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Dragoman - In letzter Sekunde

von Muggelchen

Mit dem Fahrstuhl fuhr Harry in den zweiten Stock, um Zimmer 205 aufzusuchen. Kaum hatte sich die Tür des Aufzugs geöffnet, wurde der Weg auch schon von einem Wagen der Reinigungskräfte blockiert.

„Afwan, afwan“, sagte ein junger Herr, der sich einige Male kurz verneigte und dabei den Wagen beiseiteschob, sodass Harry in den Flur treten konnte.
„Mr. Potter?“, fragte diesmal ein älterer Herr. Weil Harry nickte, kam der Mann auf ihn zu. „Man informierte mich darüber, dass Sie sich das Zimmer 205 ansehen möchten?“
„Das ist korrekt.“
Mit einer Generalschlüsselkarte öffnete der Herr die entsprechende Tür und sagte: „Das Zimmer wurde bereits gereinigt. Man hat nichts gefunden, sonst wäre das sicher im Fundbüro des Hotels gelandet.“
„Ich möchte es mir trotzdem ansehen.“

Mit einer höflichen Geste ließ der Herr Harry eintreten. Die Tür fiel hinter ihm von allein ins Schloss. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er allein war, zückte Harry seinen Zauberstab. Zunächst schaute er sich im Wohnbereich um. Ein Zweisitzer, ein Sessel, ein Couchtisch, ein Beistelltisch und eine Stehlampe sorgten für eine gemütliche Atmosphäre. Während er diese Sitzecke betrachtete, stellte sich Harry für wenige Augenblicke vor, wie Draco auf dem Sofa sitzen würde. Womöglich im weißen Hotelbademantel, unter dem die milchig weiße Brust hervorblitzte. Am besten noch kurz nach dem Duschen mit ganz nassem Haar. Und dann fragte sich Harry, warum er mit einem Male so seltsame Tagträume hatte. Selbst mit seinen verschiedenen Aufdeckungszaubern fand Harry in der übersichtlichen Wohnecke nichts Brauchbares.

Aufdeckungszauber waren eine tolle Sache, wenn man etwas suchte, das durch einen Zauber geschützt worden war. Nicht der Gegenstand wurde von einem Aufdeckungszauber gefunden, sondern der Zauber, der das Objekt schützen sollte. Harry wusste aber nicht einmal, ob Draco hier etwas zurückgelassen, geschweige denn absichtlich etwas versteckt hatte. Die seltsamen Gesamtumstände waren jedoch Grund genug für Harry, das Hotelzimmer gewissenhaft zu durchforsten.

Weil er mit Magie allein nicht alles sorgsam untersuchen konnte, wurde er handgreiflicher. Sitzmöbel und Tisch wurden nacheinander umgedreht, abgetastet und wieder an ihren Platz gestellt. Bei Leibesvisitationen ging Harry übrigens ebenfalls sehr gewissenhaft vor.

Auf dem Schreibtisch, der auf dem Weg zum Bett stand, fiel ihm ein kleiner Plastikständer mit Prospekten und einer Information über das Hotel auf. Im Schubfach war lediglich Briefpapier mit dem Emblem des Hotels Rokh untergebracht. Auf dem obersten Blatt befand sich kein unsichtbarer Abdruck einer auf dem vorigen Blatt geschriebenen Notiz, wie es klischeehafterweise in beinahe jeder Ausgabe von Harrys Lieblings-Krimiheften zu lesen war. Hoffentlich würde Hermine daran denken und ihm freitäglich die neuste Ausgabe besorgen. Aber warum machte er sich überhaupt Sorgen? Natürlich würde sie daran denken, schalt sich Harry in Gedanken selbst. Sie war Hermine!

Die Minibar war gut gefüllt. Allein der Anblick machte Appetit. Neugierig zog Harry den kleinen Kühlschrank aus seiner Nische, um den Hohlraum dahinter zu überprüfen. Als Nächstes öffnete er die Schränke und Schubladen im Schlafzimmerbereich, schaute unter das Bett und mit einem Zauberspruch sogar in die Matratze hinein, aber auch hier war nichts Verdächtiges oder Ungewöhnliches, das erklären könnte, warum Draco, der seit gestern Abend bewusstlos im Krankenhaus lag, angeblich heute Mittag ausgecheckt haben sollte. In den Schränken befanden sich Bügel und eine leere Tüte für schmutzige Wäsche, falls man seine Kleidung im Hotel waschen lassen wollte. Nachdem er sämtliche Türen und Schubladen wieder geschlossen hatte, stemmte Harry seine Hände in die Hüften und ließ den Kopf nach hinten fallen, um nachzudenken. Über ihm baumelte ein kurgelförmiger Lampenschirm aus verdächtig undurchsichtigem Milchglas. Mit seinem Stab zielte Harry auf die Lampe und sprach einen Abtastzauber, aber er fand nur die Glühbirne. Lässig schlug er mit seinem Zauberstab gegen seinen Oberschenkel, bevor er sich langsam drehte. Sein Blick fiel auf den Schacht der Klimaanlage in der Wand.

„Jetzt aber!“, sagte er triumphierend zu sich selbst. Zunächst sprach er wieder einen Aufdeckzauber. „Fehlalarm“, murmelte Harry kurz darauf. Vorsichtig nahm er die Abdeckung der Klimaanlage ab. Mit einem Lumos schaute er hinein. Der Schacht war zu klein, als dass hier ein erwachsener Mann hätte hindurchkriechen können, und in Griffnähe war nichts zu sehen. Harry benutzte einen Spruch, den er damals zusammen mit seinem ehemaligen Ausbilder entwickelt hatte. Ein Zauber, der mithilfe ausgesandter Schallimpulse Gegenstände orten sollte: Ein Sonarzauber, der nach einer Weiterentwicklung sogar unter Wasser funktionierte. Doch auch in den Schächten befand sich nichts, dabei war Harry so sicher, etwas zu finden – irgendetwas, das dieses Mysterium rund um Draco erklären würde.

Als Harry sich mit einem Seufzer drehte, stolperte er über seine eigenen Füße, woraufhin sein Intimbereich eine unangenehme Bekanntschaft mit einem Bettpfosten aus Holz machte. Den Schmerz zu beschreiben war schwierig, denn Harry hatte bereits arge Probleme, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben. Das wiederum lag daran, dass ihm wortwörtlich die Luft wegblieb. Weil Harry instinktiv eine seit Millionen von Jahren genetisch weitergegebene Schutzhaltung einnahm – er hielt eine Hand über die Hoden und krümmte sich –, verlor er das Gleichgewicht und fiel auf das Bett, das sich aufgrund des Stoßes mit einem lauten Scharren um ein paar Zentimeter verschob. Ein dumpfes Geräusch folgte auf der Stelle, nur konnte Harry dieses Geräusch nicht einordnen. Nichts hätte ein solches Geräusch verursachen dürfen und das wiederum weckte erneut Harrys Aufmerksamkeit. Den stechenden Schmerz in der Lendengegend versuchte er zu verdrängen, denn irgendwas war unter dem Bett auf den Boden gefallen. Mühevoll kroch Harry vom Bett hinunter, hielt dabei immer eine Hand schützend vors beanspruchte Gemächt. Er kniete sich hin, beugte sich vor. Seine Wange war nur noch wenige Zentimeter vom Teppich entfernt. Vorhin hatte er an dieser Stelle nichts gefunden, doch jetzt, direkt unter dem Kopfende, sah er die Unterseite von etwas Großem. Harry stand wieder auf und schaute von oben in eine handbreite Ritze zwischen Bett und Wand. Es handelte sich offensichtlich um ein Buch, das dort zur Hälfte noch eingeklemmt war, mit der anderen Hälfte auf dem Boden stand. Mühevoll fischte Harry es heraus und betrachtete es. Er schätzte es als die Art Schwarte ein, die man entweder in der Bibliothek von Hogwarts oder in Hermines privater Büchersammlung finden würde. Einen Titel oder Autorennamen suchte er auf dem Cover vergeblich. Unter Umständen hielt Harry hier einen wahren Schatz in der Hand. Vielleicht das Handbuch für gemeine Slytherins, das von Generation zu Generation vererbt wurde und übelste Flüche beinhaltete, mit denen man verhassten Gryffindors das Leben schwermachen konnte. Oder auch nicht. Das Buch konnte er problemlos öffnen, was bedeutete, dass es nicht mit Zaubersprüchen geschützt war. Harry hatte jedoch keine Gelegenheit, sich den Inhalt anzusehen. Unerwartet klopfte es, bevor sich gleich darauf die Tür öffnete. In Windeseile verkleinerte Harry das Buch und steckte es zusammen mit seinem Stab in die Hosentasche, wurde dabei glatt wieder daran erinnert, dass es in seiner südlichen Gegend noch immer unangenehm ziepte.

Der Herr, der sich um die Arbeit der Reinigungskräfte kümmerte, trat ein und entdeckte Harry im Schlafzimmerbereich. Gerade wollte er etwas sagen, da fiel sein Blick auf das ramponierte Bett, das die Angestellten heute ein zweites Mal machen müssten. Mit einem weiteren Blick, der wesentlich finsterer als der erste war, bedachte er Harry.

„Tut mir leid“, sagte Harry kleinlaut. „Ich bin gestolpert und auf das Bett gefallen.“
Ohne darauf einzugehen fragte der Herr: „Sind Sie hier fertig? Wir rechnen in einer halben Stunde mit der Ankunft der Gäste, die dieses Zimmer gemietet haben.“
„Ich wollte mir nur noch das Badezimmer ansehen.“

Nach einem steifen Nicken verließ der Mann das Zimmer, sodass Harry das Badezimmer begutachten konnte. Die weißen Fliesen waren blitzblank geputzt und es duftete nach Zitrone. An den ungewöhnlichsten Stellen schaute sich Harry um. Hinter dem Spiegel befand sich nichts, ebenso nicht im Toilettenkasten oder in der Box mit den feinen Tüchern. In dem kleinen Mülleimer erwartete ihn ein unbenutzter Müllsack. Diesen entfernte Harry, doch auch darunter, direkt im Eimer, war alles sauber. Es folgte der unangenehmere Teil der Arbeit, denn Harry klappte den Toilettensitz hoch und wühlte mit einem Zauberspruch – und zum Glück nur mit dem – bis zu zwei Meter tief im Toilettenrohr herum. Zum Glück war nichts dabei, das er aus dem nun ekelhaft schmutzigen Wasser herausfischen musste. Harry spülte, damit der üble Geruch sich nicht verbreiten würde.

Nur noch ein Örtchen fehlte, dann hätte er den gesamten Hotelzimmerbereich durchgekämmt: die Dusche. Harry ging in die Knie und betrachtete den Abfluss. Hier musste er nicht lange suchen. Mit einem ähnlichen Spruch, den er bereits bei der Toilette angewandt hatte, kamen diesmal blonde Haare zum Vorschein, die sich im Ausguss verfangen hatten. Vorsichtig wickelte er diese Haare in eines der Taschentücher, die in jedem Bad dieses Hotels zum Standard gehörten. Gerade wollte Harry aufstehen, da fiel sein Blick zufällig auf den Boden hinter der Tür. Auf den hellen Fliesen bemerkte er etwas Dunkles. Es war dünn und sehr, sehr klein. Wäre Harry nicht in die Knie gegangen, hätte er es höchstwahrscheinlich gar nicht gesehen. Harry kroch näher heran und achtete dabei darauf, keine hastige Bewegung zu machen, damit sein Fund nicht durch einen Windstoß weggeweht werden würde. Bei diesem kleinen Ding, das Harry nun aus nächster Nähe betrachten konnte, handelte es sich um eine Wimper. Harry war sich zu 99 Prozent sicher, dass die Wimpern seines ehemaligen Klassenkameraden blond gewesen waren und nicht dunkel, und das dürfte sich im Erwachsenenalter nicht geändert haben.

„Dich nehme ich auch mit“, kündigte er der Wimper an, bevor er auch sie in ein Tuch einwickelte und sicher in seiner Hosentasche verstaute. Die Ausbeute des heutigen Tages war eine schwarze Wimper, ein paar blonde Haare und ein seltsames Buch, das jemand – womöglich Draco – versteckt hatte. Vielleicht konnte er wenigstens mit einem der drei Gegenstände etwas anfangen.

Im Foyer traf Harry auf Rasin, der gerade mit dem letzten der Angestellten gesprochen hatte. Alle bestätigten, dass Draco Malfoy angeblich höchstpersönlich heute ausgecheckt haben soll. Dabei soll er noch nach Post gefragt haben. Einer der Herren von der Rezeption behauptete sogar, Mr. Malfoy hätte nachgefragt, ob er den großen Hotelsafe genutzt hätte, denn er würde sich angeblich nicht mehr daran erinnern. Das war ein Moment, der nicht nur dem Empfangsherrn seltsam vorgekommen war. In der Regel erinnerte man sich an Gegenstände, deren hoher Wert die Unterbringung im hoteleigenen Tresor rechtfertigte. Natürlich stellte sich Harry die Frage, ob da womöglich jemand etwas in Dracos Hotelzimmer gesucht und nicht gefunden hatte. Das Buch zum Beispiel, das nun in Harrys Hosentasche verweilte. Harry sagte Rasin nichts von seinen Funden. Es war nicht so, dass er ihm nicht trauen würde, aber sicher war sicher.

„Ob wir uns die Unfallstelle einmal ansehen könnten?“, fragte Harry den arabischen Kollegen.
„Reza hat angerufen. Wir sollen in anderthalb Stunden zum Krankenhaus kommen. Es wird bis dahin alles für den Transport Ihres Bekannten vorbereitet sein.“
„Ah, okay.“ Harry druckste ein wenig herum, bevor er nochmals fragte: „Hätten wir noch Zeit, um uns die Unfallstelle anzusehen?“
„Sie lassen ja sowieso nicht locker.“

Damit behielt Rasin recht. Die Hartnäckigkeit hatte Harry sich bereits in der Schule von Hermine abgeguckt.

Zuerst schlug Harry vor zu apparieren, doch Rasin bestand darauf, mit dem Wagen zu fahren, was Harry zum wiederholten Male deutlich machte, dass Magie in diesem Land so sparsam wie möglich angewendet wurde. Harry beugte sich Rasins Wunsch. Mit dem Auto hatte er wenigstens den Hauch einer Chance, ein wenig mehr von dem Land und seinen Leuten zu sehen als nur ein Krankenhaus und langweilige Hotelzimmer. An einer sandigen Kreuzung, an der sich der Verkehr kurzfristig staute, wollte ihm jemand doch tatsächlich durchs Autofenster ein Lamm zum Verkauf reichen. Erst Rasin konnte dem Händler klarmachen, dass kein Interesse an dem Tier bestand. Weit weg war die Unfallstelle zum Glück nicht.

Das Fabrikgelände war völlig verlassen. Nicht einmal mehr Obdachlose hausten hier. In dem Gebäude, in dem man Draco gefunden hatte, herrschte absolutes Chaos. Teile des Daches lagen auf dem Boden und wenn man hier von einem Dach sprach, war damit nicht nur ein bisschen Stein und Holz gemeint. Es waren riesige Stahlträger, die wie Grashalme umgeknickt waren, und nun fast den gesamten Raum unbegehbar machten. Überall lagen riesige Brocken von stahlgestärktem Beton. Eine eiserne Wendeltreppe, die nun ins Nichts führte, seufzte bei jedem noch so kleinen Windstoß auf, während sie unheilvoll hin und her wankte. Es roch muffig und nach Metall. Ein Aufklärungszauber bestätigte Harrys Vermutung, dass es sich bei diesem Durcheinander um das Resultat einer magischen Explosion handelte. Ob die durch einen falsch zubereiteten Zaubertrank verursacht worden war, konnte er jedoch nicht sagen. Draco hatte auf jeden Fall Glück gehabt, dass dieser Gebäudekomplex mit Asbest verseucht war, denn ansonsten hätte der Feuertod ihn geholt. Es gab hier nichts von Bedeutung, keine brauchbaren Hinweise – absolut nichts, das Licht ins Dunkel bringen könnte. Nur eines wollte Harry mal probieren …

„Accio Dracos Zauberstab!“ Was Harry nur auf gut Glück versucht hatte, zeigte Ergebnisse, denn ein Stück angekokeltes Weißdornholz kam auf Harry zugeflogen. Der Zauberstab war genauso mitgenommen wie sein Besitzer. Es war fraglich, ob man ihn noch verwenden konnte, doch Harry nahm ihn vorsichtshalber mit. Zauberstäbe waren in der magischen Welt so etwas wie ein Personalausweis in der Muggelwelt. Die Zauberstabhersteller führten genau Buch darüber, wer welchen Stab erworben hatte: Länge, Biegsamkeit, Holzart und -alter, Stabkern und Umfang – kein Stab glich dem anderen. Mr. Ollivander war der einzige Stabhersteller, den Harry kannte, der all diese Informationen zu Käufer und Produkt im Gedächtnis hatte. Wenig später gab er Rasins Drängen nach und sie kehrten zum Krankenhaus zurück.

In Gedanken ging Harry sämtliche Abläufe durch, die auf ihn zukommen würden. Während er sich körperlich gerade im Aufzug des Krankenhauses befand, saß er mental bereits in seinem Aurorenbüro und untersuchte die Wimper, als er mit einem Male von einem aufgebrachten Reza aus dem Fahrstuhl heraus auf einen ruhigen Flur gezerrt wurde.

„Endlich sind Sie da!“, sagte Reza leise, blickte sich dabei aufmerksam um. „Es gibt Schwierigkeiten. Ein paar Männer waren hier und wollten Mr. Malfoy mitnehmen. Sie haben behauptet, mit ihm verwandt zu sein.“ Reza schüttelte ungläubig den Kopf. „Zum Glück haben meine Männer den Patienten bereits in unseren Krankenwagen gebracht. Sie müssen so schnell wie möglich das Land verlassen, Mr. Potter. Irgendwas stimmt da nicht. Kommen Sie …“

Harry und Rasin folgten Reza bis zum Parkplatz. „Dort steht unsere Ambulanz.“ Reza nickte in Richtung Krankenwagen. „Ich habe einen Portschlüssel vorbereitet, der Sie in Ihr Hotelzimmer zurückbringt. Dann …“ Mit einem Male hielt Reza inne. Hinter einem PKW ging er in Deckung, zog Harry sogleich zu sich hinunter. „Sehen Sie …? Am Seiteneingang steht einer der Männer, die Mr. Malfoy mitnehmen wollten.“ Harry war geistesanwesend genug, um den Dokumentationszauber anzuwenden, damit er später ein Foto des Mannes haben würde. Womöglich hat er bei Dracos vermeintlichem Unfall seine Finger im Spiel gehabt.
„Sind das Zauberer?“, wollte Harry wissen.
Reza zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“
„Wie soll ich in den Krankenwagen kommen, ohne dass der mich sieht? Ob ich apparieren kann?“

Normalerweise zog das Apparieren einen lauten Knall nach sich. Ohne diesen Knall konnten nur wenige apparieren. Dumbledore hatte eine stille Technik beherrscht, Kingsley ebenso, denn Auroren waren darauf angewiesen, sich manchmal so leise wie möglich fortzubewegen. Es war alles andere als leicht gewesen, aber Harry hatte die stille Apparation während seiner Aurorenausbildung gelernt. Unsicher war er lediglich, ob er kurz vor den Krankenwagen apparieren sollte, womit er seine Identität als Zauberer offenbaren würde, oder ob er in den Wagen apparieren sollte, was die Problematik mit sich brachte, womöglich zu zersplintern, weil das Innere des Wagens zu eng bemessen war. Nicht dass er noch versehentlich auf Malfoy landete …

„Hier ist Ihr Portschlüssel, Mr. Potter.“ Reza hielt ihm eine eingerollte Zeitung entgegen. „Rasin wird den Mann ablenken und ich gebe Ihnen Deckung. Schleichen Sie sich zum Krankenwagen. Meine Männer werden Ihnen öffnen. Sobald Sie sich im Krankenwagen befinden, aktivieren Sie den Portschlüssel.“

Es würde schon nichts schiefgehen, hoffe Harry, als er Rezas Plan zu befolgen gedachte. Langsam ging er an den parkenden PKWs vorbei, hatte dabei abwechselnd ein Auge auf Rasin, der den Mann ablenken sollte, und auf den Krankenwagen, in dem sich Draco befand. Er kam dem Krankenwagen immer näher. Gerade noch hatte Harry einen Gedanken, der so viel aussagte wie ‚Klappt ja wie am Schnürchen!‘, da zischte etwas mit unheimlicher Geschwindigkeit an seinem rechten Ohr vorbei, nur um den Bruchteil einer Sekunde später ein großes, rundes Loch in die Tür des Krankenwagens zu schlagen – nur etwa zwei Zentimeter über Harrys Faust, mit der er gerade anklopfte. Was Harry dann tat, konnte man nur einer Schocksekunde zuschreiben, denn er drehte sich um und suchte nach der Ursache, anstatt sofort in den Wagen zu springen. Harry sah, wie ein Mann mit weißem, knöchellangem Gewand mit einer Handfeuerwaffe hantierte. Wenige Sekunden später wurde Harry bewusst, dass er das auserkorene Ziel darstellte, denn der Mann visierte ihn an. Sehr lange konnte Harry nicht über die brenzlige Situation nachdenken. Blitzschnell öffnete sich die Tür des Krankenwagens. Ein Mann von Rezas Truppe packte ihn an den Schultern und riss ihn hinein. Harry landete auf dem Bauch – gleichermaßen auf seinem und auf Dracos. Der zweite Schuss, der ebenfalls für Harry bestimmt war, flog über ihn hinweg bis nach vorn zum Fahrer. Blut spritzte aus dessen Hals. Ein Gurgeln war zu hören. Einen Augenblick später hatte der Verletzte sich selbst aus dem Wagen gerettet, wahrscheinlich mit einem Portschlüssel. Ein Blick zum Schützen verriet, dass er noch nicht aufgegeben hatte.

Es ging alles so schnell. Der Mann, der Harry in den Wagen gezerrt hatte, berührte die Zeitung in Harrys Hand, die als Portschlüssel diente. Gleichzeitig berührte er Draco, der zum Glück noch immer bewusstlos auf der Liege verweilte. Das Ziehen hinter dem Bauchnabel setzte ein. Der Portschlüssel war so eingestellt, dass er sich aktivierte, wenn wenigstens Harry und Draco ihn berührten. Der Mann wollte sich offenbar in Sicherheit bringen, was Harry gut verstehen konnte.

Als sich die drei in dem Hotelzimmer in Ägypten materialisierten, war das erste, das Harry sah, die weit aufgerissenen Augen im Gesicht seines Patenkindes. Die Liege mit Draco verweilte so lange in der Luft, wie man sie berührte. Auf diese Weise konnte man Draco samt Liege drehen, bevor man ihn sanft auf dem Bett ablegte. Teddy schaute erst zu dem Mann auf der Liege, weil der so viele Verbände und Pflaster hatte. Als sein Patenonkel mit dem anderen Mann sprach, hörte Teddy aufmerksam zu.

„Was war das eben?“, fragte Harry aufgebracht.
„Jemand ist uns auf die Spur gekommen, womöglich die Religionspolizei.“
„Ihr Kollege … der Fahrer …?“
„Soweit ich das erkennen konnte, war es nur ein Streifschuss. Er konnte sich ins Hauptquartier retten.“
„Ein Streifschuss am Hals!“, warf Harry ein, der noch immer nicht fassen konnte, eben angegriffen worden zu sein. „Ich hoffe, dass er schnell behandelt wird. Es tut mir leid, was da geschehen ist.“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Das muss es nicht. Wir waren uns der möglichen Gefahren bewusst.“
„Trotzdem …“ Harry schüttelte den Kopf. „Bitte geben Sie mir später Bescheid, wie es Ihrem Kollegen geht.“ Harry schaute sich den Mann, den er erst vor wenigen Minuten kennengelernt hatte, genauer an. „Wie ist Ihr Name?“
„Aladdin.“
Harry lächelte. „Den kann ich mir leicht merken.“ Er warf einen prüfenden Blick zu Draco, der ruhig schlief und nichts mitbekommen hatte. „Reza hat meine Adresse. Schreiben Sie mir, was mit Ihrem Kollegen ist. Ich drücke die Daumen, dass die Verletzung minimal ist.“
„Es geht ihm sicherlich besser als Ihrem Bekannten.“ Aladdin deutet mit dem Finger auf Draco. „Ach, bevor ich es vergesse …“ Er fischte eine kleine Flasche und einige Papiere aus seiner Tasche. „Von diesem Mittel verabreichen Sie ihm bitte vierzig Tropfen pro Stunde, bis er in der Obhut eines Heilers ist. Das versetzt ihn in magische Stasis. Das heißt, sein Zustand verschlimmert sich nicht, verbessert sich aber auch nicht.“ Harry nahm die Flasche entgegen und hörte zu, was Aladdin zu den Formularen sagte. „Hier ist die bisherige Diagnose aus dem Muggelkrankenhaus festgehalten und hier – das dürfen Sie nicht verlieren – haben Sie die Bestätigung, dass Sie der Vormund von Draco Malfoy sind.“
Harry nahm alles entgegen. „Vielen Dank.“
„Nichts zu danken. Ich werde besser zurückgehen. Zum Glück haben wir Notfallportschlüssel, die uns ins Hauptquartier bringen. Auf Wiedersehen, Mr. Potter.“ Erst jetzt schaute Aladdin zu Teddy und lächelte. „Auf Wiedersehen, junger Mann.“
„Tschüss …“, kam es verschüchtert von Teddy.

Als der Mann das Hotelzimmer verlassen hatte, begann Teddy damit, unzählige Fragen zu stellen, doch Harry hatte anderes im Kopf. Sein Blut rauschte noch immer mit ungeheurer Geschwindigkeit durch seine Adern. An solche bedrohlichen und mitunter lebensgefährlichen Situationen würde man sich nie gewöhnen.

„Teddy, sei doch mal bitte still!“
„Wer ist das?“
„Teddy …“ Harry seufzte. „Ich muss ganz dringend mit Onkel Ron und Tante Hermine sprechen.“
„Und mich hier mit einem Fremden allein lassen?“
„Sieh ihn dir doch mal an“, empfahl Harry. „Der kann nicht mal blinzeln, so viele Medikamente hat er intus. Er wird nicht aufwachen.“
In Teddys Blick konnte man Mitleid erkennen. „Wer ist der Mann?“, fragte der Junge nun viel ruhiger.
„Ein ehemaliger Schulkamerad. Er hatte einen“, Harry schüttelte den Kopf und zuckte gleichzeitig mit den Schultern, „Unfall. Ich will Ron Bescheid geben und muss mit Hermine sprechen. Sie wird mir sagen können, wo Patienten mit Hautverätzungen am besten aufgehoben sind.“ Harry wusste, wie er Teddy zur Mitarbeit bewegen könnte. „Ich brauch dich, Teddy. Du musst auf den Mann aufpassen, solange ich fort bin. Tust du das?“
„Logo! Kannst auf mich zählen.“
„Packst du in der Zwischenzeit auch schon unsere Sachen zusammen?“
„Klar, mach ich.“

Dank der Medikamente würde Draco in der nächsten Stunde nicht aufwachen.

In Windeseile war Harry zum Markt gegangen, um in dem Hemprich-Postamt Ron und Hermine anzurufen. Man ließ ihn nicht lange warten.

„Hermine! Bin ich froh, dass du da bist.“
„Grüß dich, Harry! Wieso rufst du noch an, wo ihr doch sowieso bald nachhause kommt? Gibt es Probleme?“, wollte sie wissen.
„Ja, so kann man das sagen. Hermine, du musst mir einen riesigen Gefallen erweisen. Finde heraus, ob es Krankenhäuser gibt, die auf Verätzungen spezialisiert sind.“
„Um Gottes willen, ist was mit Teddy …?“
„Nein!“, beruhigte Harry sie sofort.
„Oh“, machte Hermine zurückhaltend, „dann hast du tatsächlich Draco gefunden?“
„Woher …?“ Harry beendete die Frage nicht, denn es war klar, dass Ron seiner Frau alles brühwarm erzählt haben musste. „Such mir bitte ein Krankenhaus raus und gib mir in der Zwischenzeit Ron.“
„Okay, warte kurz …“

Im Hintergrund konnte Harry Rose juchzen hören, was ihn unbewusst zum Lächeln brachte. Wenig später meldete sich Ron bei ihm.

„Harry, was ist los? Hermine sagte etwas von Verätzungen? Euch beiden ist aber nichts passiert, oder?“
„Nein, Ron, es geht um Draco.“
Für einen kurzen Moment war es still. „Dann hast du ihn tatsächlich gefunden?“
„Ich habe ihn sogar in mein Hotelzimmer mitgenommen.“
„Sag mal, hast du einen Dachschaden? Du kannst nicht einfach ’nen Patienten mitnehmen.“
„Die Sache ist ein bisschen komplizierter, Ron. Wie es aussieht, wollte irgendjemand ihn aus dem Weg räumen.“
Ron schnaufte. „Warum überrascht mich das nicht? Und welche Rolle soll ich, dein bester Freund, in deinem genialen Spiel übernehmen? Auf was willst du überhaupt hinaus?“
„Ich werde Draco erst mal in ein Krankenhaus bringen, wo er anständig behandelt werden kann. Er war in einem Muggelkrankenhaus.“
„Au Backe!“ Ron erinnerte sich bestens an die Zeit, in der sein Vater nach Naginis Angriff mit Nadel und Faden zusammengenäht worden war, nach Muggelart, doch das war gründlich danebengegangen. „Aber du kannst das nicht entscheiden, Harry. Du hast kein Recht dazu. Seine nächsten Verwandten, die könnten entscheiden, was mit ihm passiert, aber nicht du.“
„Ich bin sein Vormund.“

Am anderen Ende herrschte einen Moment lang Stille. Harry konnte fühlen, wie Ron innerlich bis zehn zählte.

„Okay“, begann Ron langsam, „du bist also Draco Malfoys Vormund?“ Ron hatte es extra so deutlich gesagt, damit Hermine, die in der Nähe des Kamins wahrscheinlich die Bücherregale durchstöberte, das mithören konnte. „Und du verlangst nun von mir, dass ich den Malfoys, die bekannterweise die größten Freunde der Weasleys sind – hah! – einen Besuch abstatte und ihnen die Nachricht übermittle: ‚Harry Potter hat Ihren Sohn!‘“
„So, wie du das sagst, hört es sich komisch an“, warf Harry ein, dem gerade nicht sehr wohl dabei war, so viel Verantwortung für einen Mann zu haben, den er als Kind nicht mal ausstehen konnte.
„Was meinst du, wie das auf mich wirkt, Harry?“ Ron atmete einmal tief durch. „Darf ich den Malfoys morgen die ‚gute Nachricht‘ übermitteln oder muss ich die beiden noch heute Abend stören?“
Nun bekam selbst Harry kalte Füße, als er an einen wutentbrannten Lucius Malfoy dachte, der von Hause aus alles in den falschen Hals bekommen wollte und entsprechend feindselig reagieren würde. Harrys Antwort fiel entsprechend aus. „Morgen reicht. Ich melde mich nochmal und gebe Bescheid, in welchem Krankenhaus er behandelt wird.“
„Oh, warte mal, Hermine macht wilde Handzeichen. Ich glaube das heißt, sie hat was gefunden. Ich geb sie dir. Und Harry: Pass bitte auf Teddy und dich auf!“
Hermine ging zunächst nicht auf das vorige Gespräch ein, sondern gab Harry die Informationen, die er haben wollte. „Also, in Südafrika und in Australien gibt es Krankenhäuser, die auf Säureverbrennungen jeder Art spezialisiert sind. Das sind die besten. Es gibt auch nennenswerte Einrichtungen in Japan, Spanien, Polen und Frankreich, und Letzteres ist gar nicht mal so weit weg von Bill und Fleur.“
Sonne, Weinberge, tolles Essen … Harry geriet unterschwellig ins Schwärmen. „Frankreich hört sich gut an! Soviel ich weiß, lebt Draco sowieso dort.“
„Notier dir die Adresse, Harry. Du musst in diesem Krankenhaus in Frankreich anrufen und den Fall schildern. Du solltest einen KrankentransPortschlüssel geschickt bekommen, den du mit deinem Stab aktivierst.“
„Okay, dann schieß mal los.“

Harry hatte bereits geahnt, dass Hermine ebenfalls einige Fragen auf dem Herzen hatte. Sie war so frei und blieb einigermaßen objektiv, nicht wie Ron, der schon Brechreiz bekam, wenn er den Namen Malfoy nur hörte.

„Du bist sein Vormund?“, wiederholte Hermine vorsichtig das, was sie aus dem Gespräch zwischen Ron und Harry herausgehört hatte.
„Ja.“
„Warum hast du Draco zu einer Privatangelegenheit gemacht?“
„Wie bitte?“ Harry schüttelte kurz den Kopf, weil er nicht verstand, was sie meinte. „Das ist keine Privatangelegenheit. Das ist …“
Hermine unterbrach: „Ach, dann hast du deinen direkten Vorgesetzten darüber informiert, dass du im Ausland einen Fall als Auror übernommen hast?“
„Äh …“ Nicht so ganz, dachte Harry. Dem Leiter der Abteilung für magische Strafverfolgung, Gawain Robards, hatte Harry noch nichts gesagt. Er hatte nicht mal einen Gedanken an ihn verschwendet.
„Dachte ich mir“, sagte Hermine vorwurfsvoll. „Verwickel dich da in nichts, Harry. Mach es offiziell. Allein schon deshalb, weil seine Eltern dir dann nichts anhaben können.“
„Aber ich mache doch nichts anderes als ihm zu helfen.“
„Wir wissen das“, stimmte Hermine zu, „aber nicht die Malfoys. War Draco schon mal ansprechbar?“
„Nein.“
Für einen Augenblick dachte Hermine nach, bis sie entschied, sich vollends einzumischen: „Okay, dann wird Ron deinen Fall morgen bei Mr. Robards vortragen, und zwar bevor er zu den Malfoys geht.“
Aus dem Hintergrund hörte man von Ron in einem eingeschnappten Tonfall: „Ach, tu ich das?“
Hermine machte unbeirrt weiter: „Und du, Harry, rufst jetzt das französische Krankenhaus an.“

Ohne zu Murren machte Harry das, was Hermine ihm aufgetragen hatte. Ein bisschen hatte er ein schlechtes Gewissen, obwohl er keines haben musste. Es war ja nicht so, dass er Draco etwas Böses wünschte. Und schon gar nicht bedeutete die Vormundschaft, dass der ehemalige Rivale aus Slytherin nun sein persönlicher Sklave wäre.

Zum Glück gab es keine Verständigungsschwierigkeiten, als Harry mit der Dame aus dem französischen Krankenhaus sprach. Nur wenige Minuten später hielt er den Portschlüssel in der Hand, den man ihm über die magische Kommunikationsleitung geschickt hatte. Mit diesem Schlüssel und einem weiterhin schlechten Gewissen ging Harry zurück zum Hotel.

Teddy hatte das meiste längst erledigt. Nachdem die restliche Kleidung und die ganzen Souvenirs eingepackt waren und Harry sämtliche offene Rechnungen an der Rezeption beglichen hatte, erklärte er seinem Patensohn, dass es nun einen kleinen Umweg nach Frankreich geben würde. Das Gepäck war magisch verkleinert und in Harrys Hosentaschen verstaut. Zusammen mit Teddy und dem noch immer bewusstlosen Draco machte er sich auf den Weg.

Der Portschlüssel überführte sie ungewohnt ruhig nach Frankreich, ganz ähnlich wie der, den Reza ihm gegeben hatte. Das Ziehen hinterm Bauchnabel war sanft wie ein Kuss und die Landung nicht so grob wie mit einem üblichen Portschlüssel. Das war auch schon der einzige Unterschied von den sogenannten KrankentransPortschlüsseln. Seine Ankunft löste einen Alarm aus, sodass gleich vier Leute in den Raum stürmten. Einer von ihnen war Heiler, was Harry an der Kleidung erkennen konnte. Ein anderer war Medimagier, was einem Sanitäter gleichkam, und die beiden Damen waren Krankenschwestern. Eine von ihnen war offensichtlich nur dabei, um als Dolmetscherin zu vermitteln.

„Sie sind Mr. Potter“, sagte die Dame mit einem fröhlichen Leuchten in den Augen. In Europa kannte man ihn und seine Rolle im Krieg besser als in anderen Teilen der Welt. Harry nickte und reichte ihr die Schreiben, die er von Reza erhalten hatte. Beides gab sie an den Heiler weiter. Der wies den Medimagier und die Schwester an, Draco wegzubringen. Harry wollte hinterhergehen, da hielt der Heiler ihn auf, wedelte mit einem der Formulare umher und sagte dabei etwas in Französisch, was Harry nicht verstand. Die Krankenschwester sprang helfend ein. „Er möchte, dass Sie dieses Schreiben im Ministerium übersetzen und beglaubigen lassen.“
Harry konnte diese Bitte gut nachvollziehen. Auch er verstand kein Wort Arabisch, weder in Sprache noch in Schrift. „Okay, und wo ist das Ministerium?“
„Hier im Gebäude. Und zwar in den unterirdischen Räumen, Stockwerk ‚Minus fünf‘. Ich bringe Sie zu den Aufzügen.“

Die Damen und Herren in der Abteilung für internationale Belange hatten zwar nicht wenig zu tun, aber manchmal war es von Vorteil, der Harry Potter zu sein. Eine Angestellte übersetzte das Schreiben in null Komma nichts ins Französische, doch auch diese Version konnte Harry nicht lesen. Abschließend versah sie das Schriftstück mit einem Stempel, mit dem sie es beglaubigte.

Die Angestellte hielt ihm das eben angefertigte Papier entgegen. Als er zugriff, sagte sie: „Das macht dann sechs Galleonen, sieben Sickel und drei Knut.“
„Sechs …?“ Er stoppte sich selbst, wie ein Papagei den Betrag zu wiederholen. Stattdessen klopfte er seine Hosentaschen ab. Umgerechnet waren es etwa 35 Euro, die er sich von den Malfoys natürlich wiederholen würde.

Beide gingen wieder nach oben zur Rezeption des Krankenhauses. Der Heiler schien mit der übersetzten und beglaubigten Abschrift sehr zufrieden zu sein. Er führte Harry und Teddy in ein Büro, wo die Dolmetscherin bereits wartete.

„Wie Sie bereits vermutet haben, Mr. Potter“, begann die Dame, die die Worte des Heilers übersetzte, „leidet der Patient an den Folgen mehrerer großflächiger Verätzungen. Betroffen sind besonders das Gesicht, beide Unterarme und die Hinterseite der Oberschenkel.“

Hier runzelte Harry die Stirn, als er versuchte, sich einen Zaubertränkeunfall vorzustellen, der solche Verletzungen zur Folge hätte. Würde ein Kessel explodieren, käme als Erstes wohl das Gesicht dran, was bei Draco der Fall war. Das Gesicht würde man aus reinem Instinkt mit den Armen schützen, also würden die Unterarme darunter leiden, weil man die vor den Kopf halten würde. Wie aber um Himmels willen konnte man sich die Hinterseite der Oberschenkel verbrennen? Würde nicht der Rücken verletzt werden, weil man sich von dem Unheil abwandte?

„Was ist mit den rauen, rötlichen Stellen an beiden Handgelenken?“, fragte Harry geistesanwesend. „Es scheint, als wäre er an den Händen gefesselt gewesen.“

Just als er das gesagt hatte, malte sich vor Harrys innerem Auge ein Szenario aus. Draco, mit den Händen hinter dem Rücken gefesselt, steht vor einem explodierenden Kessel. Das Gesicht bekommt etwas ab. Draco lässt sich nach hinten fallen, zieht die Beine an den Körper, um die gefesselten Hände nach vorn zu bekommen – der Moment, in dem die Hinterseiten beider Oberschenkel dem Kessel zugewandt sind. Zuletzt die Arme, die endlich vorn sind und die Draco sich vors Gesicht hält – die Unterarme sind dem ätzenden Etwas ausgesetzt. Ja, so könnte es gewesen sein …

„Mr. Potter?“, fragte die Dolmetscherin nach.
„Tut mir leid, ich war eben abgelenkt.“
„Macht ja nichts. Der Heiler sagt, es wurden Spuren von Sisalfasern gefunden, die mit der Haut am Arm verschmolzen sind und Ihre Befürchtung bestätigen könnte.“
„Ist er schon bei Bewusstsein?“, wollte Harry wissen.
„Nein, wir dachten, Sie sollten dabei sein, wenn wir ihn aus der Stasis holen.“
„Okay …“ Harry kratzte sich am Kinn und bemerkte dabei, dass er sich seit zwei Tagen nicht mehr rasiert hatte. „Gibt es noch etwas, was der Heiler mir sagen möchte oder …?“
„Vorerst nicht, nein. Wir haben noch nicht alle Untersuchungsergebnisse erhalten. Wir wissen also noch nicht, was diese Verätzungen herbeigeführt haben könnte, aber der Heiler hält es für vorteilhaft, den Patienten noch heute zu wecken.“
„Fein“, stimmte Harry zu, dem mit einem Male ganz mulmig wurde. Er stand auf und folgte zusammen mit Teddy dem Heiler und der übersetzenden Schwester.

In wenigen Minuten würde er einem wachen Draco begegnen. Wie diese Begegnung verlaufen würde, konnte Harry nicht im Geringsten einschätzen. Würde Draco ihn genauso anfeinden wie früher? Würde er Harry sofort aus dem Zimmer jagen oder ihm sogar die Schuld für dessen Zustand in die Schuhe schieben? So standhaft und professionell Harry bisher auch alles organisiert hatte, er konnte nichts dagegen unternehmen, dass das unbehagliche Gefühl in seiner Magengegend immer stärker wurde. Ihm wurde übel. Harry spürte plötzlich eine Hand in seiner. Es war Teddys. Der Junge hatte sich von keinem Erwachsenen mehr an die Hand nehmen lassen, seit er acht Jahre alt geworden war. Mit einem gequälten Lächeln schaute er zu Teddy hinunter und bemerkte, dass nicht der Junge seelische Unterstützung benötigte, sondern er seinem diese Patenonkel zugutekommen lassen wollte.

„Der Zustand ist vorerst stabil“, übersetzte die Schwester das leise Gebrabbel des Heilers, der Draco irgendetwas in den Mund träufelte. Harry konnte sehen, dass die Verbände frisch waren. „Es wird sich später zeigen, wie der Patient auf die Schmerzmittel reagieren wird, aber momentan sieht alles bestens aus.“ Die Schwester nickte Harry mit einem Lächeln zu. „Kommen Sie doch näher.“

Harry trat zusammen mit Teddy näher an Dracos Bett heran. Erste Regungen waren zu erkennen. Das Mittel wirkte schnell. Dracos Lippen zuckten. Er legte den Kopf kurz nach rechts, dann wieder nach links. Ein malträtiertes Stöhnen drang aus der Kehle des Verwundeten. Draco schluckte einmal, dann ein weiteres Mal. Gleich drauf flüsterte er etwas, doch niemand konnte ihn verstehen.

„Was?“, fragte Harry automatisch nach, beugte sich gleichzeitig vor, um sein Ohr an Dracos Mund zu halten.
„Durst.“ Mehr nicht. Bisher hatte Draco das eine Auge, das nicht verbunden war, noch nicht geöffnet.
„Er hat Durst“, gab Harry an die Schwester weiter, die sofort für Abhilfe sorgte.

Der Heiler machte es sich leicht, denn er ließ sich von der Schwester entschuldigen und verließ den Raum. Nachdem die Schwester Draco etwas Wasser gegeben hatte, wandte sie sich an Harry.

„Ich lasse Sie einen Moment mit Ihrem Partner allein, Mr. Potter.“ Die Frau war so schnell verschwunden, dass Harry keine Gelegenheit fand, das Missverständnis aufzuklären, denn sie schien zu glauben, Draco wäre sein fester Auror-Partner. Es war gang und gäbe, dass Auroren überwiegend zu zweit unterwegs waren, aber Draco ein Auror? Nein, der wäre sich für so eine Arbeit sicherlich zu schade.
„Was …?“, fragte Draco. Den Rest der Frage konnte Harry nicht verstehen, sodass er die vorherige Position einnahm und sich Dracos Gesicht näherte.
„Was passiert ist?“, vervollständigte Harry die Frage, denn was anderes hätte er fragen sollen. Draco nickte, sodass Harry so ruhig wie möglich sagte: „Es gab eine Explosion in Saudi-Arabien. Du hast Verbrennungen und Verätzungen.“ Dracos Mund bewegte sich, doch Harry ließ den Verletzten keine Fragen stellen, sondern erklärte von sich aus: „Du bist jetzt in Frankreich in einem Krankenhaus. Ich werde deinen Eltern Bescheid geben, wo du bist und was passiert ist. Man wird sich hier gut um die Verletzungen kümmern.“

So dicht an Dracos Gesicht konnte Harry genau mit ansehen, wie anstrengend es für Draco war – vielleicht sogar schmerzhaft – das eine Auge zu öffnen. Das Lid flatterte aufgebracht auf und ab wie eine Eule, die vom Boden abheben wollte, aber zu schwer war. Nach einigen Versuchen konnte Draco sein Auge öffnen. Er blinzelte mehrmals, bis er mit seinem Blick erfolgreich etwas fixieren konnte und das waren Harrys Augen. Die beiden sahen sich einen Moment aus nächster Nähe an, bevor Harry anstandshalber ein bisschen Abstand gewann, indem er sich aufrichtete.

„Ich weiß, was du denkst“, begann Harry. „Warum sitzt gerade ich hier an deinem Bett und …?“
„Wer bist du?“, fragte Draco mit schwacher Stimme.
„Bitte was?“
Sein Kehlkopf fuhr einmal Fahrstuhl, als Draco kräftig schluckte, bevor er präziser wurde: „Ich kenne dich nicht.“ Harry war so perplex, dass er gar nicht reagieren konnte. Ihm entging jedoch nicht die sichtbar aufsteigende Panik in Dracos Augen, als der sich noch über etwas ganz anderes bewusst wurde und hilfesuchend fragte: „Wer bin ich?“


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