Gemischte Gefühle im Ministerium [Mingled Feelings At The Ministry]
Es klopfte an Harrys Bürotür. Im Rahmen stand ein breitschultriger, älterer Zauberer in einem konservativen Umhang, dessen graue Haare oberhalb der Stirn zwei eigenartige Wirbel bildeten.
„Hallo Wilbert“, begrüßte ihn Harry, „wie laufen die Experimente?“
„Geradezu zauberhaft!“, zitierte Wilbert Gimpel einen Running Gag seiner Kollegen. Mit einem Blick auf die Haarwirbel (und der Assoziation des Zeltplatzes der Quidditch-WM mit Arthur Weasley als Laufkommentator) fragte ihn Harry, ob er einen Gegenzauber für seinen Hörner-,Schmuck' gefunden habe.
„Nein“, antwortete der altgediente Kollege aus der Arbeitsgruppe für Experimentelles Zaubern, „je näher die Pensionierung rückt, desto kleiner werden sie. Wahrscheinlich war das immer nur der Stress!“
„Wie lang bleibst Du denn noch bei uns?“
„147 Tage, 6 Stunden und 23 Minuten!“, ratterte Wilbert herunter.
„Ach komm“, lachte Harry, „so schlimm ist es doch inzwischen hier im Ministerium auch nicht mehr, dass man die Minuten zählen muss!“
„Ja, natürlich, aber Spaß beiseite: Der Minister sagte mir, dass Du irgendwelche Fragen zum Zaubern hast. Wie kann ich Dir helfen?“
Harry hatte sich überlegt, den Kollegen zur Einstimmung auf speziellere Fragen erst mal Bewährtes erzählen zu lassen: „Die Zauberer brauchen für ihre Kunst doch fast immer einen Stab und einen Spruch. Wie funktioniert das eigentlich, wenn jemand einen neuen Spruch erfindet?“
„Das kommt darauf an. Sprüche werden hier bei uns eingereicht und in meiner Abteilung getestet. Das ist nicht immer einfach!“ Wilbert strich sich verstohlen über seine verborgenen Hörner. „Du glaubst gar nicht, was für Blindgänger wir manchmal vorgesetzt bekommen. Sind die wider Erwarten brauchbar und narrensicher, werden sie vom Büro gegen den Missbrauch der Magie in den offiziellen Kanon übernommen. An den halten sich übrigens auch die Lehrer von Hogwarts!
Schwieriger ist der Vorgang bei Jinxen und Flüchen. Die werden häufig nicht vom Erfinder eingereicht, sondern kommen über Euch Außendienstler zu uns. Auch die werden natürlich getestet, aber eher auf Schutz- und Aufhebungsmöglichkeiten. Wenig davon kommt für eine Weiterverwendung infrage. Alles Schwarzmagisches wird sowieso aussortiert. Besonders bösartige Flüche werden durch den Gamot ausdrücklich verboten!“
Die Idee mit der der Aufwärmfrage funktionierte ohne Zweifel.
„Inoffiziell gibt es aber auch den grauen Kanon. Das sind Sprüche, Jinxe und zum Teil sogar Flüche, die von vielen Zauberern ohne Erlaubnis genutzt werden. Stell Dir vor: ohne Test und mit vollem Risiko!“, Wilbert war wirklich empört.
Jetzt konnte Harry tiefer schürfen: „So ein Spruch ist doch nur eine Art Rahmen. Ich erinnere mich an meinen Freund Ron. Der hat mal mit einem Schwebezauber (,Wingardium Leviosa!') einen Troll niedergeschlagen. Er muss noch spezielle Wünsche in den Zauber hinein gewoben haben: die Keule als schwebendes Objekt und der Kopf des Trolls als Ziel des Schwebevorgangs!“
„Ja, so funktionieren die meisten Zauber. Der Spruch gibt einen allgemeinen Vorgang vor, der dann auf ein Objekt wirkt, das der Zauberer sieht oder kennt. Per Willenslenkung muss der Zauberer auch Einfluss auf Ausmaß und Mächtigkeit des Vorgangs nehmen.“
Harry nickte; das hatte er sich auch selbst so zurechtgelegt. Zur Bestätigung fragte er noch einmal nach: „Bellatrix Lestrange hat mir einmal gesagt, einen unverzeihlichen Fluch könne man nur ausführen, wenn man ihn auch wirklich so meine.“
„Ja, zum Glück! Die Willenslenkung ist nur stark genug, wenn man eine passende Geisteshaltung hat (oder sich antrainiert!). Und bei schwarzmagischen Flüchen muss die Geisteshaltung naturgemÃ¤ß bösartiger Natur sein.“
Jetzt kam der nächste Knackpunkt: „Wenn man irgendeinen Spruch hört oder liest, ohne zu wissen, was der denn eigentlich tun soll …“
Vor Harrys geistigem Auge liefen Filme ab: Ron - mit dem Fuß wie an einem Haken hängend über seinem Bett in Hogwarts, während die Freunde brüllend lachten; Draco - blutend in einer Toilette, während Snape versuchte, seine Wunden zu heilen. Der Halbblutprinz hatte Harry in seinem Buch einige schwarze Sprüche gelehrt, die er erst später in ihrer Wirkungsweise verstanden hatte.
Der alte Ministeriumszauberer zögerte: „Ja, der allgemeine Vorgang ist fest mit der Formel verknüpft, wenn der Erfinder ganze Arbeit geleistet hat. Genau das ist der Grund, warum wir Sprüche testen. Dabei kann sehr viel schief gehen.“
Jetzt sah Harry viel klarer, welche Schritte beim ,einfachen' Zaubern eine Rolle spielten. Die nächste Frage zielte jetzt in die Richtung der Zauber, die er für sich als ,wild' bezeichnete: „Kinder zaubern doch manchmal auch. Die kennen aber keine Sprüche und haben auch noch keinen Stab …!?“
Wilbert schaute Harry wissend an: „Ah, daher weht der Wind! Das ist dann reine Willenslenkung, heftig und unschuldig. Aber Erwachsene können das in der Regel nicht. Sie haben weder einen so starken Willen, noch sind sie unschuldig genug! Nur in Lebensgefahr gibt es Ausnahmen, dann erzeugt der Selbsterhaltungstrieb den notwendigen Willen.“
Harry holte zum letzten Wurf aus: „Kann man den Willen nicht trainieren? Hat das denn noch kein Zauberer versucht?“
„Oh bestimmt! Aber - abgesehen vielleicht von ein paar kleineren elementaren Bewegungszaubern - hingekriegt hat's noch keiner. Davon hätte ich gehört!“, war das abschließende Statement des Fachmanns.
Ein kleiner Tumult im Großraum vor seinem Büro riss Harry aus seinen Grübeleien. Eine graue Rauchwolke zeugte von einem Zauber-Missgeschick oder -Schabernack. In der Mitte einer Traube lachender Auroren stand sein alter Schulfreund Seamus mit gezücktem Zauberstab und einem schuldbewussten Grinsen.
„Aha, der Kollege Finnigan hat mal wieder sein beträchtliches Talent für Aufruhr und Zinnober bekundet!“, spottete Harry.
Seamus lachte verlegen: „Ach, Du bist's, Harry! Ich wollte dem Team nur meinen neuen Zauberstab vorführen!“
„Mit einer Explosion? Wieso hast Du denn überhaupt einen neuen Zauberstab?“ Harry wurde langsam misstrauisch.
„Den habe ich von Ollivander als Ersatz bekommen!“, sagte Seamus fröhlich. „Schau mal, echtes Rosenholz mit Kniesel-Schnurrhaar. Wie der glänzt!“
„Ja, Kniesel passt zu Dir, Seamus, aber Esel-Schwanz wäre wahrscheinlich noch passender gewesen! Was ist denn aus Deinem alten Stab geworden?“
„In der letzten Zeit hatte ich so ein paar Fehlzündungen …“
„So etwas wie gerade eben?“ fragte Harry süffisant.
„Nein, das war ein klitzekleiner Confringo, nur zu Testzwecken …“, gab Seamus zu.
Harry drohte ihm mit dem Zeigefinger: „Zurück zu den Fehlzündungen!“
„Ja, irgendwelche Versager; nichts wirklich Schlimmes. Aber es hat genervt. Daher bin ich zum Zauberstabmacher, um das gute Stück einmal untersuchen zu lassen. Dort scheint es aber ein Problem gegeben zu haben. Auf jeden Fall hat mich Ollivander freiwillig einen neuen Stab aussuchen lassen. Und der fühlt sich richtig gut an! Du hast ja gehört, was ich damit anrichten kann!“
Seamus schien sehr zufrieden zu sein, aber HARRY FÃœHLTE SICH WIEDER AN SEINEN TRAUM ERINNERT.
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