von marie29
"Daddy!" Katies panischer Aufschrei löste die Erstarrung der anderen. Harry blickte Remus an. "Portschlüssel!" Remus schluckte schwer. "Keiner von den Dreien hätte das hingekriegt." Tonks, die noch immer im Sand saß, war kreidebleich und griff nach Remus Hand. "Teddy!", flüsterte sie und das Entsetzen in ihrer Stimme ließ alle erschaudern. Albus stützte Marie, die aussah, als würde sie jeden Moment zu Boden stürzen. Ihre Hände umklammerten das Paket so krampfhaft, dass das Papier einriss. Was ihre Hände darunter berührten, kannte sie so gut, als wäre es ein Teil ihres eigenen Körpers und mit einem gequälten Laut verlor sie die Besinnung.
Etwas tropfte in ihren Mund, grässlich schmeckte das Zeug, aber ihre Kraft kam zurück - und die Erinnerung. Severus! Ari! Sie fuhr hoch. Die beiden waren in Gefahr und sie ließ sich so gehen! Hermine saß neben ihr. "Geht’s wieder?" Marie hörte gar nicht hin. "Haben sie schon irgendwas gefunden, irgendeine Spur?" Ohne auf Hermines Antwort zu warten, stürzte sie nach draußen. "Harry!", kämpferisch klang ihre Stimme, entschlossen. "Was haben wir?"
Der Anblick von Aris zum Zopf geflochtenem Haar, das zwischen Harry, Ron, Remus und Tonks auf dem weichen Sand lag, raubte ihr für einen Moment die Fassung. Sie stützte sich kurz auf Harrys Schulter, dann ließ sie sich auf die Knie sinken und zog vorsichtig ein einzelnes Haar heraus. Plötzlich stutzte sie und ihre Augen weiteten sich. "Er ist verkehrt herum geflochten." Alle starrten sie an.
Tonks bleiches teilnahmsloses Gesicht erwachte zum Leben. "Du meinst, sie wollte uns irgendwas damit sagen?" Aber Marie hatte bereits begonnen, das Band zu lösen und die Haare auszubreiten. Sie sahen es sofort, das lange weißblonde Haar, das Ari so geschickt versteckt hatte und Marie wusste schlagartig, was es zu bedeuten hatte. "Malfoy!", keuchte sie und begann am ganzen Leib zu zittern. Die Kraft, mit der dieser Mann Severus hasste, war unvorstellbar. Er war zu allem fähig.
"Lucius Malfoy ist tot.", sagten Harry und Remus gleichzeitig. "Er ist bereits vor Jahren gestorben.", fügte Harry hinzu. "In Askaban, wie die meisten anderen Todesser auch." Marie biss sich so fest auf die Lippen, dass sie bluteten. Der Schmerz brachte sie wieder zur Besinnung. Sie war es, für die dieses Haar bestimmt war. Es sollte ihr den Weg zu Ari und Severus weisen. Sie nahm die zwei Haare, das eine schwarz, das andere fast weiß und stand auf.
"Ich hab das schon sehr lange nicht mehr gemacht. Harry, hilfst du mir?" Plötzlich fiel ihr etwas ein. "Wo sind die Kinder?" "Hagrid bringt sie nach Hogwarts und kommt dann mit der Kutsche zurück. Wo immer wir hin müssen, die Beauxbotton-Pferde sind wohl die schnellste Transportmöglichkeit." Ein erleichterter Seufzer entfuhr Marie. In Hogwarts konnte ihnen nichts geschehen und Albus würde sich um Katie kümmern.
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In dem Moment, in dem Severus die Hand hob, um der kleinen Eule über den Kopf zu streichen, glaubte er, laut und deutlich Aris panische Stimme zu hören. "Fass sie nicht an, Daddy!", aber da war es schon geschehen. Ein Sog erfasste ihn und riss ihn von den Füßen. Seine Finger klebten unlösbar am Gefieder des Kauzes. Er zog ihn mit sich und er wusste, etwas Schreckliches würde geschehen. Auf das Grauen jedoch, das ihn erwartete, war er nicht vorbereitet.
Er wirbelte durch die Luft, viel länger als jemals zuvor, konnte keinen klaren Gedanken fassen, außer dem Einen: Ari war in Gefahr! So deutlich spürte er es, als schrie sie um Hilfe, flehe ihn an, sie zu retten. Die grauenvolle Angst, die ihn erfasste, lähmte seinen Körper und seinen Geist. Nie zuvor hatte er sich so hilflos gefühlt, so völlig fremden Mächten ausgeliefert. Was war nur geschehen?
Stunden vergingen, so schien ihm, bis Lucinda endlich langsamer wurde. Sein Körper war vollkommen steif. Der Zauberstab, den er sofort gepackt hatte, als er begriff, was geschehen war, hing nutzlos in seinen tauben Fingern. Völlige Dunkelheit umfing ihn. Und dann - eine Stimme, wie aus einem Grab, schmeichlerisch und leise: "Expelliarmus!" Sein Zauberstab flog ihm aus der Hand und derjenige, der ihn auffing und gleichzeitig den seinen auf Severus richtete, musste wahrhaft ein Geist sein, denn er war bereits vor Jahren gestorben.
In der Schwärze des Kellers, in dem sie sich befanden, leuchtete sein bleiches Gesicht mit den weißblonden Haaren wie der Vollmond am Nachthimmel. Ausgemergelt war es, totenkopfgleich, doch die Augen funkelten voller Leben und Hass. "Wie nett von dir, mich zu besuchen, alter Freund! Hattest du eine angenehme Reise?" Seine Stimme klang, als benutze er sie nur selten, rau, fast eingerostet. Severus eigene drohte zu versagen, als er fragte: "Was hast du mit meiner Tochter gemacht?"
Lucius lächelte, beinahe liebevoll. "Wirklich ein reizendes Mädchen, und so unschuldig, nicht wahr?"
Die Worte ließen Severus das Blut in den Adern gefrieren. "Du Teufel, lass sie in Frieden, jetzt hast du ja mich!" Nachdenklich nickte Malfoy. "Allerdings, allerdings! Ich habe dich, genau wie geplant. Aber keine Angst, mein Freund. Ich hab deiner Tochter kein Leid zugefügt." Er trat näher an Severus heran. Seine grauen Augen bohrten sich in die schwarzen. "Weißt du - das überlasse ich dir!" Sein Imperiusfluch traf Snape mitten in die Brust. "Aber zuerst möchte ich, dass du mich gebührend begrüßt."
Severus Körper fiel vor Malfoy auf die Knie und seine Lippen küssten dessen knochige Hände. "Na, großer Meister, erkennst du den Unterschied? Ich habe lange daran gefeilt, musst du wissen." Erwartungsvoll blickte er auf den knienden Mann vor sich nieder. Oh ja, Severus hatte es sofort bemerkt. Seine Gefühle waren noch seine eigenen, doch sein Körper gehorchte Malfoy aufs Wort. Panik erfasste ihn. "Das überlass ich dir", hatte er gesagt und plötzlich wusste er, was Lucius vorhatte. "Nein, bitte, nein - nicht Ari!" Alles in ihm schrie Malfoy die Worte entgegen, doch sein Mund blieb stumm, nur seine Augen füllten sich mit Tränen.
"Aber doch nicht jetzt schon!" Lucius Finger fingen einen Tropfen auf. "Du wirst doch nicht jetzt schon schwach werden! Was ist nur aus dir geworden?" Er schüttelte ungläubig den Kopf. "Es eilt nicht, weißt du. Ich lasse dir noch etwas Zeit, dich an den Gedanken zu gewöhnen, dass du selbst es sein wirst, der seine hübsche kleine Tochter foltert, solange bis sie stirbt." Der Triumph ließ seine Augen hell erstrahlen. Ein glückseliger Ausdruck lag auf seinem Gesicht, genießerisch leckte seine Zunge über die spröden rauen Lippen.
"Ich muss gestehen, ich selbst kann es kaum abwarten, dir dabei zuzusehen, aber Geduld ist etwas, das zu lernen ich in Askaban genügend Zeit hatte." Sein Zauber zog Severus in die Höhe und trieb ihn nach hinten an die Wand. Er fühlte die Fesseln, die sich ihm um Arme und Beine schlangen. Und dann war Malfoy verschwunden.
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Maries Lider schossen in die Höhe und die Qual in ihren Augen traf Harry wie ein Schlag. Sie starrte auf das helle Haar, als hätte sie nie zuvor etwas Grauenerregenderes gesehen und so war es auch. Malfoys Pläne, die unaussprechlichen Qualen, die er Ari und Severus zugedacht hatte, waren mehr, als Maries Geist zu ertragen vermochte. Er wollte fliehen, sich ins hinterste Eck ihres Körpers verkriechen und sterben.
Harrys Stimme hielt ihn zurück. "Hermine!", flüsterte Marie. Ihre Stimme hatte jegliche Kraft verloren. Harry sprang auf. Hermine träufelte den Alraunensaft vorsichtig auf Maries Lippen. Wieder war sie ohnmächtig geworden, lag zusammengekrümmt auf dem Boden, als Harry mit Hermine zurück kam. Sie schlug die Augen auf. Da war nur Verzweiflung und Schmerz. Ein krampfartiges Schluchzen beutelte ihren Körper und Tränen strömten über ihr Gesicht.
"Hast du nichts Stärkeres?" Hermine sah ihn an, zögerte. "Doch, aber nicht hier." Hufgetrappel war zu hören. Die Kutsche war zurück. Hermines Gesicht hellte sich auf. "Schnell Harry, hol die Tasche!" Aber Hagrid stand schon im Zelteingang und hielt eine kleine Damenhandtasche in seinen riesigen Pranken. "Ginny hat alles rein, was sie gefunden hat." Er starrte auf Maries zuckenden Körper und erbleichte. "Accio Hypericum!" "Mach schon!" Harry fuhr Hermine an, die das Fläschchen mit der schwarzen Flüssigkeit unschlüssig in der Hand hielt.
"Das ist ein Betäubungsmittel, ich darf es auf keinen Fall zu hoch dosieren. Höchstens einen Tropfen." "Spinnst du? Wir brauchen Marie wach. Wir müssen wissen, was sie gesehen hat!" Hermine warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Denkst du ich bin blöd. Das Zeug hier betäubt die Gefühle, nicht den Körper, aber ich hab´s noch nie verwendet." Harry sah sie eindringlich an. "Dann tu´s jetzt! Jede Sekunde zählt." Der Tropfen fiel auf Maries Zunge und hinterließ dort einen schwarzen Fleck. Die Wirkung war enorm. Marie setzte sich auf und sagte: "Holt die anderen!"
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