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Fanfiction

Dämmerlicht - Ein Wiedersehen

von SynthiaSeverin

Severus hat sich nicht geirrt. Die Zeit ist tatsächlich fortgeschritten und die Dämmerung neigt sich ihrem Ende. Die Schlossgründe vor ihm liegen bereits in Dunkelheit. Und der Streifen Rot, den er von Dumbledores Grab aus sah, erweist sich nun als der allerletzte Schimmer des Abendrots, der hartnäckig gegen sein Untergehen kämpft. Doch als Severus seinen Fuß auf den Weg setzt, hat auch er sich verdüstert. Nun gehört die Welt ganz der Nacht. Vorsichtig schaut Severus sich um, späht in alle Richtungen, ob sich nicht irgendwo ein Schatten bewegt. Doch es ist nichts zu sehen. Als auch ein Homenum revilio kein Ergebnis bringt, lässt er seinen Zauberstab aufleuchten und macht sich zielstrebig auf den Weg zum Schloss.

Mit jedem Schritt spürt Severus, wie sich die Schlinge um seinen Hals weiter zuzieht. Ihm ist flau und mulmig zumute. Ein drängendes, drückendes Gefühl beschleicht ihn, wie die Last eines schlechten Gewissens. Fast kommt es ihm so vor, als würde er nicht auf Hogwarts zulaufen, sondern zu den Gerichtssälen des Zaubergammots hinabsteigen, die er einst in Potters Erinnerungen sah. Doch nicht als Zeuge, sondern zu seiner eigenen Verhandlung. Als schliche die Chimäre seiner Schuld irgendwo durch die finsteren Ländereien, ihm dicht auf den Fersen. Als hätte das Schloss tausend Augen, welche die Schande seiner Tat durchschauen. Dabei kann Severus nicht einmal sagen, warum er sich so beklommen fühlt. Es ist doch nicht mehr als eine in Ölfarbe gebannte Erinnerung, zu der er will. Sicherlich eine gut erhaltene Erinnerung, fähig zu handeln und Wissen aufzunehmen, ganz dem Vorbild nachempfunden. Letztendlich aber doch nur ein Verwandlungszauber, hinter dem kein wirklicher Geist, keine echte Seele steckt. Außerdem war es doch sein eigener Wille, sein Auftrag gewesen.

Und doch - Severus bricht der Schweiß aus. Je mehr er sich dem Schloss nähert, umso mehr gerät er ins Schwitzen. Alle Erinnerungen an diese grauenvolle Nacht erstehen auf wie Geister zur Mitternacht, scharen sich um das Schloss. Bilder rasen Severus durch den Kopf. Bilder von Kampfgetöse und Feuer. Und zwei Stimmen, die seinen Namen rufen. Eine flehend und die andere voller Anklage und Hass. Er könnte seinen Geist leeren, er könnte sie aus seinem Kopf verbannen. Doch Okklumentik ist anstrengend. Und so beschleunigt Severus seine Schritte, versucht ihnen zu entkommen, davonzulaufen. Stur richtet er seinen Blick auf das Eichenportal, das vor ihm in der Dunkelheit aufragt. Er wagt es nicht nach oben zu sehen, hinauf zu den Türmen. Zu groß ist seine Angst, über der höchsten Plattform noch das Dunkle Mal schweben zu sehen, das Aufleuchten des grünen Blitzes. Den leblosen Körper in seinem Fall zu entdecken, sein Zerschmettern auf dem Boden leibhaftig zu erleben. In diese Augen sehen zu müssen. Diese blauen, toten Augen, die ihn in jedem seiner Alpträume anstarren. Mit einem Kloß im Hals, der Severus dem Ersticken nahebringt, passiert er die Schwelle. Wirre Bilder rasen durch seinen Kopf. Ein Veitstanz, der immer wilder wird. Und dann auf einmal steht alles still.

Das Eichenportal fällt ins Schloss und die Schreckgestalten sind ausgesperrt. Severus atmet auf und ist doch weit davon entfernt, sich erleichtert zu fühlen. Kann man sich jemals erleichtert fühlen, wenn man seinen einzigen Vertrauten auf dem Gewissen hat? Das nächtliche Schloss wirkt ruhig, fast friedlich. Was für ein verdammter Hohn!
„Nox“ flüstert Severus und wartet, bis sein Zauberstablicht erloschen ist. Dann folgt er dem Schein der Fackeln durch die einsamen Flure bis er den Wasserspeier erreicht hat und innehält. Es ist ruhig hier, viel zu ruhig und die massige Statue bewegt sich keinen Millimeter. Severus blickt in ihre kalten, steinernen Augen und eine seltsame Schwere befällt seine Glieder. Eine Lähmung, die jede Faser seines Körpers und seiner Seele erfasst. Aus der Tiefe seiner Magengrube steigt eine schwere Melancholie, die sich wie ein grauer Mantel auf ihn legt. Wie oft hat er an dieser Stelle gestanden und meist voller Zorn dem Wasserspeier das Passwort zugeraunt? Wie oft hat ihn die fahrende Wendeltreppe zu dem kreisrunden Zimmer hinaufgetragen, in dem immer ein Licht brannte, selbst in tiefster Nacht? Noch gut erinnert sich Severus, wie er mit einem Gefühl tiefster Genugtuung vor fast drei Jahren Potter an dieser Stelle abpasste und es genoss, dass der Bengel das Passwort nicht kannte. Dass allein er das Privileg hatte, Dumbledore jederzeit besuchen zu können – bis dieser plötzlich im Aufgang stand und natürlich nichts Besseres zu tun hatte als dem Lümmel hinterher zu springen. Damals hätte Severus vor Zorn den ganzen Flur in die Luft jagen können. Heute ist nur noch Bitterkeit in ihm. Bitterkeit und Trauer. Er wird das Zimmer wiedersehen. Doch es wird nicht so sein, wie er es gewohnt ist. Nie wieder wird es so sein.

Langsam senkt Severus die Lider und schürzt die Lippen.
„Karamell-Eclairs“, murmelt er zögerlich. Minerva wird das Passwort nicht geändert haben. Dafür schätzte sie Albus zu sehr und besitzt zu viel Pietät. Wie zum Beweis ertönt schon in der nächsten Sekunde ein dumpfer Knall wie wenn etwas Wuchtiges zu Boden fällt. Severus schlägt die Augen auf und blickt in den dunklen Aufgang. Der Wasserspeier ist zur Seite gesprungen. Severus atmet ein, presst die Lippen aufeinander und betritt die fahrende Wendeltreppe, die ihn knarzend nach oben trägt.

Dunkelheit. Undurchdringliche Dunkelheit. Kein wärmendes Licht. Nicht einmal der Funke eines verglühenden Streichholzes beleuchtet das verwaiste Schulleiterbüro. Es ist still. Erschreckend still. So still, dass sich Severus unwillkürlich die Nackenhaare aufrichten, als er eintritt. Er braucht nicht lange zu rätseln, was fehlt. Es ist das Scharren, das Flattern und Flöten, das Federrascheln, das diesen Raum immer erfüllte. Fawkes, der Phönix, ist gegangen. Und seine Abwesenheit ruft Severus mehr als alles andere ins Bewusstsein, dass auch dessen Besitzer diese Welt verlassen hat. Mit einem ungesagten Spruch lässt Severus seinen Zauberstab wieder aufleuchten. Sein Herz trommelt in seiner Brust als er sich der Wand mit den Porträts der ehemaligen Schulleiter von Hogwarts nähert. Halb besorgt darum, dass er das altvertraute Gesicht darunter nicht finden wird und halb in Angst davor, ihm zu begegnen. Lange braucht Severus nicht zu suchen. Kaum, dass der Schein seines Zauberstabs auf die Galerie fällt, enthüllt er auch schon die hochgewachsene Gestalt mit der nebelblauen Robe und dem langen Silberbart im Gürtel. Genau in der Mitte der Porträtwand hängt Dumbledores Bild. Er sitzt in seinem Thronstuhl und hält die Augen geschlossen wie im ewigen Schlaf.

Severus glaubt bei diesem Anblick, dass sein Magen sich verknote. Er will Albus etwas zurufen, doch sein Mund weigert sich. Nur noch fester presst Severus die Lippen aufeinander. In das Porträt aber kommt Bewegung. Wohl geweckt vom Licht seines Zauberstabs blinzelt Albus, dann schlägt er die Lider auf und schaut Severus an. Direkt ins Gesicht, direkt in seine Augen. Ihre Blicke treffen sich, verharren im Halbdunkel aufeinander, während Dumbledores Pupillen sich weiten und sein Gesicht um eine Nuance blasser wird.

„Severus!“, sagt er nur überrascht und dann herrscht wieder Stille.

Es ist diese Stille, die alles durchdringt, wie die Uressenz, wie Luft zum Atmen. Kein Ton verlässt ihre Lippen, weder Severus‘ noch Albus‘. Sie wechseln kein weiteres Wort. Sehen sich nur an und schweigen. Und doch erzählt dieses Schweigen mehr, so unendlich viel mehr als wenn sie Stunden miteinander geredet hätten. Alles Unausgesprochene scheint wieder zurückzukehren. Und Unausgesprochenes gab es, bei Merlin, zwischen ihnen genug. Blicke, die einander durchdringen, Legilimentik und Okklumentik, Andeutungen und Gesten - das war immer ihre eigentliche Sprache gewesen. Es ist, als ob die ganzen sechzehn Jahre ihres Bundes wieder zurückkehren, sich in diesem einen Moment kristallisieren. Und obwohl Severus‘ Verstand ihm sagt, dass sich hinter dieser gemalten Nase keine Seele verbirgt, nimmt er doch eine deutliche Präsenz in diesem Gemälde wahr. Er schaut zum ersten Mal wieder offen in das Gesicht seines Mentors. Das Gesicht, das ihm das letzte Mal nur im blitzenden Licht des Todesfluchs begegnete, wo es zu einer kränklichen, blassen Maske verkommen war. Nun sieht er klar jede Falte auf der alten Stirn, jedes Funkeln in den blauen Augen. Die Spuren der Gedanken, die Albus dachte, als er starb. Und zu Severus Verwunderung, meint er einen feuchten Schimmer hinter der Halbmondbrille glänzen zu sehen.

„Severus“, wiederholt Dumbledore leise und brüchig, während er sich aufrichtet, „Sie sind zurückgekommen“
Im Schein des Zauberstabs rinnt eine Träne über seine Wange hinab in den Silberbart.
„Ja“, entgegnet Severus und hebt die Augenbraue. Gab es daran irgendeinen Zweifel?
Dumbledore reagiert nicht. Keine Fragen, keine Erklärungen. Er presst nur Lider zu, so dass noch weitere Tränen sich über sein Gesicht ergießen und sinkt mit einem schweren Seufzer in seinen Lehnstuhl zurück.
Für eine Sekunde starrt Severus ihn noch an, dann wendet er sich ruckartig von dem Porträt ab. Er kann es nicht ertragen, seinen Mentor so zu sehen.
„Es gibt Neuigkeiten vom Dunklen Lord“, erklärt Severus hastig als wäre nichts geschehen. Als träfen sie sich nur einmal wieder in diesem Zimmer wie schon tausend Mal zuvor ohne dass zwischenzeitlich der Tod durch diese Hallen gegangen wäre, „Er plant einen Anschlag auf Potter, wenn dieser volljährig wird und die Schutzzauber um das Haus seiner Verwandten brechen. Er will wissen, was der Orden des Phönix gedenkt, um ihn in Sicherheit zu bringen.“
Während Severus hektisch auf und ab läuft, ertönt hinter ihm ein weiteres Seufzen. Dann regt sich eine ruhige Stimme.
„Das war zu befürchten“, entgegnet Dumbledore leise. Nervös erwartet Severus seine Instruktionen, während er an dem Porträt vorbeirauscht. Doch als Albus nach fast einer Minute noch immer schweigt, überkommt Severus das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Verwundert bleibt er stehen und wirft einen skeptischen Blick zum Goldrahmen hinauf.

„Dumbledore?“.
Albus ist inzwischen ebenfalls aufgestanden ist steht gedankenversunken am Bildrand
„Ja, Severus?“, entgegnet er, ohne Severus anzusehen.
„Wie lauten Ihre Befehle? Was soll ich dem Dunklen Lord mitteilen?“
Zu Severus‘ Überraschung antwortet Albus zum dritten Mal mit einem heiseren Seufzen.
„Ich bin nicht länger in die Pläne des Phönixordens involviert“, sagt er leise.
„Sie sind was?!?“, entweicht es Severus unwillkürlich. Mit aufgerissenen Augen starrt er das Porträt an. Er kann nicht glauben, was er da hört. Das muss ein schlechter Scherz sein.
„Der Tod ändert so einiges“, erklärt Dumbledore schwerfällig und wendet sich ihm endlich wieder zu, „Alastor hat meinen Platz eingenommen. Unter seiner Führung hat der Orden das Hauptquartier am Grimmauldplatz geräumt. Aus Sorge, Sie, Severus, könnten es Lord Voldemort verraten. Wie schon vor einem Jahr ist der Orden des Phönix in den Fuchsbau umgezogen. Phineas“, Albus wirft einen Blick hinauf zu dem Porträt des spitzbärtigen Zauberers, der sich in seinem Porträt schlafend stellt und dabei leicht blinzelt, „Kann mir seitdem keine Nachrichten mehr überbringen, mich auf dem Laufenden halten.“
„Sie wollen sagen, Sie wissen nichts darüber?!?“, zischt Severus und kann seine Wut nur schwer unterdrücken.
„Minerva“, erklärt Dumbledore und ringt sich ein gequältes Lächeln ab, „Sie kommt ab und an herauf, um sich meinen Rat zu holen. Auch wenn sie nun viel in ihrer Animagusgestalt unterwegs ist und wenig Zeit hat, mich zu besuchen. Wie wohl jeder im Orden schwer beschäftigt ist. Alles, was ich von ihr weiß, Severus, ist, dass sie wohl planen Harry noch vor seinem Geburtstag von seinen Verwandten weg zu bringen. Doch an welchem Tag genau, auf welchem Wege und wohin, kann ich nicht sagen.“
Severus schnaubt ärgerlich. Er weiß nicht, was seinen Zorn mehr befeuert. Dass ihm Albus nicht weiterhelfen kann oder dass Orden des Phönix seinen Anführer mit dessen Tod wohl vergessen zu haben scheint.
„Ich bin mir sicher, Sie werden einen Weg finden, an die Informationen heranzukommen“, erklärt Dumbledore sanft.
„Ich nicht“, zischt Severus und wendet sich wieder ab. Er wird das Gefühl nicht los, dass die Blicke seines Mentors ihm folgen.

„Severus?“, erschallt nach einer Weile der Ruf hinter ihm. Zunächst klingt Dumbledores Stimme belanglos. Doch beim näheren Hinhören bekommt sie einen bedeutungsschweren Unterton. Fast so als würde Albus sich dafür sammeln etwas auszusprechen, was ihm schon lange auf der Seele liegt. Verwundert dreht Severus sich zurück zur Galerie. Wie zum Beweis holt das Porträt in genau dieser Sekunde tief Luft. Ein kalter Schauer läuft Severus den Rücken herab, während er die Augen aufreißt. Würde er jetzt etwa zu hören bekommen, was Albus in den letzten Sekunden seines Lebens dachte? Sofort schürzt er die Lippen, um ihm ins Wort zu fallen. Um zu verhindern, was hier im Gange ist. Denn er will es nicht hören. Verflucht, er will nicht an diese Nacht erinnert werden. Vor allem nicht von demjenigen, dessen Lebenskerze er auspusten musste, obwohl er das nie wollte.

Doch zu spät. Schon fahren auch die Lippen im Silberbart auseinander.
„Severus, ich stehe tief in deiner Schuld“, gesteht Albus leise und während ein sanftmütiger, gütiger Ausdruck in sein altes Gesicht tritt, füllen sich seine Augen wieder mit Tränen.
Severus wird kalt. Wieder einmal eiskalt. Obwohl es Sommer ist. Obwohl die Luft im Schulleiterbüro genauso so heiß und stickig ist wie überall im Schloss. Er will fliehen. Doch Dumbledores Worte legen sich über ihn wie ein Lähmzauber. Seine Füße weigern sich zu gehorchen, sein Herz scheint zu sinken. Und tief in seiner Brust regt sich etwas: Schmerz.
„Hören Sie auf!“, keucht Severus gequält. Kann der alte Kauz nicht einfach schweigen? Kann er nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen? Verflucht, er will nicht an seine Mördertat denken, diese Gefühle nicht spüren, die ihn jede Nacht auffressen. Doch Albus sieht ihn nur an.
„Nein“, sagt er sanft und doch bestimmt, „Nein, Severus. Ich will, dass du weißt, wie dankbar ich dir für alles bin. Wie unendlich dankbar.“
Endlich schafft Severus es, sich vom Fleck zu reißen. Er wirbelt herum, rauscht zum Fenster und starrt demonstrativ hinaus in die Nacht.

Dankbarkeit! Dankbarkeit! Als ob dieser senile Narr mit seiner gepinselten Hakennase wüsste, wie hoch der Preis war, den er für ihn zahlte. Hat er eine Ahnung, was es bedeutet, sich Nacht für Nacht in Alpträumen zu wälzen, die keine Alpträume sind? Weiß er etwa, was es heißt, nicht in den Spiegel sehen zu können, weil das Gesicht eines Mörders einen daraus anblickt? Kann der werte Herr mit seinem genialen Geist sich nur für eine Sekunde vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn einem vor einem selbst so übel wird, dass man sich erbrechen möchte, weil einem das Blut der Menschen, die man liebte, an den Fingern klebt? Diese Flecken auf dem Gewissen, die man nie, nie nie wird reinwaschen können? Für eine Sekunde blitzt Severus wieder das Bild vor Augen auf. Dumbledore, der machtlos ohne Zauberstab vor ihm kauert, völlig wehrlos, ehe ein Avada Kedavra ihn erledigt. Ihm wird übel und im gleichen Augenblick ihm Dumbledores Stimme ans Ohr.
„Oh, ich verstehe, Severus“
Severus presst die Lider zusammen. Er spart sich die Mühe, seinem Mentor zu widersprechen. Soll der alte Kauz doch reden, was er will.
„Ich verstehe sehr gut“, fährt Albus in väterlichem Ton fort und gegen seinen Willen spürt Severus, wie die Worte allmählich die Mauer seiner Wut durchdringen. Gegen Albus‘ Geschütze war er schon immer machtlos. Zum Teufel mit dieser verfluchten Liebe.
„Glaube nicht, dass ich nicht wüsste, was ich dir abverlangt habe, Severus. Ich weiß, dass du gelitten hast und noch immer leidest. Aber was du getan hast, das hast du für mich getan. Allein, weil es mein Wunsch war, auf diese Weise zu gehen. Du hast mich vor Bellatrix und Greyback bewahrt. Das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, Severus, nicht zu einem Mörder.“
„Achja, zu was dann?!?“, höhnt Severus. Missmutig und bitter wendet er sich um, um Dumbledores Porträt einen finsteren Seitenblick zuzuwerfen. Doch er kann die Galerie nicht finden. Es ist zu dunkel im Schulleiterbüro. Nur ein leises Einatmen verrät ihm ungefähr die Stelle, an der Albus‘ Goldrahmen hängt.
„Zu einem Menschen, der einem Todkranken einen großen Letzten Willen erfüllt hat“, setzt Dumbledore an, „Zu einem Menschen, der bereit ist, für diejenigen, die er liebt, schwere Opfer zu bringen. Kurzum zu einem Menschen, der wahrhaft liebt und das, Severus, ist etwas, was ein Mörder niemals könnte. Es macht dich nicht zu einem schlechten Menschen, sondern zu einem guten. Und zum dem Nachfolger, den Hogwarts in Zeiten der Finsternis braucht.“

Für einen Augenblick bleibt Severus reglos stehen, zur Salzsäule erstarrt. Er ist froh, dass die Dunkelheit wie eine Wand zwischen ihm und der Galerie steht. Denn sonst könnte Dumbledore noch sehen, wie das Blut in sein Gesicht schießt, wie seine Züge entgleiten und ihm die Kinnlade herunterklappt. Erst nach einer Weile gelingt es ihm, sich wieder zum Fenster umzudrehen. Doch die Worte dröhnen noch immer in seinen Ohren und das Blut peitscht durch seine Adern. Ungläubig starrt Severus hinaus in die Nacht, deren Dunkelheit sich wie ein kühles Glas Wasser auf das Brennen seiner Gefühle gießen. Wie immer sind Dumbledores Worte Gift und Medizin zugleich. Fest rechnet Severus damit, gleich eine warme Hand auf seiner Schulter zu spüren und die ruhige Stimme zu hören, die ihn zu einem Gespräch an den Tisch bittet, wie schon früher in ähnlichen Situationen. Doch nichts dergleichen geschieht. Nur ein Schnarchen schallt durchs Schulleiterbüro. Verwundert dreht Severus sich um. Der Raum ist leer. Und Albus scheint eingenickt. Ein paar Schritte tritt Severus ins Zimmer, bis das Licht seines Zauberstabs die Galerie wieder bescheint.
„Dumbledore?“, fragt er vorsichtig. Doch der alte Mann in seinem Goldrahmen wacht nicht auf. Er hält die Augen fest geschlossen.
„Dumbledore!“, ruft Severus lauter. Noch immer keine Reaktion.
Für einen Augenblick starrt er ins Leere. Dann senkt er den Blick und betrachtet seine Stiefel. Das ist wahrlich neu. Natürlich gab es in diesem Zimmer schon viele Gespräche, die in bedeutungsvollem Schweigen endeten. Die gemäldebehangenen Wände wussten wahrscheinlich mehr davon zu berichten als von offen gewechselten Worten. Doch nie zuvor, in all den Jahren ihres Bundes, hat Albus es nicht wenigstens mit einem vielsagenden Blick beantwortet, wenn er so direkt angesprochen wurde. Severus atmet schwerfällig ein und wendet sich wieder dem Fenster zu. Im Mondlicht schimmert in den Schlossgründen weißlich das Grabmal durch die Bäume. Vielleicht hat Albus ja Recht. Vielleicht ist er kein Mörder, sondern nur ein Mann, der einem väterlichen Freund einen großen Gefallen erwies. Vielleicht.

Leise atmet Severus aus, dann beschließt den Schlafenden allein zu lassen. Er hat ohnehin noch etwas Wichtiges zu tun. Er muss sich an Mundunges heften, je früher desto besser. Erst auf der fahrenden Wendeltreppe bemerkt Severus, dass dieses Gespräch, so unvollendet es auch blieb, doch etwas bewirkt hat. Ein fast vergessenes Gefühl breitet sich in seiner Brust aus. Ein Gefühl, als wenn der Knoten eines Stricks um den Hals sich löst. Leichtfüßiger als er gekommen war, tritt Severus hinaus auf den Flur. Die Last ist von seinen Schultern genommen. Zumindest ein kleines Stück.


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Das, was Harry so liebenswert macht, sind, glaube ich, seine charakterlichen Stärken, die wir selbst gerne hätten, und es sind auch seine Schwächen, die wir nur allzu gut verstehen.
Rufus Beck