Wiedersehen im Tropfendem Kessel [Leaky Cauldron Reunion]
Der Sommer der Zauberer blieb ruhig. Ginny versuchte beim Tagespropheten unauffällig ihre Reporter-Kollegen auszuhorchen, Hermine sprach den harten Kern der alten Schüler-AG zum Erlernen magischer Verteidigungsmethoden an und erinnerte an die Proteus-Galleone. Voller Begeisterung hatte Luna ihre Münze sofort parat gehabt.
Die DA, eigentlich ,Defensiv-Allianz' oder später ,Dumbledores Armee', hatte bei der Befreiung von Voldemort eine wichtige Rolle gespielt. Ihre größten Leistungen waren der Kampf im Ministerium, der Widerstand in der Schule und die Teilnahme an der Schlacht von Hogwarts gewesen. Es hatte schreckliche Verluste gegeben, aber die verbliebenen Mitglieder waren Freunde fürs Leben geblieben.
Sie hatten sich im Tropfenden Kessel zu einem Stammtisch verabredet. Hannah und Neville übernahmen gerne die Rolle der Gastgeber und stellten in einem Nebenraum Tische zusammen. Luna brachte ihren Mann Rolf mit, den die meisten schon von verschiedenen Gelegenheiten kannten. Mit ihrem Wissen über die Natur waren die Scamanders natürlich hochwillkommen. George bedauerte, dass Angelina beschäftigt war, wurde aber von seinem besten Freund Lee begleitet, der inzwischen den magischen Rundfunk revolutioniert hatte.
Die Potters waren spät, da Harry noch etwas im Ministerium erledigen musste. Die Stimmung war bestens, als sie die letzten freien Plätze neben George besetzten. Ron schwärmte gerade davon, wie er das Auto nach Muggelart her kutschiert hatte; Hermine verdrehte mal wieder die Augen. Lee gab eben eine Radio-Anekdote zum Besten, als an der Tür zum Gastraum ein kleiner Tumult entstand. Hannah musste einen weiteren Gast hereinziehen, der durch eine ungeschickte Bewegung in der Tür hängengeblieben war. Ein weiter Mantel aus Maulwurfsfell, wilde Haare und muntere Käferaugen ließen keinen Zweifel daran, wer der Neuankömmling war. Aus den begeisterten Rufen stach Rons Stimme heraus: „Hagrid, du altes Haus, was machen die Monster?“
Die Runde machte rasch Platz, damit sich Hagrid am Tisch niederlassen konnte. Hannah holte einen verstärkten Stuhl und einen Literhumpen mit Met.
„Ihr Kinner habt doch schon wieder was vor, das Euch nie nix angeht!“, vermutete der Halbriese.
„Wie kommst Du denn darauf, Hagrid? Wir sind doch alle gaanz harmlos. Und ,Kinner' sind wir auch nicht mehr!“, verteidigte sich Ron. „Wer hat Dich denn überhaupt eingeladen?“
„Nu' mal langsam! Ich lass Dich gleich 'ne Strafarbeit schreiben!“ frotzelte der Riese in seiner Rolle als Lehrer.
Harry freute sich: „Hat Neville Dir Bescheid gesagt?“
„Jo, hat er! Hast Du Schwierigkeiten?“
„Das würde uns auch interessieren!“, fielen die anderen ein.
Jetzt musste Harry wohl oder übel Farbe bekennen. Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
„Eigentlich wollte ich nur ein Met mit Euch trinken und an alte Zeiten denken!“ Er erzeugte mit dieser Eröffnung nur ein müdes Lachen: „Wo ihr aber zufällig hier seid, kann ich Euch ja mal fragen, ob Ihr in letzter Zeit einmal etwas von Vorfällen mit Zauberstäben gehört oder gesehen habt?“
Es wurde sehr schnell ruhig in der Runde. Mit so einer Frage hatte keiner gerechnet.
„Nie nicht! Aber mein Schirm …“, Hagrid schlug sich auf den Mund. Jetzt schmunzelten die DA-Mitglieder. Es war ein offenes Geheimnis, dass er seinen alten Zauberstab in dem Schirm versteckt hatte.
„Ist Dein Schirm kaputt?“, hakte Harry nach.
„Nö, nich' richtig. Aber da war'n so'n paar Mucken …“, gab Hagrid zu. „Geht jetz' wieder!“
Harry wandte sich wieder der Runde zu: „Sonst noch jemand?“ Als die Meisten den Kopf schüttelten oder irgendwelche Verneinungen murmelten, seufzte er „Merlin sei Dank!“.
„Was ist denn bloß los?“, erkundigte sich Lee. Harry sah ihn direkt an: „Nichts von dem, was ich Euch jetzt erzähle, ist für die Öffentlichkeit gedacht, auch nicht für das Radio!“
„Klar doch!“
„Ich sehe ein Problem auf die Zauberer zukommen, das für die Auroren noch nicht konkret genug ist, wo ich aber Rat und Tat gebrauchen kann. Ich konnte Kingsley daher überzeugen, die DA aufleben zu lassen!“
Er sah sich im Kreis um. „Seid Ihr dabei?“
Freudiges Erstaunen war auf allen Gesichtern zu sehen; Hagrid schlug begeistert mit der Hand auf den Tisch und verursachte damit mehrere Met-Seen, die Hannah mit einem Schlenkern ihres Zauberstabs (,Evanesco!') zum Verschwinden brachte.
Hermine zückte einen Federkiel und ein Pergament: „Ich finde, wir sollten hier alle unterschreiben …“
„Willst Du uns mal wieder einen Pickelzauber aufhalsen?“, George konnte sich noch gut an das Gesicht von Miss Edgecomb erinnern.
„Das würde ich doch nie tun“, versicherte Hermine mit einem etwas scheinheiligen Gesichtsausdruck, „aber es würde dem Ganzen etwas Gewicht verleihen …!“
„Ach, gib schon her!“, George zerrte das Pergament zu sich, unterschrieb gut gelaunt und gab es in der Runde weiter. Mit einem verhaltenen Lachen quittierten auch die anderen Hermines kleines Attentat, ohne mit der Wimper zu zucken.
Harry begann jetzt ernsthaft, sein Problem offenzulegen. Er erzählte kurz die Vorgeschichte und schilderte die bekannten Zauberstab-Versager, ohne aber auf die mögliche Kobold-Verwicklung einzugehen. Heute wollte er sich auf die Fehlzündungen konzentrieren.
Lee schaute Ginny an: „Beim Radio hört man ja so Einiges. Ein paar Geschichten dieser Art kamen schon zur Sprache. Was sagt die Zeitung?“
„Ja, auch da wird gemunkelt, aber eigentlich nur Spott für die Betroffenen!“
George und Ron sahen sich an und nickten kurz: „Auch bei den Jux-Zauberstäben hatten wir so unsere Scherereien!“
Die wie immer etwas verträumt klingende Luna brachte es mal wieder auf den Punkt: „Harry, Du glaubst, dass jemand oder etwas die Zauberstäbe absichtlich zerfrisst!“
„Ja, so sieht das für mich aus! Gibt es irgendwelche Wesen, die einem Zauberstab so etwas antun können?“
Der Halbriese schaute Harry böse an: „Ja, hab' ich Dir denn gar nix beigebracht? Es gibt welche Kreaturen, die fressen …“
„Wenn Du Kizpurfel meinst, darüber haben wir schon mit Hermine gesprochen.“
„Ah, gut! Unsere Hermine weiß alles!“ Hagrid sank befriedigt auf seinen Stuhl.
„Kizpurfeln brauchen aber mehrere Tage, um sich durch einen Stab zum magischen Kern durchzufressen“, stellte der große Naturforscher Rolf Scamander klar, „und sie sind nicht unsichtbar. Sie fressen sich so dick, dass sie mit bloßem Auge zu erkennen sind. Ein Experte wie Mr. Ollivander hätte einen Befall sofort erkannt!“
„Nargel und Schnarchkackler kommen auch nicht in Frage. Sie …“, das war natürlich Luna. Einige verdrehten die Augen, aber Harry wusste, dass sie das nicht mehr ernst meinte.
„Was ist bei Dir, Neville? Hast Du eine Erklärung?"
„Die Kräuterkunde, die ich in Hogwarts lehre, kennt so etwas nicht. Aber vielleicht die Muggel?“
Hermine konnte sich nicht zurückhalten: „Der Gemeine Hausschwamm!“ Sie wurde beim aufkommenden Gelächter rot und fuhr trotzig fort: „Das ist ein Pilz! Der richtet in der Muggelwelt große Schäden an. Das Holz, dass er befallen hat, verhält sich genau wie die zerstörten Zauberstäbe!“
Rolf und Luna schauten sich kurz an. Luna erklärte: „Als wir letztes Jahr eine Expedition auf das Festland unternommen haben, haben uns die Muggel dort von allerlei Schädlingen erzählt. Die brauchen aber Monate oder Jahre, nicht ein paar Minuten!“
„Ja, das stimmt“, Hermine nahm den Faden auf, „aber die Muggel beherrschen inzwischen eine Menge Tricks. Ich habe von Enzymen und Gentechnik und so gehört. Damit ist allerhand möglich!“
Die Experten der Zauberwelt schauten sich ratlos an: „Davon verstehen wir nichts. Sind das Zaubertränke?“
„Schon irgendwie ähnlich!“, meinte Hermine. „Da brauchen wir wohl Spezialisten aus der Muggelwelt. Die heißen Biologen, Chemiker, Gentechniker - also auf jeden Fall Wissenschaftler! Vielleicht kann ich über meine Eltern jemand ausfindig machen. Zur Not müssen wir den Minister bitten, offiziell über die Downing Street …“
Das ging Harry nun doch zu weit. Er fand es an der Zeit, mal etwas querzudenken: „Sag mal, Hagrid! Hast Du eigentlich in letzter Zeit mal wieder etwas Neues ausgebrütet? So etwas wie Chamäleon-Kizpurfel, gemeine Schwamm-Kröter oder Drachenpilze?“
Hagrid blickte etwas verlegen auf den Tisch: „Nee, ich doch nich'! Is' aber 'ne gute Idee! Hab' mal über Thestragreife nachgedacht. Aber die fressen Fleisch, kein Holz! Können bestimmt gut für sich selbst sorgen …“
„Hagrid, Dein Monsterfimmel in Ehren! Wir suchen hier was sehr Kleines oder Unsichtbares!“
„Nu', vor ein paar Wochen hab' ich im Eberkopf mit jemand 'n paar Schlückchen genommen“, Hagrid kramte in den Falten seines Gedächtnisses.
„Lass mich raten“, stöhnte Harry. „Der war unter einem Umhang mit Kapuze verborgen, und Ab hat ihn auch nicht erkannt!“
„Woher weißt Du das denn? Er war auf jeden Fall klein. Könnte 'n Zwerg oder so gewesen sein. Hat mich gefragt, ob ich ihm einen Kizpurfel-Stock besorge, mit Königin und allem Drum und Dran.“
„Und, hast Du?“
„Nee, die kleinen Dinger fass' ich nich' an. Mag ich nich', krabbelt so,“ Hagrid schüttelte sich, „hab' ihm aber gesagt, dass die kleine Agatha Timms immer mal so kleines Kroppzeug züchtet, seit sie wege'm Ludo mit ihrer Aalfarm pleite gegangen ist. Weiß' nicht, ob das wichtig is'.“
„Der war klein wie ein Zwerg? Hatte der denn auch einen langen Bart?“
„Glaub' nicht, eher kurz, vielleicht mit 'nem irischen Einschlag. Aber für 'n Leprechaun zu groß, war vielleicht doch 'n Kobold. Bisschen grantig“, Hagrids Aussage elektrisierte Harry, „aber Du könntest Agatha fragen! Die riecht Kobolde drei Meilen gegen den Wind, seit Ludo ihr damals nach der Quidditch-WM die Bande auf den Hals gehetzt hat.“
„Was ist mit Kobolden? Sind die irgendwie beteiligt?“, George hatte Harrys Reaktion mitbekommen.
Der hielt sich aber zurück: „Ich weiß noch nicht, aber es gibt ein paar komische Querverbindungen. Aber mit Zauberstäben haben Magische Geschöpfe normalerweise nichts am Hut. Die Abteilung zur deren Führung und Aufsicht hat alles im Gesetz zum Gebrauch des Zauberstabs [Code of Wand Use] geregelt, hat mir Percy geschrieben.“
„Percy! Der Amtsschimmel braucht wohl wieder Futter!“, spottete George gutmütig.
„Mit Deinem Bruder Bill stehe ich auch schon in Verbindung.“
„Der kennt sich wenigstens mit Kobolden aus!“
„Eben!“, Harry beendete diesen Punkt, indem er bei Hannah eine Runde Ogdens Old Firewhiskey für alle bestellte.
Er hob das Glas: „Ich möchte auf die DA einen Toast ausbringen: Auf die Rumtreiber, den Phönix-Orden und auf die DA!
Auf die PATENTEN PENETRANTEN PROBLEMLÖSER!“
[To the Smart Sophisticated Solvers!]
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