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Fanfiction

Dragoman - Engelsschrift

von Muggelchen

Hallo Petz,

danke für deine Review. Die Szene mit Harry und Teddy ist zwar nicht zwingend für die Handlung wichtig, aber ich finde es immer schön, wenn Kleinigkeiten wie diese auftauchen. Es sagt ja doch irgendwie etwas über die Beziehung der beiden aus.

Tja, Harry ist ja leider von der aufbrausenden Sorte, doch auch er muss mal erwachsen sein und die Kröte musste er schlucken. Sein Chef war zum Glück recht freundlich geblieben, hat aber seinen Standpunkt weiterhin hartnäckig vertreten.

Draco ist da ein ganz anderer Schlag von Mensch. Das wird in diesem Kapitel auch noch mal deutlich. Auf einer anderen Seite schrieb ich als Reviewantwort, dass Draco zu denen gehört, die irgendwann etwas glauben, wenn sie es nur wieder und wieder von sich selbst behaupten. Er ist der Meinung, er braucht keine Freunde. Mal sehen, was die Zukunft zeigt.

Zum Manuskript erfährt man jetzt etwas mehr, aber um welches es sich genau handelt, das wird erst in Kapitel 5 behandelt – ich hab’s mir nämlich nicht ausgedacht. :D

Hallo steinchen,

ja, doch … Draco erinnert an Scrooge, obwohl ich den Charakter nicht im Kopf hatte, eher Snape, der eigentlich auch ziemlich an Scrooges Charakterzüge rankommt. Du hast recht, wenn du schreibst, dass Draco während seiner Schulzeit nie richtige Freunde hatte. Ich glaube, Crabbe und Goyle kann man nicht hinzuzählen, die fallen eher in die Kategorie „Wachhunde“ oder „Leibeigene“. ;) Und Pansy? Sie hat in der Schule zwar viel von Draco gehalten, aber wie es andersherum aussah, haben wir nie erfahren. Ich glaube nicht mal, dass es Lucius’ Schuld war. Zumindest hat er Draco nicht bewusst so erzogen. Die Kinder nehmen sich die Gewohnheiten der Eltern automatisch an, wenn man nicht gegensteuert.

Man wird in diesem Kapitel etwas mehr über das Mysterium des Manuskripts erfahren. Die Inhaltsangabe hat dieses kleine Detail, dass Draco das Geheimnis beinahe komplett gelüftet hätte, natürlich vorweggenommen, aber es wird dennoch spannend, was das alles nach sich zieht.

„Allgemein unbeeindruckt von Autoritätspersonen“ – wenn ich mir sämtliche Schüler Hogwarts’ durch den Kopf gehen lasse, lande ich bei der Beschreibung immer wieder bei Harry. Auf Draco könnte es auch passen, aber von Harry wissen wir aus den Büchern mehr. Er hat ja einigen Lehrern das Leben schwergemacht. Zu Harrys Tendenzen wird man ein bisschen mehr erfahren, wenn auch erst mal nur durch die Blume.

Den Link zu den Scriptoren hatte ich dir bereits geschickt. Wer den Link ebenfalls haben möchte, kann mich anschreiben

Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen
Muggelchen



° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° ° °



Engelsschrift


Am Heiligabend, drei Tage nach dem undurchsichtigen Gespräch über ein uraltes Manuskript, das Draco nicht für weiter wichtig erachtet und längst vergessen hatte, klopfte es an seiner Haustür. Weil er selten Besuch bekam, gingen ihm im Bruchteil einer Sekunde mehrere Möglichkeiten durch den Kopf, um wen es sich bei dem unangekündigten Gast handeln könnte. Seine Eltern, die ihn überraschen wollten? Nein, nicht ohne vorher Bescheid zu geben, dachte er. Ein alter Schulkamerad oder Arbeitskollege? Draco ließ sich bereits eine Ausrede einfallen, um solche Besucher schnell wieder abzuwimmeln. Die Flamme unter seinem Kessel, in dem ein kostbarer Trank brodelte, stellte er auf die niedrigste Stufe. Missgelaunt schlug er den Weg zur Haustür ein. Es klopfte nochmals. Vielleicht war es wieder diese aufdringliche Nachbarin, die ihm schöne Augen machen wollte, während sie vorgab, sich Zucker borgen zu wollen. Draco seufzte. Die Frau war nett, aber es wäre besser für sie, sich anderweitig umzusehen. Die Kellertreppe nach oben hatte Draco beinahe hinter sich, als der ungebetene Gast es doch tatsächlich wagte, ein drittes Mal zu klopfen.

„Bei Merlin, ich komme ja schon!“, schrie er durch die offene Kellertür. „Und wehe, es ist nichts Wichtiges“, murmelte er im Anschluss. Endlich war er im Erdgeschoss angelangt. Er musste lediglich noch den langen, schwarz-weiß gefliesten Flur durchqueren. Rechts und links von der Haustür war eine mehrfarbige Bleiverglasung angebracht, hinter der er bereits einen Schatten sah. Da drückte sich jemand die Nase an seinem Fenster platt, doch hindurchsehen konnte man nicht, das wusste Draco. Um der neugierigen Person einen Schrecken einzujagen, riss er die Tür mit Wucht auf.

Zwei Männer scheuten zurück, bevor sie die Situation als ungefährlich einstuften und sich wieder entspannten. Den einen Mann hatte Draco neulich nach dem Treffen der Tränkemeister-Vereinigung gesehen. Er erinnerte sich vage an das angesprochene Manuskript. Der zweite Mann war von hochgewachsener, schlanker Gestalt. Die Kleidung der beiden unterschied sich deutlich. Der Mann, den er vor drei Tagen getroffen hatte, trug noch immer den abgenutzten Winterumhang, der andere jedoch schien vermögend genug zu sein, um mit der aktuellen Haute Couture mithalten zu können. Außerdem trug er einen kleinen Koffer bei sich. Fragend blickte Draco die beiden abwechselnd an, bis ihm der Kragen platzte.

„Was ist? Ich habe nicht ewig Zeit!“, blaffte er die Männer an, während er in Gedanken bei dem Kessel war, dessen Inhalt auf kleiner Flamme vor sich hin köchelte. Viel Zeit blieb ihm nicht. Sollte der Trank misslingen, würde er 240 Galleonen in den Sand setzen. Die Herren mussten ihr Anliegen entweder schnell vortragen oder eine Dreiviertelstunde warten.
„Monsieur Malfoy?“, fragte der elegant aussehende Herr.
„Oh, wie schön. Sie können meinen Namen vom Schild ablesen.“
Anstatt beleidigt zu reagieren, musste der Herr schmunzeln. „Mein Kollege hat Ihnen neulich von dem Manuskript aus dem 15. Jahrhundert erzählt. Ich habe es dabei, falls Sie einen Blick hineinwerfen möchten.“
Draco störte sich nicht daran, dass der Mann sich nicht vorgestellt hatte. „Folgen Sie mir.“

Ohne hinter sich zu schauen, ging Draco bereits den Flur entlang und bog in das erste Zimmer links ein. Das Schließen der Haustür überließ er demjenigen, der als Letzter eintrat. Beide beeilten sich, um die kostbare Zeit des Gastgebers nicht überzustrapazieren.

Als beide Herren das Zimmer betraten, sahen sie, wie Draco sich aus einer Kristall-Karaffe einen Schluck Whisky einschenkte. Den Gästen bot er nichts an, nicht einmal einen Platz.

„Sie haben also das Manuskript dabei“, wiederholte Draco, um die beiden mit diesen Worten dazu aufzufordern, es zu zeigen.

Der Elegantere von beiden legte seinen Koffer auf einen Beistelltisch und öffnete ihn. Als Erstes zog er sich weiße Baumwollhandschuhe über, bevor er etwas aus dem Koffer nahm. Auf den ersten Blick sah es aus, wie ein großes Buch. Draco erkannte recht schnell, dass der Umschlag aus echtem Pergament gefertigt war, womöglich aus Ziegenhaut, wie es vor einigen Jahrhunderten gang und gäbe gewesen war. Magisch von diesem antiken Stück angezogen ging Draco auf den Tisch zu. Auf der oberen Seite des Schutzdeckels war weder der Titel des Werkes angebracht noch konnte man einen Autorennamen ausmachen. Aufmerksam schaute Draco dabei zu, wie der elegante Herr den Buchdeckel mit den behandschuhten Händen aufschlug.

„In diesem Band“, begann der gutaussehende Herr mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme zu erklären, „befinden sich alle 22 Lagen Pergament!“
„Was ist daran so besonders?“, wollte Draco wissen.
„Das Besondere ist, dass ursprünglich die Seiten 16, 18, 21 und 22 fehlten. Die Muggel wussten nur von zwei fehlenden Seiten.“
„Was haben Muggel damit zu tun?“
„Dieses Original lag bis vor fünf Jahren noch in der Bibliothek der Yale Universität. Wir haben es“, der Herr räusperte sich, „ausgeborgt.“
„Ausgeborgt oder gestohlen?“, hakte Draco nach.
„Ausgetauscht, wenn Sie es so genau wissen möchten. Auch den Muggeln ist dieses eigentümliche Buch bekannt. Nur wussten sie nichts von den letzten beiden Seiten. Die hat mein Kollege“, der elegante Herr schaute zu dem anderen Gast hinüber, „im Ausland aufgetrieben.“

Draco folgte dem Blick seines Gegenübers. Der Herr mit dem schäbigen Umhang stand bei der Kristall-Karaffe, die er sehnsüchtig anblickte. Ein wenig von seiner Gleichgültigkeit legte Draco ab, weil das Manuskript ihn interessierte.

„Möchten Sie ein Glas?“, fragte Draco höflich. „Bedienen Sie sich.“
„Oh, vielen Dank, Monsieur Malfoy.“
„Keine Ursache, Monsieur …?“
„Ah“, machte der elegante Herr unerwartet, „dann haben wir also Ihre Aufmerksamkeit erregt?“ Offensichtlich war ihm bekannt, dass Draco sich nicht mit Namen aufhielt, wenn die Personen ihn nicht interessierten. „Mein Begleiter, der sich gerade einen edlen Tropfen gönnt, ist Monsieur Hervé Granier, mein langjähriger Kollege.“ Nach der Vorstellung nickte Draco dem Herrn zu. „Und ich bin Grand Duc Tiberio Roquevert.“
„Ein Großherzog“, sagte Draco mit höhnendem Unterton. „Soll mir das jetzt imponieren? Was machen Sie beruflich?“ Das sagte Dracos Meinung nach mehr über eine Person aus, als ein Adelstitel, den man sich auch gegen einen Obolus aneignen konnte.
„Genau wie Sie, Monsieur Malfoy, so habe auch ich es nicht nötig zu arbeiten. Es ist eher das Steckenpferd, das uns beide verbindet.“
Langsam nickte Draco. Es wurde höchste Zeit, sich um den vernachlässigten Zaubertrank im Keller zu kümmern. „Wenn das Hobby, das uns verbindet, interessant genug ist, werden Sie sicherlich nichts dagegen haben, sich für 45 Minuten die Zeit zu vertreiben. Im Labor arbeite ich gerade an einem wichtigen Trank, der meiner Aufmerksamkeit bedarf in“, Draco fischte eine goldene Taschenuhr aus seinem Umhang und warf einen Blick darauf, „genau diesem Augenblick. Fühlen Sie sich wie Daheim. Ich empfehle mich.“

Die ganze Zeit über war Tiberio Roquevert ruhig geblieben, hatte jede provozierende Spitze wohlwollend überhört und sich nicht um unhöfliche Gesten geschert, doch jetzt hatte er genug.

„Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben?“ Roqueverts Nasenflügel bebten vor Wut. „Sie können mich nicht einfach hier stehen lassen!“
„Ich kann, Monsieur.“ Draco stand bereits an der Türschwelle. „Und halten Sie sich vor Augen: Sie wollen etwas von mir! Sie können entweder hier warten oder mir ins Labor folgen, doch ich warne Sie, bei der Arbeit bin ich nicht gesprächig.“

Ohne auf eine Reaktion seiner Gäste zu warten, verließ Draco den Raum, um zurück in den Keller zu gehen. Schon vor Jahren hatte er diese Räume wie ein Labor eingerichtet.

Während Draco seinen wertvollen Trank zu Ende braute, für den er am Ende 630 Galleonen von seinem Kunden erhalten würde, vertrieben sich Roquevert und Granier gezwungenermaßen die Zeit im Salon. Roquevert tigerte gedankenverloren auf und ab. Granier hingegen hielt sich an den Whisky, von dem er bereits ein drittes Glas zu sich nahm. Beide machten sich Gedanken, doch Granier war der Erste, der die Stille durchbrach.

„Er ist zu jung.“
Abrupt blieb Roquevert stehen, um zu Granier zu blicken. „Er ist unverdorben, deshalb ist er genau der richtige Mann. Noch hat er sich nicht sämtliche ungeschriebenen Regeln der Tränkemeister angenommen. Malfoy ist experimentierfreudig, wissbegierig und vor allem hat er mit ausgezeichneten Noten bestanden.“
Granier zuckte gelassen mit den Schultern. „Und wenn er uns eine Absage erteilt?“
„Wird er nicht.“
„Wenn aber doch? Wir könnten immer noch Monsieur Barbulée …“
Roquevert unterbrach: „Verschonen Sie mich mit diesem Bübchen!“

Auf der Stelle war Granier still. Ein aufgebrachter Roquevert war eine unangenehme Person. Doch wenn man eine Dreiviertelstunde warten musste, lief das Gehirn von ganz allein auf Hochtouren. Granier gingen eine Menge Dinge durch den Kopf.

Sein leeres Whiskyglas stellte Granier wieder ab, bevor er vorsichtig fragte: „Wollen wir ihm von den anderen erzählen?“
Roquevert zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Ich will Malfoy für unser Vorhaben gewinnen, nicht ihn verschrecken.“
„Bei einer Zusage seinerseits sollten wir zumindest anmerken, dass es ein klitzekleines bisschen gefährlich werden könnte.“ Gerade wollte Roquevert dagegen etwas sagen, da fügte Granier noch schnell an: „Zuliebe des Manuskripts! Wir sollten Malfoy mitteilen, dass es auch andere, äh, Interessenten gibt, die ein Auge darauf geworfen haben.“
„Damit es nicht gestohlen wird“, vermutete Roquevert ganz richtig. „Das können wir machen, aber wir gehen nicht ins Detail!“

Nachdem Draco seinen Trank fertig gebraut und für den Kunden abgefüllt hatte, wusch er sich gründlich die Hände und ging nach oben ins Erdgeschoss. Erst da fiel ihm ein, dass noch zwei Gäste auf ihn warteten. Neugierig lugte er ins Zimmer. Ja, sie waren noch hier.

„Meine Herren“, sagte Draco, als er eintrat.
Roquevert atmete tief durch. „Endlich!“
„Sie wissen sicher aus eigener Erfahrung, dass das Brauen von Zaubertränken eine heikle Angelegenheit sein kann.“ Für Draco reichte diese Aussage als Entschuldigung für sein Benehmen völlig aus.
„Nein, das weiß ich nicht“, entgegnete Roquevert überraschenderweise.
„Ich dachte …“
Roquevert unterbrach Draco. „Es ist mein Hobby. Ich habe Zaubertränke weder studiert noch habe ich meinen Meister darin. Dennoch ist mein Interesse an diesem Gebiet sehr groß. Allein schon der Gedanke daran, dass man flüssiges Glück herstellen kann …“ Roquevert geriet ins Schwärmen.
„Und wie sieht es mit Monsieur Granier aus?“ Draco blickte zum entsprechenden Herrn. „Sind Sie ein Meister der Zaubertränke?“
„Nein, ich beschaffe … Ich bin, ähm, ein Beschaffer.“
Aufgrund dieser seltsamen Antwort runzelte Draco die Stirn. „Was beschaffen Sie denn so?“
„Och, alles was das Herz begehrt.“ Granier grinste, entblößte dabei eine braungelbe Zahnreihe. „Sollten Sie mal einen Wunsch haben … Ich beschaffe auch sehr seltene Trankzutaten.“
„Nein, danke“, winkte Draco ab. „Ich habe meine festen Händler.“ Sein Blick fiel auf das Manuskript, das noch immer auf dem Beistelltisch lag. „Aber zurück zum Geschäft. Was genau wollen Sie von mir und wie viel sind Sie bereit zu zahlen?“
Roquevert schüttelte entgeistert den Kopf. „Haben Sie überhaupt Interesse an neuen Dingen oder geht es Ihnen nur ums Geld?“
„Beides.“
Nach einem theatralischen Seufzer erklärte Roquevert: „Das Gröbste hat Ihnen mein Kollege Granier erklärt. Es geht sehr wahrscheinlich um einen Zaubertrank von unschätzbarem Wert, dessen Herstellung in einer unbekannten oder erfundenen Sprache abgehalten …“
„Sehr wahrscheinlich?“, wiederholte Draco perplex. „Sie wissen nicht einmal, um was es genau geht?“
„Wir haben lediglich Vermutungen, aber mit denen möchten wir Sie gar nicht behelligen, Monsieur Malfoy, denn Sie sollen sich selbst ein Bild davon machen.“ Roquevert deutete auf das Manuskript. „Schauen Sie es sich an und versuchen Sie, den Inhalt zu entschlüsseln. Wie wertvoll es auch sein mag, Sie bekommen sechzig Prozent des Gewinns.“
Damit gab sich Draco gar nicht zufrieden. „Und wenn es keinen Knut wert ist, muss ich womöglich noch draufzahlen?“
„Nein, das sicher nicht. Das Einzige, was es Sie kosten wird, ist Zeit.“
„Zeit“, wiederholte Draco mit Betonung, „in der ich Tränke brauen könnte, um damit Geld zu verdienen. Wie stellen Sie sich das vor, Roquevert? Soll ich von der Hand in den Mund leben?“ Seinen luxuriösen Lebensstil wollte Draco in keiner Weise einschränken müssen.
Roquevert schnaufte. „Sie werden bezahlt. Beschäftigen Sie sich täglich mit dem Manuskript und geben Sie mir jeden Monat einen kurzen Bericht. Sie erhalten im Gegenzug einmalig 10.000 Galleonen für den ersten Monat, für jeden weiteren 1.000.“ Roquevert ging einen Schritt auf Draco zu und sah ihm tief in die Augen, während er mit leiser Stimme sagte: „Aber ich warne Sie, führen Sie mich nicht an der Nase herum, indem Sie das Manuskript links liegen lassen und nur kassieren.“

Es ärgerte Draco, dass Roquevert ihn auf diese Weise indirekt bedrohte, aber viel schlimmer war die Unterstellung, sein Geld auf unehrliche Weise zu verdienen. Was könnte es schon schaden, jeden Tag einen Blick in die Schriften zu werfen? Es wäre ein netter Nebenverdienst, mehr als nur fair. Draco wurde jedoch von dem Gefühl übermannt, dass etwas nicht stimmte. Wäre da nicht die kleine Stimme, die versuchte, ihn zu warnen … Ob es nun Instinkt, Erfahrung oder einfach eine gesunde Portion Misstrauen war, konnte Draco nicht sagen.

„Wo ist der Haken?“, wollte er von seinem potenziellen Auftraggeber wissen.
„Der Haken ist, dass Sie das Manuskript bewahren müssen. Es gibt noch andere interessierte Parteien, die es gern in die Finger bekommen würden. Schützen Sie das Manuskript – und vor allem auch sich selbst! Sollte man erst einmal wissen, dass Sie nun mit dieser Angelegenheit betraut wurden, könnte es sein, dass Sie hin und wieder ungebetene Gäste haben werden. Es ist egal, wo Sie hingehen: Führen Sie das Manuskript immer bei sich!“
„Das sollte kein Problem darstellen“, versicherte Draco.
„Ach, falls Ihnen jemand Geld bieten sollte, viel Geld, dann seien Sie sich versichert, dass ich Ihnen das doppelte zahlen werde. Lassen Sie sich nicht abwerben.“
„Ich hab verstanden. Wo ist der Vertrag?“ Draco blickte zu Granier, dann wieder zu Roquevert. Letzterer kratzte sich verlegen an der Schläfe.
„Kein Vertrag, Monsieur Malfoy.“
„Dann mache ich mich mit Steuerhinterziehung strafbar.“
„Nein, Sie verstehen offenbar nicht. Absolut niemand soll von Ihnen oder uns erfahren, dass es eine Vereinbarung gibt und was diese beinhaltet.“
Draco kniff die Augen zusammen. „Das Ministerium wird den riesigen Eingang in meinem Verlies registrieren.“
Roquevert schüttelte den Kopf und hob einen Finger, bevor er leise sagte: „Das wird nicht passieren, denn ich bezahle ausschließlich bar!“

Ein bisschen mulmig war Draco bei der Sache schon, aber er konnte das Geld gut gebrauchen. Für ein eigenes Geschäft müsste er Räumlichkeiten mieten und sich erst einmal einen gut situierten Kundenkreis aufbauen, womit er bereits begonnen hatte. Das alles ging nicht von heute auf morgen. Wenn er allerdings zusätzlich 10.000 Galleonen in der Hinterhand haben würde, müsste er nicht befürchten, mit seiner Idee auf die Nase zu fallen. Draco überlegte nicht lang. Er sagte zu. Am gleichen Abend ließ man das Manuskript mit seiner unbekannten Schrift und den seltsamen Zeichnungen bei Draco zurück.

Am Silvesterabend ließ sich Draco nicht von den Feuerwerken ablenken. Er las ein Buch, das ihm wichtige Hinweise im Umgang mit arabischen Geschäftspartnern gab. Draco wurde sich darüber klar, dass er seine egozentrische Art und seine Gleichgültigkeit ablegen musste. Respekt war ein Wort, das er nur aus einem Wörterbuch kannte. Nein, korrigierte er in Gedanken, das stimmte nicht ganz. Seinen Eltern sowie damals Severus Snape hatte er stets respektiert. Draco dachte kurz nach, doch mehr Menschen fielen ihm bei bestem Willen nicht ein.

In den arabischen Ländern brachte man jedem seinen Respekt entgegen, nicht nur dem Geschäftspartner, sondern als Gast auch dem Gastgeber oder der Jüngere dem Älteren. Auf die Körpersprache musste man ebenso achten. Diese durfte nicht zu devot sein, aber andeutungsweise ehrerbietig. Gerade etwas, über was Draco überhaupt nicht verfügte, war sehr gefragt, nämlich Geduld und Einfühlungsvermögen. Er musste es sich abschminken, immer gleich zum Punkt kommen zu wollen. Smalltalk, so sehr er ihn auch hasste, war angesagt. Es schien, als müsste Draco in nächster Zeit ein wenig schauspielern, aber das würde ihm sicher gut gelingen. Von seinem Vater wusste er, wie man in den unangenehmsten Situationen ein Lächeln heucheln konnte. Bei Kaffee und Tee mit dem arabischen Gastgeber sollte man auf geschäftliche Themen verzichten. Draco befürchtete, dass er eine lange Zeit in Saudi-Arabien verbringen müsste, wenn dort alles so gemächlich ablaufen sollte, wie in dem Reiseratgeber beschrieben. Außerdem riet man davon ab, die linke Hand häufig zu benutzen oder gar damit den Gastgeber zu berühren, denn diese Hand galt als unrein. Draco musste eine Menge lernen, bevor er in wenigen Tagen seine Reise antreten wollte. Roqueverts Bedingungen waren eindeutig: Es blieb Draco nichts anderes übrig, als das Manuskript mitzunehmen.

Anderenorts wurde Silvester ausgiebig gefeiert. So zum Beispiel im Fuchsbau. Hier hatte Familie Weasley alle Angehörigen und Freude eingeladen, um gemeinsam auf das neue Jahr anzustoßen. Ginny war nicht alleine gekommen. Sie hatte ihren neuen Freund mitgebracht. Für Harry ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Beziehung ernster war, als alle bisher angenommen hatten. Harry verstand sich gut mit dem jungen Mann, zog es jedoch vor, sich den Abend über intensiver mit Ron und Hermine zu unterhalten. Außerdem suchte er die Nähe von Rose, der Tochter seiner beiden besten Freunde. Sie war knapp zwei Jahre alt und fühlte sich auf Harrys Arm so wohl, dass sie den gröbsten Lärm gelassen hinnahm. Hermine war wieder schwanger, doch noch konnte man ihr das nicht ansehen. Sie saß auf der Couch und unterhielt sich mit Fleur und Bill. Deren drei Kinder waren mit George draußen, um noch das restliche Feuerwerk abzufeuern. Mitternacht war längst vorbei. Ab heute begann das Jahr 2008. Ron saß gegenüber von Hermine direkt neben Harry. Er beobachtete seinen Freund dabei, wie der die kleine Rose wiegte.

„Ich hab dich vorgestern im Ministerium gesehen“, begann Ron, der so leise sprach, dass nur Harry, nicht aber Fleur, Bill oder Hermine ihn hören konnten. Er beugte sich zu Harry und sagte noch viel leiser: „Ich war schon am Ausgang und du standest noch an der Kantine.“ Das bedeutete, Ron war mindestens dreißig Meter entfernt gewesen. „Du hast einen Kollegen geküsst.“
Harrys Augenbrauen grüßten den Haaransatz. „Einen Kollegen?“, wiederholte er irritiert, doch dann fiel ihm ein, wen Ron meinen konnte. „Ah, der Kollege, den du meinst, war Catherine.“
„Catherine?“ Diesmal schaute Ron irritiert drein. Catherine war eine fünf Jahre jüngere Kollegin, von der Ron einmal behauptet hatte, dass sie wie ein Junge aussehen würde: ein flacher Busen, ein extremer Kurzhaarschnitt, kaum Rundungen und für ein Mädel viel zu durchtrainiert. „Seit wann bist du mit ihr zusammen?“
„Wir haben uns vorgestern getrennt“, erwiderte Harry, ohne mitbekommen zu haben, dass alle Gäste, die auf der Couch gegenüber saßen, längst zu Zuhörern des Gesprächs geworden waren. Ron war das ebenfalls entgangen.
„Schon wieder getrennt? Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du mit ihr zusammen warst. Wie lange hat es denn gehalten?“, wollte Ron wissen.
Harry überlegte nicht lang. „Eine Woche.“
„Wow …“ Ron schnaufte amüsiert. „Das ist ein neuer Rekord, oder? Habt ihr beide wenigstens …?“
„Ja“, unterbrach Harry, um zu verhindern, dass Ron unnötige Details zum Besten gab.
„Warum hat es mit euch beiden dann nur eine Woche gehalten?“

Die Blicke von Bill, Fleur und Hermine hafteten auf Harry. Jeder von ihnen war gespannt auf die Antwort. Doch Harry, sich nicht einmal bewusst, wie sehr er unter Beobachtung stand, machte allen einen Strich durch die Rechnung.

„Sie hatte was gegen …“ Harry beugte sich zu Ron und flüsterte ihm den Rest ins Ohr. Sogleich kam von der Couch gegenüber ein Einspruch von Bill.
„Hey, das ist unfair. Sag es laut!“ Als Harry erschrocken zur Couch schaute und dabei rote Wangen bekam, grinste Bill schelmisch. „Gegen was hatte Catherine was?“
Harry und Ron antworteten zur gleichen Zeit, doch während Harry nur abwinkte und behauptete, es wäre nichts Wichtiges gewesen, sagte Ron schlicht und ergreifend: „Analverkehr.“
„Danke, Ron!“, fuhr Harry seinen Freund verärgert an. Rose schlief noch.
„Was denn? Ist doch nichts dabei. Hermine und ich …“
Besagte Dame fiel ihm ins Wort: „Wage es ja nicht, diesen Satz zu beenden, Ron Weasley!“
„Aber es ist doch gar nichts dabei!“, verteidigte Ron das Thema.
Aus dem Hintergrund hörte man Mollys Stimme, die nachhakte: „Wo ist gar nichts dabei?“
„Ach …“ Ron kratzte sich verlegen am Nacken. „Nichts, Mom. Sind die draußen bald fertig?“, lenkte er vom Thema ab. „George muss doch langsam das Feuerwerk ausgehen.“
„Sie kommen gleich rein.“

Mit ihrem Zauberstab entfernte Molly erst den Schnee von ihrem Umhang, bevor sie ihn auszog und im Flur auf einen Haken hängte. Man hörte, wie zwei weitere Personen von draußen hereinkamen. Andromeda und der mittlerweile neunjährige Teddy gesellten sich zu den anderen ins Wohnzimmer. Die Themen Catherine und Analverkehr kehrte jeder wie selbstverständlich unter den Teppich.

Es war gegen vier Uhr morgens, als Andromeda entschied, mit Teddy nach Hause zu gehen. In der Küche traf Harry sie allein an, als sie ihre leeren Schalen von dem selbst gemachten Dessert abwusch, um sie wieder mitzunehmen.

„Andromeda? Ich habe da mal eine Frage.“
„Was gibt’s?“
Harry blickte zur Tür, um sich zu vergewissern, dass niemand lauschte. „Teddy wird doch im April zehn.“ Andromeda nickte, sodass Harry fortfuhr: „Wäre es für dich in Ordnung, wenn ich ihm eine Reise schenke?“
„Eine Reise?“, wiederholte sie überrascht. „Natürlich habe ich nichts dagegen, aber nicht allein.“
„Nein, natürlich nicht. Es wird ein Drei-Wochen-Trip für zwei Personen und er darf entscheiden, wer ihn begleiten soll.“
Andromeda schnaufte belustigt. „Ich weiß schon, wen er mitnehmen wird.“
Zwar hatte Harry ebenfalls das Gefühl, dass Teddy seinen Patenonkel mitnehmen wollen würde, doch gab es durchaus noch andere potenzielle Kandidaten. „Sei dir da nicht so sicher. Es kann auch sein, dass er Ron mitnimmt. Der war nämlich schon in Ägypten.“
„Ägypten? Davon schwärmt Teddy seit mindestens drei Jahren.“
Harry nickte. „Woran Ron nicht ganz unschuldig ist.“
Während sie ihre Schale abtrocknete, wollte Andromeda von Harry noch mehr wissen: „Würdest du denn zu der Zeit Urlaub bekommen?“
„Das ist alles schon geregelt“, bestätigte Harry mit einem Nicken.

Es war tatsächlich alles geregelt. Erst nachdem die Personalabteilung seinen Urlaubsantrag für den April bewilligt hatte, besorgte Harry im neuen Jahr die Portschlüssel für die Reise nach Ägypten.

Ebenfalls um einen Reise-Portschlüssel bemüht war Draco. Im Januar holte er sich seinen vom französischen Ministerium gestatteten Portschlüssel ab, um nach Saudi-Arabien zu reisen. Die Tränkemeister-Vereinigung kam für sämtliche Unkosten auf. Sie bezahlten nicht nur die Reise per Portschlüssel, sondern auch den Hotelaufenthalt. Zudem bekam Draco täglich ein Taschengeld von dreißig Galleonen, was man ihm im Voraus für sechs Monate zahlte. Der französische Minister hatte mit Draco gesprochen und ihm gesagt, wie glücklich er sei, dass der arabische Zauberer-Zirkel endlich die Hand freundschaftlich gen Westen streckte. Bisher gab es keinerlei geschäftliche Verbindungen zwischen den Ländern.

„Sechs Monate“, murmelte Draco, als er seinen Portschlüssel – eine leere Packung Muggel-Streichhölzer – anstarrte. Draco sollte anfangs nicht einmal den Herrn treffen, mit dem man später Geschäfte machen wollte. Ein Verbindungsmann übernahm die Aufgabe des ersten Kennenlernens, Shaikh Nadim Ishaq, der Botschafter des Herrschers der Zauberergemeinschaft in Saudi-Arabien. Dessen Sekretär Mr. Saaviz Dawud würde sich Tag und Nacht um Draco kümmern, würde ihm Tipps geben, ihn auf gesellschaftliche Umgangsformen aufmerksam machen und jede seiner Fragen beantworten, unter anderem die schwierige Frage, wie die Namen des Botschafters und die des Herrschers korrekt ausgesprochen werden. Mit ihm hatte Draco bereits regen Briefkontakt gehabt.

Das Manuskript nahm Draco mit. Er verkleinerte es magisch und trug es in seiner Westentasche mit sich, sodass er es immer spüren konnte. Lediglich seine schönsten Anzüge und Umhänge packte er ein, denn er wollte mit leichtem Gepäck reisen. Eine Tasche musste genügen. Kleidung konnte er gegebenenfalls vor Ort kaufen. Bevor er abreiste, rief er über das Flohnetzwerk seine Eltern an.

„Vater?“
„Ja, Draco, was für eine schöne Überraschung. Deine Mutter wird sich freuen. Sei gegrüßt, mein Junge.“ Sein Vater klang glücklich, was Draco mit Erleichterung feststellte. Für die Familie Malfoy war es trotz der abgesessenen Strafe nicht leicht im Heimatland gewesen. Immer wieder fand sich Lucius Malfoy in einem Artikel des Tagespropheten wieder. Obwohl sich Lucius nichts mehr zuschulden kommen ließ, störten ihn die an den Haaren herbeigezogenen Untaten sehr, weil solche Beschuldigungen geschäftsschädigend sein konnten. Doch er wäre kein Malfoy, wenn ihm das nicht am Allerwertesten vorbeigehen würde. Bereits zwei Mal hatte Lucius den Tagespropheten erfolgreich auf Schadensersatz verklagt, um seinen Namen reinzuwaschen.
„Ich wollte mich von euch verabschieden. Ist Mutter da?“
„Hier bin ich, Schatz! Oh, du siehst gut aus, Junge. Wie geht es dir?“
Es war schön, die Stimme seiner Mutter zu hören, die sich mit dem Kopf neben seinen Vater in den Kamin gedrängt hatte. „Es geht mir sehr gut, danke. Ich wollte euch Bescheid geben, dass ich heute verreise.“
Sein Vater meldete sich zu Wort. „Die Reise im Auftrag der Tränkemeister-Vereinigung, von der du uns letztes Jahr erzählt hast?“
„Genau diese Reise.“
„Pass gut auf dich auf, Junge. Du weißt, was ich von diesen Leuten halte.“ Bevor Draco irgendetwas sagen konnte, begann sein Vater mit einer Schimpftirade auf arabische Menschen. „Es wird einen Grund haben, warum sie ihre Zauberkünste bisher mit niemandem teilen wollten. Ich befürchte Schlimmstes, Draco. Traue keiner Menschenseele! Das ist übelstes Mittelalter …“
Nur ungern unterbrach Draco seinen Vater. „Ich werde auf mich aufpassen. Außerdem melde ich mich regelmäßig bei euch. Die haben etwas Ähnliches wie ein Flohnetzwerk.“

Kamine gab es in Saudi-Arabien aufgrund des heißen Klimas so gut wie gar nicht, lediglich Feuerplätze, um zu kochen. Die Fern-Kommunikation fand mit einer Schale statt, in der eine spiegelnde Flüssigkeit aufbewahrt wurde.

Narzissa schob sich in den Vordergrund des Kamins und bat: „Melde dich bitte wenigstens einmal pro Woche, Draco. Ich habe so ein ungutes Gefühl dabei.“
„Wieso?“, fragte Draco alarmiert, denn normalerweise war seine Mutter immer positiv eingestellt, wenn es um seine Belange ging. Sie sorgte sich in der Regel nie.
„Pass einfach nur auf, mein Junge. Das ist eine völlig andere Kultur.“
Das konnte Draco nach all der Lektüre, die er bereits gelesen hatte, bestätigen. „Ich verspreche, ich pass auf mich auf und melde mich jede Woche ein Mal.“

Seine Eltern wünschten ihm eine gute Reise und gaben ihm noch einige Warnungen mit auf dem Weg. Mit nur einem Koffer in der Hand, in dem sich mehr Notizen und Zaubertrankzutaten befanden als Kleidung, nahm Draco die Streichholzschachtel in die Hand und aktivierte den Portschlüssel.

Eine solche Übersee-Reise dauerte mit einem Portschlüssel nur unwesentlich länger als eine Inlandsreise. Nur wenige Minuten später befand sich Draco in einem abgesperrten Hotel-Bereich, zu dem nur Reisende Zutritt hatten, die per Portschlüssel ankamen oder abreisten. Ein Mann mit einer weißen Ghutra auf dem Kopf grüßte den blonden Gast mit einem höflichen Nicken, bevor er Draco aufforderte, den Koffer auf einen Tisch zu legen und zu öffnen.

Der Aufforderung kam Draco natürlich nach. Bei dem Herrn handelte es sich nicht nur um einen Sicherheitsangestellten des Hotels, sondern um einen Mitarbeiter des hiesigen Zolls. Der Mann beherrschte Dracos Sprache kaum. Doch zum Glück hatte Draco Arabisch gelernt, womit er den Herrn positiv überraschte.

„Das“, Draco deutete auf die Wurzel, die der Mann aus dem Koffer genommen hatte, „sind seltene Trankzutaten, die ich demnächst Shaikh Abbas Aziz zum Geschenk machen möchte.“
Bei dem Namen machte der Zoll-Mitarbeiter große Augen. „Dann sind Sie der Abgesandte?“
In Dracos Ohren klang diese Bezeichnung beinahe religiös. „Die französische Tränkemeister-Vereinigung hat mich mit der Aufgabe betraut, geschäftliche Beziehungen herzustellen.“
Der Herr legte die Wurzel behutsam zurück in den Koffer und kümmerte sich nicht weiter um den restlichen Inhalt. „Seien Sie in unserem Land ganz herzlich willkommen, Mr. Malfoy. Mr. Dawud wartet in der Eingangshalle auf Sie.“
„Danke.“

Als Draco den Raum verließ, fand er sich in einem beeindruckend großen, edel ausgestatteten Foyer wieder. Würde man diesem Hotel Sterne zuteilen, was in Saudi-Arabien – beziehungsweise allgemein in der Zaubererwelt nicht üblich war –, wäre es ein Fünfstern-Superior-Hotel: das Beste vom Besten. Draco schaute sich um. Es handelte sich offensichtlich um ein Hotel der Zaubererwelt. Einige Frauen, die sich hier aufhielten, trugen zwar keinen schwarzen Tschador, doch die meisten Damen und Herren waren in schwarze, knöchellange Umhänge aus leichtem Stoff gehüllt. Ausnahmslos alle Frauen verbargen einen Teil ihres Gesichts mit einem Schleier.

„Mr. Malfoy?“, fragte eine helle Männerstimme. Draco drehte sich um. Ein Herr mit großen, dunkelbraunen Augen trat an ihn heran. Auch er trug einen schwarzen Umhang und auf dem Kopf einen weißen Ghutra. Draco schätzte ihn an die dreißig Jahre.
„Guten Tag! Sie müssen Mr. Saaviz Dawud sein.“ Der Vorname Saaviz bedeutete elegant und nett. Elegant traf bereits zu, dachte Draco. Nun musste er nur noch herausfinden, ob der Sekretär auch nett war.
„Das bin ich.“ Mit einem Lächeln streckte er ihm die Hand entgegen. Draco hatte gelesen, dass ein Handschlag nie kräftig sein durfte, wie man es in der westlichen Kultur gewohnt war. Seine Hand übte kaum Druck aus und Saaviz schüttelte nur ein Mal, bevor er wieder losließ. „Herzlich willkommen in unserem Land. Hatten Sie eine angenehme Reise?“
„Es ging schneller und unkomplizierter, als ich erwartet habe. Danke der Nachfrage.“
„Das freut mich.“ Als er lächelte, fielen Draco seine geraden, blendend weißen Zähne auf. Mit einer Hand deutete er zur Rezeption. „Darf ich Ihnen beim Einchecken behilflich sein?“

An der Rezeption überraschte Draco mit seinem fließenden Arabisch nicht nur Mr. Dawud, sondern auch die dort arbeitenden Damen und Herren. Man war außergewöhnlich freundlich zu ihm, was Draco gar nicht gewohnt war. Vielleicht lag es daran, dass er, weil die Höflichkeit es verlangte, von sich aus sehr nett war. Es fiel ihm nicht einmal schwer, hier oder da ein charmantes Lächeln zu schenken.

Draco lud Mr. Dawud gleich auf sein Hotelzimmer ein, was er dankend annahm.

„Nur als Hinweis, Mr. Malfoy: Eine Dame sollten Sie nicht in Ihr Hotelzimmer einladen, falls Shaikh Ishaq Sie in Zukunft mit einer Frau bekanntmachen sollte.“
„Warum nicht?“
„Es schickt sich nicht für eine Dame, sich mit einem Mann in einem Zimmer aufzuhalten. Das könnte große Probleme nach sich ziehen, besonders für die Frau, falls sie Ihrer Einladung folgen sollte.“
„Danke, dass Sie mich über solche Dinge aufklären, Mr. Dawud.“
„Nichts zu danken. Es wird eine Weile dauern, bis man alle Umgangsformen beherrscht. Das ist sehr wichtig, besonders wenn man als Ausländer eines Tages Shaikh Abbas Aziz gegenüberstehen möchte. Man sollte ihn nicht verärgern.“
Draco nickte. „Das habe ich nicht vor. Wann werde ich ihn sehen?“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Sie werden zunächst mit meinem Dienstherrn dem Botschafter Shaikh Nadim Ishaq verhandeln. Wenn er Sie für vertrauenswürdig erachtet, wird er Sie dem Herrscher der Magischen Welt vorstellen. Der Botschafter möchte Sie heute gern noch begrüßen, es sei denn, die Reise hat Sie zu sehr mitgenommen.“
„Ich freue mich darauf, Shaikh Ishaq noch heute kennenzulernen.“
Mr. Dawud nickte. „Dann möchte ich Ihnen ausrichten, dass der Botschafter Sie um zwanzig Uhr im Hotel-Restaurant erwartet.“
„Vielen Dank. Sagen Sie, muss ich irgendetwas beachten?“
„Shaikh Ishaq als engster Vertrauter des Herrschers wird mit Eure Exzellenz angesprochen. Wie ich ihn kenne, wird er Sie sehr schnell darum bitten, ihn beim Vornamen zu nennen: Nadim. Das ist jedoch nicht wie in Ihrem Land mit dem Duzen vergleichbar. Vor dem Vornamen wird immer der Titel gesetzt, in diesem Fall Tabieb Nadim. Tabieb bedeutet Oberster Heiler. In der Muggelwelt kann man es mit Doktor übersetzen.“
„Vielen Dank für die Information, Mr. Dawud. Was die Kleiderordnung betrifft …?“
„Das, was Sie tragen“, er deutete auf seinen weißen Anzug, „wäre angemessen.“
„Dann bin ich beruhigt. Ansonsten hätte ich noch eine Boutique aufgesucht.“

Bei Dracos erstem Treffen mit dem Botschafter lief alles bestens. Draco machte dieser hochrangigen Persönlichkeit gegenüber keinen einzigen Fehler, zumindest hatte Mr. Dawud ihm im Nachhinein auf keinen aufmerksam gemacht. Man verstand sich rein zwischenmenschlich so gut, als würde man sich schon viele Jahre kennen. Der Botschafter und Draco waren sozusagen auf gleicher Wellenlänge. Wie Mr. Dawud es vorhergesagt hatte, bat der Botschafter ihn recht schnell darum, ihn beim Vornamen zu nennen, was laut der Information von Mr. Dawud den Titel beinhalten musste. Tabieb Nadim hatte nicht nur den Rang des Obersten Heilers inne, sondern war auch einer der angesehensten Zaubertränkemeister in Saudi-Arabien. Das machte ihn zu einem Gesprächspartner ganz nach Dracos Geschmack. Wie schon so oft in den vergangenen Jahren musste Draco auch bei dieser Unterhaltung an Severus Snape denken, denn auch er hätte mit Sicherheit eine Menge Freude an einem Gespräch mit dem Botschafter gehabt.

Eine der Regeln war, beim Essen nicht über Geschäftliches zu sprechen, es sei denn, dass dies der Zweck der Einladung war. Das war jedoch nicht der Fall. Tabieb Nadim wollte Draco zunächst privat besser kennenlernen.

Ende Januar lud Tabieb Nadim Draco zum Golfspielen ein. Es waren achtzehn Grad Celsius, für ein Spiel an der frischen Luft eine sehr angenehme Temperatur.

Das allererste geschäftliche Gespräch fand einen Monat später statt, Ende Februar. Die Außentemperatur war ähnlich wie im Januar. Bei Mr. Dawud hatte sich Draco über Verhaltensregeln bei einer geschäftlichen Unterredung informiert. Er war so freundlich und teilte ihm mit, dass Tabieb Nadim nicht nur Draco, sondern auch zwei weitere Gäste eingeladen hatte.

„Wieso zwei weitere Gäste?“, fragte Draco überrascht.
„Das ist völlig normal, mehrere Geschäftspartner einzuladen, Mr. Malfoy.“
„Was sind das für Herrschaften?“
„Ein Mr. Octavius Deodato aus Italien und Mr. Peter Steiner aus der Schweiz. Beide sind in der Hoffnung hier, eine geschäftliche Beziehung aufzubauen.“

Konkurrenz. Von beiden Herren hatte Draco schon gehört. Sie waren jeweils in ihrem Land angesehene Tränkemeister und auch Vorstandsmitglieder in ihren landeseigenen Tränkemeister-Vereinigungen. Das sagte er natürlich nicht laut, aber es lag auf der Hand, dass die Regierenden sich selbst aussuchen wollten, mit welchem Land der westlichen Welt sie ihre Geschäftsbeziehungen aufbauen wollten. Es war klug von Tabieb Nadim, die drei Konkurrenten zusammenzubringen. Draco würde diese Probe bestehen.

Wie es sich herausstellte, sprachen weder der Italiener noch der Schweizer arabisch, dafür zwar eine geläufige Weltsprache, doch auch diese nicht besonders gut. Tabieb Nadim musste bei Mr. Deodato mehrmals nachfragen, weil er Zusammenhänge nicht verstand. Das erste Mal machte es sich für Draco bezahlt, einige Fremdsprachen gelernt zu haben. Hilfreich sprang er ein, indem er für Tabieb Nadim und die anderen beiden Gäste den Übersetzer spielte. Nicht umsonst war er in Slytherin gewesen, denn natürlich nutzte er die sprachliche Unwissenheit der Konkurrenz aus. Hier und da überhörte gerade bei dem schnell sprechenden Italiener einige Dinge. Bei geforderten Beträgen, Kosten oder vertraglichen Forderungen dichtete Draco einige Bedingungen hinzu und die Schweiz stellte Draco als träge dar, indem er lange Wartezeiten für das Erfüllen von Aufträgen angab, sodass Tabieb Nadim immer mehr Abstand von möglichen Geschäften mit Italien und der Schweiz nahm. Dank Dracos kreativer Übersetzungen wollte Tabieb Nadim nicht einmal zu einem zweiten Gespräch mit Deodato oder Steiner einladen. In gewisser Weise lud er sie sogar aus, indem er sich für den Besuch bedankte und durch die Blume zu verstehen gab, dass beide sich nun wohl um Angelegenheiten in ihrem eigenen Land kümmern müssten.

„Sie sprechen nicht nur unsere Sprache vorzüglich, Mr. Malfoy“, lobte Tabieb Nadim aus reiner Höflichkeit, obwohl er es nicht beurteilen konnte.
Draco lächelte freundlich. „Vielen Dank! Es war mir eine Freude, meine Sprachkenntnisse endlich einmal einsetzen zu können.“
„Wo haben Sie die vielen Fremdsprachen gelernt? Ich habe gehört, in Hogwarts würde es kein solches Angebot geben.“
„Das ist richtig, in Hogwarts werden keine Fremdsprachen unterrichtet. Als ich nach Frankreich zog, habe ich mir selbst Französisch beigebracht. Geholfen hat dabei ein Trank, der die Lernfähigkeit erhöht.“ Tabieb Nadim zog staunend beide Augenbrauen in die Höhe, während er weiter aufmerksam zuhörte. „Als die Tränkemeister-Vereinigung mir das Angebot unterbreitete, mit Ihrem Land das Wissen auszutauschen, habe ich den Trank optimiert. Auf diese Weise konnte ich nicht nur Arabisch, sondern zeitgleich noch Hebräisch, Italienisch und Latein lernen.“
Davon begeistert fragte Tabieb Nadim nach: „Sie haben den Trank selbst verbessert?“
„Ja, das habe ich. Ich habe den neuen Trank zwar patentieren lassen, aber er ist noch nicht käuflich zu erwerben.“
„Woran liegt’s?“, wollte der Botschafter wissen.
„Ich würde gern selbst ein Geschäft eröffnen und mit diesem Trank auf mich aufmerksam machen, doch dafür benötige ich ein angemessenes Startkapital. Ich arbeitete daran, mir meinen Wunsch zu erfüllen.“
„Eine beachtliche Leistung, Mr. Malfoy. Wissen Sie … Als ich das erste Mal hörte, wie jung Sie sind, habe ich Vorurteile gehabt. Ich hatte Sie längst abgeschrieben. Ihnen ist sicher aufgefallen, dass Mr. Deodato und Mr. Steiner weit über sechzig Jahre alt sind und erfahrene Zaubertränkemeister darstellen. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich Sie falsch eingeschätzt habe. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung und gleichzeitig die Einladung in mein Haus an. Ich möchte Sie gern meiner Familie vorstellen.“

Das war der Moment, in dem Draco klar wurde, dass er die Nummer eins war. Wenn Saudi-Arabien Geschäfte mit anderen Ländern machen wollte, dann mit dem Land, das Draco vertrat: Frankreich. Die persönliche Beziehung zum Botschafter brachte ihn näher an den Herrscher heran. Bald würde Draco, das hatte Tabieb Nadim angekündigt, Shaikh Abbas Aziz persönlich gegenüberstehen. Von Tabieb Nadim wusste Draco, dass man in der arabischen Welt noch nie von beispielsweise dem Glück in Flaschen, dem Felix Felicis, gehört hatte. Es gab viele Zaubertränke und vor allem Zutaten, die Tabieb Nadim völlig fremd waren. Andersherum sah es jedoch genauso aus. Es gab eine Dattelpalmen-Gattung, deren Früchte die wundervolle Gabe hatten, denjenigen, der die Dattel aß, in die Zukunft sehen zu lassen. Mit einem Zaubertrank konnte man sogar bestimmen, zu welchem Zeitpunkt man einen Blick erhaschen wollte. Das würde wohl besonders Professor Trelawney interessieren. Des Weiteren gab es eine nur in Saudi-Arabien wachsende Aloe Vera-Art, deren Saft die schlimmsten Wunden zu heilen vermochte. Hätte man den verblichenen Alastor Moody früher damit behandelt, wären ihm sogar ein neues Auge und ein heiles Bein gewachsen. Die Dattel und die Aloe waren die wichtigsten Zutaten, die Draco mit nach Frankreich bringen wollte. Im Gegenzug wollte Tabieb Nadim unbedingt Acromantula- und Billywiggift haben, doch nicht nur Zutaten, sondern auch Rezepte sollten ausgetauscht werden.

Mitte März lag Draco in seinem Bett im Hotelzimmer, um in dem Manuskript zu blättern, das er wegen der ganzen Aufregung über die noch nie gesehenen Zaubertrankzutaten beinahe vergessen hätte. Viele Seiten in dem Manuskript waren mehrfach gefaltet. Man konnte sie aufklappen, ähnlich wie die Bilder der nackten Herren in der von Draco abonnierten Zeitschrift Playwitch. Draco verschaffte sich zunächst einen Überblick. Es gab Doppel- und Dreifachblätter, aber sogar je ein Vierfach- und ein Sechsfachblatt. Von den Doppelblättern gab es am meisten – fünf, um genau zu sein. Weil Draco die Schriftzeichen nicht entziffern konnte und nicht einmal eine Idee hatte, wo er mit der Recherche beginnen konnte, konzentrierte er sich auf die handgezeichneten Bilder in dem Manuskript. Für seinen Geschmack waren sie viel zu undeutlich dargestellt worden. Einige der Pflanzen glaubte Draco zu erkennen. Jetzt zahlte es sich aus, dass er die Zeit seines letzten Schuljahres nicht nur genutzt hatte, um sein Wissen in Alchemie und Zaubertränken zu vertiefen. Auch die zusätzlich erworbenen Kenntnisse in Kräuterkunde kamen im in diesem Moment mindestens ebenso gelegen. Manch eine Pflanze schien nur auf den ersten Blick eindeutig einer bestimmten Gattung anzugehören, doch sehr bald merkte Draco, dass es beinahe unmerkliche Unterschiede gab. Was anfangs wie eine Sonnenblume aussah, war aufgrund einer klitzekleinen Abweichung eher einer seltenen Wasserpflanze zuzuordnen. Bei jedem Bild achtete Draco auf diese kleinen Unstimmigkeiten. Sie versteckten sich überall und warteten darauf, von einem aufmerksamen Auge entdeckt zu werden.

In einem Brief an Monsieur Roquevert schilderte Draco seine erste Entdeckung bezüglich der Pflanzenzeichnungen. Nicht das Gesamtbild schien wichtig, sondern die Ungereimtheiten. Wobei Draco jedoch Schwierigkeiten hatte, waren astronomische und kosmologische Zeichnungen und Berechnungen. Viel leichter würde er dieses Thema verstehen können, wenn er damals der Gruppe Zahlenmystik und Arithmantik angehört hätte. Wen könnte er fragen? Von dem ehemaligen Mitschüler Tomas Tosterud wusste Draco, dass der Norweger noch immer in Frankreich lebte und unter anderem Arithmantik lehrte. Tomas hatte in der Schule ein Auge auf ihn geworfen. Er würde ihm bestimmt den Gefallen erweisen, wenigstens einen Blick ins Manuskript zu werfen. Andererseits hatte Roquevert sehr deutlich gesagt, dass niemand von dem Manuskript erfahren durfte.

Es klopfte an seiner Hotelzimmertür. „Mr. Malfoy?“ Der Stimme nach handelte es sich um Nadim Ishaq. Unangemeldete Besuche waren unter Arabern verbreitet und im Gegenzug freuten sie sich, wenn sie ebenfalls unangekündigten Besuch erhielten.
„Ich komme, einen kleinen Moment bitte.“ Das Manuskript verkleinerte Draco durch einen Zauber, bevor er es sich in die Westentasche stecke und die Tür öffnete. „Tabieb Nadim, was für eine nette Überraschung. Treten Sie doch bitte ein.“
„Guten Morgen, Mr. Malfoy. Haben Sie gut geschlafen?“

Seit dem ersten Tag seines Arabien-Aufenthalts hatte Draco gelernt, dass Geduld etwas Schönes sein konnte. Ein Termin war nicht gleich ein Termin, sondern eine ungefähre Uhrzeit. Schon einige Male hatte sich Tabieb Nadim verspätet, was Draco nur anfangs geärgert hatte. Als er selbst einmal zu spät zu einem Treffen kam, war man mit ihm sehr nachsichtig. Mr. Dawud erklärte Draco, dass Allah dem Menschen die Zeit geschenkt hätte, aber nicht die Hast. Geduld war für Draco eine neue Erfahrung, die noch etwas viel Wichtigeres nach sich zog und das war Gelassenheit. In den Augen Nadims war Draco nun bereit, den Herrscher zu treffen.

„Shaikh Abbas Aziz lädt Sie zu einem Geschäftsessen ein“, sagte Tabieb Nadim freudestrahlend.
„Das ist ja wunderbar! Wann?“
„Morgen Abend zu achtzehn Uhr in seinem Haus. Mr. Dawud wird Ihnen noch einige wichtige Informationen geben. Darf ich Sie um halb sechs abholen?“
Draco nickte. „Ich werde fertig sein.“

Der Sekretär des Botschafters besuchte Draco gegen Mittag. Mr. Dawud hatte tatsächlich einige wichtige Tipps parat.

„Shaikh Abbas Aziz hat drei Kinder, zwei Söhne, zwölf und acht, und eine Tochter, sechs Jahre alt. Es wäre angemessen, für die Kinder Spielzeug als Geschenke mitzubringen. Diese Geschenke überreichen Sie jedoch Shaikh Aziz. Da es sich nicht schickt, Geschenke in Anwesenheit des Schenkers zu öffnen, wird er die Pakete beiseite legen. Nicht dass Sie das als Beleidigung empfinden. Ich habe mir erlaubt, einige Geschenke für Sie zu besorgen.“
„Vielen Dank, Mr. Dawud. Werden Sie heute auch bei Shaikh Aziz anwesend sein?“
Der Sekretärin nickte. „Seine Frau ist eine Cousine von mir. Wo wir gerade bei der Dame des Hauses sind: Wenn Sie Ihnen von Shaikh Aziz vorgestellt wird, reichen Sie ihr die Hand, schütteln sie kurz und blicken ihr nur flüchtig in die Augen. Entscheidet der Herrscher sich dafür, seine Gemahlin nicht vorzustellen, wird von Ihnen erwartet, dass Sie ihr keine Beachtung schenken. Es ist ein Beweis Ihrer Ehrerbietung, wenn Sie die Dame des Hauses nicht ins Gespräch einbeziehen und nicht grüßen, sondern völlig ignorieren.“
„Und für sowas wird man in meinem Land gerügt“, murmelte Draco amüsiert.
„Für Shaikh Aziz habe ich ebenfalls ein Geschenk besorgt. Eine Auswahl köstlicher Süßigkeiten – die Hälfte davon arabischer Herkunft, die andere Hälfte französischer.“
„Wunderbar!“, lobte Draco den aufmerksamen Sekretär. „Die Symbolik spricht für sich.“
„Genau das habe ich mir gedacht“, stimmte Mr. Dawud zu. „Das gemeinsame Essen ist ein wichtiger Punkt. Man wird Sie immer wieder auffordern, noch etwas nachzunehmen. Essen Sie, so viel Sie können. Erst wenn Sie wirklich satt sind, sollten Sie einen kleinen Rest auf Ihrem Teller zurücklassen. Das bedeutet, dass es gereicht hat und Sie zufrieden sind. Man wird Sie weiterhin auffordern zuzugreifen. Drei Mal sollten Sie freundlich, aber bestimmt ablehnen.“
„Was würde ich nur ohne Sie machen?“
Mr. Dawud lächelte peinlich berührt. „Das ist mein Job, Mr. Malfoy. Noch etwas fällt mir ein. Shaikh Aziz wird links von Ihnen sitzen. Selbst wenn er für Ihr Gespür zu dicht bei Ihnen sitzt, sollten Sie nicht wegrücken. Das wäre eine Beleidigung.“

Das Haus des Herrschers der Zaubererwelt, Shaikh Abbas Aziz, war ein traumhaftes Domizil. Tabieb Nadim, der Botschafter, übernahm freundlicherweise die Bekanntmachung. Draco hielt sich an alle Hinweise, die Mr. Dawud ihm gegeben hatte. Dass es sich bei Shaikh Abbas Aziz um einen über siebzig Jahre alten Mann handelte, hatte Draco bisher nur schriftlich in Erfahrung gebracht. Jetzt, wo er ihm gegenübersaß, glaubte Draco an ein Missverständnis. Shaikh Abbas Aziz sah nicht annähernd aus siebzig, sondern eher wie Mitte zwanzig. Seine Verwunderung behielt Draco jedoch für sich, denn es zählte sicherlich auch in Saudi-Arabien zu den unhöflichen Gesten, sich nach dem Alter zu erkundigen. Noch mehr wunderte sich Draco, als man ihm die Gemahlin des Herrschers vorstellte, denn sie war eine reife Frau, die Anfang sechzig sein musste. Womöglich hatte Shaikh Abbas Aziz als Regierungsoberhaupt das Privileg, sich durch einen Zauberspruch oder einen Trank jung halten zu können, doch auch das konnte Draco nicht bei Tisch in Erfahrung bringen. So sehr es ihn auch interessierte, warum ein Siebzigjähriger nicht nur wie Mitte zwanzig aussah, sondern auch genauso agil war, Draco musste sich zurückhalten. Heute ging es darum, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Das Geheimnis des Jungbrunnens war im günstigsten Fall eines der neuen Gebiete, die Draco mit zurück nach Frankreich nehmen konnte.

Bei den beiden Jungen am Tisch kam Draco abermals ins Grübeln. Kann eine so alte Frau noch Kinder bekommen oder stammten die Jungs etwa von einer Gespielin des Herrschers? Fragen über Fragen. Die Kinder waren allesamt wohl erzogen. Die kleine Tochter saß mit ihrer Mutter nicht am Tisch der Männer, sondern wenige Meter entfernt an einem anderen Tisch, was Draco sogar sehr angenehm fand.

„Ich sehe einer geschäftlichen Beziehung zwischen Saudi-Arabien und Frankreich positiv entgegen, Mr. Malfoy“, begann Shaikh Aziz, „doch zuvor möchte ich Ihre Dienste in Anspruch nehmen.“
„Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Eure Hoheit?“ Draco rechnete mit einer kostenlosen Trankzutat oder womöglich der Bitte, einen bestimmten Trank für den Herrscher zu brauen, aber es kam völlig anders.
„Tabieb Nadim berichtete mir von Ihrem Sprachtalent.“ Draco nickte dem Botschafter kurz zu und hörte gleich darauf wieder dem Herrscher aufmerksam zu. „Ich werde demnächst zu drei verschiedenen Angelegenheiten mit drei Herren aus Italien sprechen. Meine Gäste sind einer Zweitsprache nicht mächtig. Ein normaler Dolmetscher wird jedoch überfordert sein, da es sich in allen drei Gesprächen um Belange der hohen Zaubertrankkunst handelt. Sie, Mr. Malfoy, sind dazu wie geschaffen. Bei Ihnen wird es keine Verständigungsprobleme geben, weil Sie vom Fach sind. Ich bitte Sie, treten Sie als mein persönlicher Dragoman in Erscheinung.“
„Ich …“ Draco war völlig baff. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“
„Sagen Sie ja!“, scherzte der Herrscher. „Das Amt im Königshaus und der dazugehörige Titel des Dragomans bei Hofe ist Ihnen sicher. Falls Sie sich Gedanken machen wegen der Bezahlung …“
„Nein, das ist es nicht. Ich hatte nur mit etwas anderem gerechnet, aber nicht mit dieser Ehre.“ Draco schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen. „Ich nehme Ihr Angebot dankend an, Eure Hoheit.“
„Damit machen Sie mich sehr glücklich, Mr. Malfoy.“

Der jung aussehende Shaikh Aziz bedeutete Draco aufzustehen und ihm zu folgen. Der Oberste Heiler Nadim folgte den beiden. Draco wurde einen Stock tiefer geführt. In den unterirdischen Gängen standen vor einigen Türen Wachposten.

„Im Voraus möchte ich Ihnen, Mr. Malfoy, meinen Dank ausdrücken“, begann Shaikh Aziz, „und Sie in meine private Bibliothek einlassen. Sollte meine bescheidene Sammlung Ihr Interesse wecken, dürfen Sie sich eine Stunde alleine dort aufhalten.“
„Das ist zu großzügig, Shaikh Aziz.“

Vor einer großen Flügeltür machten die drei Männer kurz halt. Zwei Wachmänner traten zur Seite und öffneten dabei die Tür. Ein angenehm kühler Lufthauch stieß Draco entgegen. Es roch nach Leder und Papier. Das erste Mal sah Draco, wie ein Araber seinen Zauberstab benutzte, denn der Herrscher erhellte mit einem Spruch den Raum. Vor Draco eröffnete sich eine Halle des magischen Wissens, die umfangreicher und majestätischer nicht hätte sein können. Der Anblick verschlug ihm schlichtweg die Sprache.

„Dies alles“, begann Shaikh Aziz zu erklären, „beinhaltet Schriften, die man längst verloren wähnt.“ Der Herrscher zeigte nach links an die Wand. „Babylonische Zaubersprüche, die in Steintafeln gemeißelt wurden.“ Mit einer Hand winkte er nach rechts. „Fliegende persische Teppiche mit einem Eigenleben, die Jahrhunderte alte Begebenheiten wiedergeben können, als wären sie erst gestern geschehen.“ Alle drei gingen ein paar Schritte nach vorn. In kunstvoll verzierten Bücherregalen lagen und standen Werke längst vergessener Schreiber. „Grimoires in sumerischer Keilschrift, assyrische Fluchtafeln, mykenische Abhandlungen über Analogiezauberei“, begann Shaikh Aziz zu schwärmen, während er mit seinen beiden Gästen den langen Mittelgang entlanglief und dabei immer wieder nach rechts und links zeigte. „Hethitische Beschwörungsbücher, mesopotamische Sammlungen von Nutz- und Schadenszaubern, genaue Beschreibung von Initiationen zur Beschwörung von Göttern und Dämonen in ugaritischer und phönizischer Schrift oder hier“, Shaikh Aziz zog eines der uralten Bücher heraus und reichte es Draco mit den Worten, „aramäische Zaubertrank-Rezeptbücher. Das könnte etwas für Sie sein.“
„Ich bin überwältigt!“

All das, was Shaikh Aziz so beiläufig herunterrasselte, als wäre es nichts Besonderes, öffnete Draco die Augen über die magische Macht, die in diesen unterirdischen Räumen schlummerte. In Gedanken führte sich Draco im Bruchteil einer Sekunde die jeweilige Erklärung vor Augen.

Ein Grimoire war lediglich die Bezeichnung für ein Buch, das magisches Wissen beinhaltete. Wenn man es wollte, konnte man sogar die Lehrbücher in Hogwarts als Grimoires bezeichnen. Die meisten der alten Zauberbücher beinhalteten zudem Listen von Dämonen oder Engeln, die man anrufen konnte, außerdem auch astrologische Regeln, falls bestimmte Sprüche zum Beispiel nur zu besonderen Sternenkonstellationen aufgesagt werden durften. Es gab besondere Mond- und Sonnenzauber, die in der westlichen Welt kaum noch verwendet wurden.

Eine Fluchtafel war selten aus Stein, denn die meisten der Schadenszauber, die man mit einem an die Fluchtafel gebundenen Geist oder Dämon anrichten konnte, bedurften eines bestimmten Metalls, aus dem diese Wesen ihre magische Kraft bezogen. In der Alchemie hatte jedes Metall, ob nun Blei, Bronze, Silber oder Gallium, eine eigene Fähigkeit, die man magisch nutzen konnte. Nur Eisen war viel zu rein, sodass es nur selten für Zauberei Verwendung fand, für Dunkle Künste schon gar nicht.

Mit Analogiezauberei hatte Draco selten zu tun gehabt. Es handelte sich hierbei um Zauberei, die eine Entsprechung oder eine Ähnlichkeit bei den verwendeten Materialien voraussetzte, um tätig werden zu können. Das beste Beispiel war eine Voodoo-Puppe, die stellvertretend für die Person stand, die verzaubert werden sollte. Manchmal reichte das Bild einer Person aus oder eine abgeschnittene Haarsträhne, um einen Analogiezauber ausführen zu können. Die mykenische Hochkultur entstand etwa 1700 vor Christus, die Sprache glich der der Griechen.

Beschwörungsbücher waren nur zu dem Zwecke gut, sich die Dienste verschiedener Wesen zu Eigen zu machen. Geister, Dämonen und Engel waren die geläufigsten unter ihnen, die beschwört werden konnten. Das hatte nicht mit der Zauberei zu tun, wie man in den heutigen Zaubererschulen lernte, denn dort wurde einem beigebracht, wie man selbst zauberte und nicht, wie man andere damit beauftragen konnte. Es war äußerst gefährlich, Wesen zu beschwören, denn die konnten sich bei einem klitzekleinen Fehler auch gegen einen wenden. Draco hielt von Beschwörungen gar nichts, aber die Bücher in der Sammlung würde er sich dennoch gern ansehen, obwohl er befürchtete, die indogermanische Sprache der Hethiter, einem asiatischen Volk des Altertums, mit ihren unterschiedlichen Schriftsystemen nicht zu verstehen. An die Sammlung der Beschwörung von Göttern, die in ugaritischer Schrift vorlagen, könnte sich Draco wagen, denn deren Keilschrift, die überwiegend aus pfeilartigen Formationen bestand, war erstens nicht schwer und zweitens hatte er sie in dem Fach Alchemie gelernt. Die phönizische Schrift war auch einigermaßen einfach. Die zweiundzwanzig Zeichen hatte er ebenfalls in seinem letzten Schuljahr gelernt. Mit Hilfe von Lehrbüchern könnte er die Schrift sicherlich entziffern.

Würde Mesopotamien heute noch existieren, würde es südlich der Türkei, westlich des Irans und nördlich von Syrien liegen – die Stadt Bagdad mittendrin. Kulturell gesehen war Mesopotamien der wichtigste Entwicklungsmittelpunkt des Alten Orients. Ihre Nutz- und Schadenszauber waren von historischem Wert. Mit ihnen verteidigten sie sich anfangs gegen andere aufstrebende Kulturen wie die Sumerer, die Babyloner, die Assyrer und die Aramäer, die alle, besonders was das Wissen um Magie betraf, im Schatten Mesopotamiens standen. Die Aramäer verfügten zwar nicht über erwähnenswertes Wissen in Sachen Schadenszaubern, doch ihre Zaubertrank-Rezeptbücher waren legendär. Und eines von diesen Büchern hielt Draco gerade in der Hand.

„Ich bin überwältigt“, murmelte Draco geistesabwesend ein weiteres Mal. Und das war noch milde ausgedrückt, denn ihm stand buchstäblich der Mund offen. Der Herrscher der Magischen Welt in Saudi-Arabien hatte eine beachtliche Sammlung von unschätzbarem Wert. Draco fand sogar die fünfzig Divinations-Bände aus der TarhuntaÅ¡Å¡a-Region und das dreizehnteilige Pressentiment-Lexikon aus der Stadt KarkemiÅ¡, obwohl man von beiden Reihen vermutete, dass es nirgends auf der Welt eine vollständige Sammlung gab. Shaikh Aziz hatte sie in seinem Besitz. Und er hatte noch viel mehr.

„Ich sehe“, sagte Shaikh Aziz erfreut, als er Dracos Verzückung bemerkte, „dass ich voll und ganz Ihren Geschmack getroffen habe. Sie haben eine Stunde ganz für sich allein, mein werter Herr. Wenn Sie erst unterschrieben haben, mir als Dragoman zu dienen, wird Ihnen meine Bibliothek uneingeschränkt zur Verfügung stehen – Tag und Nacht.“
„Wo muss ich unterschreiben?“

Am liebsten hätte sich Draco in der unterirdischen Bibliothek häuslich eingerichtet. Als Dragoman – den Vertrag hatte er so schnell wie möglich unterzeichnet – stand ihm dieser Reichtum an Wissen tatsächlich rund um die Uhr zur Verfügung. Draco lernte eine Menge hinzu. Allein schon in einem der alten Bücher zu blättern kam einem Orgasmus gleich. Na ja, zumindest fast. Draco nahm seinen Trank ein, der die Lernfähigkeit steigerte. Auf diese Weise eignete er sich die alten Sprachen in ihrer schriftlichen Form an. Das erste Mal in seinem Leben machte er Bekanntschaft mit der sogenannten Engelsschrift. Diese Buchstaben, auch Sigillen genannt, bestanden aus kleinen Kreisen, die mit Strichen oder Bögen verbunden waren. Grafische Symbole dieser Art wurden gern für Zauberei verwendet. Eine Form dieser Zauberei trug sogar die Bezeichnung Sigillenmagie.

Der von Draco optimierte Trank funktionierte bestens. Jedes einzelne Zeichen, jeden Schwung in einem Buchstaben, konnte er sich in allen Einzelheiten merken, selbst wenn er die Bedeutung dahinter nicht verstand. Wenn er später in einem anderen Buch eines der zuvor gesehenen Zeichen wiederfand, im günstigsten Fall mit einer Erklärung, was das Wort oder der Buchstabe bedeutete, konnte sein Gehirn diese Information selbst noch nach Stunden fehlerfrei kombinieren. Bald konnte er die ersten Überlieferungen komplett lesen.

Immer präsent war sein Gedanke an das Manuskript, das Roquevert ihm gegeben hatte. Draco trug es stets bei sich, doch während er sich im Palast aufhielt, wollte er nicht hineinsehen, denn falls die Wachen glauben sollten, er hätte dieses Werk aus der Sammlung des Herrschers gestohlen, würde man nicht lange fackeln. Die Zeichen aus dem seltsamen Manuskript hatte Draco jedoch vor Augen. Keines der Bücher hier, egal wie alt es war oder aus welchem Land es stammte, war auch nur ansatzweise in einer ähnlichen Schrift verfasst worden, wie jene, die man im Manuskript benutzt hatte. Mit einem Male wurde Draco sich bewusst, dass das Manuskript in seiner Brusttasche einer der seltenen Schätze war, die nicht Shaikh Aziz gehörten. Die Stimme Roqueverts klang wieder in seinen Ohren und mit ihr die Warnung, dass es andere interessierte Parteien geben würde. Schlagartig fühlte sich Draco nicht mehr sicher. Was, wenn man durch Zufall erfahren würde, dass er im Besitz dieses Manuskriptes war? Würde man es ihm abnehmen und seinen Leichnam verschwinden lassen? Wahrscheinlich machte er sich viel zu viele Gedanken. Das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun. Shaikh Aziz konnte zu dem Zeitpunkt, als die Einladung ausgesprochen worden war, noch gar nicht wissen, dass Draco später das Angebot von Roquevert annehmen würde.

Neben Büchern, losen Blattsammlungen, Karten und Pergamenten fand Draco auch eine Menge Schriftrollen, die seitlich oder von oben nach unten gerollt werden konnten. Völlig unerwartet wurde Draco fündig. Auf dem Papier war nichts Interessantes, doch auf der hölzernen Rolle, beinahe unmerklich, fand sich ein Zeichen, das er bereits in dem Manuskript gesehen hatte. Es kam einem großen M gleich, nur dass die beiden oberen Enden des Buchstabens nicht spitz waren, sondern mit einer Schlaufe geschrieben worden waren, während die nach unten zeigende Spitze des M nicht den Boden berührte, stattdessen wie eine Hängebrücke zwischen den beiden senkrecht stehenden Strichen hing. Dieses Zeichen war in das Holz geschnitzt. Wenn Draco erst einmal in Erfahrung bringen würde, was für einen Buchstaben dieses Zeichen darstellen sollte, hätte er zumindest schon einen Anhaltspunkt für die Entschlüsselung des Textes gefunden.

Anfang April schwitzte Draco bereits bei 28 Grad Celsius, während Harry sich freute, dass das Barometer endlich mal die 10-Grad-Grenze überschritten hatte. Das normalerweise verruchte Aprilwetter war in diesem Jahr erstaunlich trocken. In London war kein einziger Tropfen gefallen. An Teddys Geburtstag schien sogar die Sonne bei strahlend blauem Himmel.

Gut gelaunt machte sich Harry nach einem erfolgreichen Arbeitstag direkt auf den Weg zu Andromeda und Teddy. Die Portschlüssel für die Reise nach Ägypten inklusive sämtlicher Informationen über das Hotel und die möglichen Freizeitaktivitäten hatte Harry in der Innentasche seines Umhangs verstaut.

Als Harry aus dem Kamin trat, erwartete ihn jedoch kein fröhlicher Patensohn, sondern eine missgelaunte Andromeda.

„Hallo Andromeda, wo ist denn das Geburtstagskind?“, fragte Harry vorsichtig nach. Die kleine Falte über ihrer Nase war ein Zeichen dafür, sie nicht noch weiter verärgern zu dürfen.
„Den Bengel habe ich auf sein Zimmer geschickt“, gab sie ihm zur Antwort.
„Was hat er denn angestellt?“

Auf einem Tisch lag ein Brief, den sie Harry reichte. Er ahnte bereits, um was es sich handelte, denn auch er hatte schon einmal so einen Brief vom Ministerium bekommen. Es war die Ankündigung einer Strafe. Harry hatte damals so einen Brief erhalten, in dem ihm eine disziplinarische Anhörung wegen Zauberei Minderjähriger angekündigt worden war.

„Sprich du mit ihm“, bat Andromeda. „Ich komme nicht zu ihm durch. Seine Mutter war in dem Alter schon so ein Starrkopf. Auf mich hört er nicht. Du bist so etwas wie ein Vater für ihn.“ Andromeda warf sich ihren Umhang über. „Ich gehe ein wenig spazieren.“ Das tat sie immer, wenn sie ihren Kopf freibekommen musste.
„Okay.“

Mit dem Brief in der Hand verließ Harry das Wohnzimmer, um nach oben zu gehen, wo sich Teddys Zimmer befand. Auf sein Klopfen bekam er keine Antwort. Erst nachdem Harry ihm durch die Tür gesagt hatte, dass er es war, hörte Harry, wie das Schloss der Tür entriegelt wurde. Nach einem kurzen Moment trat Harry ein. Teddy lag bereits wieder auf seinem Bett, die Arme verschränkt und den Mund eingeschnappt verzogen.

„Hallo Geburtstagskind!“ Der Junge regte sich nicht, sondern schaute beleidigt aus dem Fenster. „Was ziehst du nur für ein Gesicht? Man wird nur einmal zehn! Willst du das nicht feiern?“
„Mein Geburtstag wurde abgesagt“, sagte der Junge monoton.
„Behauptet wer?“
„Oma ist sauer auf mich.“
Gemütlich setzte sich Harry an das Fußende des Bettes. Er wedelte mit dem Brief vom Ministerium und fragte dabei: „Was ist passiert?“
„Steht doch alles drin.“
Harry warf den Brief auf das Bett. „Habe ihn nicht gelesen. Erzähl du es mir.“

Einen Moment lang war Teddy still. Harry drängte ihn nicht. Nach wenigen Minuten wurde diese Geduld belohnt. Sein Patensohn brach das Schweigen.

„Da gibt es so ein Haus“, begann der Junge mit zittriger Stimme. „Es steht leer. Die Muggel erzählen sich, dass es darin spukt, tut es aber nicht. Ich war schon oft drin. Geister gibt’s da keine.“
Weil die folgende Pause ein wenig lang war, hakte Harry nach. „Was ist dann passiert?“
„Ich …“ Teddy senkte den Blick und schaute auf seine Hände. „Da war ein Mädchen mit ihrer Großmutter, die haben sich über das Haus unterhalten. Die Frau hat gesagt, dass es keine Geister gibt. Sie ist mit ihr ins Haus gegangen, um sich umzusehen und …“
Wieder hatte Teddy mittendrin aufgehört, sodass Harry fragte: „Du bist ihnen nachgegangen?“
Teddy nickte. „Ich hab mich auf die Treppe gesetzt.“ Seinem Patenonkel machte er vor, wie er dort gesessen hatte: die Beine angewinkelt und das Gesicht zwischen Knien und Armen vergraben. „Als sie mich bemerken, habe ich hochgeschaut und eine Fratze gezogen.“
„Eine Fratze?“, fragte Harry nach. Das war Muggeln gegenüber zwar nicht erlaubt, sollte aber nicht sofort ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen. Es musste noch etwas anderes geschehen sein. „Was haben die beiden gesagt?“
Teddy atmete tief durch. „Gesagt haben sie gar nichts, eher geschrien. Das Mädchen hat sich in die Hose gepullert und“, Teddys Stimme begann zu zittern, „die Frau ist umgekippt.“
„Umgekippt?“ Er hoffte inständig, dass die Frau noch lebte.
„Herzinfarkt“, sagte Teddy. „Man hat sie mit so einem Blaulichtauto abgeholt.“
„Krankenwagen“, korrigierte Harry geistesabwesend.
„Sag ich doch.“ Nochmals atmete Teddy tief durch, bevor er es wagte, seinen Patenonkel anzusehen. Weil Harry nicht böse schien, sagte Teddy: „Ich dachte, es wäre lustig. Ich wollte doch nichts Böses tun.“
„Zeig mir mal die Fratze“, forderte Harry.

Teddy zögerte. Erst wollte er ablehnen, aber er gab der Bitte seines Patenonkels nach. Wie schon zuvor in dem verlassenen Haus verbarg Teddy zunächst sein Gesicht. Gespannt wartete Harry auf die Fratze, die so furchteinflößend gewesen sein musste, dass ein junges Mädchen nicht einmal mehr die Blase unter Kontrolle gehabt und das geschwächte Herz einer älteren Dame vor Schreck vorläufig die tadellose Funktion einstellt hatte.

Mit einem scheußlichen Schrei hob Teddy ruckartig den Kopf an. Harry blickte in schwarze Augenöffnungen. Ausgeprägte Stirnwülste, hängende Wangen und ein beängstigend großes Maul voller rasiermesserscharfer Zähne raubten sogar Harry für eine Sekunde lang den Atem. Doch anders als die beiden Muggel war Harry Zeuge von der Transformation des Gesichts. Die Züge wurden wieder weicher, es formten sich unschuldig dreinblickende Kinderaugen in den schwarzen Höhlen und von den spitzen Zähnen war bald nichts mehr zu sehen. Teddy war unsicher. Die graue Haarfarbe verriet das.

„Weißt du, Teddy, ich habe auch eine Menge Unfug getrieben. Meistens waren es Spontanzauber. Einem Grundschullehrer habe ich mal grüne Haare verpasst. Oder als mein netter Cousin und seine Raufbolde mich übers Schulgelände jagten, bin ich aus dem Stand nach oben aufs Dach der Schule gesprungen.“ Harry musste bei den Erinnerungen lächeln. „Einmal, im Zoo war das, habe ich eine Glasscheibe verschwinden lassen, sodass Dudley ins Terrarium gefallen ist. Das war auch keine Absicht, aber es hätte was Schlimmes passieren können. Die Schlange hätte ihn töten können.“
„Ich wollte niemanden töten!“, rief Teddy entsetzt.
„Das weiß ich doch. Als Metamorphmagus besitzt du Fähigkeiten, die weit über das hinausgehen, was normale Zauberer können. Das bedeutet, du musst frühzeitig lernen, diese Dinge“, Harry zupfte liebevoll an einer der grauen Strähnen, „in den Griff zu bekommen. Ganz besonders dann, wenn du eines Tages tatsächlich deinen Wunsch erfüllst und die ägyptische Muggelwelt bereist.“
„Das kann ich mir abschminken. Oma wird mir das nie erlauben.“
„Doch, wird sie. Um genau zu sein, hat sie das schon vor einigen Monaten getan.“ Harry zog aus der Innentasche seines Umhangs einen Umschlag heraus, den er Teddy mit den Worten entgegenhielt: „Alles Gutes zum Geburtstag, mein Junge.“

Im ersten Moment griff Teddy nicht zu, doch dann begangen seinen Augen zu strahlen, als er ahnte, was sein Patenonkel ihm zu schenken gedachte. Neugierig machte er den Umschlag auf und las erst die Karte darin. Danach betrachtete er mit breitem Grinsen die beiden Portschlüsseltickets, die ihn nach Ägypten bringen sollten.

Mit roten Haaren, die jeden Weasley vor Neid erblassen lassen würden, jauchzte Teddy: „Danke, Onkel Harry! Das ist absolut cool! Ich glaube, nächstes Jahr werde ich der einzige Schüler in Hogwarts sein, der schon so eine Reise gemacht hat.“
„Das ist der Grund, warum ich es dir in diesem Jahr schenken wollte. Wenn du nach Hogwarts gehst, hast du nur in den Sommerferien viel Zeit, aber diese Jahreszeit ist nichts für Ägypten. Oktober bis Mai oder April ist am besten. Das Wetter ist wie Hochsommer. Danach wird es zu heiß.“
„Wer reist mit mir?“, fragte Teddy, als er in jede Hand je einen Portschlüssel nahm.
„Das kannst du dir aussuchen. Deine Großmutter oder …“
„Hast du Zeit, Onkel Harry? Ich will mit dir Urlaub machen!“

Mit einem Schmunzeln nickte Harry seine Zustimmung. Der Urlaub war längst geplant. Andromeda hatte recht behalten, als sie davon ausgegangen war, dass Teddys Wahl auf ihn fallen würde.

„Und die Anhörung?“, fragte Teddy mit einem Male. Sein Gesicht war wieder traurig, die Haare grau.
„Ich begleite dich. Das kriegen wir bestimmt hin. Du bist erst zehn, da wird man dir das Leben nicht schwermachen.“

Die Anhörung lief völlig anders ab, als Harry es aus seiner Zeit in Erinnerung hatte. Teddy musste nicht vors Gamot, sondern wurde ins Büro einer Sachbearbeiterin geladen. Die ältere Dame war sehr freundlich zu Teddy, bot ihm sogar Süßigkeiten an, während er das Erlebnis aus seiner Sicht erzählen sollte. Man ließ Milde walten. Die Sachbearbeiterin sagte, man müsste nicht einmal die Vergissmich beauftragen, denn das Muggel-Gerücht, dass es in diesem Haus spuken würde, war in dem Ort sehr gefestigt. Es würde lediglich für neuen Gesprächsstoff sorgen. Die alte Dame hatte ihren Herzinfarkt zudem bestens überstanden und deren Enkelin war mit dem Schrecken davongekommen. Man einigte sich darauf, dass Teddy noch vor Schulantritt im nächsten Jahr an einem zweiwöchigen Kurs teilnehmen sollte, der gerade den jungen Metamorphmagi einige Tipps mit auf den Lebensweg geben sollte.

Am Samstag, nur zwei Tage nach Teddys Geburtstag, trat er mit seinem Patenonkel die Reise nach Ägypten an. Zunächst sahen sie sich das einzig noch erhaltene Weltwunder der Antike an: die Pyramiden von Gizeh. Danach ging es ins Ägyptische Museum in Kairo. Das, worauf sich Teddy am meisten gefreut hatte, entpuppte sich für ihn als gruselig. Das waren die ganzen ausgestellten Leichen – sprich: die Mumien. Teddy hatte ganz leise gefragt, ob so auch Inferi aussehen würden. Harry hatte das Gefühl, dass Teddy von dem Anblick Albträume bekommen könnte, deshalb klärte er ihn auf, wer die hier ausgestellten Menschen waren, warum man sie mumifiziert hatte und dass dies damals ganz normale Riten waren, so wie man heute Menschen unter die Erde brachte.

Im Hotelzimmer war Teddy sehr wortkarg. Er warf nicht mal einen Blick in die vielen Bücher, die sie im Museum gekauft hatten.

„Ich glaube“, begann Harry, „wir brechen den Urlaub hier ab und …“
„Nein! Ich find’s toll hier. Ich will noch nicht nach Hause!“
„Nicht doch nach Hause. Ich dachte, wir könnten vielleicht morgen schon ans Rote Meer fahren und den Badeurlaub beginnen.“

Beide waren bereits braungebrannt, allerdings mit sichtbaren Farbgrenzen, die von Hosen und T-Shirt herrührten. Am Roten Meer wollten sie die Bräune ausgleichen. Am nächsten Morgen kamen Teddy und Harry im Nordosten an, um in ihrem Hotel in Abu Ghusun, direkt am Roten Meer gelegen, einzuchecken. Hier bestand das Leben aus schlafen, essen und schwimmen. Für Harry war das ein wahres Paradies. Sie machten sogar gemeinsam einen Tauchausflug zum berühmten Wrack Hamada. Harry wünschte sich so sehr, Dianthuskraut verwenden zu dürfen, doch er musste mit Muggel-Tauchgeräten auskommen. Teddy war sprichwörtlich munter wie ein Fisch Wasser. Der Urlaub tat dem Jungen mehr als nur gut.

Ohne es zu wissen, waren Harry und Draco gerade mal 450 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt. Draco hielt sich gerade in Medina auf, der zweitwichtigsten heiligen Stadt des Islams. Nachdem er für Shaikh Abbas Aziz dreimal den Dolmetscher gespielt hatte, erschienen selbst ihm als ehemaliger Todesser die Geschäfte, in die der Herrscher verwickelt war, zu gewagt. Natürlich war Draco dazu angehalten stillzuschweigen. Es hätte sowieso nicht gefruchtet, zur Magischen Polizeibrigade zu gehen, weil die korrupt waren. Je länger Draco bei Shaikh Aziz angestellt war, desto häufiger wurde er mit schwarzmagischen Abarten konfrontiert, die sogar ihm eine Gänsehaut über den Rücken jagten. Das Übelste war jedoch, dass Draco die Geheimsprache, in der das Manuskript verfasst worden war, mit jedem Tag, den er in der Privatbibliothek des Herrschers verbrachte, immer weiter entziffern konnte – und je weiter er kam, desto öfter fühlte er sich beobachtet. Das Gefühl verfolgt zu werden wurde bald so schlimm, dass Draco vor zwei Tagen Hals über Kopf abgereist war. Geschäftliche Verbindungen mit Saudi-Arabien hin oder her – er wollte nur noch weg und sich in Sicherheit bringen. Das, was er in dem Manuskript aus dem 15. Jahrhundert herauszulesen glaubte, war das Schönste und gleichzeitig das Schlimmste, das mit Magie überhaupt möglich war. Diese Künste in den falschen Händen könnten das Ende von allem bedeuten. Das harmloseste Szenario, das Draco sich vorstellen konnte, war die Wiederauferstehung Voldemorts. Am liebsten würde er das Manuskript Roquevert zurückgeben und auf jeden Sickel spucken, den er von diesem Mann erhalten hatte. Andererseits waren die Aufzeichnungen bei dem Franzosen genauso in den falschen Händen wie bei dem Scheich und bei Draco selber. Wäre Dumbledore noch am Leben, würde er ihm das Buch zusenden, in der Hoffnung, der alte Mann würde wissen, was man damit anstellen könnte. Wahrscheinlich würde Dumbledore es verbrennen. Doch der ehemalige Direktor war tot, durch Severus Snape mit einem Avada Kedavra getötet. So sehr Draco sich aus anstrengte, ihm fielen lediglich zwei Personen ein, denen er zwar auf persönlicher Basis keinerlei Achtung entgegenbrachte, aber wusste, dass sie keinen Schindluder mit dem Manuskript treiben würden: Hermine Weasley, geborene Granger, und Harry Potter.

Verschwitzt hastete Draco die Treppe zu seinem Muggel-Hotelzimmer hinauf. Den Fahrstuhl zu nehmen kam momentan nicht in Frage, denn er hatte das ungute Gefühl, dass ihn jemand verfolgte. Gerade als er die Tür zu seinem Hotelzimmer öffnete, hörte er, wie der Fahrstuhl sich in seiner Etage mit einem kurzen, klingelnden Geräusch ankündigte. Hektisch hatte er die Tür geöffnet, war hineingestürmt und hatte hinter sich geschlossen. Er hörte, wie die Fahrstuhltür sich öffnete. Durch den Spion sah er einige Schatten an den Wänden, als würde jemand im Gang herumschleichen.

Mit zitternder Hand fasste sich Draco an die Brusttasche, in der er das verkleinerte Manuskript mit sich führte. Es war noch da. Leise setzte er einen Fuß vor den anderen. Man könnte ihn paranoid nennen, aber er wollte sich zunächst vergewissern, dass er in seinem Hotelzimmer tatsächlich allein war. Mit gezücktem Zauberstab durchsuchte er nacheinander das geräumige Badezimmer, den begehbaren Schrank sowie das Wohn- und Schlafzimmer seiner Suite. Niemand war hier. Heftig atmend setzte er sich aufs Bett. Sein Blick war unruhig. Die Finger seiner linken Hand kratzten gedankenverloren an der grauen Hose. Das Gefühl des Unwohlseins war nach wie vor präsent. Auf sein Bauchgefühl hatte Draco sich immer verlassen können. Er wünschte sich er wüsste, wie man einem Patronus eine Nachricht anfügte. In Hogwarts hatte er den Patronus-Zauber nie gelernt, doch während der siebten Klasse im Pierre-Bonaccord-Internat hatte man es ihm beigebracht, allerdings ohne den Zauber, Nachrichten versenden zu können. Ansonsten hätte er seinem Vater mit seinem Schwarzfußiltis um Hilfe gebeten. Draco fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Schon die ganze Woche über sah er Männer, die ihn offensichtlich beobachteten, doch wenn er auf sie zugehen wollte, waren sie plötzlich verschwunden. Er hörte hier und da einen Knall wie von einer Apparation, doch nie konnte Draco ausmachen, woher das Geräusch kam.

„Ich verliere noch den Verstand“, murmelte Draco mit zittriger Stimme.

Draco stand auf und lugte vorsichtig durch die Gardinen nach draußen. Die Straße war belebt, doch er glaubte überall Männer zu sehen, die stehen blieben und zu ihm nach oben schauten. Verängstigt wich er zurück. Seinen Stab hielt er noch immer in der Hand. Aus einem Instinkt heraus sprach er einen Erkennungszauber über sich selbst, der mögliche Flüche oder Zauber aufspüren sollte, die man auf ihn gelegt hatte. Zu seinem Entsetzen wurde er fündig. Er fand einen Ortungszauber, der an ihm haftete. Auf der Stelle vernichtete er ihn, doch es war längst zu spät. Wer auch immer diese Leute waren, man war ihm bis hierher gefolgt. Draco tat etwas, wofür Roquevert ihn womöglich umbringen würde, doch es war die einzige Möglichkeit, die er sah, um das Manuskript zu schützen. Er nahm es aus seiner Brusttasche, vergrößerte es wieder, damit man den Verkleinerungszauber nicht aufspüren konnte, und suchte nach einem guten Versteck in seiner Suite. Da war der Schacht der Klimaanlage oder ein Platz hinter der Minibar. Doch wenn Draco ehrlich zu sich selbst war, dann würde er an diesen Stellen zuerst suchen. Es gab scheinbar kein gutes Versteck, doch dann, durch Zufall, fand er eines.

Nachdem er das Buch verstaut hatte, schaute er noch einmal durch den Spion. Es war nichts mehr zu sehen, außer einem an seiner Tür vorbeigehenden und offenbar europäischen Touristenpärchen, dass sich mit Kamera bewaffnet ins nächste Urlaubsabenteuer stürzen wollte. Womöglich hatten die Schatten nur einem Zimmermädchen gehört, denn ihren rollenden Wagen im Gang konnte er quietschen hören. Draco zwang sich zur Ruhe. Er legte einen Alarmzauber auf seine Tür, der nur für ihn hörbar sofort losgehen sollte, sobald sich eine Hand dem Knauf nähern würde.

Sein weißes Hemd klebte an seinem Körper. Zweimal sprach er einen Reinigungszauber, doch es brachte nichts. Mit Reinigungszauber fühlte man sich manchmal sauberer, doch sie waren begrenzt anwendbar. Irgendwann musste man unter die Dusche und sich ordentlich mit Wasser und Seife waschen. Draco wollte seinen Angstschweiß und den damit zusammenhängenden, unangenehmen Geruch loswerden. Seinen Zauberstab legte er griffbereit auf die Halterung für das Shampoo. Während er gerade das Haar shampoonierte, hörte er nicht, dass jemand die Tür zum Badezimmer öffnete und jemand einen Moment lang seine Silhouette hinter dem Duschvorhang betrachtete.

Als er fertig war und sich gerade abtrocknete, hörte er leise, wie eine Tür geschlossen wurde. Abrupt hielt er mit abtrocknenden Bewegungen inne und griff zum Zauberstab, den er auf die weiße Badezimmertür richtete. Nichts. Wahrscheinlich hatte er nur die Tür von einem anliegenden Hotelzimmer gehört. Sein Alarmzauber war jedenfalls nicht losgegangen. Dennoch beeilte er sich mit dem Abtrocknen. Im begehbaren Schrank kleidete er sich hastig an. Das meiste von seinem Hab und Gut hatte er in dem anderen Hotel zurückgelassen. Wichtige Dinge wie den jetzigen Hotelschlüssel, einige Rechnungen, seinen Portschlüssel für den Weg zurück nach Frankreich und seinen Geldbeutel verstaute er in den vielen Taschen seiner Kleidung. Nochmals schaute er durch den Spion der Tür. Es waren keine Schatten zu sehen. In dem Moment, als Draco von dem Spion abließ, bemerkte er neben dem seinen noch einen weiteren Schatten, der auf die Hotelzimmertür fiel. Sein Schrei verstummte hinter einem chloroformgetränkten Taschentuch.


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Ich will mehr wie jeder andere, dass Joanne K. Rowling mit meiner Luna zufrieden ist, denn es ist ihr Charakter. Ich hatte schon einen Albtraum davon, auf der After-Show-Party zu sein, Jo zu treffen und sie schüttelt nur ihren Kopf und schaut traurig. Das ist mein Irrwicht. Aber bis jetzt hat sie sich mir gegenüber positiv verhalten, also bin ich optimistisch.
Evanna Lynch