von Winkelgassler
Ihre Klasse war schon immer etwas anders gewesen. Wie bei Erstklässlern üblich stammten auch in Miss Satchels Klasse alle aus derselben Gegend, einem kleinen, urigen Dorf unweit der Kreidefelsen. Doch anders als die Nachbarorte machte sich die Bewohner von Doxneybottom nichts aus der Touristenattraktion. Keine Hotels, keine Führungen, nicht einmal eine befestigte Straße führte vom Dorf an die Küste. Und so verirrten sich selten Besucher in das kleine Dorf, aus dem Miss Satchels Schüler einen jeden Morgen per Bus kamen. Beziehungsweise gekommen waren.
Seit Wochen schon fehlten viele ihrer Schüler, waren einfach morgens nicht an der Bushaltestelle erschienen. Mister Gambon, der ruhestandsnahe Busfahrer des Dorfes, war von Miss Satchel auf die sonderbare Abwesenheit angesprochen worden, doch auch er konnte nicht viel dazu sagen.
»Viele der Bewohner von Doxneybottom sind sehr eigen« sagte er ihr, »abgesehen von Eddy dem Tankstellenbesitzer, Maggy aus dem Pub und den Schweinebauern der McPringle-Farm. An die anderen kommt man nicht heran.«
Besorgt um ihre Schützlinge hatte sich Miss Satchel trotz der Warnung an diesem Nachmittag nun in das kleine Dorf aufgemacht. Wenn schon niemand auf ihre Anrufe reagierte, und auch die anderen noch zur Schule kommenden Kinder ihr nichts über das Fehlen sagen konnten, vielleicht konnte sie ja persönlich etwas erreichen, herausfinden wo sie alle abgeblieben waren. Könnte ja eine ansteckende Krankheit sein. Und so parkte sie ihren klapprigen Nova an der Adresse von Elliot Skittle; er fehlte seit drei Tagen.
Das Haus der Skittles schien irgendwie dem zu widersprechen was Miss Satchel von Statik zu verstehen meinte. Die Wände waren krumm, die Dachziegeln schlugen Wellen wie die See unten an den Kreidefelsen, doch trotz dessen schien nicht eine einzige zu fehlen. Der Garten war überwuchert mit allerlei Kräutern, so dass man die kleine Haustür auf den ersten Blick kaum sah. Eine Klingel gab es nicht, stattdessen einen antik anmutenden Türklopfer. Miss Satchel wunderte sich einen Moment, und pochte dann mit ihm gegen die Tür. Niemand antwortete.
Ernüchtert machte sie kehrt, um es an einer anderen Adresse erneut zu versuchen.
»Was wollen sie hier?« bellte eine Stimme sie an, noch ehe sie den Kräuterwust überwunden hatte. Sie bahnte sich einen Weg auf den Fußweg und erblickte neben ihrem Wagen einen Mann in sonderlicher Montur. In etwa ihr Alter, aber er trug Kleidung die Miss Satchel eher an einen schlechten Endzeit B-Movie erinnerten. Oder genauer an Mel Gibson aus Mad Max.
»Was wollen sie bei den Skittles, Muggel?« fragte er erneut lautstark.
»Satchel, mein Name ist Satchel, ich bin die Lehrerin von Elliot Skittle. Er fehlt in der Schule, deshalb wollte ich gerne seine Eltern sprechen.“ erklärte sie sich dem Fremden.
»Sie sind nicht hier.« antwortete er wiederum gereizt.
»Wissen sie wo ich sie finden kann?«
»Sie fragen zuviel Muggel.«
Dann sah Miss Satchel ein rotes Blitzen.
In der Abenddämmerung fand Mister Gambon die Lehrerin am hintersten Tisch von Maggys Pub vor einem unberührten, schalen Pint Ale. Weder sie selbst noch Maggy wussten wie oder wann sie dorthin gekommen war.
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