freundin ihn umarmt hatte. Als er auf die schwarze Kiste in Hermines Hand blickte, musste er daran denken, dass Voldemort nie Kraft aus solchen Berührungen, aus Freunden hatte ziehen können. Wie schrecklich das sein musste …
„Wie abgemacht, ja?“, sagte Hermine. Harry nickte, dann gingen sie in unterschiedliche Richtungen davon. Sie hatten sich abgesprochen, was ihre nächsten Schritte sein würden: Hermine ging zu Ron in den Gemeinschaftsraum. Die schwarze Kiste würde sie vorübergehend in ihren Koffer einsperren und diesen mit einem magischen Passwort schützen, anstatt sie im Raum der Wünsche zu lassen – ihre Angst, sie könnte plötzlich verschwinden, war zwar unbegründet, aber zu groß. Sie würde Ron alles erzählen und dann mit ihm in die Küche gehen, um die Seelenpyramide zu holen, die Harry dort vergessen hatte. Hermine hatte ihn darauf hingewiesen, ihm aber keine Schuld eingeredet – jeder hätte sie in dieser Situation stehen gelassen.
Harry hingegen machte sich nun zum zweiten Mal auf den Weg zum Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs, um mit Zacharias zu reden. Sicher waren noch einige Lehrer in dem Korridor unten. Aber die mussten ihn jetzt in Ruhe lassen, das war nun einmal so.
Er erreichte die Eingangshalle. Mittlerweile hatten scheinbar einige Leute gehört, was geschehen war: Unzählige Schüler und Geister waren hier versammelt, tuschelten hinter vorgehaltenen Händen und deuteten immer wieder einmal auf die Tür, die zu den Kellern führte. Als Harry erschien, richteten sich die meisten Blicke auf ihn: Dass ein Zusammenhang zwischen ihm und den Vorfällen in der Küche bestand, hatten sie auch schon herausgefunden. Er ignorierte die Blicke, hörte nicht zu, wenn sein Name in den geflüsterten Unterhaltungen fiel. Das seltsame Gefühl in ihm ermöglichte ihm dies: Eine Mischung aus Leere (Leere, wie man sie nur spürte, wenn man jemanden verloren hatte …) und Entschlossenheit – jetzt hatte er wieder etwas zu tun, einen Auftrag. Ob der wirklich sinnvoll war, wusste er nicht – den Becher finden … die Totenrelikte … Er konnte sich einfach nicht entscheiden, was er davon halten sollte.
Wie er erwartet hatte, war einiges los in dem Korridor der Gemälde. Die Professoren Sinistra und Marchbanks unterhielten sich leise mit einem Hauselfen vor dem Eingang zur Küche, viele weitere Hauselfen standen einfach nur da und blickten ängstlich herum. Winky war auch da: Ihr Gesicht machte den Eindruck, als hätte sie vor kurzem sehr viel geweint.
„Harry!“
McGonagall kam aus der Küche. Sie schritt auf ihn zu, die Nase wütend gerümpft und die Augenbrauen streng zusammengezogen. „Was machst du hier? Du solltest doch in den Krankenflügel und –“
„Kann ich mit Professor Sprout sprechen?“
Die Idee war Harry so plötzlich gekommen, wie er McGonagall gerade unterbrochen hatte. Und McGonagall schien es nicht zu gefallen, dass er ihr ins Wort gefallen war. Ihr Mund wurde unglaublich dünn, sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Vor einigen Jahren hätte die Reaktion der Schulleiterin ihn vielleicht noch eingeschüchtert. Jetzt war er nur gelangweilt und verärgert, weil sie wohl eine Erklärung verlangen würde, anstatt einfach Professor Sprout zu holen …
„Natürlich, Harry. Aber dir soll bewusst sein, dass ich dir ebenfalls helfen würde.“
Mit diesen Worten drehte sich McGonagall um und ging zurück in die Küche. Sie ließ einen sprachlosen Harry zurück. Damit hatte er nicht gerechnet. Ein gewisser Stolz entflammte in ihm, aber er war nur von kurzer Dauer – seine Augen fielen auf einen Hauselfen, der eine Teekanne auf dem Kopf transportierte. Es erinnerte ihn an die merkwürdigen Hüte, die Dobby immer getragen hatte …
„Mr Potter, wie kann ich Ihnen helfen?“
Professor Sprout stand plötzlich vor ihm. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie auf den Korridor getreten war, so sehr hatte ihn dieser Hauself abgelenkt. Schnell wischte er seine Augen aus, bevor Sprout einen zu genauen Blick auf ihn erhaschen konnte, dann wandte er sich der Kräuterhexe zu. Wie immer trug sie ihren dreckigen Filzhut; dass sie damit den Ort betreten hatte, an dem Dobby gestorben war, verletzte ihn auf eigenartige Weise.
„Ähm – ja – Professor Sport, ich möchte Sie um etwas bitten. Könnten Sie mir Zugang zum Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs gewähren?“ Sie hob die Augenbrauen. „Oder – oder zumindest selbst den Gemeinschaftsraum betreten und mir einen der Schüler Ihres Hauses herausholen? Ich müsste ganz dringend mit ihm sprechen.“
Harry wusste schon gar nicht mehr, wie er vorgehabt hatte, in den Gemeinschaftsraum zu gelangen. Aber als McGonagall ihn vorhin attackiert hatte, war ihm eingefallen, dass Professor Sprout die Hauslehrerin von Hufflepuff war und ihn sicher einlassen könnte. Ansonsten müsste er wohl warten, bis er Zacharias irgendwo begegnete.
„Welcher Schüler wäre das denn?“, fragte Sprout.
„Zacharias Smith.“
Sprout nickte. „Ich werde ihn holen.“
Unglaublich, wie sie alle seinen Aufforderungen folgten. Erst McGonagall, jetzt Sprout – war das nur, weil sie wussten, dass er mit Dobby befreundet gewesen war? Sie wussten doch mittlerweile, dass Dobby gestorben war, wenn sie sich schon mit den Hauselfen unterhalten hatten … oder?
Harry sah Professor Sprout hinterher, als sie zu dem Gemälde an der Wand am anderen Ende des Korridors lief. Wie Hermine vermutet hatte, war das also der Eingang zum Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs: das Bild, auf dem ein Kessel voll mit verschiedenen Speisen zu sehen –
Ein Kessel.
Harry stutzte. War das etwa –? Er ging ein paar Schritte hinter Sprout her, um das Bild von Nahem zu betrachten. Es schloss sich gerade wieder hinter ihr, als er sich sicher wurde: Das war der Kessel, der in der schwarzen Kiste versteckt gewesen war. Daher hatte er ihn also gekannt! Er hatte ihn erst kurz, bevor er die Kiste gefunden hatte, hier gesehen, auf dem Eingang zum Gemeinschaftsraum der Hufflepuffs.
Viel Zeit hatte er nicht, um über diesen Umstand nachzudenken – er brauchte aber auch keine Zeit, denn was gab es da viel zu überlegen? Jedenfalls öffnete sich das Gemälde schon kurz darauf wieder. Professor Sprout trat heraus – gefolgt von Zacharias.
„Danke, Professor“, sagte Harry, als die beiden ihn erreichten. Sprout nickte, dann drehte sie sich um und ging zurück in die Küche. Zacharias hingegen blieb stehen; er beäugte Harry mit einem seltsamen Ausdruck – Misstrauen?
„Was gibt es?“, fragte er in harschem Tonfall.
„Ich muss mich mit dir unterhalten.“
„Ich bin ja jetzt hier.“
„Ungestört, wenn’s geht.“ Harry warf einen Seitenblick auf Sinistra, Marchbanks und all die Hauselfen. Zacharias zögerte, zuckte dann aber mit den Schultern und ging an Harry vorbei. Er lief ihm voraus die Treppe hoch in die Eingangshalle; Harry folgte ihm.
„Warte!“, rief Harry, als Zacharias schon die Tür oben öffnen wollte. „Lass uns hier bleiben – die Eingangshalle ist voll. Die Stufen hier reichen vollkommen, die Unterhaltung sollte kurz bleiben.“
„Bitte“, sagte Zacharias, „ist mir gleichgültig.“ Er blieb oben bei der Tür stehen und verschränkte die Arme. „Was willst du?“
Harry musste sich zusammenreißen; das überhebliche Verhalten von Smith ging ihm auf die Nerven. Er räusperte sich und sagte dann: „Es geht um deine Abstammung von Hufflepuff.“
Zacharias lieĂź seine Arme fallen, offensichtlich ĂĽberrascht.
„Ach so?“
„Ja.“
„Das – das ist schön.“ Zacharias konnte sein Grinsen kaum unterdrücken; jetzt hatte Harry ihm noch mehr Grund gegeben, überheblich zu sein … „Was willst du denn wissen?“
Harry seufzte; dass er jetzt wirklich extra mit diesem Typen eine Unterhaltung führte, nur, um diese unsinnige Frage zu stellen! „Ich möchte wissen, ob deine Familie zufällig einen Becher von Helga Hufflepuff besitzt.“
„Ähm – nein.“
Harry schnaufte; das war ihm klar gewesen.
„Aber wir hatten mal einen.“
Harry riss seinen Kopf so schnell hoch, dass sein Genick zu schmerzen begann. „Was?“
„Ja, vor ein paar Jahren“, sagte Zacharias. „Von meiner Großtante oder so haben wir das gekriegt. Die ist damals verstorben – ihre Hauselfe hat sie vergiftet, ganz dumme Geschichte – und den Becher hat sie uns vererbt. War zwar ein nettes Erinnerungsstück an unsere Vorfahren, aber wir brauchten keinen Beweis, dass wir von Hufflepuff abstammen, also haben wir es verkauft.“
„Verkauft?“ Harry ging unbewusst ein paar Stufen hoch. „An wen?“
„Recht ulkiger Typ. Der hat so einen ganz düsteren Laden, handelt eigentlich nur mit schwarzmagischen Gegenständen. In der Nokturngasse steht der Laden – keine Ahnung, wieso wir uns damals mit ihm eingelassen haben, aber ich glaube, er hat das meiste geboten. Wie hieß der denn nochmal …“
„Borgin und Burkes?“
„Genau! Hey – wo willst du denn hin?“
Aber Harry antwortete nicht mehr. Schon war er an Zacharias vorbei, durch die Tür, zwischen den Schülern in der Eingangshalle hindurch und die Marmortreppe hoch. Zum zweiten Mal hatte er es eilig, Ron und Hermine zu finden, und würde dafür durch das Schloss bis ganz nach oben in den siebten Stock laufen. Bestimmt taten ihm morgen die Füße weh – aber das war jetzt seine geringste Sorge.
Es blieb ihm erspart, bis hoch in den Gemeinschaftsraum zu rennen: Er begegnete Ron und Hermine auf halbem Wege auf einer Treppe. Natürlich – die beiden waren gerade auf dem Weg in die Küche, um die Seelenpyramide zu holen.
„Harry, was machst du denn hier?“, fragte Hermine. „Ich dachte, du sprichst mit –“
„Schon erledigt. Hallo, Ron.“
„Hey“, sagte Ron. „Hör mal, Harry – es tut mir so –“
„So Leid, ja, schon klar. Jetzt hört ihr mal zu. Ratet, was mir Smith gerade erzählt hat!“
Harry berichtete ihnen, was er in Erfahrung gebracht hatte.
„Borgin und Burkes?” Ron legte die Stirn in Falten: „Der Laden, in dem Malfoy letztes Jahr die Opalhalskette gekauft und das Verschwindekabinett reparieren hat lassen?“
„Genau!“, sagte Hermine. „Wenn die den Becher immer noch haben –“
„Dann ist das schlecht.“
Harry und Hermine wandten sich an Ron.
„Schlecht?“, fragte Harry. „Wieso?“
„Erinnert ihr euch nicht mehr?“ Ron sah Hermine besonders intensiv an. „Stand doch in der Zeitung!“
„Ach ja!“ Hermine stöhnte. „Oh nein …“
„Kann mir mal jemand auf die Sprünge helfen?“, rief Harry. „Ich hab schon lange nicht mehr Zeitung gelesen, um ehrlich zu sein.“
„Bei der Überprüfung der Winkel- und Nokturngasse haben sie verbotene Gegenstände in dem Laden gefunden“, erklärte Hermine.
„Sehr verwunderlich“, murmelte Ron.
„Das Ministerium wollte die Besitzer daraufhin verklagen – aber sie sind abgehauen, mitsamt all ihrem Besitz. Das Ministerium hat nicht lange nach ihnen gesucht, weil Borgin und Burkes nur kleine Gauner sind, dass sie hinter Gitter kommen ist nicht so wichtig, meinen sie.“
„Und der Orden sucht sie auch nicht?“, warf Harry schockiert ein.
„Keine Ahnung“, sagte Ron. „Wir sollten mal nachfragen.“
„Wir wollen ja jetzt ohnehin in die Küche.“ Hermine wandte sich an Harry. „Ich nehme an, McGonagall ist noch dort? Gut – Ron, wir holen die Seelenpyramide, dann spreche ich mit McGonagall über Borgin und Burkes. Harry – geh du so lange in den Krankenflügel.“
„Was?“ Harry erwiderte erstaunt ihren Blick. „Nein! Warum sollte ich?“
„Du bist müde und erschöpft! Und du brauchst Ruhe. Im Gemeinschaftsraum werden sie dich mit Fragen löchern. Es hat zwar niemand den Krach gehört, den die Erde gemacht haben muss, als sie sich gespalten hat –“
„Niemand hat es gehört? Wie soll das denn sein?“
„Die magische Wand hat scheinbar auch die Geräusche abgedämpft. Aber ist jetzt egal – jedenfalls brauchst du dringend Ruhe. Selbst, wenn du sie nur zum Nachdenken und nicht zum Schlafen nutzt.“ Harry machte erneut Anstalten, zu protestieren, aber Hermine hob die Hand. „Nein, Harry, sei vernünftig. Du weißt selbst, dass du Ruhe nötig hast.“
Harry sagte nichts. Es stimmte schon – er wollte sich jetzt am liebsten einfach hinlegen. Ganz allein. Aber konnte er das jetzt? Jetzt, wo sie einen Horkrux gefunden hatten? Jetzt, wo sie auf der Spur des Bechers von Hufflepuff waren, der, wenn Hermine richtig lag (wobei er sich da immer noch nicht ganz sicher war), als Totenrelikt für sie wichtig werden würde?
„Geh“, sagte Ron; als Harry hochblickte, lächelte er. „Völlig kaputt nützt du uns nichts.“

Harry wusste nicht, wann er das letzte Mal so lange geschlafen hatte. Natürlich, da waren die drei Tage gewesen, in denen er ohnmächtig gewesen war, aber da war er nicht freiwillig im Bett gelegen. Aber als er am Vorabend im Krankenflügel eingeschlafen war, war gerade erst die Sonne untergegangen – als er aufwachte, stand sie so hoch, dass sie schon vor vielen Stunden aufgegangen sein musste.
Harry setzte sich mühevoll auf; seine Beine schmerzten, wie er gestern angenommen hatte. Glücklicherweise hatte er die Nacht traumlos verbracht – keine schrecklichen Szenen, in denen Dobby wieder und wieder gestorben war, hatten ihn geplagt. Aber nun rauschten all die Bilder wieder ein …
„Guten Morgen.“
Erschrocken blickte Harry auf; er hatte nicht bemerkt, dass jemand hier war. Aber am Rand seines Bettes saĂźen Ron und Hermine.
„Wie lang seid ihr schon hier?“, fragte er empört.
„Mach dir keine Sorgen, nicht lange.“ Ron streckte die Hand aus und reichte ihm etwas: Toasts, in Servietten eingewickelt.
„Danke, hab keinen Hunger.“
„Iss doch was“, sagte Hermine; sie klang besorgt. „Du hast gestern auch nichts zu Abend gegessen!“
„Ich hab keinen Hunger“, wiederholte Harry. „Sagt ihr mir lieber, wie es mit McGonagall gelaufen ist.“
„Sag du uns vorher, was du Pomfrey erzählt hast, dass du hier schlafen durftest!“ Ron kicherte. „Als wir gefragt haben, ob wir dich besuchen können, ist sie ausgerastet. Du wärst ihr Patient und wir dürften dich nicht stören, blah, blah – hast du etwa behauptet, du wärst schwer krank?“
Harry schüttelte den Kopf. „Als sie mich gesehen hat, hat sie mich sofort in das Bett hier gesteckt. Sehe ich echt so schlimm aus?“
„Ach was.“ Hermine nahm Ron die Toasts ab und hielt sie ihm hin. „Und jetzt iss.“
Widerwillig ergriff Harry die Brotscheiben, aber er aß nichts davon. „Wie seid ihr denn reingekommen, wenn Pomfrey es euch nicht erlauben wollte?“
„Percy“, sagte Ron; er rollte mit den Augen. „Meister Oberarsch hat sich dazu herabgelassen, uns den Eintritt zu gewähren, weißt du?“
„Aber das war doch sehr nett von ihm!“ Hermine sah Ron empört an.
„Ist doch jetzt egal“, rief Harry, „erzählt mir endlich von McGonagall!“
„Ja, schon gut!“ Hermine wandte sich wieder Harry zu. „Nun, sie hat uns erzählt, dass der Orden Borgin und Burkes beide gefunden haben, aber nicht zusammen – Burkes war tot, Borgin hingegen hat sich als Steven Dark ausgegeben und wollte seine letzten Objekte verscherbeln.“ Sie rollte mit den Augen. „Der Orden hat ihn dem Ministerium ausgeliefert.“
Harry stöhnte. „Na toll.“
„Es ist nicht so schlimm“, sagte Ron hastig. „McGonagall hat uns gesagt, dass sie immer noch die Möglichkeit haben, an Borgin ranzukommen. Lupin kümmert sich darum – er wird ihn nach dem Becher fragen.“
„Ihr habt McGonagall von dem Becher erzählt?“ Harrys Mund fiel auf. „Was soll das denn?“
„Wir hätten wohl kaum selbst mit Borgin reden können, oder?“, erwiderte Hermine. „Es ist besser so – Lupin fragt ihn, wo der Becher ist, und sagt es dann uns. Er sollte ohnehin bald – da kommt er ja schon!“
Alle drei drehten ihre Köpfe herum, als die Tür zum Krankenflügel sich öffnete. Hermine hatte Recht: Lupin kam herein. Und er passte hier her – er sah so aus, als wäre er selbst ein Patient. Seine Kleidung war älter und zerschlissener denn je, die Züge seines blassen Gesichtes wirkten krank, und sein Lächeln war so müde, dass es mit dem eines friedlich Schlafenden verwechselt werden konnte.
„Hallo, ihr“, sagte er; als er Harrys Bett erreichte, wandte er sich sofort ihm zu. Sein Lächeln verschwand, an seine Stelle kam sofort eine todtraurige Miene. „Wie geht es dir?“
Harry schluckte, hob die Schultern. Er wollte jetzt nicht ĂĽber Dobby reden. Lupin verstand die Botschaft scheinbar, denn er wechselte sofort das Thema.
„Also, was Borgin angeht – er verrät nichts.“
„Macht doch Okklumentik“, schlug Hermine vor.
„Das wird unser nächster Schritt sein“, sagte Lupin, „aber erst müssen wir herausfinden, ob stimmt, was er behauptet.“
„Und was behauptet er?“, fragte Ron.
„Dass er uns gar nicht verraten kann, wo der Becher ist – weil er mit irgendeinem Zauber belegt worden ist.“
„Na klar“, zischte Ron.
„Unmöglich ist es zumindest nicht. Wann immer es so scheint, als wolle er es uns verraten, schweigt er ganz plötzlich.“
„Das spielt er doch nur vor!“, sagte Hermine wütend.
„Kann sein“, stimmte Lupin zu. „Wir werden sehen. Hermine, ich hab übrigens auch noch eine gute Nachricht für dich.“
„Ach ja?“ Hermine lächelte. „Von Viktor?“
Lupin nickte. „Er hat jetzt endlich zum zweiten Mal geantwortet –“
„Zum zweiten Mal?“, warf Harry ein. „Hermine, du hast mir gar nicht erzählt, dass es schon eine Antwort gegeben hat!“
„Du hast nicht gefragt“, gab Hermine zurück. „Also, Remus – was hat Viktor geschrieben?“
„Dass es ihm Leid tut, den Kontakt zu dir abgebrochen zu haben“, sagte Lupin, „dass er aber zurzeit einfach sehr viel zu tun hat. Eben fast genau das gleiche wie bei der Antwort auf unseren ersten Brief.“
Hermine nickte, aber man konnte ihr ansehen, dass sie nicht zufrieden war; sie wirkte traurig. „Gut, danke, Remus. Für alles, auch das mit Borgin.“
„Kein Problem“, erwiderte Lupin, und sein Lächeln wurde breiter. „Vergesst bitte nicht, wir helfen euch gerne.“
Er verabschiedete sich, dann verließ er den Krankenflügel. Zurück ließ er einen Harry, eine Ron und eine Hermine, die alle drei mit ihren ganz eigenen, persönlichen traurigen Gedanken beschäftigt waren … Und jeder von ihnen wünschte, alles wäre anders.


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Die Entschlüsselung der Namen ist gut und schön, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass dem zuviel Bedeutung beigemessen wird. Überspitzt gesagt, könnte Malfoy auch Müller-Lüdenscheid heißen, er würde aber dieselbe finstere Figur bleiben.
Klaus Fritz