von Shag
Die Orientierungslosigkeit ließ allmählich nach. Die Benommenheit wich und der Alltag klammerte sich wieder wie ein Fels an Jack’s Körper. Alltag. War dieser Zustand es überhaupt wert so genannt zu werden? Schier endlos kam ihm die Zeit vor die er nun hier verbracht hatte. Die letzte Nacht war wohl die schlimmste gewesen die er bisher durchgemacht hatte. Obwohl er bewusstlos war gab es nichts was er gegen die Nachwirkungen am nächsten Morgen hätte tun können. Jeder Kater, den er bisher erlebt hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was er an einem Morgen nach einer Begegnung mit diesen Menschen durchmachen musste. Die einzige Beruhigung waren die die Worte die er am vorigen Abend, vor der letzten Tortur, war nahm. ‚Der letzte Durchgang. Dann heißt es Abwarten.’ Worauf warten? Das er endgültig zusammenbrach? Auf jeden Fall hatte er die Hoffnung nicht noch einmal solch einen Durchgang miterleben zu müssen. Die einzige Frage die Jack inzwischen quälte war, wieso ich? Ich bin weder ein wichtiger Politiker noch ein reicher Mann. Ich habe nichts was irgend jemandem nütze könnte. Nichts an mir ist es Wert, mich zu entführen oder zu foltern. Auf was warten diese Leute noch? Seinen Willen konnte man bisher nicht brechen. Auf jeden Fall bildete sich Jack das ein. Da er nichts von den Zielen dieser Gruppe wusste oder wer sie eigentlich waren, konnte er nicht mit Sicherheit sagen ob sie ihr Ziel schon erreicht haben. Allein der Gedanke an Rache ließ in nicht vollends zusammenbrechen. Er musste seine Eltern, seinen Bruder rächen. Das war er ihnen schuldig. Hätte er nicht darauf bestanden auf diesen Pub in der dunklen Gasse zuzugehen, wären vielleicht alle noch am Leben. Völlig in Gedanken versunken wurden seine Augenlieder wieder schwerer. Er konnte sich nicht mehr wach halten. Um ihn herum wurde es noch dunkler als es ohnehin schon war. Jack war nun eingeschlafen und versank in seinen Träumen. Der einzige Ort wo er dachte noch in Frieden leben zu können. Doch selbst an diesem Ort holte ihn die jüngste Vergangenheit ein.
Schreie waren zu hören. Mark erschütternde Schreie. Die flehentlichen Rufe um Gnade, welche allmählich verstummten und dem intensiven Geruch von verbrennendem Fleisch wichen. Er rannte den Gang entlang der so verschwommen war das er einem endlosen Tunnel glich. Am Ende des Gangs blickte er durch eine halb offene Tür. Er sah wieder dieses fahle, blasse Gesicht. Im Hintergrund die Männer in schwarzen Roben. Diesmal hatten sie Masken inmitten ihrer Gesichter. Kaum wahrnehmbar oder einer Beschreibung fähig. Jack fühlte eine Hitze in sich auflodern die unbeschreiblich war. Kochende Wut. Hass. Aggression. Alle Gefühle die sich in der letzten Zeit in ihm aufgestaut hatten kompensierten sich und wollten auf einmal ausbrechen. Er versuchte dieses arrogante, hässliche Gesicht zerschlagen. Die Masken der Männer in Tausend Stücke reißen. Die Hitze wurde unerträglich. Immer wieder griff Jack in eine endlose Leere.
Schweißgebadet wachte er in seinem Feldbett auf. Ein Traum. Nicht einmal hier wurde er in Ruhe gelassen. Doch das war die geringste Sorge um die er sich momentan kümmern musste. Loderndes Feuer um ihn herum erweckte seine Sinne die noch im halbschlaf verblieben waren. Um ihn herum loderten Flammen. Weshalb war ihm in dem Augenblick relativ egal. Vielleicht durch die Kerzen die ihre eigentlich Aufgabe vergaßen um sich am Rest des Raumes zu erfreuen. Der Tanz des Lichts beeindruckte ihn wenig. Er musste versuchen aus diesem Loch heraus zu kommen.
Da die Tür die bisher seine Flucht verhinderte inzwischen aus den Angeln gesprungen war sah er dennoch einen Hoffnungsschimmer endlich zu verschwinden. Vor der Tür erblickte er zwei Wachen. Ein Problem stellten sie für Jack weniger dar. Zwar hielten sie ihre Stöcke in der Hand, die ihm bisher große Qualen bereitet hatten, dennoch waren sie bewusstlos. Nachdenken war eine der Fähigkeiten die Jack momentan nicht vergönnt war. Es blieb keine Zeit. Die Flammen hinter ihm breiteten sich aus und suchten langsam einen Weg hinaus in den Gang. Auch der Qualm wurde immer aggressiver. Unbedacht schnappte er sich eine der schwarzen Roben und einen Stock einer Wache und rannte. Er wusste nicht wo lang aber das war eigentlich auch egal. Irgendeine Richtung wird schon die richtige sein. Die restlichen Männer dieser Sekte werden schon auf dem Weg zu ihm sein. Herausfinden wollte er das nicht.
„Schnappt den Muggel.“ Hörte er eine Stimme aus der ferne. Warum man ihn so nannte begriff er immer noch nicht. Ehrlich gesagt war es ihm Momentan auch egal. Ohne zu wissen was er tat hielt er die Waffe, die er von der Wache hatte vor sich und schoss. Was war ihm so unklar wie das was darauf passierte. Ein Lichtblitze löste sich aus dem Stock und traf eine Wache die regungslos zu Boden fiel. Der Erschöpfung nahe rannte Jack immer weiter. Die Strecke die er zurücklegte schien schier unendlich lang zu sein. Wo befand er sich hier? Bis er plötzlich auf eine Sackgasse stieß.
„Na toll. Da hab ich ja mal wieder richtig viel Glück.“ Verzweifelt schlug er mit seiner freien Hand auf die Wand ein. Solange bis die Hand anfing zu bluten und er zu Boden sank. Was sollte er jetzt machen? Nachdem er seinen Kopf erschöpft gegen die Mauer lehnte, vernahm er ein leises Knacken. Und viel rückwärts um. Eigentlich nahm er an das die Mauer ein wenig robuster sei. Besonders nachdem er seine blutverschmierte Hand betrachtet hat. Wenn seine Situation nicht so aussichtslos wäre und eine Horde verrückter ihn verfolgen würde, hätte ihn die Tatsache das die Wand keine Lust mehr gehabt hat an ihrem Standort zu verweilen, sicherlich amüsiert oder wenigstens verwundert. Doch ließ sich Jack nicht beirren und flüchtete hinaus. Er nutze die Leiter, die das einzige zu sein schien das ihn irgendwie vorwärts bringen konnte. Es war ein kleiner Raum und so gab es auch keine andere Möglichkeit für ihn. Vielleicht zwanzig dreißig Meter stieg er hinauf bis er gegen einen Widerstand stieß. Zu seinem Glück ließ sich dieser Widerstand nach außen hin öffnen. Wieder hörte er die Stimmen von unten. Er stand im freien. Kühle Luft umzog sein Gesicht. Freiheit. Wie sehr hatte er sich in letzter Zeit nach frischer Luft gesehnt. Die Gasse kam ihm merkwürdig bekannt vor obwohl er sich sicher war, noch nie hier gewesen zu sein. An der Straßenecke, sofern man diese Umgebung als Straße bezeichnen konnte, nahm er ein schäbiges altes Straßenschild war. ‚Nockturn Alley’. Selbst für London hört sich dieser Name seltsam an. Er blickte den Weg hinauf und sah einen Pub. Ähnlich dem, an dem der ganze Schlamassel angefangen hat. Doch die Umgebung genauer zu bewundern, dafür blieb ihm keine Zeit. Seine Peiniger werden dicht hinter ihm sein und ihn bald aufgreifen wenn er sich nicht schleunigst ein Versteck sucht. Die Jagd hatte gerade erst begonnen.
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